Das Üben mehrerer Stücke ist meiner Meinung nach vor allem eine Zeitfrage. Wenn man nicht genügend Zeit hat, allen "aktiven" Stücken die nötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, übt man eindeutig zu viele. Es läßt sich eigentlich nicht an der Anzahl der Stücke festmachen sondern hängt davon ab, wieviel Arbeit in den Stücken steckt. Außerdem hängt es nicht nur von der verfügbaren Zeit ab sondern auch von der verfügbaren Konzentration. Wenn ich vier Stunden täglich Zeit zum Üben habe aber mir nur zwei Stunden lang hinreichend konzentrieren kann, bleibem unterm Strich eben nur zwei Übestunden übrig.
Wenn man aber seine Übezeit gut nutzt, muß man nicht jedes Stück täglich bearbeiten. Es gibt oft Phasen, wo es sogar besser ist, ein Stück ein paar Tage sacken zu lassen um dann eine neue Bestandsaufnahme zu machen. Wie auch beim sportlichen Training liegt die Wirkung des Übens oft in der Zeit danach und wenn man sich diese Zeit nicht läßt, kann man sogar Rückschritte machen. Es spricht meiner Meinung nach nichts dagegen, in diesen Tagen "dazwischen" an einem anderen Stück zu arbeiten.
Stilistisch und vor allem von der Spielweise her ähnliche Stücke sollte man entweder sauber von einander getrennt üben oder gleichzeitig. Das gilt auch für ähnliche Stellen im selben Stück, die man allerdings nicht mit genügend großem Abstand von einander üben kann, weil sie eben zum selben Stück gehören.
Ich selber arbeite eigentlich immer an mehreren Stücken, wobei allerdings meistens eines im Vordergrund steht, weil es sich um ein etwas größeres und längerfristiges Projekt handelt (z.B. eine Beetehoven-Sonate), während die anderen schneller fertig werden. Außerdem sind immer ein oder zwei Stücke dabei, die ich wieder auffrische.
Fazit: Es ist kein Problem, mehrere Stücke gleichzeitig einzuüben, solange dabei kein einziges zu kurz kommt. Wenn man also beispielsweise eine Stunde Zeit hat und das erste Stück davon 50 Minuten braucht, hat man keine Zeit, ein neues Stück zu beginnen aber man kann ein noch altes Stück ein oder zweimal in Ruhe durchspielen, um es zu festigen. Hat man aber noch 40 Minuten übrig, wäre es doch schade, diese nicht zu nutzen.