Lernen, sich beim Üben zuzuhören

In dem Beitrag sind die verchiedendsten möglichen Ursachen für das Anliegen von Ludwig genannt worden.
Ursache "Material": Es dürfte wohl jedem klar sein, dass ein Steinway Flügel nicht mit einem Digitalinstrument verglichen werden kann. Das sind verschiedene Klangwelten. Ich gehöre auch zu den Leuten, die nach langen Jahren den Abstinenz ein Digitalklavier gekauft haben (Yamaha Clavinova CLP-535). Bei meinem Klavierlehrer steht aber ein Steinway Flügel. Daran muss ich mich am Anfang jeder Stunde erst gewöhnen. Ich glaube mittlerweile, wenn die Anforderungen steigen, kann ein Digitalklavier dies nicht mehr leisten. Selbst ein normales akustisches Klavier ist dann besser. Mein Lehrer sagte mir kürzlich: Willst Du auf einem Fahrrad fahren oder lieber Kawasaki fahren? Das trifft es auf den Punkt. Ich warte noch ein wenig auf den Fortgang meiner Fortschritte. Dann aber, werde ich mich umorientieren.

Ursache Aufnahme des eigenen Spiels: Wurde mir von meinem Bruder als Profimusiker und meinem KL empfohlen. Ich habe es ausprobiert und fand mein Spiel absolut grottenschlecht und demotivierend. Nur in Ausnahmefällen werde ich das noch nutzen. Ansonsten verlasse ich mich lieber auf mein Gehör. Ich bin selbst mein bester Kritiker und weiß, was gut und was Sch... ist.

Ursache Selbstüberschätzung: Ich würde mir nicht erlauben, die pianistischen Fähigkeiten von Ludwig anzuzweifeln, wenn er nach nur zwei Jahren Unterricht die Sonate No. 5 von Beethoven einstudiert. Es soll ja Wunderkinder geben. In jüngeren Jahren habe ich damit viel Zeit verschwendet, in schweren Stücken zu "schwelgen". Heute spiele ich strikt nur noch meine Übrungsstücke.

Ursache Hören vs. Üben: Wenn ich ein Stück einübe, mich nähere und mit Fingersätzen usw. zu kämpfen habe, interessiert mich dieser Part zunächst einmal überhaupt nicht. Ich habe ja genug damit zu tun, das Vorspiel beim KL einigermaßen zu überstehen. Ich würde fast sagen, dass mechanische Klaviertechnik von jedem Menschen erlernt werden kann (asiatische Technikfreaks). Dass jedoch, worauf es letztlich ankommt, hat etwas mit meiner Kultur, meiner Herkunft, meines Mitfühlens zu tun und ist mir praktisch in die Wiege gelegt worden. Das kann man nicht lernen, auch Herr Lang Lang nicht.

Mehr fällt mir im Moment nicht ein.

Liebe Grüße an Ludwig und den Beteiligten an diesem Beitrag. Ich fand das toll und habe in Vielem meine eigenen Probleme wieder erkannt.
 
Ursache "Material": Es dürfte wohl jedem klar sein, dass ein Steinway Flügel nicht mit einem Digitalinstrument verglichen werden kann. Das sind verschiedene Klangwelten. Ich gehöre auch zu den Leuten, die nach langen Jahren den Abstinenz ein Digitalklavier gekauft haben (Yamaha Clavinova CLP-535). Bei meinem Klavierlehrer steht aber ein Steinway Flügel. Daran muss ich mich am Anfang jeder Stunde erst gewöhnen. Ich glaube mittlerweile, wenn die Anforderungen steigen, kann ein Digitalklavier dies nicht mehr leisten.
Auch beim Digitalpiano gilt: You get what you pay for. Der Fadeneröffner übt auf einem Instrument für 600 € (Low-Budget-Kompromiß), du auf einem für 1600 € (Brot-und-Butter-Klasse). Der Vergleich mit einem Steinway-Flügel verbietet sich also von selbst.

Willst Du auf einem Fahrrad fahren oder lieber Kawasaki fahren?
Es gibt noch einen Unterschied zwischen Kawasaki und Baumarkt-Roller. ;-)

Technisch aktuelle Digis für fortgeschrittenes Repertoire kosten schon ihre 3000 bis 6000 €, also in etwa was auch für Klavier-Basismodelle aus Fernost fällig ist. Oberhalb dessen geht es dann fließend in Hybridmodelle über, bis man schließlich bei voll ausgewachsenen Flügeln gelandet ist.
 
Ich würde fast sagen, dass mechanische Klaviertechnik von jedem Menschen erlernt werden kann (asiatische Technikfreaks). Dass jedoch, worauf es letztlich ankommt, hat etwas mit meiner Kultur, meiner Herkunft, meines Mitfühlens zu tun und ist mir praktisch in die Wiege gelegt worden. Das kann man nicht lernen, auch Herr Lang Lang nicht.

Diese Aussage halte ich für einen gewaltigen – wenn auch unter Amateuren erstaunlich verbreiteten – Irrtum.
 
Bitte sei so freundlich und erkläre mir bitte meinen "amateurhaften Irrtum"

Der Irrtum besteht darin, zu glauben, dass einem die Musikalität mehr oder weniger in die Wiege gelegt wurde und einzig die Technik erworben werden muss. Tatsächlich muss man die Musikalität genauso erwerben wie die Technik. Ich bin sicher, dass jeder große Musiker mehr Zeit in die Entwicklung der Musikalität investiert hat als in den Erwerb der Technik. Aus dem Grunde ist auch die Behauptung Unsinn (wenn nicht sogar rassistisch), dass Asiaten keine den Europäern ebenbürtigen Musiker sein können.

Warum wohl hat die Wiener Staatsoper 2002 einen Japaner zu ihrem Musikdirektor gemacht? Weil sie einen hervorragenden Chefdirigenten wollte, oder um sich ein "exotisches" Flair zu geben? Du darfst Dir die Antwort selbst geben!

EDIT: Zu diesem Thema passt übrigens auch Signatur von @mick ...
 
Gegen einen Vorwurf des Rassismus möchte ich mich hiermit ausdrücklich verwahren. Im Gegenteil, ich bewundere Chinesen, Japaner, Koreaner oder andere für Ihre Ambition, eine ihnen im Grunde fremde Kultur zu erlernen. In diesem Zusammenhang könnte ich fragen, was verstehst Du von thailändischer Musik. Ich jedenfalls nichts, muss ich ehrlich gestehen und es interessiert mich auch nicht besonders. Mehr fehlt einfach die Zeit, mich damit zu beschäftigen. Youtube zeigt tausende Videos von asiatischen Kindern im Vorschulalter, die Klassiker herunterleiern. Da kommt mir das Abendessen hoch.

Das hat aber jetzt wirklich mit dem eigentlichen Thema des Beitrags nichts mehr zu tun.
 
OFF-TOPIC
Youtube zeigt tausende Videos von asiatischen Kindern im Vorschulalter, die Klassiker herunterleiern.

Das ist aber schon ein Widerspruch zu Deiner These

Dass jedoch, worauf es letztlich ankommt, hat etwas mit meiner Kultur, meiner Herkunft, meines Mitfühlens zu tun und ist mir praktisch in die Wiege gelegt worden.

Was also tun, wenn asiatische Kinder knapp jenseits des Wiegenalters schon europäische Klassiker spielen? :denken: These überdenken, zum Beispiel? ;-)

Das "Herunterleiern" von Klassikern hat doch nichts mit der angeblichen Inkompatibilität des kulturellen Empfindens zu tun, sondern damit, dass ein Kind, ganz gleich aus welchem "kulturellen Kontext", unterhalb eines bestimmten Alters noch ein eingeschränktes Verhältnis zur weiter entfernten Vergangenheit und ihrem historischen Kontext hat (und zu allem Möglichen darüber hinaus, was eine musikalische Durchdringung beinhaltet).

Wenn die etwas älteren asiatischen Pianist*innen dann auch noch europäische Klassiker "herunterleiern" würden, würde man von ihnen keine Notiz nehmen. Allein schon Ergebnisse zum Beispiel des letzten Chopin-Wettbewerbs hingegen sprechen eine andere Sprache.

Falls man sich unbedingt in kompetitivem Kulturvergleich üben möchte, wäre allenfalls die Frage relevant, warum Asiaten europäische Musik (hervorragend) spielen, aber Europäer (in aller Regel) keine asiatische Musik.

Sorry, @Ludwig , fürs OT.
 
was ist morgen?
 

Bitte sei so freundlich und erkläre mir bitte meinen "amateurhaften Irrtum"
Erstens ist gerade das manuelle Erlernen der Klaviertechnik höllisch schwer (die Anfangs"erfolge" durch Tastendrücken mal vernachlässigt) und zweitens funktioniert das Manuelle nur über das Musikverständnis. Ohne inneren Ton kein Zielton und erst recht nicht die Gestaltung des Zieltons.

Der Unterschied der asiatischen - momentan- übermäßigen Ambition, den eigenen Kindern mit vielen Kosten (um das nicht zu verschweigen.....die sozialistischen Länder mit Kulturauftrag als Selbstverständnis nehmen doch rigide ab) und auch entsprechendem Druck die Kunst vermitteln zu lassen, liegt in der Einsicht, dass eben diese Kultur nicht nur selbst Höchstleistungen erbracht hat, sondern das diese eben Indikator für alle anderen Entwicklungen - sei es Medizin, sei es Technik, sei es Energie, sei es Kommunikation - ist und ja wohl niemand bestreiten wird, dass es sich mit diesen Annehmlichkeiten besser leben lässt. Romantiker von Tauschgesellschaft und einfachem Leben, blenden zu gern aus, dass schon die Querlage eines Babys Tod für Mutter und Kind - unter höllischen Qualen - mal bedeuteten.....
 
Ich präzisiere nach dem Unterricht folgendermaßen:

Was sind eure Wege, euch weg zu bringen vom Ziel des großen Ganzes, zu entspannen und euch hinzuwenden zum Genuss und Wertschätzung des Kleinen?

Ich suche gerade für mich eine Möglichkeit-

Danke -
Ludwig
 
......ganz plakativ: verlangsamen, reduzieren, hinhören, einfühlen, nachspüren z.B. dem Klang nachlauschen, den Bewegungen nachspüren.......in jedem Fall immer möglichst ohne innere und äußere Ablenkungen üben, genießen und sich nicht überfordern. So macht mir üben Spaß.
 
Ich präzisiere nach dem Unterricht folgendermaßen:

Was sind eure Wege, euch weg zu bringen vom Ziel des großen Ganzes, zu entspannen und euch hinzuwenden zum Genuss und Wertschätzung des Kleinen?

Ich suche gerade für mich eine Möglichkeit-

Danke -
Ludwig

Lieber Ludwig,

Ich hoffe es ist dir recht, wenn ich etwas schreibe, obwohl mein spielerisches Niveau nicht allzu hoch ist.

Als Beispiel möchte ich den Chopin Valse KKIVb Nr. 11 als Beispiel nehmen, also den leichtesten Chopin Walzer , soviel ich weiß.

Ich habe schon vor längerer Zeit damit angefangen, zunächst links die oktavsprünge zu lernen, das geht immer besser, auch ohne hingucken, und wenn ich einen falschen Ton treffe, höre ich das. Die Theorie dazu, wann welcher Akkord gespielt werden muss hab ich ohne Probleme erfasst, das liegt aber daran, dass ich früher sehr viel mit meinem Mann zusammen Gitarre und Ukulele zusammen gespielt und dabei gesungen habe.das gemeinsame Spiel schult das Gehör meines Erachtens enorm. Ich habe hören können, wenn er einen anderen Akkord anschlagen als ich und konnte mich sofort korrigieren, umgekehrt genauso.

Ok, zurück zum Chopin: die Melodie rechts geht auch auch gut wobei ich meine eigenen fingersätze benutze. Ein bisschen Schwierigkeiten machen noch die Triller, aber es wird besser.

Beim Zusammenspiel rechts und links freue ich mich mich über den Genuss, dass ich die linke Hand so geübt habe, dass die Melodie im Vordergrund ist.

Die Verwendung des Pedals geht gut.

Ich habe mich gänzlich vom Großen und Ganzen abgewendet und freue mich über die Fortschritte, die ich bisher gemacht habe, einen schönen anschlagen zu haben, ein p und einen pp zu spielen.

Im 2 Teil der 1 Seite kann ich links und rechts getrennt spielen, für die oktavsprünge gilt das gleiche, kognitiv erfasst, auch in Hinblick auf die Töne in der Melodie .

Die Triller sind auch hier noch übungsbedürftig.

Die 16 stl in Takt 21 gehen noch gar nicht, sind aber kurzfristig auf der Agenda .

Ich wende mich vom Großen und Ganzen ab und richte meine Wahrnehmung auf das, was ich bis zum jetzigen Zeitpunkt erreicht habe. Den Blick nach vorn aufs Große und Ganze wage ich auch, aber ohne das Gefühl zu haben, das schaff ich nie.
Da bin ich optimistisch und freu mich auf das, was noch kommen wird.

Ich setzt mich zumeist ans Klavier und will ein bisschen spielen, oft verliere ich mich dann und merke, dass ich im Tun versinke ähnlich wie ein Kind und dann fühl ich immer am wohlsten. Dann kann ich mich auch kaum loseisen und spiel noch mal Mozarts menuett oder meine Schulaufgaben oder geliebte alte Stücke, die in mein Repertoire gehören.

Dieses Procedere weicht selbstverständlich ab von dem der fortgeschrittenen und Berufspianisten.

Wahrscheinlich , lieber Ludwig, sind diese wesentlich bessere Ratgeber als ich !

Viele Grüße
Marion
 
Ich präzisiere nach dem Unterricht folgendermaßen:

Was sind eure Wege, euch weg zu bringen vom Ziel des großen Ganzes, zu entspannen und euch hinzuwenden zum Genuss und Wertschätzung des Kleinen?

Ich suche gerade für mich eine Möglichkeit-

Danke -
Ludwig

Ich klaue mir von meiner Übungszeit Zeit für mich selber. Das war am Anfang schwierig und sogar mit einer Portion schlechten Gewissens dabei. Denn ich kenne das Gefühl gut, in der nächsten Klavierstunde liefern zu wollen. Und dann Zeit "vergeuden"? Am Anfang hart umzusetzen. Wohlgemerkt, Zeit vergeuden in meinen Augen, mein KL hat noch nie Druck gemacht.

Doch irgendwann habe ich angefangen, mir jeden Tag 20 Minuten zu nehmen, in denen ich nicht mit irgendeinem Ziel arbeite. Um aus diesem gefährlichen, selbsterzeugten Hamsterrad rauszukommen.In diesen 20 Minuten nehme ich mir zumeist irgend einen Notenabschnitt für eine Hand und spiele den so langsam, das ich nach jedem einzelnen Anschlag bewusst fühle, wie alle Finger und das Handgelenk entspannen. Und es ist erstaunlich, wie viel Entspannung möglich ist! Wenn man glaubt, man ist entspannt, ist das erst der Anfang... da geht noch mehr. Es können durchaus mehrere Sekunden vergehen, bis ich den nächsten Ton anschlage. Sekunden, in denen ich dem Ton lausche (oh wie toll kann ein einziger Ton klingen!) und die Entspannung fühle.

Das handhabe ich mittlerweile mit vielem so, mit Tonleitern, alten Stücken, technische Problemstellen etc.
Die Entspannung wirkt sich nach und nach auf den ganzen Körper aus, bringt einen total runter. Ich möchte diese Zeit nicht mehr missen.

Und das absolut erstaunliche: obwohl ich mir diese 20 Minuten täglich von meinen ca. 90 Minuten Übezeit täglich "klaue", komme ich mit meinen Stücken nicht langsamer voran. Und ich mache mir selber nicht mehr so viel Druck. Ich habe da meinen Weg gefunden, ich hoffe, du findest deinen auch!
 
@Schimmelchen: das ist nicht geklaut, das ist geschenkt. Manche KL reden sich den Mund fusselig, die Schüler zum Langsamüben zu bewegen!
 
Lieber Ludwig

Zum Klavierspielen kann ich nicht so viel sagen aber ich moechte Dir etwas aus einem anderen Bereich schildern. Vielleicht bringt Dir das ja was :)

Im Karate gibt es den Ausdruck "Bilder bzw. Checkpoints per Technik". Damit ist gemeint, wie gut man eine Technik (und sich selbst) ausfuehren bzw. kontrollieren kann.
Waehrend der Anfaenger schon zufrieden ist, wenn er das richtige Bein und den richtigen Arm verwendet, kommen mit der Zeit immer mehr Checkpoints dazu:
(Position Vorderfuss, Hinterfuss, Belastung Ferse, Ballen,
Gewichtsverteilung
Bein gestreckt, angewinkelt, Verwendung innere Muskeln
Huefte eingedreht, Spannung im Ruecken
Schlaghand Fingerhaltung und Spannung
Hikitehand Position, Koerperspannung ,
Schulterguertel, Kopfhaltung, etc. ect. ect).

Um das zu ueberpruefen gibt es in den meisten Dojos Spiegel. Aber die einfache Anweisung "Guck in den Spiegel" ist leider sehr schwer zu befolgen. Es braucht einfach Zeit, bis man gelernt hat zu sehen. (Und wenn man es kann, kann man sich fast nicht mehr vorstellen, wie es war, bevor man es konnte.)

Komischerweise geht es meist besser, wenn man weniger 'konzentriert' guckt. Mit zu viel Konzentration bleibt man naemlich bei einem Detail haengen und nimmt den Rest nicht mehr wahr.
 
Interessant wird dieses Thema vor allem jetzt wieder.

Dachte ich schon, dass Beethoven am P105 schwer auszudrücken sei, so habe ich gefühlt mit Chopin überhaupt keine Chance mehr. Das nachklingen der Töne, die feine Pedalarbeit - wie soll das mit dem klobigen Ding gehen?

Wie siehts bei euch aus? Könnt ihr Chopin auf dem Digi zum klingen bringen lassen?
 
die feine Pedalarbeit - wie soll das mit dem klobigen Ding gehen? Wie siehts bei euch aus? Könnt ihr Chopin auf dem Digi zum klingen bringen lassen?
Hast du ein Yamaha FC3-Klavier-Pedal? Oder den mitgelieferten Plastikschalter?

Mein gerade in Arbeit befindlicher A-Moll-Walzer posthum funktioniert auf meinem Kawai ganz gut. Das mitgelieferte 16stufige Pedal reagiert präzise genug. Pedal nachtreten, halb hochnehmen usw. funktioniert alles, wie gewünscht.
 

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