Grundton im sus4-Akkord?

aths

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Beim Dur- oder auch Molldreiklang erlebe ich den Grundton eindeutig als Wurzel welcher praktisch die anderen Töne entspringen. Auch im Sus2-Akkord höre ich den Grundton direkt als solchen. Anders im Sus4. In C-Dur wäre das C-F-G. Einerseits ist deutlich mehr Spannung drin, es kitzelt richtig im Auflösungsbestreben. Dass die Klangfarbe des Akkords höher ist als im Dur ist insofern einsichtig, als dass F, der Terz-Vorhalt, ja höher ist als E.

Doch irgendwie zieht der Akkord weg von C. Bilde ich mir das nur ein, oder klingt ein Csus4 wirklich nicht nach C?
 
Hmm, evtl. hörst Du ja mehr Sus2 als Sus4 heraus, in dem Fall F-Sus2 (C-F-G). Spiel doch mal den C-sus4 in einer anderen Umkehrung, z.B. F-G-C. Evtl. ist C dann deutlicher für Dich als Grundton zu hören. Ich finde, es kommt auch immer auf den Kontext an, in dem der Akkord steht. Einfach drei Töne anzuschlagen sagt ja noch nicht unbedingt aus, was es überhaupt für ein Akkord ist (wie es eben in diesem Fall auch F-Sus2 (nur ohne A) sein könnte).
 
Es ist mir kürzlich bei “I promised myself” aufgefallen. Nick Kamen singt in der ersten Strophe die titelgebende Zeile mit einer A-Dur-Akkordbegleitung, vor der nächsten Zeile hört man erst Asus2 und dann Asus4.

Die typischen Griffe ergeben für A-Dur auf einer Gitarre A-e-a-cis-e'. Asus2 spielt man A-e-a-h-e'. Asus4 als A-e-a-d'-e'. Die Akkorde treten in Grundstellung auf, der Grundton wird verstärkt durch ein leeres Quintenintervall im Bass. Einem Tutorial auf Youtube zufolge, welches den Sound gut wiedergibt, sind die Akkorde in dem Lied tatsächlich in dieser Stellung.

Während ich Asus2 noch klar als A höre, scheint mir Asus4 das Zentrum zu verschieben.

Wenn ich auf dem Klavier ein paar I-IV-V-I-Akkorde in C-Dur spiele, um mich einzuhören und dann mit Csus2 und Csus4 experimentiere – einfach als Dreiklang, ohne das leere Quintenintervall im Bass – habe ich ein ähnliches Gefühl: Der Sus4 nur mal kurz als Durchgang gespielt erscheint noch als Vertreter von C. Sofern ich den Csus4-Akkord für einige Zeit wiederhole, wird mir dessen Grundton unklar.

Fsus2 klingt aus dem C-Dur heraus für mich stark nach F.
 
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Ich habe jetzt Wikipedia abgegrast, nehme da aber lieber alles cum grano salis.

Meine Berechnungen führten zu keinem klaren Ergebnis: Man sollte es mit Obertonanalysen nicht übertreiben, aber hier verstärkt G den Ton C und C den Ton F. G verstärkt ebenfalls ein wenig Ton F. Das würde darauf hinauslaufen, Csus4 als Invertierung von Fsus2 zu sehen, wobei ein sus2 direkt aus Obertönen herleitbar ist. Da die Obertonbetrachtung schon beim Moll nicht mehr ordentlich funktioniert, versuche ich aber lieber, einen sus4 im Kontext der westlichen diatonischen Tonleiter zu sehen.

In der mir bekannten Musik die mal einen sus4 verwendet, baut er vor allem Spannung auf. Zur tonalen Aussage reicht mein Verständnis noch nicht aus.
 
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Die 4 'betont' die 3 im nächsten Akkord, - so sie denn so aufgelöst wird -, welche wiederum der Leitton (der Dominante) von F ist.



Grüße

Toni
 
Die 4 'betont' die 3 im nächsten Akkord, - so sie denn so aufgelöst wird -, welche wiederum der Leitton (der Dominante) von F ist.
F scheint im Csus4 als Gleitton zu E für mein Gehör den Fokus auf E zu ziehen, so dass ich vom C abgelenkt werde. Insofern ergibt die Erklärung für meine Wahrnehmung Sinn.

In "Stark" von Ich+Ich hörte ich "Tonika, Tonika als sus4" als Akkord-Progression im Intro. Laut Chords auf Gitarren-Akkord-Webseiten ist es aber E und Asus2. Doch Asus2 ist ja eine Invertierung von Esus4. Insofern hat das Heraushören funktioniert. Die Frage ist nur, ob Asus2 subdominantisch E verstärkt.
 
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Diese f-g-Betrachtung im Zusammenhang mit dem Dominantsept ist mir noch gar nicht in den Sinn bekommen; doch da könnte was dran sein.

Im Moment nehme ich an, den Sus4 eher als Invertierung eines Sus2-Akkords zu hören. Wenn ich beim Dur und Sus2 die Quinte weglasse, also nur C-E und C-D spiele, stellt das ungefähr das dar was ich im Dreiklang höre (nur eben weniger stabil, da ohne Quinte.) Den Csus4 als C-F zu spielen bringt es nicht ganz, ihn als F-G zu spielen stellt eher das dar, was ich höre. Auch in weiter Lage, G-F, scheint er der Kern dessen zu sein was mir der Akkord sagt. So oder so, im Csus4 spielt das C für mich kaum eine Rolle, es sind F und G die ich höre.

Das gilt wenn ich die Akkordfolge "C, C, Csus2, Csus2, Csus4, Csus4" spiele. Ob es als modifizierten Dominantsept höre, müsste ich noch in anderen Kontexten ermitteln.

Spiele ich eine Folge die auf V-I endet und spiele dafür jeden Akkord zwei mal hintereinander und das zweite V als Sus4, klingt es auch gut. Das müsste ich ebenfalls noch genauer untersuchen, inwiefern ein Vsus4 zur I passt.
 
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Das ist ja hochspannend.

Die Reihe "C, C, Csus2, Csus2, Csus4, Csus4, C, C" würde ich im Kontext persönlich wahrscheinlich spontan als polyphon empfinden, also die Ecktöne (c-g) als Liegetöne, und dazwischen die Melodie e-d-f-e. Das wäre eher eine Generalbass Betrachtungsweise, als eine Harmonielehre Betrachtungsweise.

Aber in anderen Kontexten würde ich den Akkord sicher mehr als Harnomie hören, und dann hätte die Überlegung, Csus4 eher als G7sus4 zu erleben, was.
Inzwischen glaube ich, bei C, Csus2, Csus4 den Csus4 in seiner Funktion als subdominantisch zu empfinden. Es passt gut, danach einen G zu spielen und schlussendlich mit C aufzulösen. Das würde wiederum heißen, das Zentrum des Csus4 im F zu hören.

Es könnte aber auch heißen, dass ich Abseits des Kanon in D kaum Stücke aus dem Generalbasszeitalter kenne. Vielleicht biegen sich meine Ohren die funktionale Deutung zurecht, weil ich Funktionsharmonik gewöhnt bin und mir eine IV-V-I-Verbindung hindenke.

prog2.png

edit: Die Melodie-Deutung funktioniert nach einigem Probieren für mich auch. Wenn ich einfach die Töne e'-e'-d'-d'-f'-f'-e'-e' spiele, gibt das durchaus etwas vom Gefühl der Akkordfolge.

Auch im Zusammenhang mit Deiner Überlegung im anderen Thread, Moll als Subdominantseptime zu sehen, hier mal Denkanstöße:

- einige Stellen in Schubert-Werken wären nur dann hörerlebnismäßig verständlich, wenn man den Dreiklang auf Stufe VII (z.B. in C wäre das h-d-f) als einen eigenständigen schwebenden VII-Stufe-Akkord mit dem Grundton h sieht (Wiener Stufentheorie) und nicht als einen verkürzten Dominantseptakkord auf g (nach Riemann).

- im Pop/Jazz-Bereich wird z.B. vom einem Adim gesprochen, wo die Klassik-Riemann-Theorie von einem verkürzten Dominantseptnonenakkord (Grundton wäre in dem Fall zum Beispiel f und der Akkord würde nach dem Tonika-Akkord B-Dur streben) sprechen würde. Wonach entscheidet man sich im Pop-Bereich, ob man den Akkord als Adim oder Cdim hört?
Den vii° als eigene Stufe zu deuten ergibt sich meiner (natürlich nicht besonders wichtigen) Meinung nach aus dem modalen Tonleiterkonzept. Dass die Stufe auf dem Leitton eine besonders starke Wirkung hat, leuchtet mir ein. Wenn Riemann die sieben Stufen in drei Hauptfunktionen einteilt, ergibt sich für vii° zwar eine Dominante, aber ich höre vii° je nach Kontext als eigene Stufe. Fast ohne eigene Tonalität, wobei mir im Vergleich der (nirgends tonleitereigene) übermäßige Dreiklang vorkommt als sei dessen Tonalität noch schwächer.

Adim wäre A-C-Es, C-Dim ist C-Es-Ges. Mit verminderter Septime dann C-Es-Ges-Heses. (Hätte nicht gedacht, jemals Heses zu brauchen.)

Adim mit verminderter Septime und verminderter None ist A-C-Es-Ges-Heses. Um zu wissen, was ich höre, müsste ich erst mal wissen ob ich Heses nicht grundsätzlich zu A umdeute. Dazu gleich noch eine Extra-Bemerkung.

In Dingen Moll hilft mir die Betrachtung verminderter Akkorde erst mal nicht weiter (oder habe ich was übersehen?), die Betrachtung verkürzter Akkorde natürlich schon.


Zur Extra-Bemerkung. Ich hatte schon überlegt, ein Programm zu schreiben um Akkorde in reiner Stimmung zu erzeugen. So könnte man dann auch Heses von A unterscheiden, da die Frequenz anders wäre. Allerdings arbeiten wir ja im gleichstufig gestimmten chromatischen System und ich halte es für sinnvoll, auch in diesem Tonraum zu denken anstatt mit mikrotonaler Technik reine Akkorde zu erzeugen, die wir in der musikalischen Praxis so gut wie nie hören.
 
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Zu den meisten Sachen kann ich nicht viel sinnvolles sagen. Zustimmen möchte ich aber bei der Intonation. Wie man etwas spielt beeinflusst das Hörerlebnis ganz wesentlich. Den Zusammenhang rein aus dem Notentext zu erschließen funktioniert nur bei simplen Passagen. Insofern ist auch die Frage nach der Sus4-Deutung etwas unkonkret. Doch ich glaube (glauben im Sinne von nicht wissen) dass bestimmte Akkordfolgen, rein für sich genommen, einen derart eindeutigen Kontext aufbauen, dass alternative Deutungensmöglichkeiten einfach nicht gehört werden. Insofern hoffte ich, dass sich zum Sus4 einige allgemeine Aussagen treffen lassen.

Dank der Beiträge von dir und anderen Foren-Teilnehmern ist mir auch einiges klar geworden.


Verkürzte Dominantseptnonakkorde mit kleiner Septime und kleiner None, aber (da verkürzt) ohne Grundton haben zwar krasse Spannung (zwei Tritoni) aber kein klares Zentrum zu dem sie streben. Was man hört dürfte dann von der zuvor etablierten Tonika abhängen. Oder auch nicht, ich höre bei der Stapelung von drei kleinen Terzen eine wirrte Drehscheibe ohne zu wissen, wohin sie mich schleudert.


Ich habe jetzt (Internet sei Dank) Schönbergs Herleitung der Dur-Tonleiter gelesen. Nun muss ich vorsichtig formulieren, denn er hat die Musikgeschichte geprägt, während ich ein Internetforum mit Anfängerfragen belästige. Doch seine Dur-Leiter-Herleitung halte ich für nicht einsichtig und zudem historisch fragwürdig. Er nutzt aus der Obertonreihe hergeleitete Durdreiklänge und nimmt die Dreiklänge der Prime, der Quinte, und der Quarte. Das mit der Quinte halte ich schon für unzureichend begründet. Bei der Quarte geht er ins Abstrakte, ohne mir ersichtlichen zwingenden Grund.

Die Durtonleiter sehe ich als nachträgliche Umdeutung einer bestehenden modalen Tonleiter auf die Dreiklangsverbindung IV-I-V, nachdem die Diatonik bereits etabliert war. Diatonik wiederum betrachte ich als Ergänzung von Pentatonik. Und selbst die Pentatonik lässt sich nicht rein aus der Prim-Obertonreihe bekommen. Man bekommt aber Fünfton-, Siebenton- und Zwölftonreihe mit aufeinandergestapelten (temperierten) Quinten. Deshalb würde ich als "wahren" Grund für die Existenz des Tonmaterials das Konzept der Quintenstapelung sehen.

Schönbergs Kritik an tradionellen Bezeichnungen finde ich aber interessant zu lesen. Er weist auf etliche Dinge hin, die sich eingeschlichen haben, dessen Name aber unzutreffend ist. Er hat etliches was vertraut erscheint, neu durchdacht.
 
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