Musik und Gehirn

Mir ist auch noch eine Frage eingefallen. Nämlich: Warum ist alles Emotionale anstrengend für das Gehirn? Warum ist es z.b. anstrengender, ein Stück so zu spielen, dass man mit 100% Herzblut und Engagement dabei ist, aber weniger anstrengend, es etwas lascher und unengagierter zu denken (obwohl ein Zuhörer nicht sofort einen krassen Unterschied bemerkt!)?

@ Debbie:
Ich finde beide Möglichkeiten merkwürdig. Wenn ich eine Stelle nicht kann und sie übe, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ich übe sie so lange, bis ich mich sicher fühle. Dann kann ich sie und habe sie einige Male richtig gespielt - das wichtige ist aber, dass ich sie verstanden und verinnerlicht habe und weiß, dass sie jetzt klappt. Ich höre es also nicht nur von außen ("war ein paarmal richtig") sondern fühle es von innen.
Die andere Möglichkeit: Ich merke, dass die Stelle zu schwierig / komplex ist, um sie jetzt sofort mit einer Übeeinheit zu können. Das bedeutet, ich spühre, dass ich die Stelle noch nicht umfassend begreife und durchdringe; so sehr ich mich auch konzentriere, ich stocke noch oder denke in sehr vielen Miniatureinheiten, das "große Ganze" kann ich noch nicht fühlen. Dann weiß ich, dass ich eine Weile, vielleicht einen Tag warten muss, um später auf das bisher geübte aufzubauen. So kann ich in zwei, drei oder zur Not weiteren Übeeinheiten die Stelle erarbeiten.

So lang zu üben bis es schlechter wird ist Käse. Das bedeutet nur, dass man so lange übt, bis die Konzentration im Eimer ist und man nurmehr dahinschludert - was soll das bringen? Ich würde es eher anders herum sagen. Wenn es schlechter wird, ist es höchste Zeit, entweder wieder Aufmerksam zu sein oder eine Pause zu machen.
 
@ Debbie:
Ich finde beide Möglichkeiten merkwürdig. Wenn ich eine Stelle nicht kann und sie übe, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ich übe sie so lange, bis ich mich sicher fühle. Dann kann ich sie und habe sie einige Male richtig gespielt - das wichtige ist aber, dass ich sie verstanden und verinnerlicht habe und weiß, dass sie jetzt klappt....


Die andere Möglichkeit: Ich merke, dass die Stelle zu schwierig / komplex ist, um sie jetzt sofort mit einer Übeeinheit zu können. Das bedeutet, ich spühre, dass ich die Stelle noch nicht umfassend begreife und durchdringe; so sehr ich mich auch konzentriere, ich stocke noch oder denke in sehr vielen Miniatureinheiten, das "große Ganze" kann ich noch nicht fühlen. Dann weiß ich, dass ich eine Weile, vielleicht einen Tag warten muss, um später auf das bisher geübte aufzubauen. So kann ich in zwei, drei oder zur Not weiteren Übeeinheiten die Stelle erarbeiten.

Hallo stilblüte,

das sind aber zwei ganz verschiedene Gründe, nach einer Übeeinheit mit dem Üben aufzuhören:

1) erster Grund: es klappt jetzt, daher kann ich jetzt aufhören

2) zweiter Grund: es bringt jetzt nichts mehr, daher mache ich besser später weiter

Aber wie sich das Ganze im Gehirn und damit auf das Lernverhalten auswirkt ist noch nicht erklärt....

LG

Debbie digitalis
 
Selbstverständlich sind das zwei verschiedene Gründe! Aber das ist doch ganz leicht nachzuvollziehen -- Will ich (ich persönlich) eine Melodie auf Alle-meine-Entchen-Niveau üben, ist das für mich so leicht, dass ich es in einer einzelnen Übeeinheit schaffe. Die Aufgabe ist also einfach genug, als dass eine Portion Konzentration ausreicht, um sie zu erfüllen. Will ich aber eine fünfstimmige Trippelfuge lernen, erfordert das ein weitaus größeres Verständnis - und zwar ein so umfassendes, dass ich nicht alle zur Erarbeitung nötigen Einzelschritte in einem Lösen kann. Denn (primitiv vereinfacht) um von Schritt 1 zu Schritt 2 zu gelangen, wird Schritt 1 als mühelos beherrschte Grundlage vorausgesetzt. Schritt 1 ist aber schon so komplex, dass er zur Vertiefung eine Nacht Bearbeitungszeit benötigt. Also kann ich diese Fuge eben unmöglich an einem einzigen Tag oder in einer einzelnen Übeeinheit lernen...
 
Selbstverständlich sind das zwei verschiedene Gründe! Aber das ist doch ganz leicht nachzuvollziehen . Will ich aber eine fünfstimmige Trippelfuge lernen, erfordert das ein weitaus größeres Verständnis - und zwar ein so umfassendes, dass ich nicht alle zur Erarbeitung nötigen Einzelschritte in einem Lösen kann. Denn (primitiv vereinfacht) um von Schritt 1 zu Schritt 2 zu gelangen, wird Schritt 1 als mühelos beherrschte Grundlage vorausgesetzt. Schritt 1 ist aber schon so komplex, dass er zur Vertiefung eine Nacht Bearbeitungszeit benötigt. Also kann ich diese Fuge eben unmöglich an einem einzigen Tag oder in einer einzelnen Übeeinheit lernen...

Hallo Stilblüte,

damit hast du meine Frage aus deiner Erfahrung heraus eigentlich schon beantwortet! Es ging mir ja darum, wie das Erlernen von komplexen (und hier speziell musikalischen) Inhalten funktioniert! Du nimmst dir, so wie ich dich verstanden habe, komplexe Sachen in kleinen "Häppchen" vor, die eben nur so groß sind, dass du sie in einer Übeeinheit bewältigen kannst - und beendest das Üben dann, wenn ein solches kleines Häppchen gut klappt! Habe ich das richtig verstanden???

LG

Debbie digitlais
 
............................
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Debbie genauso ist es. Aber das steht doch hier im Forum auch schon hunderttausend mal - kleine Abschnitte üben, dann zusammensetzen, nicht zuviel auf einmal. Wenn ich den Zauberlehrling auswendig lernen will, lese ich mir das Gedicht nicht 20 Mal durch - das wird nicht viel nützen. Sondern ich lerne jede Strophe einzeln. Ich habe das als Schülerin tatsächlich gelernt. Die Strophen waren in zwei Spalten gedruckt. Von der linken Spalte habe ich jeden Tag eine Strophe gelernt, für die rechte Spalte war insgesamt nur noch ein Tag übrig. Dreimal darfst du raten - die linke Seite kann ich so ungefähr heute immer noch, von rechts ist kaum noch etwas übrig.

Beim Klavierspielen gibt es mMn verschiedene Ebenen, in denen man etwas zu lernen hat, unter anderem die motorische und die "geistige", die das musikalisch-strukturelle Verständnis betrifft. Je besser man wird, desto mehr verschiebt sich das in Richtung Verständnis. Angenommen, man könnte alles problemlos technisch spielen, braucht man trotzdem eine gewisse Zeit, um den Inhalt zu verstehen, zu durchdringen, verinerlichen, verselbstständigen, merken usw.
Um bei dem Beispiel zu bleiben - ich kann mir kaum vorstellen, dass es viele Klavierprofessoren gibt, die eine ausgesachsene Bachsche fünfstimmige Tripelfuge in der gleichen Zeit lernen könnten wie eine Chopinetüde. Die Chopinetüden sind fast alle leicht zu kapieren, normalerweise versteht man sie auf Anhieb.
Strukturell und Inhaltlich ist der Beispiel-Bach da viel komplexer, und das braucht eben Zeit.

So ähnlich ist das auch bei einfacheren Stücken - zum Motorischen kommt das Verständnis - bzw. ohne das Verständnis nützt die beste Technik nichts. Und dieses Verständnis setzt halt nicht immer sofort in vollem Umfang ein, wenn es um entsprechend komplizierte Sachverhalte geht. Vielleicht geht man vom Groben ins Feine oder anders herum - man setzt an einem Punkt an und baut darauf auf, bis man sich das Ganze erarbeitet hat.
 
Ich hätte auch vorhin fast was über notorisches Üben geschrieben... hihi... habs aber noch gemerkt.
 
Das ist wahr. Was ich aber meinte: Auch wer eine Liszt-Sonate problemlos spielen kann wird ums Denken, Verstehen und Ergründen in einer Bachfuge nicht herumkommen...Und wenn er sie nicht verstehen würde, würde ihm auch seine fulminante Technik zum Spielen der Fuge nicht das Geringste nützen.
 

Zurück
Top Bottom