Chopins Klavierschule

sorell

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Ich lese jetzt sehr viel üebr Chopin.

und es war sehr interessant zu lesen, welche Ratschläge er seinen Schüler gegeben hat. Einige sind ganz gut nachvollziehen und verstehen, andere bringen mich komplett durcheinander.

Hier ist es (aus Gavoty)

"Grundlage der Unterrichtsmethode war Gesang. Wer es nicht versteht, ein Klavier zum Singen zu bringen mit dem Bogen, mit dem Legato, den durch das Atemholen bedingten Pausen, Rubato, das Leben gibt, ohne den melodischen Faden zu zerreißen, - der kann den Klavierdeckel schließen. Der Schüler spielte bei Chopin immer auf einem ausgezeichneten Konzertflügel. „Einen Topf wird man nie zum Singen bringen.“ "

meine Bemerkung: eine richtiger Pianist kann auch einen Topf zum Singen bringen.... meine Klavierlehrerin hat mir immer gesagt: "es gibt keine schlechten Instrumente, es gibt schlechte Pianisten."

weiter: "Noch etwas: das absolute Verbot, mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten: „Darüber hinaus käme die Abstumpfung!“ Man solle die Zeit, die man sich für sein Studium nehme, durch Lektüre, einen Spaziergang, Träumereien unterbrechen."

meine Bemerkung: ich bin absolut begeistert! ja! ja! Ja! man sollte die Zeit effizienter nutzen!!!

weiter: "Unter Ratschlägen seien die folgenden genannt: mit „bis zu den Zehenspitzen“ entspanntem Körper sitzen; sich niemals anspannen; die Hand natürlich in die Luft hängen lassen;"

meine Bemerkung: einfach super! alles, was ich auch meinen Schüler und MIR AUCH immer sage.

weiter: " die Ellbogen am Körper halten, nur ganz selten das Gewicht des Armes einsetzen;"

meine Bemerkung: hier bin ich stumm... es wiederspricht alles!!! "Die Russische Klavierschule setzt ihren Schwerpunkt auf das pianistische Belcanto, auf die durch Malerei, Literatur und Folklore inspirierte Vorstellungskraft und auf die systematische Übung der auf Armgewicht basierenden, virtuosen Klaviertechnik. Harold C. Schonberg beschreibt die Russische Klavierschule als „warmherzig, extrovertiert, farbenreich und dennoch mit emotionaler und rhythmischer Kontrolle“ (The New Grove)."

Armgewicht! Das ist hier der Streitpunkt. Sollte man Armgewicht einsetzen oder nicht. Wenn man das nicht einsetzt, hängt der Arm in der Luft und wird müde....

Weiter: " ein strenges Legato beachten… "

hier ist alles klar....
Was ist Eure Meinung?
 
Hallo,

weitere interessante Ausschnitte aus den Fragmenten einer Methode des Klavierspiels von Chopin sowie aus Berichten über dieses nicht zu Ende geführte Projekt Chopins findest Du in:
Ulli Molsen: Geschichte des Klavierspiels in historischen Zitaten

...das mit den Ellenbogen dürfte wohl nur eine Art Ermahnung in Richtung Anfänger sein, die ja gerne allerlei ungeschicktes machen - spätestens bei Kreuzgriffen geht das ja nicht mehr... :)

Man darf nicht vergessen, dass die Mehrzahl von Chopins Schülern keine "Profis" (quasi Klavierstudenten, Pianisten etc.) waren, sondern musikinteressierte Leute der Upperclass: in so eine Richtung ist der Rat, drei Stunden nicht zu überschreiten, sicher realistisch.

was ich einfach nicht lassen kann:
Liszt hatte mehr als drei Stunden täglich geübt - Chopin schrieb selber, dass er dem Liszt die Art, wie er (Liszt) seine (Chopins!) Etüden spielte, am liebsten stehlen wollte :)

Gruß, Rolf
 
weiter: "Noch etwas: das absolute Verbot, mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten: „Darüber hinaus käme die Abstumpfung!“ Man solle die Zeit, die man sich für sein Studium nehme, durch Lektüre, einen Spaziergang, Träumereien unterbrechen."

meine Bemerkung: ich bin absolut begeistert! ja! ja! Ja! man sollte die Zeit effizienter nutzen!!!

Ich verstehe den von Chopin überlieferten Ratschlag anders.

Nämlich als Aufforderung, eben nicht "Zeit möglichst effizient zu nutzen" (das ist ohnehin ein den Menschen im Zuge der Industrialisierung aufgedrücktes Dogma, und zwar um sie zunächst besser ausbeuten zu können und im Anschluß, wenn sie durchkonditioniert sind, sie sich selbst ausbeuten zu lassen), sondern im Gegenteil auf sich selbst, seinen Körper und Geist, wirklich zu hören und ein ausbalanciertes Leben zu führen statt in einen "Übewahn" zu verfallen. Spaziergang und Träumereien sind ja nun wirklich das Gegenteil von "Effizienz"!

Ich erlaube mir an dieser Stelle mal wieder einen der besseren Äußerungen Nietzsches zu zitieren:

"Man lobt den Fleißigen, ob er gleich die Sehkraft seiner Augen oder die Ursprünglichkeit und Frische seines Geistes mit diesem Fleiße schädigt..."

Ich nehme an, Chopin hatte die gleiche Erkenntnis.

LG,
Hasenbein
 
und sollte ich mcih jetzt komplett umschulen lassen?

das würde ich nicht empfehlen - ich glaube, er meinte damit, dass man nur selten das gesamte Armgewicht einsetzen soll: und das ist ja klar, dass man das Gewicht dosiert und halt eben nicht ständig das komplette Gewicht mit den Fingern tragen soll; mal ist die Hand und der Unterarm leicht, mal lastet mehr Gewicht darauf.

es ist nicht leicht, fragmentarische Kurzsätze, die womöglich auch aus dem Zusammenhng genommen sind, zu verstehen - - so weit ich weiß, liegt ja kein vollständiger Text vor, eher ein unvollständiger Entwurf.
 
Spaziergang und Träumereien sind ja nun wirklich das Gegenteil von "Effizienz"!

Ich bin damit nicht einverstanden. Man kann sich 5-7 Stunden zum Üben nehmen, aber dann spielt man 10 Mal ein Stück, dann 20 Mal anderes Stück, weil man diese Zeit absolvieren sollte (man lebt unter den Gedanken, dass wenn er weniger übt, spielt er nicht so gut), usw.
Jetzt habe ich diese 5-7 Stunden täglich nicht zum Üben. Dann versuche ich diese Zeit effizienter zu nutzen, das heißt, ich beachte nicht, wieviele Male habe ich das Stück gespielt habe, aber wie ich es übe, und was daraus wird. es ist erstens.... Zweitens: vieles passiert im Kopf. Weil ich nicht nur unterrichte, aber auch spiele, kann ich es behaupten, dass vieles von der psychichen innerlichen Einstellung, nicht nur von der Zahl der Übungsstunden abhängig ist. deswegen Spazierengänge und Träumereien helfen auch gut zu spielen.

Gruß, Alexandra
 
Weißt Du genaueres darüber, wo und welche Fragmente
von Chopins Entwurf einer Klavierspielmethode abgedruckt sind?
Ich kenne - leider! - nur Zitate aus diversen Büchern über Chopin.

Lieber Rolf,

der vollständige Text im Original - hierselbst:

http://www.pagesmusicales.fr/catalogue/refimages/886.jpg

Chopin vu par ses élèves

Hrsg.: Jean-Jacques Eigeldinger
Verlag: Fayard
EAN9782213629162

Und hier auf Englisch:

http://books.google.de/books?id=g8S...ook_result&ct=result&resnum=4&ved=0CCwQ6AEwAw

Herzliche Grüße,

Gomez
 
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Chopin vu par ses élèves

Hrsg.: Jean-Jacques Eigeldinger
Verlag: Fayard
EAN9782213629162

der hat also beide Entwürfe vollständig? Ich hatte das englische Buch nur mal in der Bibliothek angeblättert - da muss ich wohl mal genauer reinschauen (das französische werde ich nicht lesen, mein französisch ist viel zu schlecht)

Danke und herzliche Grüße,
Rolf
 

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