Was bringt einen Wiedereinsteiger auf Trab?

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So, ich bin jetzt seit rund 14 Monaten wieder dabei und habe den Wiedereinstieg in das Klavierspielen recht erfolgreich absolviert. Für mich war es natürlich günstig, daß ich die erste Zeit lang mehrere Stunden pro Tag üben konnte aber ich glaube, es gab wesentlichere Hilfen, die ich in dieser Zeit hatte.

Meine Idee ist, in diesem Thema zu sammeln, was uns Wiedereinsteigern geholfen hat, auf den früheren Stand oder darüber hinaus zu kommen. Das könnten zum Beispiel bestimmte Erkenntnisse sein, die man während des Einsteigens hatte, eine besondere Art, wie ein Lehrer auf den Wiedereinstieg eingegangen ist, Wege, die Finger wieder geläufig zu machen und so weiter und so fort.

Ich vermute, daß es mir sehr geholfen hat, daß ich während meiner 28-jährigen Klavierpause immer noch Musik gemacht hatte, nur eben nicht am Klavier. Die langjährige Erfahrung macht einen musikalisch viel zielstrebiger und man weiß recht schnell, wie man Noten in Musik umsetzen will. So habe ich z.B. mit meinem Lehrer auch besprochen, was mir an meinem Spiel míßfällt und wie man das beheben kann. In meinem Fall waren das bestimmte Fingerübungen die mir sehr geholfen haben, mit der Klaviatur sozusagen intim zu werden. Die Geläufigkeit war nach wenigen Wochen von selbst wieder einigermaßen da und was mir im Moment am meisten fehlt ist Präzision. Allerdings befinde ich mich seit einigen Monaten auch in Neuland, bin wesentlich weiter als früher, bevor ich aufgehört hatte. Deswegen auch jetzt dieses neue Thema, denn sonst vergesse ich vielleicht die ganzen Kämpfe und Frustrationen, die ich im letzten Jahr erlebt habe.
 
Ich hatte "nur" fünf Jahre Klavierpause. Als ich dann hier in die Schweiz gezogen bin, dachte ich, hey Mensch, ich nehme jetzt einfach mal wieder Klavierunterricht und lerne so gleich mal paar Leute kennen. Und da ich dann auch noch direkt neben eine Kirche gezogen bin, bin ich einfach mal zum Pfarrer gegangen und habe gefragt, ob es ok wäre, wenn ich ein bisschen auf der Orgel spiele (Orgelpause 10 Jahre). Zufälligerweise ist meine jetzige Klavierlehrerin auch Organistin. Es ging dann irgendwie von alleine wieder los. Klar, die Finger waren im ersten Jahr noch ziemlich steif und ungelenkig. Ich habe viele Stücke wieder gespielt, die ich schon mal gespielt hatte. Dank der Orgel habe ich auch sehr schnell wieder Kraft in den Fingern bekommen.
Ich frage mich heute echt wie ich das geschafft habe, die letzten 3 Jahre Wahnsinnstücke zu spielen, von denen ich früher nicht mal geträumt habe (also ab dem Jahr nach Wiedereinstieg). Leider habe ich wenig Zeit zum Üben, da ich erst abends um 7 von der Arbeit heimkomme. Aber die eine Stunde bis 8 und ein paar Stunden am Wochenende haben mir doch viel gebracht. Durch meine Klavierlehrerin wurde ich auch motiviert schwierigere Stücke zu lernen, zu üben. Meist ist man als Berufstätige zu faul, abends noch zu üben. Oft will ich einfach nur was spielen und nicht üben.
Aber ich bin dann letztendlich ums richtige Üben nicht drumrumgekommen, weil ich bei allen Schülervorspielen meiner Lehrerin auch mitspielen musste (ich kam mir vor wie ne Omma). Wir haben auch viele Stücke für 2 Klaviere gespielt (und spielen noch) und da übe ich automatisch mehr, weil ich mich nicht blamieren will.
Ich bin an die ganze Sache eigentlich ohne Stress angegangen. Die Unterrichtsstunden mache ich jede Stunde neu aus - also unregelmässig. Ich weiss wann die Schülervorspiele sind und bis dahin muss das Stück sitzen, falls ich mich entscheide, zu dem Termin dort mitzumachen. Diese Vorspiele sind ein Ansporn zu Üben, auch wenn sie nur im kleinen Rahmen sind, mit vielen kleinen Klavierspielerleins. Aber die freuen sich dann immer riesig, wenn wir alten auch spielen. So sehen sie auch, was man überhaupt so spielen kann, wenn man fortgeschrittener ist :D
Eine Kleine fragte mich mal nach einem Vorspiel, ob ich Klavierlehrerin sei. Ich fass es mal als Kompliment auf ;)

Ich bin beim Orgeln auch von Anfang an gleich zum Gottesdienst bestellt worden und wechsel mich seitdem mit zwei anderen ab. Ich bekomme Fortbildungen bezahlt und erhalte einen anständigen Lohn mit Sozialleistungen.

Wichig ist, denke ich, dass man Geduld mit sich hat und sich über seine Erfolge freut. Ausserdem muss man kein schlechtes Gewissen haben, wenn man mal zwei Wochen nicht spielt. Manchmal gehts eben einfach nicht und andere Sachen haben Priorität. Ich habe damit angefangen nur für mich zu spielen. Stücke, die ich mag, die nicht zu schwer sind. Erst nach und nach habe ich mich an die dicken Dinger rangetraut und ich bin erstaunt wie gut das doch klappt :p Ich bin richtig stolz auf mich, dass ich die Toccata von Schumann gelernt habe. Ich hätte nie gedacht, dass ich die mal schaffe.
 
Also, ein alter Faden, aber ich gebe auch noch mal meinen Senf dazu. Denn lese gerne wie andere es so hinbekommen haben. Wie ich schon mal im Vorstellungsfaden angedeutet hatte, habe ich nach mehr als 20 Jahren vor 6 Monaten auch wieder angefangen.
Hatte das grosse Glueck, an eine gute Lehrerin geraten zu sein. Meine Finger waren (und sind immer noch) ein wenig steif, aber mit ein wenig Brahms und ab und zu auch good old Czerny wird das behoben. Uebe nun einige Stuecke an die ich mich in meiner Kindheit nie gewagt haette, denn so soll ich auch technisch weiterkommen. Und, es funktioniert.
 
Das Leben ist viel zu kurz und die Zeit viel zu kostbar als sie mit Czerny zu verschwenden. Ich kenne auch keinen der das noch regelmäßig übt... ich empfehle Stücke mit Herausforderung. Zum Wiedereinstieg eigenen sich langsame Sätze von Beethoven, Haydn oder Walzer von Chopin. Warum sich quälen? Ich selber habe seit weit über 10 Jahren keinen Czerny mehr angefasst!
 
Ach herrje, nur das Wort Czerny leitet schon zu solchen Diskussionen. Schon mal vorweg, meine Lehrerin ist absolut KEIN Czerny-fan. Da sie eben die fehlende Musikalitaet bemaengelt. Habt also keine Angst. Ich merke aber selber, dass es mir gutgetan hat, konzentriert auf Regelmaessigkeit und Gleichmaessigkeit zu achten, wenn ich mal ein bisschen Czerny spielte, das war vor allem in der Anfangsphase, wo meine Finger einfach ueberhaupt noch nicht wollten. Inzwischen kaempfe ich mit Chopin, Mozart und Tschaikovsky.
 
Na ja, Hauptsache, es macht Spass, oder? Und das klappt, wohl das allerwichtigste scheint mir so.
 

Nach so vielen Jahren Pause empfehle ich zur Stärkung der Finger und Muskulatur ein wenig Hanon zum aufwärmen. Ansonsten aber direkt an die Literatur, denn Finger und Kopf erinnern sich doch! Meine werte Frau mama hatte auch bestimmt 20 Jahre keinen Unterricht und fing im Zuge meiner Aktivitäten wieder an. Ich hab noch nicht gehört, dass sie in den 1 1/2 Jahren Czerny gespielt hätte....
 
Ich habe das gleiche Problem mit den Fingern, die nimmer so wollen. Nachdem Sohnemann jetzt den Flügelkauf "durchgesetzt" hat, wollte ich nicht in Summe in Theorie versinken. Nur muß ich leider feststellen, dass ich es komplett nicht mehr "drauf" habe. :(

Czerny, bitte nicht. Da wurde ich vor Jahren durchgequält. Als "alter Sack" fordere ich nun einen Bezug zur Musik, die ich spiele. Haydn (wie Pianojayjay schreibt) erscheint mir noch als kleinstes Übel. Gibt es Barock-Alternativen?

Ich denke, ich muß mir einen guten Klavierlehrer mit Verständnis suchen. :cool:
 
Also ich habe auch über 20 Jahre pausiert und habe mir ehrlicherweise überhaupt keine "Gedanken" gemacht, womit ich wieder einsteigen soll. Natürlich mit dem, was mir am meisten Spass macht und das war das, womit ich vor vielen Jahren aufgehört habe (und auch nicht wirklich alles hinbekommen habe). Das waren die Ragtimes von Scott Joplin, Joseph F. Lamb usw. - jetzt spiele ich seit knapp 3 Jahren wieder und kann die entsprechenden Stücke viel besser (und auch viel mehr), als ich es damals konnte.

Zwischendurch habe ich auch von Bach ein wenig gespielt, aber mehr um mir selbst zu beweisen, dass ich nicht grundsätzlich zu schlecht bin, um Bach zu spielen (ich tue mir da deutlich schwerer mit als mit den Ragtimes - ist sowieso kaum vergleichbar).

Mein jüngerer Bruder teilt das gleiche Schicksal, hat auch so lange Pause gemacht und er "widmet" sich lieber Schumann und Chopin usw. (aber eher etwas einfachere Dinge, Etüden oder so sind nicht drin). Er macht das mit Klavierlehrer, ich ohne. Ein Konzertpianist werde ich sowieso nicht mehr und üben kann ich auch so. Ich denke, jeder wie er es für richtig hält, ein allgemeines "richtig oder falsch" gibt es meiner Meinung nach nicht. Das allerwichtigste: es muss Spaß machen, dann daraus entsteht die Motivation. Und Stücke, die mir nicht total von vorne bis hinten gefallen, spiele ich nicht - wieso sollte ich mir so etwas antun? Ich schaffe wahrscheinlich nicht einmal ansatzweise all diejenigen, die mir sehr gut gefallen.
 
Czerny, bitte nicht. Da wurde ich vor Jahren durchgequält. Als "alter Sack" fordere ich nun einen Bezug zur Musik, die ich spiele. Haydn (wie Pianojayjay schreibt) erscheint mir noch als kleinstes Übel. Gibt es Barock-Alternativen?

Hallo Barock,

hast Du Dich schon mal mit Domenico Scarlatti beschäftigt? In den 550 Sonaten gibt es jede Menge schöne Werke jeglichen Schwierigkeitsgrades, das ist auch was für "Wiedereinsteiger" bei.

LG
Christian
 
Also, haette ich Hanon vorgesetzt bekommen, haette ich wohl gleich wieder aufgehoert. Wie schoen aber, dass ich mich im Moment mit T.'s Oktober beschaeftige, weit entfernt von beide ;-)
 
Hi, hab zufällig hier beim Durchsehen einiger bisher nicht sonderlich beachteter Notenstapel das hier gefunden:

Joseph bzw. Giuseppe Concone, 15 etudes brillantes, oeuvre posthume, piano solo ( Litolff nr. 1985 ), es sind schnelle drin, aber auch gemäßigte, und ich denke, sie könnten zum "Auf-Trab-Bringen" ausreichen.

Dieser Concone, kennt den jemand ? Hat wohl was mit "Vokalisen" zu tun, aber für Klavier gibts auch was, wie man sieht..

Vielleicht bekommt man ja diesen Band noch irgendwo. Hab ihn bisher leider nur hier gesehen:

15 etudes brillantes (faisant suite aux etudes me

Ich schreib mal auf wie die Stücke heißen:

1. Etincelle ( Allegretto vivo ), 2. Reverie du soir ( cantabile espressivo ), 3. La course ( Allegretto animato ), 4. Pluie legere ( Moderato vivo ), 5. Tristesse ( Andante con moto ), 6. Air de Ballet ( Allegretto con spirito ), 7. Souvenirs ( Andante mosso ), 8. Pastorale ( Allegretto con moto ), 9. Adieu ( nach Lied Fr. Schubert, Andante sostenuto ), 10. L'Echo ( Allegro moderato ), 11. Priere ( Andante con moto ), 12. Sous les palmiers ( Andante cantabile ), 13. Le Rouet ( Andante animato ), 14. Ave Maria ( nach Lied Fr. Schubert , Andante quasi lento ), 15. Marche des Templiers ( Moderato maestoso ).

Alle sehen interessant aus, und knuffig, auf den ersten Blick. Weitere Etüden von Giuseppe Concone gibts bei IMSLP, da könnte man evtl. auch mal schaun. Vielleicht sind die dann aber etwas schwieriger.

LG, Olli ! ;)
 
na, da werde ich mal nach den Noten suchen, denn technisch hapert es natuerlich immer noch ;-).
ist mal was anderes, danke!
 

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