Jetzt der Reihe nach.
Erster Akt:
Nach meinem Eingangsposting hatte ich erst die Idee, dass ich ja eine Weile in der Schule, an der ich unterrichte, auf dem dortigen Klavier üben könne, um meine Finger vom Flugrost zu befreien. Den Gedanken habe ich aber nach wenigen Sitzungen wieder verworfen. Das Teil ist nicht nur übel verstimmt, es klingt auch nach Frankensteins Gruselkabinett und ein Teil der Tasten in den mittleren Oktaven gibt nur dann einen Ton von sich, wenn man mit der Kraft eines Vorschlaghammers darauf schlägt. Von differenzierter Anschlagsdynamik also ganz zu schweigen.
Zweiter Akt:
Dann bin ich also doch losgezogen, Eure Ratschläge im Handgepäck. Das erste Objekt der Begierde, das ich unter meine Finger nahm, die sich auf dem Schulklavier und dem eines Freundes ein kleines Repertoire angeeignet hatten, war ein generalüberholter Bösendorfer 225. Ich schmolz dahin und war sprachlos fasziniert. Aber die Mahnung (Zitat:)
"kein Sex beim ersten Date" hatte ich ja noch im Kopf.
Egal, was danach unter meine Finger geriet, viele tolle Instrumente, aber keiner konnte mit der Erstbegegnung annähernd mithalten.
Und so wurde es zwar "kein Sex beim ersten Date", aber die Entscheidung zur Erstbegegnung, nachdem ich durchaus so einigen anderen die Chance gegeben hatte.
Der Flügel ist Baujahr 1993 und wurde generalüberholt von einem sehr sympathischen, kompetenten Klavierbaumeister, der nur 35km von mir entfernt seinen Laden hat und bei dem ich insgesamt ein sehr gutes und ehrliches Gefühl habe, was eine Vertrauensbasis angeht. Da hat mich mein Instinkt bei den vielen Harfenbauern, mit denen ich inzwischen eher freundschaftliche Verhältnisse habe, nie getäuscht.
Dritter Akt:
Wie kommt dieses handliche Instrument in den ersten Stock über ein L-förmige Treppe? Über die Treppe definitiv gar nicht.
Zum Glück war ich vor 23 Jahren so weise, im Obergeschoss kein Fenster, sondern eine Tür einbauen zu lassen (Als ob ich es geahnt hätte, dass dies einmal von Nutzen sein könnte.)
Ein Kran kam nicht in Frage, da ich einen Meter Dachüberstand habe, den die Kette, an der das gute Stück hängen würde, durch den Druck zerbröseln würde. (Das wäre wohl eigentlich die einfachste und gängigste Lösung gewesen.)
Dann stand die Idee eines Teleskopstaplers im Raum. Zwei Firmen, die solch ein Fahrzeug hätten stellen können, haben nach der Ortsbesichtigung aber abgesagt, weil der Stellplatz neben dem Haus dafür zu klein sei.
Letztlich kam ein Gabelstapler ins Gespräch. Das durfte aber keiner sein, wie man ihn aus Lagerhallen kennt, weil die Zufahrt zum Haus nicht befestigt ist und es von der Straße erst einmal etwas bergab geht. Die Klavierspedition hat dann eine Weile telefoniert, bis sie (drei Straßen hinterm Mond) eine Zimmerei gefunden hat, die so ein Fahrzeug mit Luftbereifung ihr Eigen nennt und bereit war, es mit Fahrer und Versicherung zur Verfügung zu stellen.
Vierter Akt:
Im Vergleich zur Organisation der Anlieferung war die Ausführung selbiger dann letztlich ein Kinderspiel. Nach 15 Minuten war der Flügel im Obergeschoss und nach weiteren ungefähr 20 Minuten aufgebaut. Mit den Maßen der Gabel des Staplers, des Rollbrettes, der Halterung, die die Spedition für den Transport angefertigt hatte und der Polsterung war es dann am Ende aber doch Millimeterarbeit, um durch die Türe zu kommen.
Zwei Stunden später kam dann noch der Klavierbauer, der sich ausführlich um das Feintuning gekümmert hat und es sich nehmen ließ, letztlich auch das letzte Staubkorn vom Lack zu entfernen.
Klanglich ist in dem Raum alles sehr stimmig, auch der Klavierbaumeister war von der Raumakustik angetan.
Meine letzte Befürchtung war ja noch, dass der Flügel am Zielort vielleicht nicht zur Akustik des Zimmers gepasst hätte.
Ab jetzt liegt dann alles nur noch an mir....
Ich kann nur sagen, dass ich sehr glücklich damit bin und froh, dass ich keine Kompromisse eingegangen bin.
Aber meine Klangvorstellungen sind durch das Spielen der Harfe vermutlich schon recht präzise.
Nun noch ein paar Bilder in chronologischer Reihenfolge: