Konzertpianist mit anderen Musikern

Marlene

Marlene

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Hallo,

weil ich vor kurzem gehört habe, dass ein Pianist mal ein Stück spielen musste das ihm nicht sonderlich behagt hat, sind einige Fragen aufgekommen. Denn in vermutlich naiver Denkweise dachte ich ein Pianist (eine Pianistin) könnte wählen was er/sie zu spielen gedenkt.

Wenn ein Konzertpianist alleine auftritt dann stellt er sein Programm selber zusammen wie ich vermute. Der Gedanke ist mir gekommen weil Krystian Zimerman kürzlich in seinem Konzert andere Stücke gespielt hat als vorgesehen.

Werden die Pianisten für Solokonzerten von den Konzertveranstaltern angeschrieben bzw. eingeladen oder meldet sich deren Agent bei den Veranstaltern?

Wie ist es wenn ein Klavierkonzert aufgeführt wird oder wenn Kammermusik dargeboten wird? Wie gelangt der Pianist/die Pianistin an den Flügel? Durch eine Art „Ausschreibung“?

Liebe Grüße
Marlene
 
Eine erste...

Antwort auf diese Fragen könnte ein Post von rolf geben (über Horowitz seinerzeit) ;)

Horowitz erzählte, dass er bei Cortot sämtliche 32 Beethovensonaten gelernt hatte - öffentlich gespielt hat er davon aber nur recht wenige ;) (was sehr zu bedauern ist, denn man hätte gerne mehr späte Beethovensonaten als lediglich op.101 (live) von ihm)
des weiteren hat Horowitz erzählt, dass er Liszts A-Dur Konzert und beide Chopinkonzerte gelernt hatte, dass er aber nie dazu kam, diese zu spielen (weil man ihn für die Brecher von Brahms, Rachmaninov, Tschaikowski engagierte)
 
Der Saal muß voll werden, davon träumt der Veranstalter. Dann wird bei einem nicht so bekannten Pianisten das Programm schon mal von ihm bestimmt. In Hamburg hat mal Adolf Drescher (kennt heute wohl kaum jemand) einen Beethovenabend gegeben mit Mondschein, Pathetique, Appassionata, Waldstein, Les Adieux. Ich bin nicht hin gegangen, aber man erfuhr, es war ausverkauft---Zweck erfüllt.

Gruß
Manfred
 
Hallo Marlene,

ich vermute mal, dass die meisten Veranstalter Wünsche äußern, was gespielt werden soll. Wenn man sich die Internetauftritte vieler Pianistinnen und Pianisten ansieht ist meistens auch das Repertoire aufgeführt. Insbesondere bei Klavierfestivals möchte man natürlich Programmüberschneidungen vermeiden, auf 3 aufeinander folgenden Abenden z.B. die Pahetique zu hören mag zum Vergleich interessant sein, die breite Masse des Publikums würde dies aber wohl eher als langweilig empfinden. Die Stars der Klassikszene werden sicherlich das Programm spielen, das sie auch spielen wollen weil hier alleine der Name schon für Publikum sorgt. Ein Zimerman hat sich einen Status erarbeitet, der auch eine Programmänderung ermöglicht. Hier im Forum gibt es ja einige Profipianisten und auch Veranstalter, vielleicht plaudern sie ja mal ein wenig aus dem Nähkästchen:-).

Liebe Grüße
Christian
 
Hi all,

da ich nur wenig Konzerte besucht habe, ist mir Harasiewiczs kl. Änderung trotzdem noch immer im Kopf, damals, beim Sylt-Konzert, und die hat er persönlich aber dem Publikum gesagt, allerdings unmittelbar vor dem Stück!

Und zwar stand Polonaise es-Moll op. 26,2 aufm Programm, und als es zu dieser kommen sollte, trat Adam ganz cool vorn an die Bühne und meinte in etwas mühevollem, aber dennoch verständlichen Deutsch, dass er lieber die Dramatique ( op. 26,1, cis-Moll ) spielen würde, und ob alle einverstanden sind *gg* folgte: => Applaus. Hab keinen "NEIIIIN"-Rufer in Erinnerung ! ;) Sogar der Frosch-Typ 2 Plätze weiter ( ich berichtete in Diskussion "Typus von Konzertbesuchern" ) hatte glaub ich nix dagegen. ;)

Unvorstellbar, wenn alle "BUUUH" oder "WIR WOLLN ES-MOLL WIR WOLLN ES-MOLL" gerufen hätten ! Oder ? :D

Aber das war die einzige Änderung, die er anberaumt hatte. Alles andere entsprach dem Programm. Ob und mit wem er da was abgesprochen hatte, das weiß ich aber nicht - und wenn da Absprachen erfolgt wären, würde er das evtl. auch nicht vor dem Publikum ausgebreitet haben, was seine Beweggründe waren. So sah es auf jeden Fall ZIEMLICH spontan aus, die Änderung!

Im Nachhinein wars nat. geil, die cis-Moll ist ja auch super. Aber wenn ich heutzutage wieder drüber nachdenke: Vielleicht hätte ich heute lieber die es-Moll-Polonaise gehört. Weiß nicht :(

LG, Olli !
 
In Hamburg hat mal Adolf Drescher (kennt heute wohl kaum jemand) einen Beethovenabend gegeben mit Mondschein, Pathetique, Appassionata, Waldstein, Les Adieux. Ich bin nicht hin gegangen, aber man erfuhr, es war ausverkauft---Zweck erfüllt.
In den Fünfziger- und Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts gehörte dieser zu den gestandenen Vertretern der deutschen Pianisten-Generation nach Wilhelm Kempff, Edwin Fischer oder Wilhelm Backhaus, der sich mit klassisch-romantischem Repertoire profilieren konnte. Dass sein Name neben Badura-Skoda, Demus oder Brendel heute selten genannt wird, hängt sicherlich mit seinem frühen Tod im Alter von 46 Jahren (Suizid) zusammen. Nach seinen respektablen Einspielungen muss man heute leider schon ziemlich suchen, auf YouTube verfügbare Höreindrücke:
https://www.youtube.com/watch?v=aASXwut4f-Q
https://www.youtube.com/watch?v=quBREVnVtY0

LG von Rheinkultur
 

Vermutet habe ich bisher auch aber ich wüsste es gerne. Die Musiker erfreuen mich so oft mit ihrer Kunst dass es doch naheliegend ist sich dafür zu interessieren wie sie zusammenfinden.


vielleicht plaudern sie ja mal ein wenig aus dem Nähkästchen

Hmm, ich habe auch schon vermutet dass ich – wegen der ausbleibenden Antwort(en) von jenen die es wissen und kennen - an einem Tabu gerüttelt habe. Falls dies so ist bitte ich die anwesenden KonzertpianistInnen um Entschuldigung. Falls nicht freue ich mich darauf eine meiner Wissenslücken schließen zu können.
 
Hi,

ich kann jetzt mal für nur für mich sprechen:

Prinzipiell habe ich mich immer bei Veranstaltern / Agenturen mit meinem Programm vorgestellt und bin dann genommen worden. Das ist jedoch mit sehr sehr viel Ausdauer und Enttäuschungen verbunden, da für Solo-Klavierabende im klassischen Bereich immer weniger Publikum gefunden wird und der Markt übersättigt ist. Connections sind hier in erster Linie wichtiger als die Darbietungsqualität.

Ich durfte und darf jedoch mein Programm immer komplett selbst zusammenstellen. Chopin ist immer zur Hälfte dabei, daher ist eine allgemeine Verträglichkeit immer gegeben :-)
Schwieriger gestaltet sich es, den geeigneten Zeitraum festzulegen. Man möchte als Pianist möglichst sein Programm, welches man vorbereitet, in einem Block von 1-2 Monaten aufführen. Das dem Veranstalter zur erklären, erfordert schon einen gewissen Status. Habe deswegen auch schon Auftritte abgelehnt.

Richtige Stars werden wohl durch Konzertagenturen regelmäßig vermittelt und spielen eigentlich das ganze Jahr durch, auch um über die Runden zu kommen. Das ist jedoch künstlerisch meiner Meinung nach nicht optimal und führt auch zu extremer Belastung und auch Qualitätseinbußen.
 
Der Saal muß voll werden, davon träumt der Veranstalter. Dann wird bei einem nicht so bekannten Pianisten das Programm schon mal von ihm bestimmt. In Hamburg hat mal Adolf Drescher (kennt heute wohl kaum jemand) einen Beethovenabend gegeben mit Mondschein, Pathetique, Appassionata, Waldstein, Les Adieux. Ich bin nicht hin gegangen, aber man erfuhr, es war ausverkauft---Zweck erfüllt.

Es dünkt mir, das Klassikpublikum ist in seinem Konsumverhalten keinen Deut besser als die Freunde des Musikantenstadls ... und ich kapiers nicht. Das schöne an Konzerten sind doch die Überraschungen, die Entdeckungen ... Geht es am Ende um den "smalltalk", wo man den Künstler "bewertet"? Da ist es natürlich klasse, wenn man den ganzen Schiet schon hundertmal gehört hat.
 
Danke, Johannes, für Deine Rückmeldung.

Inzwischen habe ich von einem Musiker eines Sinfonieorchesters erfahren dass Termine der Starpianisten und Solomusiker teilweise schon drei oder fünf Jahre im Voraus von den Agenturen geplant werden. Und wenn die Künstler dann – wie Du geschrieben hast – das ganze Jahr hindurch spielen und reisen müssen halte ich das auch für recht anstrengend. Obwohl ich sage muss dass András Schiff am Sonntag in Bonn völlig entspannt ausgesehen hat und mit meditativer Ruhe agiert hat. Er hat wohl den Dreh raus das alles an sich „abtropfen“ zu lassen.
 
Richtige Stars werden wohl durch Konzertagenturen regelmäßig vermittelt und spielen eigentlich das ganze Jahr durch, auch um über die Runden zu kommen. Das ist jedoch künstlerisch meiner Meinung nach nicht optimal und führt auch zu extremer Belastung und auch Qualitätseinbußen.
nehmen wir mal Pollini: gibt es über die Jahre bei Pollinis Klavierspiel irgendwelche Qualitätseinbußen infolge von terminlicher Überlastung?

oft genug werden Programme eingegrenzt: wer partout einen Abend lang nur E.T.A. Hoffmann und Mendelssohn spielen will, muss einen immensen Status haben, um das mehrmals in einer Saison durchzusetzen... man erinnere sich, was ein "Superstar" wie Horowitz berichtet hatte: dass es in den USA für ihn keine Möglichkeit gab, ein Medtner-Programm durchzusetzen; dass er nie dazu kam, die Klavierkonzerte von Chopin oder Mendelssohn zu spielen, weil man in Sachen Klavierkonzerte immer nur Tschaikowski und Rachmaninov hören wollte... kurzum, es ist üblich geworden, in einem Saisonprogramm ein paar der "Zugpferde" einzubauen. Umgekehrt muss man auch zugestehen, dass es genügend Anlässe für sozusagen thematische Programme gibt, sei es wegen Jubiläen, sei es wegen der Örtlichkeit.
 

Danke, Johannes, für Deine Rückmeldung.

Inzwischen habe ich von einem Musiker eines Sinfonieorchesters erfahren dass Termine der Starpianisten und Solomusiker teilweise schon drei oder fünf Jahre im Voraus von den Agenturen geplant werden. Und wenn die Künstler dann – wie Du geschrieben hast – das ganze Jahr hindurch spielen und reisen müssen halte ich das auch für recht anstrengend. Obwohl ich sage muss dass András Schiff am Sonntag in Bonn völlig entspannt ausgesehen hat und mit meditativer Ruhe agiert hat. Er hat wohl den Dreh raus das alles an sich „abtropfen“ zu lassen.

Liebe Marlene, dass wichtigste aber fehlt, die Agenturen können nicht planen, wenn die Nachfrage nicht da ist. Dies hängt auch ab von den Veranstaltern , Intendanten und der Nachfrage nach einem vorwiegend aktuellem Künstler.
Es gibt Agenturen die organisieren auch Konzerte, aber diese werden immer spärlicher, da die enorm hohen Kosten schon viele in die Pleite gerissen haben.
Zudem sind die 15 % - 20% die die Agentur von einem Pianisten der wenn es hoch geht um die 3000.- Gage ohne Spesen erhält- lächerlich.
Dies ist ein Grund warum sehr viele Agenturen keine Pianisten mehr aufnehmen wollen, auch ein Grund es gibt viel zu viele und das Glück an ein Konzert zu kommen, immer geringer wird.
Auch muss ich es wiedermal betonen, die sogenannten Stars mit Ausnahmen bekommen nicht viel, dies ist eine Illusion. Stars kommen und gehen
 
Aus all dem kann man nur den Schluss ziehen, dass das Leben eines 08/15-Pianisten ungefähr so attraktiv wie das eines Galeerenstràflings ist. Man weiß nicht, wo es hin geht, die Chance auf glueckliche Ankunft ist gering, das Essen ist schlecht und die Bedingungen stellen andere.

Man kann natürlich alternativ als Lehrer neue Pianisten ausbilden. Die Schiffe müssen schließlich fahren....

CW
 
Es dünkt mir, das Klassikpublikum ist in seinem Konsumverhalten keinen Deut besser als die Freunde des Musikantenstadls ... und ich kapiers nicht. Das schöne an Konzerten sind doch die Überraschungen, die Entdeckungen ... Geht es am Ende um den "smalltalk", wo man den Künstler "bewertet"? Da ist es natürlich klasse, wenn man den ganzen Schiet schon hundertmal gehört hat.
Auch das Klassikpublikum besteht aus Menschen. Und die meisten wollen halt ihre Lieblingstücke "live" hören. Darum immer wieder die "Mondscheinsonate" oder "I can get no satisfaction". Selbst wenn es hundertmal zum Hals raushängt, business is business.

Die eine berühmte Ausnahme im Pop/Rock waren wohl die Grateful Dead, wo nicht einmal die Musiker wussten, welche Stücke sie beim nächsten Auftritt spielen werden. Deren Publikum hat das allerdings goutiert und die völlige Unberechenbarkeit war Teil des Kults um die Band.
Dieses Verhalten ging klarerweise so manches Mal ziemlich in die Hose. Aber sie hatten wahrscheinlich mehr Spaß an ihren Auftritten als Mick Jagger oder so manche Pianisten.
 
Auch das Klassikpublikum besteht aus Menschen. Und die meisten wollen halt ihre Lieblingstücke "live" hören. Darum immer wieder die "Mondscheinsonate" oder "I can get no satisfaction". Selbst wenn es hundertmal zum Hals raushängt, business is business.
Hansss, das versteh ich schon. Aber jeder Pianist sollte die Chance haben (und NUTZEN!), den Zuhörer neben dem erwarteten Programm auch auf einen "Weg zu führen", denn der "Konsument" bislang noch nicht betreten hat (was bei mir recht einfach ist ;-)).
 
Immer wieder die gleiche Schelte: Das blöde Publikum will einfach nicht die richtig wertvollen Stücke und die richtig guten Pianisten hören, sondern immer nur die größten Klassik-Kracher, dargeboten von Grimassenschneidern oder kurzberockten jungen Pianistinnen. Wie blöde für die, die auf die richtige (!) Musik stehen !

Vorschlag: In Wissenschafts- und Fachkreisen ist es ja durchaus üblich, dass man sich zu fachthemenspezifischen Konferenzen trifft, gegenseitig seine neuen Erkenntnisse vorstellt und in beliebiger Tiefe, weit entfernt von jedem Laien, Amateur oder Hobbyinteressierten, diskutiert. Dafür müssen dann die Ornithologen nicht schimpfen, dass im Zoo immer nur die Pfauen interessant sind, und die Rheumaärzte akzeptieren es, dass ihren Patienten der Nutzen des neuesten Generikums nicht sofort einleuchtet. Vielleicht sollten Musiker das auch (in stärkerem Maße) tun, und diejenigen wenigen des Klassikpublikums, die den richtigen Zugang zu der Materie haben, können sich dann dort auch als passive Zuhörer anmelden ?

Vielleicht nur eine Notlösung, aber es ist halt immer schwierig, sich ein neues Publikum (Wahlvolk, you name it) zusammenzubasteln. Und, Frage: Sind die Klassik-Kracher eigentlich durchweg musikalisch anspruchsloser, oder sind sie deshalb zu den Krachern geworden, weil sie einfach gut (in welchem Sinne auch immer) sind ?

Gruß
Rubato
 
Und, Frage: Sind die Klassik-Kracher eigentlich durchweg musikalisch anspruchsloser, oder sind sie deshalb zu den Krachern geworden, weil sie einfach gut (in welchem Sinne auch immer) sind ?
M.E. weder noch. Die Wiederholung / Gewöhnung / inneres Mitsummen machen viel aus. Allerdings muss das Stück eine Qualität besitzen, die diese Wiederholung auch verträgt. Als Gegenbeispiel kennen wir alle die ersten Takte der "Elise"... ;-) und etliches mehr.
 
Immer wieder die gleiche Schelte: Das blöde Publikum will einfach nicht die richtig wertvollen Stücke und die richtig guten Pianisten hören, sondern immer nur die größten Klassik-Kracher, dargeboten von Grimassenschneidern oder kurzberockten jungen Pianistinnen. Wie blöde für die, die auf die richtige (!) Musik stehen !
und was schlägst du vor, wenn - oft genug! - "Kracher" und "Hochqualität" identisch sind? z.B. Liszts Sonate ist beides, sodass ich nicht erkennen kann, was an einem Programm falsch wäre, das eben auch diese Sonate enthält. Und für den Fall, dass Unterwäschezeigerinnen und Grimassenschneider ein solches Programm wirklich gut bringen, sollte es keine außermusikalischen Einwände geben ;)
 
und was schlägst du vor, wenn - oft genug! - "Kracher" und "Hochqualität" identisch sind? z.B. Liszts Sonate ist beides, sodass ich nicht erkennen kann, was an einem Programm falsch wäre, das eben auch diese Sonate enthält. Und für den Fall, dass Unterwäschezeigerinnen und Grimassenschneider ein solches Programm wirklich gut bringen, sollte es keine außermusikalischen Einwände geben ;)

Ähm - mein
Post bezog sich auf die offensichtlich bei professionellen Musikern so beliebte Publikumsschelte, die geht mir gewaltig auf den Geist, weil nämlich Publikum und Staat den Betrieb finanzieren;) . Und dafür habe ich ja gerade einen Lösungsvorschlag gemacht. Was Du schreibst, ist uneingeschränkt richtig.

Gruß
Rubato
 

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