Keiner will Erwachsene Unterrichten, und nu?

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Mimimimi - ich warte! Erzähl doch mal wirklich von Deinem Unterricht! Dann können Stilblüte, Rheinkultur, Mick, Kölnklavier und andere ja mal kommentieren, ob sie das für kompetenten Unterricht halten!

Ob Dein Lehrer gut ist oder nicht, dazu kann man ja bislang nicht das Geringste sagen, da Beschreibungen des Unterrichts fehlen.
 
Es könnte sein, dass dem Lehrer von @HelmutHeinchen das gelingt, was heute eine meiner Professorinnen bei der (achtung, Wortungetüm) "Lehrprobenvorbesprechung" mit einer Studentin angesprochen hat: Nämlich dass man nicht offensichtlich an einem Raster oder einer Liste oder einem Stundenplan entlangarbeitet, sondern dass die Stunde in sich stimmig ist. Das bedeutet, es gibt einen roten Faden, oder der Kreativität des Schülers wird Raum gegeben, oder auf seine Fragen wird spontan eingegangen, oder Unerwartetes kann verfolgt werden, wenn es gerade Sinn ergibt, oder... und eben nicht "Ok, fertig, jetzt das nächste, Fragen bitte wann anders".

Von der Didaktik bzw. Methodik des Lehrers bekommst du im Idealfall gar nichts bewusst mit. Damit ist schlichtweg alles gemeint, was er im Unterricht tut: Seine Ausdrucksweise, der Inhalt des Gesprochenen, die Körpersprache, das Verhältnis Reden-Musik, das Verhältnis Fragen-Antworten, die Art und Weise, wie er dir ein neues Stück vermittelt, und noch mindestens hundert andere Dinge, die ich aufzählen könnte. "Keine" Didaktik hieße einfach "kein Plan".

Apropos Plan: Warum deine Frage nach dem "in zwei Jahren" nicht sinnvoll ist, kannst du dir mit etwas Überlegen selbst gut beantworten. Das meine ich nicht ironisch.
Tipp: Sie verrät mir, dass du Anfänger bist.
 
@Stilblüte könntest du mal ein Beispiel geben, was deine Lehrprobenvorbesprechungsstudentinnen so alles falsch machen und wie es in der Lehrprobe korrigiert wird? Bzw. hoffentlich wird es nicht erst in der Lehrprobe korrigiert, sondern schon in der Lehrprobenvorbesprechungsnachbesprechung.

Die Frage ist übrigens ernst gemeint, kein Sarkasmus.
 
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Also zunächst sind es nicht meine Studentinnen. "Korrigiert" wird auch nichts, sondern nach jeder Lehrprobe darüber gesprochen (mit dem Student der die Stunde gehalten hat, anderen Studenten und der Professorin) und überlegt, wie man in manchen Situationen geschickter hätte weitermachen können. Die Studenten machen nicht unbedingt etwas falsch - sondern die Erfahrung und das Wissen fehlt.

Beispiel: Eine Studentin sagte zu einem Siebenjährigen (nach Vorlage eines unbekannten Stückes) er solle das mal mit den Fingern auf dem Tisch spielen. Dabei hatte sie vergessen, dass ein Siebenjähriger Anfänger eben noch kein inneres Hören entwickelt hat; auch die Verbindung Finger-Ton besteht noch nicht oder nur wenig.

Oder: Ein anderer Student machte mit seinem Schüler eine simple Übung im 5-Ton-Raum. Dann war er "fertig" und etwas anderes geschah. Dabei gäbe es noch ganz viele Möglichkeiten, mit diesem Übungs-Motiv weiter zu verfahren: Man kann komponieren, improvisieren, transponieren, vierhändig spielen, die Übung abändern, sie auf das nächste Stück hinarbeiten lassen usw.

Ebenfalls sehr wichtig und vielen nicht bewusst: Die Ausdrucksweise. Viele reden zu schnell, zu langsam, zu leise; sie benutzen zahllose Füllwörter ("vielleicht", "irgendwie" sind die Favoriten) - das darf man ja, aber eben nicht in jedem Satz zweimal. Sie verwenden ständig den Konjunktiv, stellen Fragen, wenn sie Aufforderungen meinen ("Kannst du das mal spielen?" - "Bitte spiele das hier einmal") und so weiter.

Wie beginnt und endet man eine Stunde, wie gibt man Hausaufgabe auf,............ Es gibt so viel zu wissen und zu lernen. Vieles davon kann man sich erarbeiten, wenn es einem nicht intuitiv gegeben ist - und das ist es den wenigsten... Ich habe durch die Lehrproben viel gelernt und lerne immer noch weiter.
 
Als ich das

Man kann als Lehrer niemals alles sagen. Das würde den Schüler musikalisch, menschlich, motorisch und intellektuell überfordern, die Zeit, Konzentration und Muße völlig überstrapazieren.

Wenn jemand viele Baustellen hat, muss man sich für ein paar davon entscheiden.

gelesen habe - und auch spätere Beiträge - habe ich bereits mehrmals angefangen, einen Beitrag zu schreiben. Ich habe mein Vorhaben aber wieder verworfen. Aber jetzt juckt es – nach @Mozart4ever s Beitrag - doch zu sehr in meinen Fingern.

Stell dir vor, du willst einem Kind die Relativitätstheorie erklären. Da fängst du auch erstmal mir dem kleinen Einmaleins an.

„Das Schlüssel-c ist da, wo Ihre Nasenspitze landet, wenn Sie am Klavier einschlafen sollten“.
:-D ;-)

Klar, @Stilblüte, fängt man ganz klein an. Aber ab wann sollte ein KL Raum und Zeit ins Gespräch bringen? Es reicht doch nicht zu erklären, dass Albert Einstein der Urheber der Relativitätstheorie ist.

Das würde den Schüler (...) überfordern (...) Konzentration und Muße völlig überstrapazieren.

Bist Du der Meinung, dass ein Schüler überfordert oder überstrapaziert wird, wenn er mehr wissen will und er nach Raum und Zeit fragt? Es kann ihn nicht überfordern wenn er fragt, denn er will etwas wissen, etwas verstehen und etwas lernen. Und dann bekommt er als Antwort nur „Sie ist von Albert Einstein“?! Das kann es nicht sein!

Und ich möchte auch etwas verstehen, deshalb frage ich nach.
 
Das ist schön, dass Du soviel wissen möchtest. Aber es nützt doch wenig, wenn ich, nachdem ein Schüler mir seine Hausaufgabe vorgespielt hat, alles aufzähle was ich wahrgenommen habe. Ich nehme mal ein Beispiel aus meinem Flötenunterricht: ich sehe dass die Haltung an mehreren Stellen nicht gut ist, er hat nicht ausreichend eingeatmet, er lässt die Luft nicht fließen, er artikuliert zu hart, er beendet die Töne mit der Zunge ( was ein grober Fehler ist), die Intonation ist schlecht (weil er noch nicht so gut hören kann), der Klang ist dumpf und rauschig, weil er die Oberlippe zu weit vorschiebt, die Gestaltung der Phrase war langweilig, weil er in dem Fall nicht auf die eins zugespielt hat, der Rhythmus war nicht ganz korrekt und er ist schneller geworden, außerdem hat er mal wieder die Bindungen nicht beachtet, er hat alles mezzoforte gespielt.
Soll ich das alles sagen ?
Manches davon kann er zu seinem jetztigen Stand noch nicht verbessern, weil er es noch nicht wahrnehmen kann. Und diese Wahrnehmung muss ich ja erst schulen. Es nützt überhaupt nichts ihn auf schlechte Intonation hinzuweisen, wenn er es nicht hören kann.
Bis man eine Querflöte gut balancieren kann dauert auch eine Weile, das kann man nicht forcieren. Und so weiter....
Ich muss mich immer entscheiden, was ich anspreche und was das Thema der Stunde wird.
 

Überhaupt ist es eine Klein-Fritzchen-Vorstellung, der Lehrer sei dazu da, dem Schüler zu sagen, was er falsch und was er richtig gemacht habe, damit er anschließend das Falsche besser vermeiden und das Richtige gezielter tun könne.

Im Gegenteil, wenn das ein Hauptmerkmal eines Unterrichts ist, dann ist es ein schlechter Unterricht.
 
Bist Du der Meinung, dass ein Schüler überfordert oder überstrapaziert wird, wenn er mehr wissen will und er nach Raum und Zeit fragt?
Gegenfrage: Wenn Du wissen willst wie man ein Haus baut, meinst Du, das kann man in einer Stunde oder einem Tag auch nur annähernd vermitteln? Man kann natürlich grob anschneiden (unten Keller, oben Dach) aber wie man eine Kelle hält und damit umgeht, alleine das dauert ja schon Monate. Rohre verlegen, Elektrik, Mauern, Dach, Dämmung, Thermik, Bauchemie.... Wenn Du Dir jetzt Baupraxis und Bautheorie so vorstellst, dass Du selbst in der Lage bist, ein Haus zu bauen, sind 10 Jahre schnell um.
Und so hat Instrumentalunterricht auch zig Baustellen, die man unmöglich gleichzeitig vermitteln kann. Die Frage nach "Raum und Zeit" entspricht der Frage "wie spielt man Klavier" und für die Antwort darauf braucht es nunmal unzählige Stunden des Lernens, Lehrens, und Übens.
 
Naja, denke halt selbst drüber nach. :-)
Ich denke gerne in Bildern. Nach einem Jahr stehste halt noch auf der Bodenplatte rum, nach 5 Jahren steht, wenn Du gut aufgepasst und viel geübt hast, der Rohbau. Aber evtl. auch erst nach 8 Jahren... Jetzt kann der KL zusammen mit dem Schüler überlegen, womit es weiter gehen soll. Da gibt es mehrere Möglichkeiten und Richtungen (Holz, Glas, Malern, Böden, Zimmerei...). Du siehst schon: Ein Lehrer wird Dir niemals ALLES vermitteln können. Dazu reicht die Zeit und Deine Auffassungsgabe einfach nicht aus und evtl. sogar die Kenntnisse des Lehrers nicht.
Kurz: Deine Frage "ab wann der KL Raum und Zeit ins Gepräch bringen soll" ist nicht zu beantworten. Alleine das Interesse das Schülers daran reicht jedenfalls nicht aus. Er muss auch in der Lage sein, die Antwort zu verstehen. Wenn er soweit ist, kann er sich die Frage selbst beantworten.

So sehe ich das. :-)
 
Mal zum Vergleich: Ich spiele seit 22 Jahren Klavier und genauso lange habe ich auch Unterricht. Die letzten 10 Jahre davon habe ich viel bis sehr viel geübt, hervorragenden Unterricht verschiedener Lehrer genossen und viel anderweitige Musikalische Bildung erfahren.
Durchgehend und noch immer - erst jetzt kürzlich - werden mir Dinge klar, die sich auf mein Klavierspiel hörbar positiv auswirken. Das sind keine Sachen wie "spiele da ein bisschen lauter". Und erst jetzt ist der Moment gekommen, wo ich sie verstehe oder wahrnehme oder erfahren kann.
Ab einem gewissen Punkt kommt man mit der Kunst in Bereiche, die der Philosophie sehr nah sind. Ich habe Bücher gelesen die mich weitergebracht haben, die mit dem Klavierspielen überhaupt nichts zu tun haben, sondern mit der Bewusstheit des eigenen Körpers und der eigenen Wahrnehmung. Das ist kein Humbug, keine Esoterik, sondern sehr real. Etwas, das den meisten Menschen in der modernen Welt leider abgeht.
Dadurch habe ich eine besondere Aufmerksamkeit erlangt. Wenn ich Menschen anschaue nehme ich oft mehr wahr, als ihnen vielleicht lieb ist - meistens schweige ich darüber. Für das Unterrichten ist es hilfreich.

Und konkret aufs Klavierspielen bezogen: Es ändert die Art des Sitzens, damit der Muskelspannung, der Haltung der Arme, der Bewegung und der Bewegungsabsicht. Und in gleichem Maße die Haltung des Geistes, der Emotionen, des Intellekts, der Ideen, der Kreativität, des Vorausdenkens, des Planens, des Geschehenlassens, des Abgebens, Loslassens und der Kontrolle.

Um mal wieder zur Erotik zurückzukommen: Man kann auch nicht einem Fünfjährigen erklären was es bedeutet, Sex zu haben. Vielleicht kriegt man irgendwie noch die äußere Handlung hin, aber was alles dahintersteckt (Liebe, Zuneigung, Verlangen, noch viele andere Dinge, gar ein Orgasmus) ist ihm einfach noch! so fern, dass er mindestens 10 Jahre warten muss.

Besser kann ich das hier in aller Kürze leider nicht erklären. @Marlene wir können uns gern bei einem nächsten Treffen länger darüber unterhalten und ich könnte dir mal eine Klavierstunde geben, in der ich versuchsweise alles sage, was mir einfällt. Das hab ich noch nie gemacht, weil ich glaube, nicht fertig werden zu können...
 
Danke, Anne, für Deine ausführlichen Beitrag.

Eigentlich hatte ich meinen Frust über das, was schief gelaufen ist, längst überwunden. Aber bei diesem Thema ist er leider wieder hochgekocht, weil ich es einfach nicht verstehen kann, wie einem kompetenten KL solche Unterlassungen unterlaufen können.

Kadenzen sind das Grundgerüst der Musik. Sie sollten nicht nur rudimentär – weil ich nach 1 ½ Jahren Unterricht danach gefragt habe - erklärt werden. Aber vielleicht wurden sie mir deshalb nicht ausführlicher erklärt, weil er meinen Forschergeist anregen wollte. Das ist ja durchaus von Vorteil.

Auf meinen gravierenden Fehler (Pedal) wurde ich aber nicht einmal hingewiesen. Dieser ist mir erst vor einem halben Jahr durch Zufall aufgefallen (weil ich es in einem Video gesehen habe). Gehört habe ich es schon früher, aber den Grund dafür nicht wahrgenommen. Richtig pedalisiere ich leider noch immer nicht.

Aber einen weiteren Fehler mache ich selbst, wenn ich nicht endlich mit dieser Sache abschließe. Herrje, es ist Schnee von gestern, es ist nicht mehr zu ändern. Bei allem Groll darüber geht aber kein Weg daran vorbei, dass ich ohne ihn jetzt nicht da wäre wo ich bin.
 

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