Es lebe die Kreativität!
Liebe Babette,
ohne den von dir genannten Artikel, wohl aber deine Worte dazu, gelesen zu haben, kann ich diese beiden Sätze nicht unkommentiert lassen:
(...) Und unkonformistisches Verhalten wird von der Gesellschaft sanktioniert. Ist es da nicht sogar sinnvoll Kreativität zu unterdrücken wo es möglich ist?
Du hast schon geschrieben, dass du hier übertrieben hast - aber, liebe Babette, selbst, wenn es übertrieben gemeint sein sollte, fürchte ich, dass du es wenigstens zum Teil auch wirklich so sehen könntest. Von mir bekommt diese Frage ein ganz entschiedenes Nein als Antwort!
Wer sagt dir, dass du dich
komplett anpassen sollst? Es soll sich meiner Ansicht nach niemand je überhaupt
komplett an irgendetwas anpassen müssen - wir sind doch alle Individuen, per se alle verschieden und das ist auch gut so. Nur durch unsere Individualität ist menschliches Beisammensein interessant - was gäbe es sonst zu erfahren, zu diskutieren und zu leben mit völlig durchsichtigen, gläsernen, gleichgearteten Menschen? Sicherlich gibt es gesellschaftliche Regeln, deren Nichtbeachtung eine Sanktion zur Folge hat und haben sollte - ich würde z.B. nur äußerst ungern erschlagen werden und dies vom Gesetz erlaubt wissen. Genauso ist es sinnvoll und notwendig, im menschlichen Beisammensein Kompromisse zu machen, aufeinander einzugehen und wenn du so möchtest, sich (in Grenzen!) anzupassen. Aber nicht-destruktive, schöpferische Kreativität, wieso sollte man diese unterbinden, wo sie doch die Quelle eines jeden Fortschritts ist?
Sicher müssen neue Ideen erstmal durch die von dir metaphorisch angesprochenen "Gebetsmühlen", das ist auch gut so, damit wir nicht jeden Quatsch als Fortschritt verkauft kriegen. Ich formuliere nun einmal ebenso übertrieben: Was ist gegen privaten "Quatsch" einzuwenden, wenn er einem selbst Spaß macht, gefällt und niemandem anders zum Schaden gereicht? Mehr noch, wenn es jemand mit seinem privaten "Quatsch" schafft, andere zu begeistern, so hat er nicht nur dem Schaffenden, sondern auch anderen Freude bereitet. Wieso also unterbinden, selbst wenn es als unkonformistisch, als unüblich, unnormal, seltsam, experimentell, abwegig, irrsinnig erscheint?
Nein, Babette. Hör auf sowas nicht.
Sei kreativ so lange und so seltsam du möchtest.
Als kleiner Denkanstoß sei noch hinzugefügt (sicherlich ebenso übertrieben, aber als Appell durchaus angebracht, wie ich finde):
"(...) Und also sprach Zarathustra zum Volke: Es ist an der Zeit, dass der Mensch sich sein Ziel stecke. Es ist an der Zeit, dass der Mensch den Keim seiner höchsten Hoffnung pflanze.
Noch ist sein Boden dazu reich genug. Aber dieser Boden wird einst arm und zahm sein, und kein hoher Baum wird mehr aus ihm wachsen können.
Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch nicht mehr den Pfeil seiner Sehnsucht über den Menschen hinaus wirft, und die Sehne seines Bogens verlernt hat, zu schwirren!
Ich sage euch: man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Ich sage euch: ihr habt noch Chaos in euch.
Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch keinen Stern mehr gebären wird. (...)"
aus Friedrich Nietzsche: "Also sprach Zarathustra"
Liebe Grüße,
Partita