Mich interessiert, warum ihr (vor allem) Cembalo spielt und nicht Klavier.
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Mir geht es so, dass ich das Cembalo in Kombination mit Orchester in barocken Kompositionen wesentlich reizvoller finde als das Klavier, aber zum Cembalo als Soloinstrument habe ich beim Hören bisher noch keinen Zugang gefunden. Eine Möglichkeit, es zu spielen, habe ich nicht. Ist das eigene Musizieren darauf vielleicht notwendig für einen Zugang?
Gleich zur dieser Frage: Ja, ich glaube, der Zugang wird ungeheuer erleichtert, wenn man selbst einmal ein bisschen spielen konnte und seien es auch nur ein paar Stunden - und/oder gute Cembalisten als "Begleiter" oder Solisten im Konzert erleben kann. Allerdings habe ich neuerdings in irgendeiner Zeitung (ich glaube, es war der
Guardian), gelesen, dass das Cembalo angeblich das coole neue "Hipster"-Instrument sein soll. Vielleicht gibt es nun bald einen richtigen Hype, mal sehen...

Jedenfalls darf man sich nicht von den fürchterlichen Instrumenten und Klangergebnissen der Anfänge des Cembalo-Revivals in die Irre führen lassen. Seit ungefähr den 1960er-Jahren hat sich die konsequente Orientierung an den alten Instrumentenbaumeistern verwirklicht und mit Gustav Leonhardt als einem der Pioniere der historischen Aufführungspraxis fanden diese Instrumente zugleich einen maßstabsetzenden Musiker.
Wie war euer Weg zum Cembalo?
Bei mir hatte sich das musikalische Hauptinteresse über die Jahre (kann man am Repertoire meiner Youtube-Videos ganz gut nachvollziehen) tendenziell von der Romantik über die Klassik hin zu Bach bewegt. Ein Kollege und guter Freund spielt Gambe und hat mich dann immer mal wieder zu Alte Musik-Konzerten mitgenommen, die es hier in Basel so reichlich gibt.
Was mich gleich – und dann immer mehr – begeistert hat, war die Lebendigkeit und Spontaneität der Konzerte, die Lockerheit und Interaktion der Musiker miteinander. Hier vor Ort kommt natürlich noch das große, treue und aufrichtig interessierte Publikum dazu – mehr als einmal sind wir irgendwo auf dem Boden gesessen, weil eine halbe Stunde vor einem Konzert schon alle Sitzplätze weg sind. Und die Musiker sind alle irgendwie gleichzeitig auch Forscher - sie lassen immer neue Instrumente bauen, von denen teilweise nur noch wenige Originale erhalten oder gar nur noch Abbildungen überliefert sind, kennen alle historischen Traktate, sind aber gleichzeitig durch die lückenhafte Überlieferung zu immer mehr kreativer Interpolation gezwungen, je weiter man in der Zeit zurückgeht. Sie improvisieren, komponieren [1], experimentieren...das alles finde ich wahnsinnig spannend. Die Konzerte sind durch immer wechselnde Besetzungen auch sehr kurzweilig. Und nach einem Konzert kann man sich so immer angeregt unterhalten, Instrumente zeigen lassen usw.
Irgendwann war dann der Entschluss gefasst, ich verkaufte ruckzuck Flügel, Klavier und Digitalpiano und trat eine kleine Rundreise zu Cembalobauern in Europa an. Es ist nämlich so, dass die meisten guten Bauer Wartezeiten von oft zwei oder drei Jahren haben. Aber viele haben doch ein oder mehrere fertige Instrumente, die sie z.B. für Konzerte vermieten. So fand ich dann in einem kleinen Dorf eine Autostunde von Madrid entfernt mein erstes Instrument, eine großes zweimanualiges Cembalo nach Christian Zell (Hamburg, 1728) und fuhr kurz darauf mit einer guten Freundin von Basel aus mit einem geliehenen Transporter dorthin. Wir ließen uns Zeit und allein dieser Roadtrip wird mir für immer in Erinnerung bleiben, mit lustigen Episoden wie der, dass, nachdem wir das Cembalo mithilfe das Erbauers sorgfältig im Auto verpackt hatten, wir alle eine Stunde damit zubrachten, den Autoschlüssel wiederzufinden, den ich vor lauter Begeisterung irgendwo hingeworfen hatte, als ich das (zwischenzeitlich noch dekorierte) Instrument erblickte.
Seither sind noch ein Cembalo und zwei Clavichorde dazugekommen und nun sind noch mehrere Instrumente in der "Pipeline". Irgendwann passiert es vielen, dass man doch für jede lokale und zeitlich Tradition, die einen interessiert, gerne passende Instrumente hätte....
Das ist zugleich auch ein weiterer Punkt, den ich in der Alten Musik sehr schön finde: Man spielt eigentlich nie ein Instrument, sondern immer mehrere, was sehr abwechslungsreich ist. Und natürlich noch Orgel. Und Singen gehört irgendwie auch ganz selbstverständlich für alle Musiker dazu. Mit einem Vokalensemble, in dem ich singe, haben wir ein schönes Programm mit englischer Renaissancemusik, wo ich dazwischen noch ein bisschen passende Musik auf dem Cembalo spielen kann. Das sind einfach schöne Gelegenheiten, die sich so immer wieder ergeben.
Die "Entdeckungsreise" durch die riesige Literatur vor 1700 und die dazugehörige Kultur ist ein weiterer wesentlicher Aspekt, den ich sehr genieße, auch das Erkunden der Zusammenhänge und des "intertextuellen" kompositorischen Kommunikationsnetzes, das sich von der Gregorianik bis zu Bachs Tod entfaltet.
Auch in der "dienenden" Rolle als Begleitinstrument kann das Cembalo vollendet gespielt als sensibler Begleiter einen Solisten auf wunderbare Weise in die Schwerelosigkeit tragen – was gibt es Schöneres? –
View: https://www.youtube.com/watch?v=DuZWV851oIU
[1] Hier eine Neukomposition, mit den besten Musikern, die man sich dafür wünschen kann...
View: https://www.youtube.com/watch?v=M3McY3zbdzs