Was ist als Lob, was als Kritik zu werten?

  • Ersteller des Themas Rachmaninov22
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Hallo Hasenbein,

also der These dass Lob etwas kontraproduktives sei muss ich wiedersprechen. Ich bin der Meinung, dass ernstgemeintes Lob, also das Hervorheben eines Aspektes meines Spiels der besonders gelungen ist, die (intrinsische) Motivation nicht zerstört oder zerstören kann.
Aus meiner (Schüler-)Erfahrung kann ich eher das Gegenteil behaupten. Ich freu‘ mich riesig darüber wenn mein KL zu mir sagt dass mein Stück „singt“ oder dass ich eine Stelle nun sehr viel besser spiele als das letzte Mal. Anerkennung für erbrachte Leistung ist doch unabdingbar für den Erhalt meines Selbstwertes, ohne den keine Motivation möglich ist. Und diese Anerkennung muss ja natürlich von außen kommen, am besten von „glaubwürdiger“ Stelle, beim Klavierunterricht halt vom KL.
Wenn man nie gelobt wird und immer nur Kritik erfährt - und auch wenn sie noch so nett formuliert ist, Kritik bleibt Kritik - und keinerlei Anerkennung für die auf sich genommenen Mühen erhält dann ist das doch sehr viel motivationsgefährdender. Auf Dauer werden dadurch nur Selbstzweifel geschürt, da keine Bestätigung und kein Erfolgserlebnis erfolgt.
Freust du dich denn nicht wenn dein Chef dir sagt, du hättest dieses oder jenes gut erledigt?
Und diese Anerkennung bedeutet ja nicht, dass ich nur für das Lob Klavier spiele. Ich habe mir meine intrinsische Motivation trotz des gelegentlichen Lobes meines KL ganz gut bewahrt, ja, mit jedem Schritt den ich pianistisch weiterkomme erhöht sie sich sogar. Deiner Argumentation nach dürfte davon nichts mehr übrig sein.

(Wie jemand weiter oben schon erwähnt hat setze ich hier natürlich voraus, dass das Lob des KL ehrlich gemeint ist.)

Noch ein abschließender Gedanke: Wenn die von dir genannte These stimmt müssten ja alle Konzertpianisten völlig demotiviert sein... der ganze Applaus...


LG, hemlock
 
Lob grundsätzlich für kontraproduktiv zu halten, ist genauso einseitig und damit falsch wie die These, nur durch Lob würde Motivation geweckt.

Ich denke, ein guter (Klavier)Pädagoge wird mit Lob und Kritik differenziert umgehen können. Nie zu loben hielte ich für eine (schlimme)
Marotte eines Lehrers. Den würde ich nur ernst nehmen, wenn er sonst gut wäre. Da du, hasenbein, deutliche Worte sprichst, habe ich auch so deutlich geantwortet.
 
@ Hasenbein

Für mich klingt das irgendwie, als wäre Lob generell etwas unehrliches.
Denn positive Kritik (man kann dem Schüler ja schlecht vorenthalten, wenn er was richtig macht, was er bisher falsch machte, und wenn man das auch nur durch Schweigen macht...) oder schlichte Anerkennung einer besonderen Leistung ist ja schließlich Lob.

Allerdings kommen mir deine alternativen Wege der Motivation durchaus richtig vor.
 
Vielleicht sollte man hier auch das Wort Kritik nicht so negativ auffassen. Zu einer Kritik gehört doch die Zusammenfassung und Beurteilung der positiven wie negativen Aspekte.
Höre ich also Kritik von meiner KL, so heißt das in meinem Sprachverständnis noch lange nicht, dass da nicht auch ein Aspekt meiner Leistung gelobt wird.

lg marcus
 
Hasenbein sprach ja von der intrinsische Motivation, die ja durchaus gelobt werden sollte!
 
Grins!

Da hast Du womöglich was falsch verstanden, Fred!

Wie soll das denn aussehen, "die intrinsische Motivation zu loben"?

Intrinsische Motivation besteht ja gerade darin, daß man von der Sache selbst (hier also vom Klavierspielen / Musikmachen an sich) motiviert ist und keine sachfremden Stimuli wie Belohnung, Lob etc. braucht!

Und an die anderen:

Schaut mal, es ist doch ganz einfach. Eure Frau macht ein Abendessen. Ihr nehmt die ersten Bissen davon, Euch durchströmt ein wohliges Gefühl, und weil es Euch so gut schmeckt, sagt Ihr: "Mauseschnurzelchen, das ist ja total lecker!"

In diesem Fall ist gegen das Lob überhaupt nichts zu sagen, denn es handelt sich um eine authentische Äußerung. Es wird die Beziehung zwischen Euch zwei stärken und Eure Frau ermutigen, weiter so gut zu kochen und Spaß am Kochen zu haben.

Macht Eure Frau hingegen etwas, was Euch in Wirklichkeit nicht so schmeckt (oder was Euch langweilt, weil sie es dauernd macht), und sie fragt: "Hoppelhase, wie schmeckt es Dir?" und Ihr sagt: "Klasse!", dann ist es unehrlich und bringt auch keinen weiter; im Gegenteil, die Frau fängt vielleicht an, ihre Kochkünste zu überschätzen oder Euch das Gericht, das ihr schon nicht mehr sehen könnt, noch öfter zu servieren...

Gegen die zweite Form des Lobes (die leider im Unterricht sehr häufig eingesetzt wird, dieses typische In-die-Hände-Klatschen des Lehrers und dazu ein "Gaaanz toll hast Du das gemacht") wende ich mich so scharf! Die erste Form hingegen ist ja ganz normal zum zwischenmenschlichen Umgang dazugehörig und auf sie darf auf keinen Fall verzichtet werden! Wenn den Lehrer nie was aufrichtig berührt oder begeistert, was ein Schüler an den Start bringt, hat er den falschen Beruf.

Ich denke, bei letzterem Punkt muß man auch sehen, daß viele Lehrer leider in einer Routine erstarrt sind und ihre eigene Begeisterungsfähigkeit und Neugier beim Unterrichten verloren haben, weswegen sie als armseligen Ersatz-Versuch dieses "pädagogische Loben" einsetzen.

Was z.B. auch super ist, ist, wenn ein Schüler etwas endlich gut spielen kann, er sich darüber freut, und man sich mit ihm freut (natürlich "in echt" und spontan, nicht als Schauspiel oder als "Methode"!) und ihn in dieser Freude bestärkt. Das ist aber etwas ganz anderes als dieses dumme "Loben".

LG,
Hasenbein
 
Als "Lob-Empfänger" und "Lob-Geber" stell ich mich zu 100% hinter Hasenbeins Erläuterungen! Authentizität & Ehrlichkeit - darauf kommt es an. Das schönste Lob meines Lebens habe ich von einem Menschen bekommen, der dazu eigentlich gar nicht fähig war. Fast verzweifelt bugsierte dieser mich in eine uneinsehbare Ecke und verpasste mir - mit rührungsfeuchten Augen - einen Faustschlag auf den Oberarm... Ich habs verstanden. Und lange davon gezehrt...
 
Grins!

Da hast Du womöglich was falsch verstanden, Fred!

Wie soll das denn aussehen, "die intrinsische Motivation zu loben"?

Intrinsische Motivation besteht ja gerade darin, daß man von der Sache selbst (hier also vom Klavierspielen / Musikmachen an sich) motiviert ist und keine sachfremden Stimuli wie Belohnung, Lob etc. braucht!
Und das gerade meinte ich. Wenn ein Schüler durch die Sache selbst motiviert ist, ist das der richtige Weg und das muss mit Anerkennung gelobt werden.
 
Gegen die zweite Form des Lobes (die leider im Unterricht sehr häufig eingesetzt wird, dieses typische In-die-Hände-Klatschen des Lehrers und dazu ein "Gaaanz toll hast Du das gemacht") wende ich mich so scharf! Die erste Form hingegen ist ja ganz normal zum zwischenmenschlichen Umgang dazugehörig und auf sie darf auf keinen Fall verzichtet werden! Wenn den Lehrer nie was aufrichtig berührt oder begeistert, was ein Schüler an den Start bringt, hat er den falschen Beruf.

Ich denke, bei letzterem Punkt muß man auch sehen, daß viele Lehrer leider in einer Routine erstarrt sind und ihre eigene Begeisterungsfähigkeit und Neugier beim Unterrichten verloren haben, weswegen sie als armseligen Ersatz-Versuch dieses "pädagogische Loben" einsetzen.

Was z.B. auch super ist, ist, wenn ein Schüler etwas endlich gut spielen kann, er sich darüber freut, und man sich mit ihm freut (natürlich "in echt" und spontan, nicht als Schauspiel oder als "Methode"!) und ihn in dieser Freude bestärkt. Das ist aber etwas ganz anderes als dieses dumme "Loben".

LG,
Hasenbein

Eine andere Art des Lobes sollte eines guten Lehrers auch unwürdig sein.

Und, ganz sicher, Schüler merken sehr gut, welche "Art" Lob es ist...
 
Hallo,

ich kann auch nur hasenbeins Ausführungen zustimmen. Einer derjenigen, die als allererster etwas gegen das sog. pädagogische Lob gesagt haben, war Thomas Gordon in seiner "Familienkonferenz", heute als "Die neue Familienkonferenz" überarbeitet. Sie gibt es auch für Lehrer und ich habe sie schon mal im Faden "Kommunikation" grob vorgestellt.

Dort geht es auch um Authentizität und Ehrlichkeit. Gordon hat überhaupt nichts, im Gegenteil, gegen ein ehrliches spontanes Lob, dass aus vollstem Herzen kommt ( s. hasenbein "Mauseschnurzelchen" :D )! Er ist allerdings der Meinung, dass es beim rein pädagogisch motivierten Lob heimliche, nicht formulierte Ansprüche des Lehrers gibt, die die Schüler, vor allem etwas ältere Schüler, oft sehr klar wahrnehmen. Oft stimmen dann nämlich Körpersprache/Tonfall nicht mit dem Gesagten überein - der Schüler spürt, dass das Lob eben nicht aus vollstem Herzen kommt.

Solche Ansprüche können sein, ein Verhalten des Schülers zu ändern und das Lob zu benutzen, eigene Wünsche (die des Lehrers) und Vorteile mit Hilfe von Lob zu erreichen. Anstatt seine Wünsche klar zu fomulieren, benutzt der Lehrer ein Lob - das Kind kann sich dadurch schnell manipuliert fühlen. Ein Lob kann also viele versteckte Botschaften enthalten. Es fragt sich dann, ob der Schüler nicht eher die versteckten Botschaften als die eigentlich beabsichtigte positive Botschaft hört. Die Gefahr beim Lob ist immer, dass es als Mittel zum Zweck eingesetzt werden kann.

Schwierig ist ein Lob auch, wenn es sich nicht mit der Selbsteinschätzung des Schülers deckt. Kinder haben oft ein klareres Gefühl für die eigene Leistung, als man denkt und können sich bei einem übersteigerten Lob nicht ernst genommen fühlen.

Lob als Urteil kann die Entscheidungsfähigkeit lähmen - es wäre besser, man würde als Lehrer die Selbständigkeit, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit der Schüler selbst fördern. Das tut man sicher nicht durch ständiges Lob.

Jetzt fragt ihr euch sicher - die armen Schüler ....! Bei solchen Klavierlehrern brechen aber schlechte Zeiten für sie an....! :D

Wenn man als Lehrer sehr an den Schülern interessiert ist, sowohl pianistisch wie persönlich, wenn man ihnen mit Empathie, Wärme, Freude, Humor und Verständnis begegnet und gleichzeitig eine klare Vorstellung eigener didaktischer und methodischer Ziele hat, wenn dann noch die Freude an der Musik im Vordergrund steht - was soll da noch schiefgehen?

Gordon schlägt als positive Rückmeldung, ohne die im Unterricht ja nicht auszukommen ist, zudem die Formulierung von Ich-Botschaften vor, die er nicht als Lob im herkömmlichen Sinne bezeichnet. Statt "du hast diesmal aber gut geübt" könnte man formulieren "ich freue mich riesig, dass du so gut geübt hast - dann brauche ich nicht noch einmal alles mit dir durchgehen und wir haben heute viel Zeit für andere tolle Dinge". Aber nur, wenn man auch wirklich so empfindet! Andererseits braucht man bei wirklich empfundener Begeisterung nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen - ein solch begeistertes authentisches Lob ist ein wahrer Schatz!

Viele Grüße

chiarina
 

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