meinen Schüler versetzt-Wiedergutmachen, wie?

  • Ersteller des Themas sweetchocolate
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Die Klavierlehrer aus meinem Freundeskreis bereiten sich praktisch gar nicht vor, meine KL wird wohl auch improvisieren, da sie ihr Fach als Hochschuldozentin so gut beherrscht, daß sie das auch nicht braucht. Der Unterricht ergibt sich aus meinen Unzulänglichkeiten eigentlich von selbst.
Ich sehe da auch keinen Grund, daß vorweg irgend ein besonderer Aufwand betrieben werden müsste. I c h muß mich vorbereiten, sonst ist es vergebene Liebesmüh .
;-);-)
LG Doc88
 
Entwaffnende Ehrlichkeit, Doc88.

Und interessant, wie locker-flockig Du das siehst.

Ich finde es beschämend, dass die "Klassik" - Klavierlehrer sich großteils so einen faulen Lenz machen.
Da wird ja nicht nur der Unterricht nicht vorbereitet und Türklinkenpädagogik betrieben, da ist die Stunde selbst ja auch meist irgendwas Routiniertes und Dahinimprovisiertes, entweder indem nach Stück 34 aus der Klavierschule als nächstes Stück 35 aufgegeben wird, oder indem schnell mal irgendein Klassikstück ausgesucht wird, das halbwegs passen könnte.

Wie ich schon mal hier schrieb: Ein Jazz-Pop-Rock-KL könnte sich mit so einer Einstellung einsargen lassen. Wir transkribieren, arrangieren, machen Übungszettel und Playalongs fertig, suchen Aufnahmen und Literatur raus, hören uns zugeschickte Aufnahmen von Schülern an etc. pp.
 
Wie ich schon mal hier schrieb: Ein Jazz-Pop-Rock-KL könnte sich mit so einer Einstellung einsargen lassen. Wir transkribieren, arrangieren, machen Übungszettel und Playalongs fertig, suchen Aufnahmen und Literatur raus, hören uns zugeschickte Aufnahmen von Schülern an etc. pp.

Nun gut, dafür musstet ihr Jazzer auch nie Scarbo und Pétrouchka üben. Die Zeit, die ihr da eingespart habt, könnt ihr im Leben nicht mehr für die Unterrichtsvorbereitung verdaddeln!

;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
@hasenbein Wie viele Schüler hast du denn und wie lange bereitest du den Unterricht jedes Schülers vor? Sieht die Entlohnung dann auch entsprechend aus? Irgendwie muss man ja überleben.

@Marlene Je fortgeschrittener der Schüler, desto weniger muss man normalerweise vorbereiten. Denn je besser der Schüler spielt, desto mehr liegt der Fokus auf der reinen Arbeit am Stück. Die ergibt sich aus dem, was der Schüler vorspielt. Da könnte die Vorbereitung höchstens darin liegen, das Stück kennenzulernen, etwas zu üben etc.
Wenn ein Schüler sehr jung ist und / oder Anfänger, muss man "engmaschiger" vorbereiten, kleinere Einheiten, abwechslungsreich, kurzweilig, viele Lerninhalte abdecken etc., es kommt noch wenig vom Schüler.
Ich kann mir nur wenige Professoren vorstellen, die jede Unterrichtsstunde ihrer Schüler planen (das ist sicher ein besseres Wort als "vorbereiten", denn vorbereitet sein kann man auch ohne Planung). Allerdings weiß ich von einer, dass sie Fingersätze oder Artikulationen vorbereitet. Und sicher wird man sich auch immer wieder im Kopf Ideen zurechtlegen, was ein Schüler als nächstes lernen soll - nicht (nur) auf eine Einzelstunde ausgelegt, sondern vor allem auch auf die mittelfristige bis lange Sicht.
Beispiele: Legato spielen, Pedalgebrauch, Durchsichtigkeit, tragender Ton, bestimmte Spieltechniken,............bis 100.
 
@hasenbein Wie viele Schüler hast du denn und wie lange bereitest du den Unterricht jedes Schülers vor? Sieht die Entlohnung dann auch entsprechend aus? Irgendwie muss man ja überleben.
Unterrichtsvorbereitung ist NORMALER TEIL des Unterrichts.
Kein Anlass, rumzuquaken "Waaas, vorbereiten? Krieg ich denn auch dementsprechend Geld??" (Deine Frage lässt tief blicken, Stilblüte...)

Bei TVöD-Verträgen z.B. ist es so, dass für Musikschullehrer deswegen die berechnete "Arbeitsstunde" nicht wie bei anderen Angestellten des öffentlichen Dienstes 60 Minuten Unterricht am Schüler, sondern nur 45 Minuten beträgt, weil ausdrücklich zusätzlich 15 Minuten Vor- und Nachbereitungszeit mit eingerechnet sind.

Die "Klassik"-Lehrer sagen natürlich einfach "Ja, ich muss ja schließlich selber üben, damit ist diese Zeit ja schon abgegolten."
Augenwischerei. Unterrichtsstücke üben die ja nicht. Die packen ihre Tasche mit der Wurststulle und der Thermoskanne, latschen zum Unterricht, ziehen den durch, gehen nach Hause, Ende.

Natürlich muss man nicht jede Woche für jeden Schüler etwas vorbereiten; bei mir sieht es so aus, dass ich z.B. in einer Woche auch mal in 20 Minuten mit der gesamten Unterrichtsvorbereitung durch bin, in einer anderen Woche kann es aber auch sein, dass ich einen ganzen Vormittag dafür verballern muss.

Junge Lehrkräfte, die noch nicht lange unterrichten, müssten sich im übrigen noch erheblich mehr vorbereiten - um Repertoire zu sichten, sich mit methodisch-didaktischen Fragen beschäftigen (die Hochschule bereitet ja nur extrem unzureichend auf die tatsächliche Praxis vor) usw.
Dies geschieht aber nicht; gerade im jungen Alter herrscht oft noch die Hoffnung, nicht so viel unterrichten zu müssen, man hat noch mehr Auftritte als im späteren Alter und übt deshalb lieber viel statt sich dem Unterricht zu widmen etc.
Und das ist ein wesentlicher Grund, warum die Masse der KL schlecht ist. Natürlich gibt es die pädagogisch Unbegabten, die Sowieso-Schlecht-Spieler und Sowieso-keine-Ahnung-Haber und Nixmerker, die sozial Inkompetenten, keine Frage; aber man muss das Massenphänomen klar benennen, dass der junge KL irgendwie anfängt, irgendwie türklinkenmäßig und nicht/schlecht vorbereitet zu unterrichten, und sich auf diese Art durch sein ganzes KL-Leben wurschtelt.

Ihr sprecht dann noch die langjährig erfahrenen KL an, die z.B. sogar an einer Hochschule tätig sind. Auf Schüler oder auch auf so manche Kollegen mag es beeindruckend und als ein Zeichen ausgefuchster Kompetenz rüberkommen, wenn der Lehrer immer gleich für jede Unterrichtssituation gleich die passende Übung, die passende Vorgehensweise, das passende Stück parat hat - oft genug bedeutet es jedoch nichts anderes, als dass der betreffende Lehrer nicht mehr dazulernt und sich nicht mehr hinterfragt und die Situation auch nicht wirklich differenziert wahrnimmt, sondern in bequemen Standardroutinen und Standardrezepten erstarrt ist.

Schließlich gibt es noch die beliebte Ausrede: Jaaaa, aber ich habe einen Vollzeit-Vertrag an der Musikschule, ich könnte gar nicht auch noch alles ausführlich vorbereiten.
Dazu sage ich nur: Lieber Schüler, gehe niemals zu einem KL, der 4 oder 5 Tage in der Woche volle Pulle unterrichtet! Die Wahrscheinlichkeit, dass Du nur abgefertigt wirst und keine vernünftige Pädagogik stattfindet, ist riesig.

Ähnlich ist es mit Gründen wie: "Jaaa, ich habe außerdem noch 2 kleine Kinder". Ich sehe ein, liebe KL, dass das alles blöd und stressig ist für Dich, aber sieh der Tatsache ins Auge, dass Du Deinen Beruf nur unzureichend ausübst, wenn Du deshalb unvorbereiteten Routineunterricht gibst, und rede es Dir bitte nicht mit scheinbar guten Gründen schön.

LG,
Hasenbein
 
Danke für den Tipp!

Einen Lehrer, der aber nur 3 Tage volle Pulle unterrichtet, wird man aber selten finden, da diese Spezies schon lange verhungert sind. Ebenso die Lehrer, die die gleiche Stundenzahl auf 4 oder 5 Tage unterrichten.

Ausnahmen kenne ich nur, wenn es sich um weibliche gut verheiratete und versorgte Ehefrauen handelt.
 
Im Klassikbereich, wo die Pianisten alle keine Auftritte haben, mag das so sein.
Im Jazz-Pop-Rock-Bereich hingegen unterrichten ausübende Künstler :party:

Wie gesagt, kann man so machen (5 Tage unterrichten, keine Vorbereitung), aber dann isses halt Scheiße.
 
Im Klassikbereich, wo die Pianisten alle keine Auftritte haben, mag das so sein.

Muss es aber nicht. Viele Klavierlehrer sind ja auch keine reinen Klassiker und haben auch viele Auftritte in diversen Bereichen. Wie die im Jazz-Pop-Bereich auch. Das mischt sich doch mittlerweile alles. Ich kenne viele studierte Jazzer, die z.B. Blasmusik spielen und studierte Klassiker, die nur Jazz machen. Aber das weisst du ja sicher.

Im Jazz-Pop-Rock-Bereich hingegen unterrichten ausübende Künstler :party:

Ja, das ist im Klassik Bereich auch manchmal so und viele von den Jazzern spielen dann fast nur auf Hochzeiten, da sie nicht genügend Schüler für 3 Tage Unterricht bekommen.

Wie gesagt, kann man so machen (5 Tage unterrichten, keine Vorbereitung), aber dann isses halt Scheiße.

Machen kann man vieles: Mann kann auch 5 Tage unterrichten mit Vorbereitung und 3 Tage ohne


Sagt der Arzt zum Jazzmusiker: Ich habe eine sehr schlechte Nachricht für Sie: Sie haben nur noch 6 Monate zu leben. Der Jazzmusiker: Von was?
 

Das habe ich anders empfunden, deshalb mein Like. Ich dachte Doc88 wollte mich dabei unterstützen eine Antwort zu bekommen.

Und sicher wird man sich auch immer wieder im Kopf Ideen zurechtlegen, was ein Schüler als nächstes lernen soll - nicht (nur) auf eine Einzelstunde ausgelegt, sondern vor allem auch auf die mittelfristige bis lange Sicht.

Dass die Auswahl der Stücke Vorbereitung erfordert kann ich nachvollziehen. Denn dabei müssen ja nicht nur pianistische Fähigkeiten, sondern möglicherweise auch physische Beeinträchtigungen berücksichtigt werden.
 
Kein Anlass, rumzuquaken "Waaas, vorbereiten? Krieg ich denn auch dementsprechend Geld??" (Deine Frage lässt tief blicken, Stilblüte...)
Wenn du wirklich nur meine Frage gelesen und beantwortet hättest, würdest du nicht so einen (für mich) merkwürdigen Quatsch schreiben. Aber das ist eine Fähigkeit, die viele Leute leider nie gelernt haben... Es schwingt fast immer automatisch eine Bewertung, Verurteilung oder ein Ratschlag mit. Selbiges kannst du mir gerne jeder Zeit ungefragt geben, aber bitte gekennzeichnet als ebensolche und getrennt von der Antwort, falls du denn eine geben möchtest. Du weißt ja gar nicht, warum ich das überhaupt gefragt habe, und ich finde deine Verquerung meiner Frage ziemlich dreist und unverschämt.

In der Tat lässt meine Einstellung zur Unterrichtsvorbereitung tief blicken, wenn auch nicht in die Richtung, die du oben andeutest - denn aufgrund der Demonstration selbiger habe ich in den USA mit 25 meinen ersten Lehrauftrag an einer Uni angeboten bekommen, welchen ich jetzt bis zum Ende meines Studiums innehabe. Da ich eine Gruppe unterrichte und Gruppenunterricht genauere Vorbereitung benötigt als Einzelunterricht, kostet mich die Vorbereitung pro Unterricht jedes Mal etwa eine Stunde Zeit (Unterrichtszeit 50 Minuten).
 

Und das ist ein wesentlicher Grund, warum die Masse der KL schlecht ist. Natürlich gibt es die pädagogisch Unbegabten, die Sowieso-Schlecht-Spieler und Sowieso-keine-Ahnung-Haber und Nixmerker, die sozial Inkompetenten, keine Frage; aber man muss das Massenphänomen klar benennen, dass der junge KL irgendwie anfängt, irgendwie türklinkenmäßig und nicht/schlecht vorbereitet zu unterrichten, und sich auf diese Art durch sein ganzes KL-Leben wurschtelt.

Ihr sprecht dann noch die langjährig erfahrenen KL an, die z.B. sogar an einer Hochschule tätig sind. Auf Schüler oder auch auf so manche Kollegen mag es beeindruckend und als ein Zeichen ausgefuchster Kompetenz rüberkommen, wenn der Lehrer immer gleich für jede Unterrichtssituation gleich die passende Übung, die passende Vorgehensweise, das passende Stück parat hat - oft genug bedeutet es jedoch nichts anderes, als dass der betreffende Lehrer nicht mehr dazulernt und sich nicht mehr hinterfragt und die Situation auch nicht wirklich differenziert wahrnimmt, sondern in bequemen Standardroutinen und Standardrezepten erstarrt ist.

Schließlich gibt es noch die beliebte Ausrede: Jaaaa, aber ich habe einen Vollzeit-Vertrag an der Musikschule, ich könnte gar nicht auch noch alles ausführlich vorbereiten.
Dazu sage ich nur: Lieber Schüler, gehe niemals zu einem KL, der 4 oder 5 Tage in der Woche volle Pulle unterrichtet! Die Wahrscheinlichkeit, dass Du nur abgefertigt wirst und keine vernünftige Pädagogik stattfindet, ist riesig.

Ähnlich ist es mit Gründen wie: "Jaaa, ich habe außerdem noch 2 kleine Kinder". Ich sehe ein, liebe KL, dass das alles blöd und stressig ist für Dich, aber sieh der Tatsache ins Auge, dass Du Deinen Beruf nur unzureichend ausübst, wenn Du deshalb unvorbereiteten Routineunterricht gibst, und rede es Dir bitte nicht mit scheinbar guten Gründen schön.

L
Hasenbein

Ich kann angesichts dieser Bestandaufnahme nicht umhin, einen Blick in die düstere Zukunft zu werfen. Wir steuern auf die absolute Bildungskatastrophe im Bereich des Klavierunterrichts zu.
Spätestens im Jahre 2030 liegt der gesamte Klavier-Unterricht in Deutschland darnieder; mit den ganzen Konsequenzen für den Musikalienhandel, die Klavierhäuser, die Notenindustrie ... Und wer schreibt nun analog zu Georg Picht* das passende Buch dazu?? ;-)

(*Dessen Frau übrigens Pianistin war - dies sei jedoch nur am Rande bemerkt, ist offtopic.)
 
So rein praktisch gesehen ist es mir als Schüler eigentlich ziemlich egal, ob sich mein KL nun 5 Minuten oder zwei Stunden vorbereitet. Relevant ist für mich nur, ob er mir die Sachen sagt, die mich weiterbringen.

Da mir aber (zum Glück) die Daten fehlen um zu beurteilen, ob ich schnell oder langsam Fortschritte mache und ob die Hinweise meines KLs tatsächlich zielführend sind oder nicht, ist das Ganze in der Beurteilung ziemlich subjektiv. Damit meine ich, dass ich schon zufrieden bin, wenn ich glaube, dass ich Fortschritte mache :)

Was ich allerdings nicht gut verzeihe ist, wenn ich in einer Stunde Fragen stelle, die nicht beantwortet werden können und auch in (einer) der nächsten Stunden keine Antwort erhalte...
 
Wie ich schon mal hier schrieb: Ein Jazz-Pop-Rock-KL könnte sich mit so einer Einstellung einsargen lassen. Wir transkribieren, arrangieren, machen Übungszettel und Playalongs fertig, suchen Aufnahmen und Literatur raus, hören uns zugeschickte Aufnahmen von Schülern an etc. pp.

Mei Hasi, jetzt muß ich doch ein wenig schmunzeln - erinnert mich an einen Kollegen welcher zu Kunden meinte, "er müsse sich auf die schwierige Kunst des Klavierstimmens beim Kunden gründlich vorbereiten, dies würde auch den Preis rechtfertigen"
Freilich muß der KL auch Unterrichtsmaterial vorbereiten, und auch der Klavierstimmer muß sich vorbereiten - wie kommt er pünktlich beim Kunden an, ohne sich drei mal zu verfahren, ist das EC Kartengerät aufgeladen, hat er für den Notfall die notwendigen Materialien einstecken, oder müssen sie noch beschafft werden....und so weiter. Aber des bringen doch die Berufe mit sich, und man macht des mal so ganz nebenher noch bevor man mit der eigendlichen Arbeit begonnen hat. ;-)

LG
Henry
 
Ich kann angesichts dieser Bestandaufnahme nicht umhin, einen Blick in die düstere Zukunft zu werfen. Wir steuern auf die absolute Bildungskatastrophe im Bereich des Klavierunterrichts zu.
Spätestens im Jahre 2030 liegt der gesamte Klavier-Unterricht in Deutschland darnieder; mit den ganzen Konsequenzen für den Musikalienhandel, die Klavierhäuser, die Notenindustrie ...
Gut möglich, dass der sogenannte Hobby-Bereich mal wirklich so "den Bach runtergehen" könnte. Ähnliche Wahrnehmungen kenne ich aus dem (Laien-)Chorwesen - warum soll es beim instrumentalen Musizieren anders sein? Ich habe den Eindruck, dass das Musizieren keineswegs komplett aussterben dürfte - wohl aber, dass die Distanz zwischen Aktivität und Passivität immer größer wird: Immer mehr professionales Engagement bei den Interessierten, die nichts weniger wollen als zumindest damit Geld zu verdienen einerseits und totales Desinteresse andererseits beim kompletten Rest der Gesellschaft, der zu keinerlei Aktivität auf künstlerischem Gebiet zu bewegen ist. Wenn jegliches Interesse gänzlich fehlt, kann man sich als Lehrkraft Gedanken machen, so viel man will: Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren. In vergleichbaren Bereichen beispielsweise des Breitensports gibt es sehr oft ähnlich große Personalprobleme. Vermutlich gibt es unzählige Motive, die eine solche passive Einstellung fördern: Allgemeine Übersättigung durch ein groß dimensioniertes Unterhaltungsangebot, raumgreifende Präsenz unerreichbarer Vorbilder bei geringer Motivation, diesen nachzueifern, fehlender Wille zur Entwicklung des persönlichen Fortkommens, da das wirtschaftliche Auskommen anderweitig sichergestellt ist, ungenügende Medienkompetenz... . Jedenfalls sind viele Angebote für den Amateursektor exakt in dem Zwischenbereich zwischen Höchstleistung und Nichtleistung angesiedelt und entsprechend in ihrer Akzeptanz bedroht. Einerseits könnte zunehmende materielle Not den Stellenwert künstlerischer Aktivitäten wieder erhöhen, andererseits könnte der Verdrängungswettbewerb an Härte zunehmen, sobald die Ängste um die wirtschaftliche Existenz immer größer werden. Ich hoffe jedenfalls auf ersteres.

LG von Rheinkultur
 
Freilich muß der KL auch Unterrichtsmaterial vorbereiten, und auch der Klavierstimmer muß sich vorbereiten - wie kommt er pünktlich beim Kunden an, ohne sich drei mal zu verfahren, ist das EC Kartengerät aufgeladen, hat er für den Notfall die notwendigen Materialien einstecken, oder müssen sie noch beschafft werden....und so weiter. Aber des bringen doch die Berufe mit sich, und man macht des mal so ganz nebenher noch bevor man mit der eigendlichen Arbeit begonnen hat. ;-)
Des weiteren sollte man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen: Der "Klassiker" arbeitet auf der Grundlage meist detailliert ausnotierter Notenmaterialien, die der in Musikgattungen mit improvisatorischen Anteilen arbeitende Jazz-Rock-Pop-Kollege mitunter erst in eine zur Vermittlung taugliche Gestalt bringen muss. Wenn vollständig ausgeschriebene Notenmaterialien vorliegen, muss man verständlicherweise weniger selbst festhalten und arrangieren. Das Arbeitspensum der mir bekannten guten Kollegen aller Genres ist unabhängig von der jeweiligen Spezialisierung generell mehr oder weniger groß. Wer dann spontan ist und auf eine bestimmte musikalische Problematik eine hilfreiche Antwort parat hat, ist ganz sicher nicht unvorbereitet - eher im Gegenteil. Es trifft freilich zu, dass man sich im Dialog mit seinen Fachkollegen lieber an die Engagierten und Kompetenten als an die Faulen und Dummen hält. Dann kann man es eigentlich recht gut wegstecken, wenn man es mit letzteren zu tun bekommt - selbst wenn diese (subjektiv) in der Mehrzahl sein sollten. In anderen Berufen soll es nicht anders zugehen - die guten Ärzte, Rechtsanwälte, Handwerker etc. muss man manchmal auch erst suchen...!

LG von Rheinkultur
 
Allgemeine Übersättigung durch ein groß dimensioniertes Unterhaltungsangebot, raumgreifende Präsenz unerreichbarer Vorbilder bei geringer Motivation, diesen nachzueifern, fehlender Wille zur Entwicklung des persönlichen Fortkommens, da das wirtschaftliche Auskommen anderweitig sichergestellt ist, ungenügende Medienkompetenz... . Jedenfalls sind viele Angebote für den Amateursektor exakt in dem Zwischenbereich zwischen Höchstleistung und Nichtleistung angesiedelt und entsprechend in ihrer Akzeptanz bedroht.

OT von mir, aber ich kann es nicht lassen:

Um die Jahrtausendwende habe ich viel Lara Croft gespielt. Und während sie sich mit ihrem gestählten, perfekten Körper von Cliff zu Cliff hangelte, frass ich Kekse und Chips. Da habe ich angefangen Karate zu machen.

Nach ~15 Jahren habe ich weder den Wahnsinnskörper von Lara erreicht noch irgendwelche signifikanten Turniere gewonnen. Ich bin und bleibe ein bemühter Amateur, mehr nicht.
Schade, dass wir mit Weltklasseleistungen verwöhnten den Amateur und seine (im Vergleich bescheidenen) Leistungen kaum mehr schätzen können.
Als Konsquenz versucht jeder Gelbgurt die schwerere Kata irgendwie, anstelle von die leichtere Kata fundiert, vorzuzeigen, - als ob die Komplexität der Katas von den technischen Unzulänglichkeiten des Ausführenden ablenken könnte.

Ist beim Klavierspiel vermutlich nicht anders...
 
Jedenfalls sind viele Angebote für den Amateursektor exakt in dem Zwischenbereich zwischen Höchstleistung und Nichtleistung angesiedelt und entsprechend in ihrer Akzeptanz bedroht.
Schade, dass wir mit Weltklasseleistungen verwöhnten den Amateur und seine (im Vergleich bescheidenen) Leistungen kaum mehr schätzen können.
Das trifft wahrscheinlich auch einen wichtigen Aspekt: Es ist nicht nur Passivitaet oder "Unwillen" und "Unlust", sondern der allgemeine "Perfektionswahn": Wenn es nicht "perfekt" wird, lassen wir es lieber gleich. Alles musz immer professionell sein, moeglichst effizient, auf jeden Fall in irgendeiner Weise "optimiert". Das ist traurig und bringt uns zu einer eigentlich langweiligen Spezialisierung. Nicht einmal in unserer Freizeit trauen wir uns dann. etwas zu tun, das wir nicht perfekt koennen?
Natuerlich gibt es die ganzen Laienwettbewerbe, aber da geht es auch schon wieder um moeglichst hohes und professionelles Niveau.
Ein anderer Nebeneffekt ist, dasz ich Laienmusiker kenne, die sich einbilden, Profis zu sein und deshalb wegen langjaehriger Erfahrung kaum mehr ueben zu muessen. Man lernt eben ein Stueck in ein paar Tagen und bildet sich ein, dasz es dann vorspielreif sei.
Die Selbstkritischen geben auf, ihrer wenige erreichen ein fast professionelles Niveau, die anderen bilden sich ein, professionell zu sein und dilettieren schrecklich, aber keiner will zugeben eben nicht "perfekt", also auf professionellem Niveau zu spielen und trotzdem zu musizieren (und konsequenterweise Stuecke angemessenen Schwierigkeitsgrades zu spielen).
Viele Gruesze
Jannis
 
Schade, dass wir mit Weltklasseleistungen verwöhnten den Amateur und seine (im Vergleich bescheidenen) Leistungen kaum mehr schätzen können.
Das erkennt man am Wandel der Bedeutung, die man mit dem Begriff des "Dilettanten" verbindet. Eigentlich geht die Bezeichnung auf das lateinische "delectare" ("sich erfreuen") zurück - man betätigt sich also aus Freude an der Sache, in diesem Falle musizierend, woran zunächst nichts auszusetzen ist. Inzwischen wird diese Bezeichnung eigentlich nur noch für unzulängliches Agieren verwendet nach dem Motto: Bemüht, aber nicht so recht gekonnt. Dem Wikipedia-Artikel ist zwar zu entnehmen, dass andere Begriffe wie "Laie", "Liebhaber" oder "Amateur" an die Stelle der genannten Bezeichnung getreten seien - aber auch diese sind in abwertendem Kontext im Gebrauch, um Distanz zu Begriffen wie "Fachmann", "Experte" oder "Profi" herzustellen, wobei letzterer im Gegensatz zum "Amateur" mit seiner Tätigkeit seinen Lebensunterhalt verdient. Dabei ist dieser Status kein Qualitätsbegriff: Ein gut vorbereiteter "Nebenamtlicher" kann durchaus mehr überzeugen als ein lieblos und unvorbereiteter "Hauptamtlicher", der sich ausschließlich auf "Routine" verlässt und "Dienst nach Vorschrift" macht. Diese Spezies stellt @hasenbein mit seinem Bild vom "meist schlechten Klassiklehrer" an den Pranger - in zutreffenden Fällen ist es sinnvoll, das Kind beim Namen zu nennen, gerade auch im Interesse derer, die keine Standardprogramme abspulen, sondern wirklich das Metier beherrschen. Auch diese gibt es nämlich - und ich bin froh, solche Persönlichkeiten als Lehrer gehabt zu haben.

@jannis: So ist es. Deshalb gehe man Herausforderungen nur in Schritten an, die nicht zu groß sind - und Geduld gehört auch dazu. Im Gegensatz zum Zeitalter des Dilettanten sind inzwischen Höchstleistungen fertig dokumentiert problemlos verfügbar und Vergleichsmöglichkeiten gibt es ohne Ende. Weniger gerne lässt man aber die Erkenntnis an sich heran, dass es einen mehr oder weniger weiten Weg nach oben gibt, den man eben gehen muss, um oben anzukommen. Einer der Stolpersteine auf dem Weg nach oben sind Terminunstimmigkeiten - es gibt weitaus Schlimmeres. In einem ansonsten guten Unterrichtsverhältnis sollte sich so etwas regeln lassen.

LG von Rheinkultur
 
Das erkennt man am Wandel der Bedeutung, die man mit dem Begriff des "Dilettanten" verbindet. Eigentlich geht die Bezeichnung auf das lateinische "delectare" ("sich erfreuen") zurück - man betätigt sich also aus Freude an der Sache, in diesem Falle musizierend, woran zunächst nichts auszusetzen ist. Inzwischen wird diese Bezeichnung eigentlich nur noch für unzulängliches Agieren verwendet nach dem Motto: Bemüht, aber nicht so recht gekonnt.

Das passt in die übergeordnete Tendenz des Perfektionismuswahns. Der Durchschnittsbürger, insbesondere im Arbeitsleben, hinterfragt nicht, was getan wird, sondern interessiert sich dafür, wie "gut" es getan wird. Ist vermutlich eine Immunisierungsstrategie, um in dieser Gesellschaft nicht verrückt zu werden. Wie sonst sollte beispielsweise ein Marketingmensch zufrieden sein, wenn er mit seinem Team den neuesten Werbespot für Fanta, Cola oder ein anderes zuckerhaltiges Getränk fertig gestellt hat, wenn die - oft tief verschüttete - Vernunft ihm doch eigentlich noch sagen möchte, dass die Welt ohne dieses Gesöff besser dran wäre.

Und so wird Helene Fischer auch als perfekte Entertainerin gefeiert, weil ihre Darbietung faltenfrei ist bis hin zu den perfekt getapten Brüsten. Dass mehr musikalischer Gehalt und Herzblut in der Darbietung so manches Dilettanten steckt, geschenkt.
 

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