Emotionen beim Spielen

Dazu ist nicht notwendig, dass man selber dieses Gefühl während dem Spielen konkret entwickelt. Es ist wie beim Schauspieler. Der muss auch lernen durch Ausdruck des Körpers und in der Sprache ein Gefühl im Zuseher zu erwirken.

Jetzt ist mir auch klar warum ich gegen das Entwickeln eigener echter Gefühle beim Spielen war. Es bringt nämlich überhaupt nichts, wenn man ein trauriges Stück in einem todtraurigen Zustand spielt, aber dieses gar nicht über die Musik (mangels entsprechender Mittel) zum Zuhörer transportieren kann.

Das stimmt schon. Trotzdem muss man das Gefühl kennen und sich beim Spielen in das Gefühl "einfühlen" können. Das heißt, man muss schon so etwas wie Traurigkeit spüren, wenn man ein trauriges Stück spielt. Sonst könnte man es in diesem Moment gar nicht ausdrücken.
Aber es ist so wie Guendola gesagt hat. Wenn man sich in die Traurigkeit fallen lässt, dann kann man sie nicht mehr kontrolliert ausdrücken, sondern wird viel eher von ihr kontrolliert.

Um das Fühlen wirst du also beim Musik machen kaum herumkommen, Bachopin. :rolleyes: Man kann zwar auch ohne Gefühl musizieren, aber interessant und berührend wird das dann kaum sein.

Grüße von
Fips
 
Hi Fips7,

klar, die zu erwirkenden Gefühle muss man schon auch selber kennen.

Ich denke es hat auch noch in meinem Text was gefehlt:

Die Kontrolle des eigenen Spiels muss/sollte ja durch das sich selbst zuhören stattfinden. Bei diesem Vorgang muss man sozusagen zwei Rollen einnehmen: Das des neutralen "technischen" Überwachers und eines "virtuellen" Zuhörers mit Gefühlen. In der Rolle des Zuhörers kann man die erwirkten Gefühle kontrollieren.

Ganz schön "schizophren". ;-)

Aber ich denke nur so ist der Vorgang kontrollier- und beliebig wiederholbar.

Wohl wahr, aber das ist eben eine Frage der Technik, die Transportmittel zum Zuhörer zu üben. Das ist eine ganz andere Frage, um das es hier geht - nämlich ob man Emotionen beim Spiel haben und zulassen soll. Ich finde: ganz eindeutig: JAAAAA!

Allgemein bin ich auch absolut dafür Gefühle beim Spielen zu haben. Wieso sollte ich sonst spielen? Ich denke halt nur, dass wenn man ein lustiges und dann ein trauriges Stück spielt, sich nicht von der einen in die andere Stimmung bringen muss, sondern das auf "höherer" Ebene geregelt kriegt.

Gruß
 
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Ich denke halt nur, dass wenn man ein lustiges und dann ein trauriges Stück spielt, sich nicht von der einen in die andere Stimmung bringen muss, sondern dass auf "höherer" Ebene geregelt kriegt.

Und ich denke, dass man sich stattdessen auch von einer "tieferen" Ebene mitreißen lassen kann.
Dass eben nicht nur der Kopf, sonden auch der Bauch nötig ist.
 
Ich glaube, ein paar von uns haben jetzt versucht, die gleiche Aussage zu machen aber es ist echt schwer, das gut auszudrücken. Ich versuche es noch einmal:

Ein Stück vorzutragen ist im Prinzip das gleiche, wie eine Geschichte zu erzähl
en. Es liegt am Vortragenden, die Geschichte interessant und mitreißend zu erzählen. Und das bedeutet eben nicht, daß er alles selbst fühlen muß, er muß lediglich wissen, was emotional passiert, wie er das hervorheben kann und er wird eine Art Echo in sich selbst spüren, was aber nicht das Selbe ist, wie die Geschichte tatsächlich selbst zu erleben, er bleibt Zuschauer bzw. Reporter. Meinen Vergleich mit Schauspielern darf man nicht überstrapazieren, ein Schauspieler zieht sich seine Rolle gewissermaßen an und erlebt die Handlung selbst. Musiker sind meistens nicht in dieser Lage. Aber ein Schauspieler ist bei aller Identifikation mit der Rolle gleichzeitig Puppenspieler und Puppe, und das ist das, was ich mit Kontrolle meinte.

Noch ein Selbstversuch: Man nehme ein Stück, das man möglichst sicher spielen kann, mache sich irgendeine Vorstellung, was da ablaufen könnte und versuche dann, das beim Spielen irgendwie umzusetzen. Je treffsicherer man mit seiner Vorstellung ist, desto leichter sollte es fallen, aber dafür gebe ich keine Garantie. Man kann aber auch völlig abstruse Vorstellungen umsetzen. Wenn man sich der Musik auf diese Weise langsam nähert, lernt man langsam, zu interpretieren. Hmm, vielleicht versteht jemand, was ich meine und kann das besser erklären...
 
Ich denke halt nur, dass wenn man ein lustiges und dann ein trauriges Stück spielt, sich nicht von der einen in die andere Stimmung bringen muss, sondern das auf "höherer" Ebene geregelt kriegt.

Ich versuchs jetzt auch nochmal :p

Allerdings glaube ich nicht, daß es nötig ist, Bachopin etwas zu erklären. Ich denke, er weiß schon, worum es geht.

Mein Vorschlag wäre lediglich, nicht in Begriffen von höherer oder tieferer Ebene zu reden, sondern von innen und außen.


Man muß Musik von innen heraus verstehen und gestalten.
 
Hi,
Allerdings glaube ich nicht, daß es nötig ist, Bachopin etwas zu erklären. Ich denke, er weiß schon, worum es geht.
ich bin mir da nicht so sicher. ;-)

Mein Vorschlag wäre lediglich, nicht in Begriffen von höherer oder tieferer Ebene zu reden, sondern von innen und außen.
Man muß Musik von innen heraus verstehen und gestalten.

Ist ok. Aber Begriffe sind wichtig. Da muss ich drüber nachdenken, was besser ist.

Hmm, vielleicht versteht jemand, was ich meine und kann das besser erklären...

Ist doch absolut zu verstehen, was du schreibst, aber beser erklären kann ich es auch nicht (siehe meine Versuche). ;-)

Noch etwas wichtiges:

Das Dumme ist, da der Mensch immer ganzheitlich reagiert/agiert, diese Emotionen (bei mir erwirkte) muss man zusammen mit dem Motorischen üben. Nur dann wird die technische mit einer emotionalen Qualität verknüpft.

Deswegen: Finger weg von Hanon. ;-)

Gruß
 
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Mein Vorschlag wäre lediglich, nicht in Begriffen von höherer oder tieferer Ebene zu reden, sondern von innen und außen.

Man muß Musik von innen heraus verstehen und gestalten.

Tja, ich meine, es kann nicht schaden, die Ebenen ruhig auch mal in Bauch- und Kopfebene zu unterteilen, ich meine natürlich im übertragenen Sinn.

Und meine weiter, man muß nicht immer unbedingt rational begründen können, warum man eine Passage so oder so spielt. Noch viel wichtiger, wenn man sich Stücke und Melodien und Harmonien ausdenkt. Das geht meiner Meinung nach gar nicht, ohne dass man sich da auch von seinem Gefühl leiten lässt.

Also, eigentlich geht es doch dadrum, dass Emotionen aus einer tieferen Hirnschicht stammen, ob man dass nun als "innen" oder "tief" oder "Bauch" bezeichnet, ist ja egal.

Und dass Emotionen viel, viel tiefer liegen als rationales Denken, dass weiß ich aus leidvoller Erfahrung eines Angehörigen, der an Alzheimer Krankheit gestorben ist. Von daher weiß ich, dass man sehr wohl nocht fühlen kann, wenn man schon längst nicht mehr denken kann.
 
Also rein mit dem Verstand betrachtet (ist das jetzt ein Widerspruch?), glaube ich auch, dass ein Pianist, der ein Stück aus dem "Bauch" von "innen" heraus mit starker innerer Beteiligung spielt, die Menschen mehr mit seiner Musik berühren wird als jemand, der nur mit dem "Kopf" spielt.

Aber Bachchopin, Guendola hat es ja schon ganz pragmatisch vorgeschlagen: das müßtest Du doch im Selbstversuch ganz einfach testen können. Versuch einfach mal aus dem Bauch heraus zu spielen und höre Dir die gespielten Stücke hinterher an und vergleiche sie. Oder befrage Deine Zuhörer. ;) Oder stelle die Stücke im Forum ein.

Auf das Ergebnis sind wir hier jedenfalls sehr gespannt.

lg

Nora
 
Ich frage mich, wie man ein Stück überhaupt begreifen will, wenn nicht fühlend :confused:

lg marcus
 
Ach liebe Leute,

ihr habt mich missverstanden. Ich bin doch gar nicht gegen Gefühle.

Also rein mit dem Verstand betrachtet (ist das jetzt ein Widerspruch?), glaube ich auch, dass ein Pianist, der ein Stück aus dem "Bauch" von "innen" heraus mit starker innerer Beteiligung spielt, die Menschen mehr mit seiner Musik berühren wird als jemand, der nur mit dem "Kopf" spielt.

Aber Bachchopin, Guendola hat es ja schon ganz pragmatisch vorgeschlagen: das müßtest Du doch im Selbstversuch ganz einfach testen können. Versuch einfach mal aus dem Bauch heraus zu spielen und höre Dir die gespielten Stücke hinterher an und vergleiche sie. Oder befrage Deine Zuhörer. Oder stelle die Stücke im Forum ein.
Selbstverständlich muss man mit starker innerer Beteiligung spielen. Punkt. Doppelpunkt.

Aber nochmal, wenn man z.B. ein romantisches Stück über Verliebtheit spielt, muss man doch in dem Moment nicht verliebt sein (das würde das Repertoire stark einschränken ;-) ). Man muss das Gefühl kennen und beim Spielen prüfen, ob dieses Gefühl durch Zuhören seines eigenen Spiels in einem hervorgerufen wird (emotionale Zuhörer-Rolle). Ich glaube auch, dass das nicht weit weg von Guendolas Meinung ist.

Das Aufnehmen des eigenen Spiels ist ein guter Hinweis. Das muss ich mal wieder mehr pflegen.
Aufnahmen reinstellen, das hab' ich schon öfters überlegt.
Das Problem ist, die Aufnahme kann eigentlich nur 2 Zustände haben:

  • Man erkennt selber noch Fehler. Warum dann reinstellen? Man sollte sich erst um diese Fehler kümmern. (99% meiner Aufnahmen fallen in diese Kategorie ;-) )
  • Man erkennt keine Fehler mehr. Warum dann reinstellen? Um zu erfahren, dass die Aufnahme super ist oder total schlecht oder geht so. He, ich bin kein Profi Spieler. Ich kann mich selber de/motivieren. Ausserdem erreichen meine Aufnahmen diesen Zustand seltsamerweise nie. (Wo die fehlenden 1 % herkommen, weiss ich auch nicht. ;-) )


Ich frage mich, wie man ein Stück überhaupt begreifen will, wenn nicht fühlend :confused:

lg marcus

Das ist im Prinzp richtig, aaaber es gibt auch Kompositionen, die aufgrund ihrer intellektuellen Konstruktion/Reife in einem etwas berühren.

Tja, ich meine, es kann nicht schaden, die Ebenen ruhig auch mal in Bauch- und Kopfebene zu unterteilen, ich meine natürlich im übertragenen Sinn.
...
Und dass Emotionen viel, viel tiefer liegen als rationales Denken, dass weiß ich aus leidvoller Erfahrung eines Angehörigen, der an Alzheimer Krankheit gestorben ist. Von daher weiß ich, dass man sehr wohl nocht fühlen kann, wenn man schon längst nicht mehr denken kann.

Ja die Gefühle sind viel älter als der Verstand und sie steuern unser Alltagsleben, ohne dass wir es wissen. Deswegen ist es gut seine Gefühle zu pflegen (Hygiene der Emotionen).

Gruß

PS: Ich hab' noch eine Buch Empfehlung aus meinem Bücherschrank: Dichler, Verstand und Gefühl. Intellektuelle und emotionale Musik und ihre Interpretation auf dem Klavier
 
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Die Kontrolle des eigenen Spiels muss/sollte ja durch das sich selbst zuhören stattfinden. Bei diesem Vorgang muss man sozusagen zwei Rollen einnehmen: Das des neutralen "technischen" Überwachers und eines "virtuellen" Zuhörers mit Gefühlen. In der Rolle des Zuhörers kann man die erwirkten Gefühle kontrollieren.
Gruß

Vielleicht kommen die Missverständnisse daher, dass Du den Schwerpunkt (?) auf Begriffe wie "Kontrolle", "technischer Überwacher", "virtueller Zuhörer mit Gefühlen" legst? Das Hineinversetzen in die Stimmung des Stücks spielt bei den Formulierungen eher eine untergeordnete Rolle, die der Kontrolle der Gefühle wird überbetont.

Das klingt irgendwie nicht wie z.B. die Formulierung von Guendola, die es als lebendiges Erzählen einer Erinnerung beschreibt.

lg

Nora
 
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Also, eigentlich geht es doch dadrum, dass Emotionen aus einer tieferen Hirnschicht stammen, ob man dass nun als "innen" oder "tief" oder "Bauch" bezeichnet, ist ja egal.

Das "Musik von innen verstehen" hatte ich aber etwas anders gemeint. Es ging mir dabei nicht um Verstand vs Gefühl, sondern um die inneren Kräfte der Musik selbst. Rhythmus, Metrik, Harmonik, Stimmverlauf. Und wie sich aus diesen Kern-Elementen die Emotionalität entwickelt.

Ich hätte es auch anders formulieren können: man muß die Gefühle aus den Noten heraus holen (heraus entwickeln), nicht sie in das Musikstück hinein legen (über die Musik drüber legen).

Ob man das jetzt bewußt oder unbewußt macht, macht letzten Endes für den Hörer keinen Unterschied.


Und dass Emotionen viel, viel tiefer liegen als rationales Denken, dass weiß ich aus leidvoller Erfahrung eines Angehörigen, der an Alzheimer Krankheit gestorben ist. Von daher weiß ich, dass man sehr wohl nocht fühlen kann, wenn man schon längst nicht mehr denken kann.

Da hast du wohl recht.
 
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Das "Musik von innen verstehen" hatte ich aber etwas anders gemeint. Es ging mir dabei nicht um Verstand vs Gefühl, sondern um die inneren Kräfte der Musik selbst. Rhythmus, Metrik, Harmonik, Stimmverlauf. Und wie sich aus diesen Kern-Elementen die Emotionalität entwickelt.

Ich hätte es auch anders formulieren können: man muß die Gefühle aus den Noten heraus holen (heraus entwickeln), nicht sie in das Musikstück hinein legen (über die Musik drüber legen).

Passiert ja selten genug, trotzdem oder gerade deswegen: volle Zustimmung!

Und bei Könnern wundere ich mich immer wieder, was die aus ein paar Noten herausholen können. Z.B. Glenn Gould bei deinem Beethoven-Bagatellen-Link. Wobei Gould es ganz und gar nicht so spielt, als wäre es eine "Bagatelle" im reinen Wortsinn.

Glaube aber auch, dass sich das Bauchgefühl und das Wissen um die inneren Kräfte der Musik, wie von dir beschrieben, nicht ausschließt.
 
Und bei Könnern wundere ich mich immer wieder, was die aus ein paar Noten herausholen können. Z.B. Glenn Gould bei deinem Beethoven-Bagatellen-Link.

Oh, jetzt bin ich geschockt 8)

Dir hat Glenn Gould's Bagatelle gefallen...?

Ich denke, Beethoven hätte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.


Es war von mir als extrem abschreckendes Beispiel gedacht.

Die Vortragsangabe dieser Bagatelle lautet in der Originalausgabe "Andante - Cantabile ed grazioso". Es ist im 3/8 Takt notiert, also einem sehr "leichten" (im Sinne von leggiero) Takt. Gould spielt es, als wäre es das "Largo e mesto" der Sonate op.10 Nr.3.
 
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Ich habe nicht in die Noten gesehen, und kannte daher nicht die angegebene Vortragsbezeichnung, aber es hat mich überzeugt, wie Gould das gespielt hat. Je langsamer, umso schwerer ist es, einen singenden Ton beizubehalten.
Aber ich gebe dir insofern recht, als ich das Resultat dieser Spielweise nicht als "Bagatelle" eingestuft hätte, sondern als höchstwichtige Staatsangelegenheit. :D
 
Aber ich gebe dir insofern recht, als ich das Resultat dieser Spielweise nicht als "Bagatelle" eingestuft hätte, sondern als höchstwichtige Staatsangelegenheit. :D

:)

Da ist Gould eben auf das übliche "Dem Schicksal in den Rachen Greifen"-Zerrbild Beethovens hereingefallen. Manchmal war Beethoven auch einfach nur ein kleiner Haydn 8)
Vorlage könnte ein Stück gewesen sein wie z.B. das Andante con espressione, 1. Satz der Sonate C-dur Hob XVI:48 aus dem Jahre 1789, also von Haydn ca 35 Jahre vorher komponiert.

Hier eine sehr schöne Aufnahme davon: http://www.youtube.com/watch?v=NMWCFAm2o3I
 
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man muß die Gefühle aus den Noten heraus holen (heraus entwickeln), nicht sie in das Musikstück hinein legen

Mir hat Glenn Goulds Spiel auch sehr gut gefallen. Allerdings kannte ich das Stück nicht so gut, dass mir sofort aufgefallen wäre: "Hey, was macht der Typ da? Der spielt das ja völlig anders als vorgeschrieben." Ich denke, dieses Video ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Pianist wunderbare, berührende Musik machen kann, obwohl er sich nicht genau an das hält, was der Komponist vorgeschrieben hat. Für sich genommen und ohne die Noten zu kennen kann man sagen, dass Glenn Gould sehr berührend spielt. In Kenntnis der Noten kann man wohl sagen, dass er das Stück und die Aussage Beethovens verfehlt. Ich denke aber, es wäre falsch, Goulds Interpretation nur deshalb abzulehnen, weil er sich nicht an Beethovens Vorgaben hält. Damit würde man doch quasi wie ein Bürokrat auf Paragraphen herumreiten, ohne wirklich zuzuhören.

Das ist das, was ich mit "mehr Dimensionen" gemeint habe. Glenn Gould zeigt eine Dimension dieser Musik, die so zwar vom Komponisten nicht vorgesehen war, die aber trotzdem in dem Stück steckt. Mit der Forderung, dass ein Pianist quasi der Diener des Komponisten zu sein habe, muss man dies natürlich ablehnen und es so empfinden, dass Gould das eigentliche Stück mit seiner Interpretation überdeckt. Aber man kann es auch anders sehen. Man kann auch sagen, dass Musik nur dann wirklich lebendig ist, wenn ein Musiker mit dem Werk, das er spielt, persönlich interagiert anstatt es distanziert wiederzugeben (so als sei die Musik etwas von ihm Getrenntes).

Der Notentext steckt bestimmte Grenzen ab, aber innerhalb dieses Rahmens kann man sich auf mannigfaltige Weise auf ein Stück einlassen. Sich einzulassen impliziert immer, dass man etwas in die Musik hineinsteckt, selbst dann, wenn man sich ausschließlich an dem orientiert, was man für die Aussage des Komponisten hält. Es ist nicht so sehr die Frage, ob man etwas in die Musik hineinsteckt oder aus ihr herausholt. Sondern die Frage ist eher, wo die Grenze ist, an der durch die Interpretation die Gestalt eines Stücks so stark verändert wird, dass man von einem anderen Stück sprechen muss.

Im Fall von Glenn Gould ist diese Grenze meiner Meinung nach noch nicht überschritten. Er spielt durchaus eine ziemlich "staatstragende" (Begriff von Mindenblues inspieriert ;)) Version der Bagatelle. Aber er spielt sie nicht distanziert, sondern lässt sich auf seine sehr individuell gefärbte Weise darauf ein. Und das macht es lebendig, interessant und berührend.

Ich verstehe immer irgendwie nicht, wie die Frage nach der "Passgenauigkeit" einer Interpretation mit den Vorgaben des Komponisten wichtiger sein kann als die konkrete Musik, die ein Mensch hervorbringt.

Grüße von
Fips
 
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Das ist das, was ich mit "mehr Dimensionen" gemeint habe. Glenn Gould zeigt eine Dimension dieser Musik, die so zwar vom Komponisten nicht vorgesehen war, die aber trotzdem in dem Stück steckt. Mit der Forderung, dass ein Pianist quasi der Diener des Komponisten zu sein habe, muss man dies natürlich ablehnen und es so empfinden, dass Gould das eigentliche Stück mit seiner Interpretation überdeckt. Aber man kann es auch anders sehen. Man kann auch sagen, dass Musik nur dann wirklich lebendig ist, wenn ein Musiker mit dem Werk, das er spielt, persönlich interagiert anstatt es distanziert wiederzugeben (so als sei die Musik etwas von ihm Getrenntes).

Wenn das die Alternative wäre, dann wäre es ja echt furchtbar :D

Wenn Gould gerade in der Stimmung war, ein Seelendrama aufzuführen, dann hätte es dazu genug geeignete Stücke gegeben, auch von Beethoven. Zum Beispiel das von mir genannte Largo e mesto aus der Sonate op10-3

Wenn er aber einen Satz spioelt, der mit Cantabile e grazioso überschrieben ist, dann erwarte ich auch, daß ich diesen Satz cantabile e grazioso zu hören bekomme. Mag unverschämt von mir sein - aber so bin ich eben :D
 
Also, nicht dass ich jetzt die Version von Gould besonders gern mag. Aber es gibt doch heutzutage durchaus den Trend, klassische Musik z.B. als Rock- oder Jazzversion zu "interpretieren". Ist das nicht mit dem vergleichbar, was Fips7 meint?

lg Nora
 
es gibt doch heutzutage durchaus den Trend, klassische Musik z.B. als Rock- oder Jazzversion zu "interpretieren". Ist das nicht mit dem vergleichbar, was Fips7 meint?

Ich glaub eher nicht, daß Fips an sowas gedacht hat :)

Wenns eine bewußte Veralberung bzw. eine Parodie eines bekannten Stücks ist, finde ich es auch wieder gut - vorausgesetzt, es ist gut gemacht :)
 

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