Chopin-Akkord

Troubadix

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Hallo,

hat zufällig jemand eine Idee für eine manuell möglichst wenig aufwendige Miniatur von Chopin, in welcher der Chopin-Akkord möglichst häufig und prägnant genutzt wird?

Viele Grüße!
 
Er kommt vor im Nocturne op. 48 Nr. 2 in cis-moll, und zwar im Mittelteil - dauernd. Aber ob das als Miniatur zählt? Der Mittelteil allein dürfte zu Demonstrationszwecken klein genug sein und ist auch relativ leicht zu spielen.
 
Er kommt vor im Nocturne op. 48 Nr. 2 in cis-moll, und zwar im Mittelteil - dauernd. Aber ob das als Miniatur zählt? Der Mittelteil allein dürfte zu Demonstrationszwecken klein genug sein und ist auch relativ leicht zu spielen.

Ist zwar fis-Moll ;-), aber ansonsten stimmt's natürlich. Wenn's zu Demonstrationszwecken ein Ausschnitt sein darf, taugen auch die Barkarole-Abschnitte der 2. Ballade ganz gut, die sind noch einfacher zu spielen als der Mittelteil von op. 48/2. Oder - wenn du ein ganzes Stück suchst, das c-Moll-Prélude. Da gibt es mehrere Chopin-Akkorde (z.B. im 2. und 4. Takt auf ZZ. 3); allerdings sind es dort eher Vorhalte als selbstständige Akkorde.
 
hat zufällig jemand eine Idee für eine manuell möglichst wenig aufwendige Miniatur von Chopin, in welcher der Chopin-Akkord möglichst häufig und prägnant genutzt wird?
@mick hat schon das c-Moll Prelude genannt; du könntest auch diese Mazurka nehmen:
Chopinakkord 4.png

und natürlich wirst du auch im Regentropfenprelude fündig:
Chopinakkord 2.png

(in der Mazurka haben wir die Mollvariante (kleine Sexte als Quintvorhalt des Dominantseptakkords), in den Regentropfen die dissonantere Durvariante (große Sexte als Quintvorhalt des Dominantseptakkords, was eine große Septime enthält)


_________________________________________

aber weitaus interessanter ist die Frage, ob der charakteristische Vorhaltakkord überhaupt eine Bezeichnung als eigenständiger Akkord verdient hat...

zunächst liegt eine melodische Wendung vor, die in zahllosen Instrumentalwerken von z.B. Mozart als Schlußwendung vorkommt:
Chopinakkord bei Mozart.png

und noch öfter findet sich diese Schlußfloskel in der klass. und frühromant. Vokalmusik (Opern, Kirchenmusik usw.) - der Sextvorhalt über dem Dominantsextakkord wird schon hier geradezu inflationär verwendet. Und keinesfalls verlor diese Vorhaltwendung ihre Wirkung, sie wurde weiter bis ins späte 19. Jh. eingesetzt, z.B. 1871 in Verdis Aida:
Chopinakkord bei Verdi.png

Die Funktion des besonders in Dur dissonanten Vorhalts ist, die Wirkung von Spannung-Entspannung in der Schlußkadenz zu erhöhen: der ohnehin angespannte Dominantseptakkord wird dadurch noch angespannter vor der Auflösung in die Tonika.
==> diese Schlußfloskel war vor, während und nach Chopins Lebenszeit so oft in Gebrauch, dass man sie als gängige Münze bezeichnen kann. Ein kleiner Blick in Beethovens und Schumanns Klavierwerk:
Chopinakkord bei Beethoven.png

Chopinakkord bei Schumann.png
die zweite Dissonanz im Beethovenbeispiel (hier als Vorhalt) ist enharmonisch nichts anderes als der quintalterierte Septakkord - auch dieser findet sich bei allen Romantikern ebenso oft und gerne wie der "Chopinakkord".

Trotzdem ist die Bezeichnung "Chopinakkord" berechtigt - und das, obwohl diese Wendung 1. nicht von Chopin erfunden wurde und 2. auch bei Chopin fast ausschließlich als melodischer Vorhalt (wie bei allen anderen vor und während seiner Zeit) verwendet wird. Das liegt an zweierlei:
1. verwendet Chopin diese Floskel exzessiv, und das natürlich innerhalb seiner typischen Klangsprache, sodass diese auffallende Häufung automatisch mit "Chopinklang" verknüpft wird (so kommt es, dass dieselbe Wendung bei lange vorher komponierten Beethovensachen "chopinesk" wirkt)
2. gelegentlich setzt Chopin die Sextvorhaltdissonanz beinahe isoliert ein, sodass die eigentlich dominantische Wirkung in den Hintergrund tritt - dann wird der Chopinakkord fast zu etwas so eigenständigem wie der "Tristanakkord" oder "Rheingoldakkord" etc.

Diese wenigen Momente, in welchen der Chopinakkord quasi isoliert da steht, sind die interessantesten. Am Übergang von der Exposition in die Durchführung macht Chopin etwas ebenso derb-brutales wie effektvolles: nach all der pianistisch glanzvollen Des-Dur Apotheose am Ende der Exposition kracht kahl und reglos ein Doppeldominantseptakkord (Es7) und dann der "Chopinakkord" (As7 / 6 statt 5) auf die Tasten - und diese Dominante wird weder bei der Wdh der Exposition noch am Beginn der Durchführung (ges-Moll) aufgelöst!!! Da steht der dissonante dominantische Akkord kahl und funktionslos (und dadurch umso effektvoller) -- :
Chopinakkord ganz anders.png
Natürlich kommt selbst ein genialer Komponist wie Chopin nicht aus dem Nichts auf so einen Einfall - auch Beethoven hat op.111 nicht als erstes Werk geschaffen, Wagner hat den Tristan nicht als Opus 1 geschaffen usw -- ansatzweise taucht das isolierte einsetzen dieser Wendung als beinah funktionsloser Akkord schon vorher bei Chopin auf, in der Grande Polonaise op.22:
Chopinakkord grande Polonaise.png

hier endet der Phrasierungsbogen auf der charakteristischen Dissonanz - zusätzlich ist das Spiel mit der Sekundreibung c-h auffallend: die taucht als Subdominantseptakkord (mit großer Septime: c-e-g-h) und im dominantischen Chopinakkord (d-c-#f-h) auf.

Man gewinnt beinahe den Eindruck, dass Chopin der Dominante zunehmend misstraute: sie wird mit Sextvorhalt gelegentlich zu einem beinah funktionslosen Dissonanzklang (Sonate b-Moll), sie verliert ihre eigentliche Wirkung... Ganz besonders auffällig ist das in der Mazurka cis-Moll op.30, wo am Ende eine Kette chromatischer Dominantseptakkorde absinkt und jede harmon. Funktion verliert - die Rekonstitution der Tonika bleibt dann der Subdominante mit Sixte ajoutee (einer Variante des Tristanakkords) bzw. des II7 der Mollskala) überlassen:
Chopin Mazurka absackende Dominanten.png
Saperlot! Fis7-F7-E7-Es7-D7-Des7-C7-H7 ---- fis-Moll => cis-Moll

Das ist immer noch nicht alles, was sich zu dieser typischen Chopinwendung sagen lässt: denn der Klangzauberer am Klavier wußte immens viel damit anzustellen. In der ersten Ballade taucht der Chopinakkord im Seitenthema thematisch (!) auf, und Chopin setzt ihn derart genial, dass man keinerlei dissonante Wirkung hört:
Chopinakkord 1.png
hier also der Chopinakkord mit zusätzlicher großer None, und es klingt hinreissend sonor!
(Fortsetzung folgt)
 
Zuletzt bearbeitet:
@mick hat schon das c-Moll Prelude genannt; du könntest auch diese Mazurka nehmen:
Den Anhang 10595 betrachten

und natürlich wirst du auch im Regentropfenprelude fündig:
Den Anhang 10596 betrachten

(in der Mazurka haben wir die Mollvariante (kleine Sexte als Quintvorhalt des Dominantseptakkords), in den Regentropfen die dissonantere Durvariante (große Sexte als Quintvorhalt des Dominantseptakkords, was eine große Septime enthält)


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aber weitaus interessanter ist die Frage, ob der charakteristische Vorhaltakkord überhaupt eine Bezeichnung als eigenständiger Akkord verdient hat...

zunächst liegt eine melodische Wendung vor, die in zahllosen Instrumentalwerken von z.B. Mozart als Schlußwendung vorkommt:
Den Anhang 10597 betrachten

und noch öfter findet sich diese Schlußfloskel in der klass. und frühromant. Vokalmusik (Opern, Kirchenmusik usw.) - der Sextvorhalt über dem Dominantsextakkord wird schon hier geradezu inflationär verwendet. Und keinesfalls verlor diese Vorhaltwendung ihre Wirkung, sie wurde weiter bis ins späte 19. Jh. eingesetzt, z.B. 1871 in Verdis Aida:
Den Anhang 10598 betrachten

Die Funktion des besonders in Dur dissonanten Vorhalts ist, die Wirkung von Spannung-Entspannung in der Schlußkadenz zu erhöhen: der ohnehin angespannte Dominantseptakkord wird dadurch noch angespannter vor der Auflösung in die Tonika.
==> diese Schlußfloskel war vor, während und nach Chopins Lebenszeit so oft in Gebrauch, dass man sie als gängige Münze bezeichnen kann. Ein kleiner Blick in Beethovens und Schumanns Klavierwerk:
Den Anhang 10599 betrachten

Den Anhang 10600 betrachten
die mit zweite Dissonanz (hier als Vorhalt) ist enharmonisch nichts anderes als der quintalterierte Septakkord - auch dieser findet sich bei allen Romantikern ebenso oft und gerne wie der "Chopinakkord".

Trotzdem ist die Bezeichnung "Chopinakkord" berechtigt - und das, obwohl diese Wendung 1. nicht von Chopin erfunden wurde und 2. auch bei Chopin fast ausschließlich als melodischer Vorhalt (wie bei allen anderen vor und während seiner Zeit) verwendet wird. Das liegt an zweierlei:
1. verwendet Chopin diese Floskel exzessiv, und das natürlich innerhalb seiner typischen Klangsprache, sodass diese auffallende Häufung automatisch mit "Chopinklang" verknüpft wird (so kommt es, dass dieselbe Wendung bei lange vorher komponierten Beethovensachen "chopinesk" wirkt)
2. gelegentlich setzt Chopin die Sextvorhaltdissonanz beinahe isoliert ein, sodass die eigentlich dominantische Wirkung in den Hintergrund tritt - dann wird der Chopinakkord fast zu etwas so eigenständigem wie der "Tristanakkord" oder "Rheingoldakkord" etc.

Diese wenigen Momente, in welchen der Chopinakkord quasi isoliert da steht, sind die interessantesten. Am Übergang von der Exposition in die Durchführung macht Chopin etwas ebenso derb-brutales wie effektvolles: nach all der pianistisch glanzvollen Des-Dur Apotheose am Ende der Exposition kracht kahl und reglos ein Doppeldominantseptakkord (Es7) und dann der "Chopinakkord" (As7 / 6 statt 5) auf die Tasten - und diese Dominante wird weder bei der Wdh der Exposition noch am Beginn der Durchführung (ges-Moll) aufgelöst!!! Da steht der dissonante dominantische Akkord kahl und funktionslos (und dadurch umso effektvoller) -- :
Den Anhang 10601 betrachten
Natürlich kommt selbst ein genialer Komponist wie Chopin nicht aus dem Nichts auf so einen Einfall - auch Beethoven hat op.111 nicht als erstes Werk geschaffen, Wagner hat den Tristan nicht als Opus 1 geschaffen usw -- ansatzweise taucht das isolierte einsetzen dieser Wendung als beinah funktionsloser Akkord schon vorher bei Chopin auf, in der Grande Polonaise op.22:
Den Anhang 10602 betrachten

hier endet der Phrasierungsbogen auf der charakteristischen Dissonanz - zusätzlich ist das Spiel mit der Sekundreibung c-h auffallend: die taucht als Subdominantseptakkord (mit großer Septime: c-e-g-h) und im dominantischen Chopinakkord (d-c-#f-h) auf.

Man gewinnt beinahe den Eindruck, dass Chopin der Dominante zunehmend misstraute: sie wird mit Sextvorhalt gelegentlich zu einem beinah funktionslosen Dissonanzklang (Sonate b-Moll), sie verliert ihre eigentliche Wirkung... Ganz besonders auffällig ist das in der Mazurka cis-Moll op.30, wo am Ende eine Kette chromatischer Dominantseptakkorde absinkt und jede harmon. Funktion verliert - die Rekonstitution der Dominante bleibt dann der Subdominante mit Sixte ajoutee (einer Variante des Tristanakkords) bzw. des II7 der Mollskala) überlassen:
Den Anhang 10603 betrachten
Saperlot! Fis7-F7-E7-Es7-D7-Des7-C7-H7 ---- fis-Moll => cis-Moll

Das ist immer noch nicht alles, was sich zu dieser typischen Chopinwendung sagen lässt: denn der Klangzauberer am Klavier wußte immens viel damit anzustellen. In der ersten Ballade taucht der Chopinakkord im Seitenthema thematisch (!) auf, und Chopin setzt ihn derart genial, dass man keinerlei dissonante Wirkung hört:
Den Anhang 10604 betrachten
hier also der Chopinakkord mit zusätzlicher großer None, und es klingt hinreissend sonor!
(Fortsetzung folgt)

Ja, wollt ich auch grad schreiben. Rolf war schneller. :lol:
 
Wenn in der ersten Ballade das Seitenthema dann in massivem Akkordsatz und triumphalem fortissimo auftaucht, wirkt der Chopinakkord sogleich dissonant:
Chopinakkord volle Wirkung.png

Unzufrieden bin ich mit dem Tante Wiki Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Chopin-Akkord#/media/File:Chopin-Akkord_in_C.png --- das ist eine Scheußlichkeit, die Chopin nie so notiert hat (ungeschickter geht es kaum...) Sofern der so genannte Chopinakkord möglichst reduziert (ohne Tonverdopplungen) dargestellt werden soll, dann so:
Chopinakkord.png
Grundton - Septime - Terz - Vorhalt (Sexte statt Quinte)

Dass in der zweiten Ballade wie im Seitenthema der ersten Ballade der Vorhaltsexte nicht die Quinte folgt, sondern sofort der Grundton bzw. die Tonika, macht diese Wendung noch nicht zu etwas gänzlich neuem - letzteres ist eher dort der Fall, wo der charakteristische Dominantvorhalt ohne seine dominantische Funktion verwendet wird, z.B. in der b-Moll Sonate (siehe vorherigen Beitrag) oder dort, wo Chopin diesen Akkord mit Grundtonorgelpunkt und None nahezu unkenntlich macht (und ausgerechnet dort hat er dann sehr dominantische Funktion) Das ist in der Etüde op.15 Nr.12 geradezu spektakulär der Fall:
Chopinakkord Ozeanetüde.png
tatsächlich ist der 1. Takt des Beispiels der Chopinakkord in c-Moll!
- das c ist der Orgelpunkt-Grundton
- f ist die Septime der Dominante
- h ist die Terz der Dominante
- es ist der Sextvorhalt
- as ist Vorhalt zum g (Grundton der Dominante)
und witzigerweise erhält man den Tristanakkord hier, wenn man den Orgelpunkt streicht :-) man sehe:
Chopinakkord Tristanakkord.png

Freilich gibt es noch den Versuch, Skrjabins Prometheus-Akkord bzw. "mystischen Akkord" c-fis-b-e-a-d als Ableitung vom Chopinakkord zu deuten - - das ist ein wenig übertrieben... Während Skrjabin eine gänzlich andere Harmonik entwickelt, worin dieser Akkord zum Klangzentrum wird, bleibt der Chopinakkord dominantisch (und wo er isoliert steht, da hat er dissonante Wirkung und soll das auch haben - Skrjabin hingegen postuliert seinen mystischen Akkord als nicht dissonant)

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Allerdings...

der Harmoniker Chopin als Vorbereiter der Wagner/Liszt Harmonik ist viel innovativer und interessanter als der doch eher konventionelle "Chopinakkord" - in Chopins Werken finden sich da noch ganz andere Akkordverbindungen! Man kann ja als ersten Ansatz, dem Harmoniker Chopin auf die Schliche zu kommen (zu versuchen...) mal ausprobieren, das e-Moll Prelude und den langsamen Abschnitt der f-Moll Fantasie zu analysieren :-D Das wird Spaß machen!!
gring.gif
 

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Zum Weiterlesen (im Auszug): Der Chopin-Akkord

Eine Miniatur mit möglichst präsenter Verwendung dieses Akkords in einfachem Schwierigkeitsgrad könnte ich nicht benennen. Ideal wären Beispiele, in denen es keine Durchgangstöne zum Zielakkord gibt, in denen also die oben liegende Tredezime nicht als Vorhalt behandelt und aufgelöst wird. In dieser die Spannung relativierenden Weise existiert der Akkord in inflationärer Größenordnung, bei den (Spät-)Romantikern sowieso und auch schon bei Mozart, Beethoven und davor. In der charakteristischsten Form taucht der Akkord in allen vier Balladen auf - allesamt natürlich keine (leichten) Miniaturen, aber es gibt genügend Einzelbeispiele in jenen Passagen, die nicht zu den virtuosen und schwierigen Stellen gehören. Die anderen Beispiele aus den Opera 28 oder 48 erreichen diese klanglich eigentümliche Färbung nicht in diesem Maße.

@Troubadix: Skrjabins Frühwerk greift solche Sonoritäten auf - und der das Spätwerk prägende "Mystische Akkord" basiert auf dem Tonvorrat des Chopin-Akkordes. Aber das ist für Dich nun wirklich nichts Neues... .

LG von Rheinkultur
 
Freilich gibt es noch den Versuch, Skrjabins Prometheus-Akkord bzw. "mystischen Akkord" c-fis-b-e-a-d als Ableitung vom Chopinakkord zu deuten - - das ist ein wenig übertrieben... Während Skrjabin eine gänzlich andere Harmonik entwickelt, worin dieser Akkord zum Klangzentrum wird, bleibt der Chopinakkord dominantisch (und wo er isoliert steht, da hat er dissonante Wirkung und soll das auch haben - Skrjabin hingegen postuliert seinen mystischen Akkord als nicht dissonant)
Eine Ableitung vom Chopinakkord ist Skrjabins Akkord natürlich nicht, aber der Tonvorrat weist Übereinstimmungen auf. Letztlich handelt es sich um Terzschichtungen über einem Grundton, die durch zwei Charakteristika ihre Besonderheit betont: Zum einen durch Alterieren der einzelnen Töne und zum anderen durch Weglassen und/oder Positionsveränderung. Den Dominantton G auslassen vermindert eine Dominant-Tonika-Beziehung. Wer es spekulativ liebt, erkennt ferner die Präsenz der Naturtöne in diesem Gebilde und findet den Tonvorrat in Ernö Lendvais "Akustischer Skala" wieder. Allerdings haben Liszt, Debussy, Ravel, Skrjabin, Bartók, Strawinsky und Messiaen diesen Tonvorrat in ganz eigenständiger Manier kompositorisch genutzt - man kann es mit dem spekulativen Forschen nach geheimen Zusammenhängen freilich auch übertreiben.

LG von Rheinkultur
 
Vielen Dank schon mal an alle, besonders an @rolf für den tollen Input! Ich werde das durcharbeiten, und melde mich dann wieder!

@thinman

Das richtige Smiley wäre das hier gewesen.

thumbs_upg.gif
 

Vielen Dank schon mal an alle, besonders an @rolf für den tollen Input! Ich werde das durcharbeiten, und melde mich dann wieder!

@thinman

Das richtige Smiley wäre das hier gewesen.

thumbs_upg.gif
mea culpa! Da hast Du natürlich absolut recht. Mich hats einfach nur wieder mal umgeworfen. Ich weiß inzwischen, was ein f major seven ist und bin richtig stolz. Und dann kommt @rolf wieder mal ums Eck und knallt da unvermittelt ein abstract aus seinem Wikinger-Horn, dass einem schlecht wird. ;-):super:
 
1. verwendet Chopin diese Floskel exzessiv, und das natürlich innerhalb seiner typischen Klangsprache, sodass diese auffallende Häufung automatisch mit "Chopinklang" verknüpft wird (so kommt es, dass dieselbe Wendung bei lange vorher komponierten Beethovensachen "chopinesk" wirkt)

Dass in der zweiten Ballade wie im Seitenthema der ersten Ballade der Vorhaltsexte nicht die Quinte folgt, sondern sofort der Grundton bzw. die Tonika, macht diese Wendung noch nicht zu etwas gänzlich neuem - letzteres ist eher dort der Fall, wo der charakteristische Dominantvorhalt ohne seine dominantische Funktion verwendet wird

Hier wird mir schon ein erster Denkfehler meinerseits bewusst. Ich bin immer davon ausgegangen, dass der Name "Chopin-Akkord" wirklich nur dann diesen Namen verdient, wenn er den Dominantseptakkord ersetzt wie in den erwähnten Balladen und nicht, wenn er nur als Vorhalt zu diesem dient.

Viele Grüße!
 
Wer es spekulativ liebt, erkennt ferner die Präsenz der Naturtöne in diesem Gebilde und findet den Tonvorrat in Ernö Lendvais "Akustischer Skala" wieder.

Dahlhaus sagte dazu einmal: "Der Intervallbestand der Naturtonreihe reicht, wenn man bis 20 zählt, von der Oktave bis zum Viertelton und umfasst musikalisch Brauchbares neben Unbrauchbarem. Die Naturtonreihe rechtfertigt alles, also nichts."

Die Oberton-These stammt von Sabanejew, der selbst Mathematiker und Physiker war. Dass Skrjabin dies sogar glaubte, schob Dahlhaus auf die charakteristische Wissenschaftsgläubigkeit für die Zeit um 1900.

Eine Ableitung vom Chopinakkord ist Skrjabins Akkord natürlich nicht, aber der Tonvorrat weist Übereinstimmungen auf.

Freilich gibt es noch den Versuch, Skrjabins Prometheus-Akkord bzw. "mystischen Akkord" c-fis-b-e-a-d als Ableitung vom Chopinakkord zu deuten - - das ist ein wenig übertrieben...

Mit dem Chopin-Akkord wird häufig die Sexte im Prometheus-Akkord erklärt, was wiederum auf die polnische Musikforscherin Zofia Lissa ("Geschichtliche Vorform der Zwölftontechnik") zurückgeht, welche auch den Begriff "Klangzentrum" für Skrjabins Akkord geprägt hat. Interessant ist die Frage, ob es sich sowohl bei Skrjabin, als auch bei Chopin um eine freie Nebentoneinstellung (Sexte) handelt oder um eine doppelt hochalterierte Quinte.

Der Musikwissenschaftler Peter Sabbagh beschreibt in seiner Dissertation ("Die Entwicklung der Harmonik bei Skrjabin") den Chopin-Akkord als Überlagerung zweier Dominantformen, nämlich von D6(b) und D7.

Den Prometheus-Akkord sieht er als Überlagerung und Verdichtung von noch weiteren Dominatformen, nämlich D7, D79 bzw. D79>, D6 bzw. D6> und D5>7 bzw. D4<7. Somit findet sich eben auch der Tonvorrat des Chopin-Akkordes im Prometheus-Akkord. Der Prometheus-Akkord selbst ist dann natürlich keine Dominantharmonie mehr, sondern eine Grundharmonie und in Skrjabins eigenen Worten, eine Konsonanz.

Und letztendlich bezieht sich sogar Skrjabin selbst auf den Terzdezimakkord. So schrieb er:

"Ich urteile, dass, je mehr höhere Töne in der Harmonie wären, umso strahlender würde sie, umso schärfer und blendender. Aber es war nötig, diese Töne so zu ordnen, dass es eine logische Ordnung ergibt. So nahm ich den gewöhnlichen Terzdezimakkord, der in Terzen angeordnet ist. Aber es geht weniger darum, hohe Töne anzusammeln. Damit es glänzend würde, die Idee des Lichts ausdrückte, musste in dem Akkord eine größere Anzahl von Tönen erhöht sein. Und so erhöhe ich: Ich nehme erst die große helle Dur-Terz, dann erhöhe ich auch die Quinte [!] und die Undezime - so erhalte ich meinen Akkord - der durchwegs erhöht ist und deshalb wirklich strahlend." (so einfach ist das) :-)

Viele Grüße!
 
@Troubadix
Mir ist nun eine Miniatur über die Tasten gekommen, die mit dem Chopin-Akkord anfängt, allerdings ist sie nicht von Chopin: A la manière de Borodine von Ravel. Der Akkord wird außerdem nicht ganz simultan angeschlagen. Aber vielleicht hilft dir das ja auch weiter.
 

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