Unter-Tasten-Mechanik bei Kleinstklavieren

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Hallo liebe Leute,
in einem anderen Faden wurde gerade die Unter-Tasten-Mechanik angesprochen. Dazu eröffne ich hier einen eigenständigen Faden. Inhalte folgen in Kürze. Aber ihr könnt ja schon mal anfangen...

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Krach wird Klang
 
Zitat:
Zitat von Tastenscherge
Na, aus meiner Sicht wird das ein kurzer Faden: Schrott! Mist, den keiner braucht und bei dem ich mich weigere, daran zu arbeiten (was über die Stimmung hinaus geht).
Witziges Statement - aber irgendwie triffts

Rant ON: So langsam kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren (ausgelöst durch diverse pers. Erfahrung mit Euren Kollegen und Posts hier), dass die Klavierbauer-Profession eigenen Regeln frönt, die der sonstigen Service-Industrie unähnlich sind. Ich könnte bei meinen Kunden nicht dahergehen und einen Auftrag verweigern, weil mir deren 'Setup' nicht gefällt oder der Auftrag schwierig werden könnte. Ihr müsst alle mehr Nachfrage für Eure Arbeit haben als Ihr Zeit habt, oder es Euch sonstwie leisten können, Kunden bzw. potentielle Kunden zu vergraulen. :mad:

Rant OFF: No hard feelings, das musste jetzt mal raus. Zu viele unbeantwortete Anrufe und Fragen......
 
Rant ON: So langsam kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren (ausgelöst durch diverse pers. Erfahrung mit Euren Kollegen und Posts hier), dass die Klavierbauer-Profession eigenen Regeln frönt, die der sonstigen Service-Industrie unähnlich sind. Ich könnte bei meinen Kunden nicht dahergehen und einen Auftrag verweigern, weil mir deren 'Setup' nicht gefällt oder der Auftrag schwierig werden könnte. Ihr müsst alle mehr Nachfrage für Eure Arbeit haben als Ihr Zeit habt, oder es Euch sonstwie leisten können, Kunden bzw. potentielle Kunden zu vergraulen. :mad:

Rant OFF: No hard feelings, das musste jetzt mal raus. Zu viele unbeantwortete Anrufe und Fragen......
Hallo warmerklang,

Ein winziges Kleinklavier, wie eines mit Untertastenmechanik hat weder Klangfülle noch eine passable Mechanik, selbst wenn Renner drauf steht. Der Waagepunkt der Taste beginnt fast im Spielbereich. Die Mechanik wird gezogen, d.h. die Tasten haben ein Gestänge, dass nach unten reicht um die Mechanik zu bewegen - aber ich denke Martin wird irgendwo Bilder dazu haben, sonst hätte er nicht mit dem Thread begonnen.

Selten, äußerst selten sind solche Klaviere aus den 40er 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts überhaupt noch einigermaßen einsatztüchtig. Natürlich richtet die Klavierbau-Profession auch solche Klaviere, aber nur wenn es sein muss und der Kunde nicht zu bewegen ist, an anderes, ordentliches Klavier zu besorgen bzw. Familiengeschichte daran hängt.

Man muss folgendes wissen: Solche Klaviere sind dafür gebaut worden als Schrank da zu stehen, den man in den immer kleiner gewordenen Wohnungsneubauten nebenbei wie einen Tisch dekorieren kann und vielleicht noch nebenbei an Weihnachten "Stille Nacht" spielen. Es war ein müder Versuch, zu einer Zeit, kurz bevor der Fernseher in alle Haushalte einkehrte, weil man dachte, damit könne man irgendwas ändern und die eingebrochenen Verkaufszahlen wieder ankurbeln - mehr Leute zum Klavierspielen bewegen... Ein Sachzwang eben - nicht mehr aber auch nicht weniger, der die Klavierbauer solche Instrumente bauen ließ. Die meisten der großen Erzeuger von Klavieren mit Weltruf machten bei dem Trauerspiel nicht mit.

LG
Michael
 
Hi Cisco82,

Danke für den Link - ich wusste doch, dass ich das Sekretärklavier schon mal gepostet habe :D
Weder dieses, noch das von Kölnklavier gepostete Schimmel haben eine Untertastenmechanik. Schimmel verbaute sogar in den nur 1m hohen Klavieren bis in die siebziger Jahre eine normale Mechanik.

Die gesuchten (Untertasten) Klaviere sind etwa 80-90cm hoch. :p

LG
Michael
 
Genau das habe ich heute auch herausgefunden. Dieses 90 cm hohe Wurlitzer spinet piano mit "drop action" - Mechanik wird bei einem Händler für gnadenlose 2800 € angeboten.
Baujahr zwischen 1970 - 1980, das ergibt zumindest die Seriennumer - Rechereche.
 

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Am bekanntesten sind da wohl die Kisten von Wurlitzer...
 
Na Heideblitz, da ist ja schon einiges Geschnaube zusammengekommen.
Gut so - darum habe ich den Faden eröffnet. Damit dies dem Bericht über das Story&Clark-Klavier des kürzlich eröffneten Fadens erspart bleibt. Ich hoffe, es gibt Gemüter, die das zu schätzen wissen.

Vor einem Jahr habe ich an zwei Kavieren mit Unter-Tasten-Mechanik gearbeitet und - wie Michael/klaviermacher schon richtig vermutete - auch Bilder gemacht.

Langsam kriege ich den Eindruck, ich muss mir mal zwei Wochen Zeit nur für clavio nehmen - hab noch dermaßen viel auf dem Wiedervorlage-Zettel...:-|
Vorab soviel:
Ganz sicher zählt die beschriebene Bauweise zu den fragwürdigsten (Fehl-)Entwicklungen im Klavierbau. In die Einhelligkeit der Ablehnung, wie sie erwartungsgemäß in den bisherigen Postings zum Ausdruck kam, kann man sich daher bedenkenlos einklinken.
Dies vorausgesetzt, finde ich es dennoch lohnend, manche Aspekte gezielt zu beleuchten, und werde dies in ein paar weiteren Postings tun.

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Krach wird Klang
 
dass die Klavierbauer-Profession eigenen Regeln frönt, die der sonstigen Service-Industrie unähnlich sind. Ich könnte bei meinen Kunden nicht dahergehen und einen Auftrag verweigern, weil mir deren 'Setup' nicht gefällt oder der Auftrag schwierig werden könnte. Ihr müsst alle mehr Nachfrage für Eure Arbeit haben als Ihr Zeit habt, oder es Euch sonstwie leisten können, Kunden bzw. potentielle Kunden zu vergraulen. :mad:

Ich weiß ja nicht, welche schlechten Erfahrungen du persönlich gemacht hast mit unserer Branche. Aber es ist doch völlig legitim, einen Auftrag abzulehnen, und zwar in jeder Branche (außer vielleicht ein Notarzt im Einsatz :D ). Ich lehne häufiger mal Aufträge ab. Manche, weil ich einfach nicht die Räumlichkeiten dafür habe (Generalüberholung, Lackierung), manche aber auch, weil ich mir die fachlich nicht zutraue. Und andere, weil sie einfach unangenehm sind. Das muss man dem Kunden einfach nur offen sagen, und zwar ohne arrogant rüberzukommen. Und die Wahrheit bei diesen Klavieren ist nun mal, dass eine Reparatur, die normalerweise 3 Minuten dauert, nun 3 Minuten plus 2 Stunden dauert (für das Herausnehmen der Mechanik). Und das bei jeder noch in Zukunft auftretenden Störung. Somit kostet der Handgriff, den man normalerweise auf Kulanz selbstverständlich mitmacht, gleich mal über 100 Euro. Und da diese Kisten ja auch nicht mehr ganz jung sind, sind weitere Fehlfunktionen in näherer Zukunft durchaus absehbar.

Diese Art der Mechanik wurde hier im Forum auch schon öfter mal angesprochen, u.a. auch als Unterzugmechanik.
 

Das muss man dem Kunden einfach nur offen sagen

Und das ist genau der Punkt, dann ist das auch alles kein Problem!

Ich bin aber jetzt in den letzten Monaten drei- vier- fünfmal auf Kollegen getroffen, die einfach nicht zurückrufen, versprochene Angebote nicht liefern, bei einer Begutachtung dem Verkäufer sagen, sie sollen nicht verkaufen, und all so'n Mist :mad: und das kreuz und quer durch die Republik...
 
Ich bin aber jetzt in den letzten Monaten drei- vier- fünfmal auf Kollegen getroffen, die einfach nicht zurückrufen, versprochene Angebote nicht liefern, bei einer Begutachtung dem Verkäufer sagen, sie sollen nicht verkaufen,

Das sollte natürlich so nicht sein. Aber das mit dem Verkäufer sagen, es solle nicht verkaufen, erläutere doch mal. Was war da denn los :confused:
 
Genau das habe ich heute auch herausgefunden. Dieses 90 cm hohe Wurlitzer spinet piano mit "drop action" - Mechanik wird bei einem Händler für gnadenlose 2800 € angeboten.
Baujahr zwischen 1970 - 1980, das ergibt zumindest die Seriennumer - Rechereche. https://www.clavio.de/forum/attachm...en-mechanik-bei-kleinstklavieren-dsc00023.jpg

Wurlitzer - das ist m. E. eines der traurigsten Kapitel der Klaviere mit Unter-Tasten-Mechanik.

Die Wurlis aus den 70er/80er Jahren sind nämlich nicht wirklich klein. In der Höhe unterbieten sie die kleinsten "richtigen" Klaviere nur um gut 5 cm, in den im Raum wirklich bedeutsamen Maßen der Breite und Tiefe sind sie sogar größer als etliche andere. Und was bieten sie sonst? Einen vordergründig frischen, aber sehr industriell anmutenden, drahtig-zweidimensionalen Klang. Einen sehr dürren Tiefbass, der diese Bezeichnung nicht wirklich verdient, und der deshalb von vielen selbst kleinsten Klavieren mühelos in den Schatten gestellt wird. Und dann die fragwürdige Spielart - nun ja, die haben sie mit allen Unter-Tasten-Mechaniken gemeinsam. Darauf komme ich noch extra zu sprechen.

Man darf sich fragen, wieso ausgerechnet diese amerikanischen Schrumpf-Pianos bei uns zu nennenswertem Verkaufserfolg gelangten. Meine Interpretation ist diese: Im Unterschied zu den weitaus meisten anderen zeitgenössischen Klavieren, ganz besonders den kleinen, kamen die Wurlis mit der überzeugenden Anmutung daher, ein wohnzimmertaugliches kleidsames Möbelstück zu sein. Stilistisch sicher nicht jedermanns Sache, aber immer mit deutlich bis in sorgfältig ausgearbeitete Details hinein erkennbarer Verbeugung vor dem Stilbewusstsein derjenigen, denen es gefallen könnte. Dazu gehörte übrigens, dass diese kleinen Wurlitzer-Klaviere üblicherweise zusammen mit einer stilistisch wie farblich passenden Bank ausgeliefert wurden.

Abgesehen davon werfen diese Klavierchen ein ganz falsches Licht auf den typischen amerikanischen Klavierbau und seine Geschichte. Denn dort wusste man schon vor hundert Jahren überaus solide Klaviere zu bauen, die noch deutlich größer waren als hier zu Lande, nämlich standardmäßig etwa 140 cm hoch und 80 cm tief.
Und auch für die Firma Wurlitzer sind die Kleinstpianos kein wirklich charakteristisches Aushängeschild. Bei uns ist die Firma z. B. viel stimmiger mit den legendären "Juke-Boxen" für Single-Schallplatten bekannt geworden, wie sie in den 60er bis 80er Jahren serienweise in Kneipen, Imbissbuden und Eiscafés standen. Und in Amerika kamen von Wurlitzer schon vor ca. 100 Jahren riesige "Nickelodeons", Klaviere mit einem Überbau aus zahllosen Orchesterinstrumenten, die man durch Einwurf eines "Nickel" (amer. 2-Cent-Münze) automatisch in Betrieb setzen konnte. In meinen Dias von 1987 habe ich noch ein Foto von so einem Riesenteil, aus dem Museum "Ghost Town" in Colorado Springs (Colorado USA). Ich habe es gerade ausgegraben und etwas trickreich über dem Licht meiner Schreibtisch-Halogenlampe abfotografiert. Siehe unten - na das ist doch was anderes als ein Schrumpfklavier!

Gruß
Martin
PianoCandle

... und aus Krach wird Klang
 

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Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Siehe unten - na das ist doch was anderes als ein Schrumpfklavier!
Dieses Dingsda, Pseudoschrumpfklavier Orchestreon alla Wurlitzer stelle ich mir etwas kompliziert vor, sollte eine Kleinigkeit zu richten sein, wie zb. eine Saite erneuern oder nur einen Ton nachstimmen. Mir reicht ein superverbautes "normales" Pianola. Alleine die Haltung die man ein nehmen muss um so ein Teil zu stimmen verspricht ganz dolle Rückenleiden. :rolleyes: :D
Ähnliches bauten viele Hersteller und sogar Philips...

http://www.youtube.com/watch?v=annPZjmeiss
:drummer:

LG
Michael
 
HILFE!! Es Lebt!! :shock::|
 
Ich muß gestehen, ich friere irgendwie ein bei diesen Dingern.


Gruß Ute
 
Ich muß gestehen, ich friere irgendwie ein bei diesen Dingern.

Das ist eine nette Formulierung, Ute. Mir geht es so: Ich stehe davor und staune und staune, und wenn da dann Musik rauskommt, staune ich noch mehr. Für ein paar Minuten. Und dann wende ich mich ab, mit dem etwas verlorenen Gefühl, hier kann ich gar nichts machen außer gucken...

Das abgebildete Wurlitzer-Nickelodeon finde ich beachtlich als integrierte Ingenieurs- und Designer-Leistung. Und immerhin lässt seine Größe darauf schließen, dass man sich bei Wurlitzer vor Zeiten auf das Bauen großzügig bemessener richtiger Klaviere verstanden hat.

Selbstspielende Musikmaschinen, ob als Pianola oder als Orchestrion, hatten eine nennenswerte Bedeutung vor allem in der Stummfilmzeit, da in den Kinos im Hintergrund Musik lief. Und es war sicherlich für die Kinobetreiber günstiger, alle paar Minuten die Lochstreifenrollen zu wechseln, als einen Pianisten anzustellen.
Orchestrien findet man auch immer noch auf Jahrmärkten, z. B. auf alten Karussells.

@Michael/klaviermacher: Die Firma Philipps, die Klaviere und Pianolas baute, hat vermutlich mit dem Technikkonzern Philips ziemlich wenig zu tun. Und ConocoPhillips ist noch wieder was ganz anderes...:p

Soweit zum Seitenthema Riesenklaviere. Mit meinem nächsten Posting komme ich auf die Zwergklaviere zurück.

-m-
 
Spielgefühl und Bindestriche

Es hat seine besondere Bewandtnis, dass ich den Begriff Unter-Tasten-Mechanik mit zwei Bindestrichen versehe. Ich möchte zwei Fehldeutungen vermeiden.
Zum einen hat die Mechanik natürlich nicht speziell etwas mit den weißen Tasten zu tun, die im Fachjargon als "Untertasten" von den schwarzen "Obertasten" unterschieden werden.
Zum anderen, und das ist das eigentlich Wichtige, ist diese Mechanik nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, mit zusätzlichen "Untertasten" versehen, verstanden als Phantomtasten unterhalb der Klaviatur.

Dieses letztere ist durchaus von Bedeutung. Theoretisch könnte man ja die Klaviatur nahezu normal arbeiten lassen, indem man die Taste hinten abschneidet, den hinteren Tastenteil weiter unten mit Behelf eines Scharniers dupliziert, und dann beide Teile mit einem Draht koppelt. Doch diese Idee hätte schwerwiegende Nachteile. Erstens würde so die Anzahl der beweglichen Schnittstellen um drei erhöht (und an jeder davon kommt es zu Energie- und Präzisions-Schwund). Und zweitens würden diese Schnittstellen, wegen ihrer kurzhebeligen Anordnung, auch noch stark und verschleißanfällig beansprucht. Drittens wäre diese Konstruktion so aufwändig, dass sie sich wohl wirtschaftlich kaum gelohnt hätte.
Einen überaus wesentlichen Vorteil hätte sie allerdings gehabt: Bei einer solchen Konzeption ließe sich die gesamte Mechanik, wie bei jedem größeren Klavier, mühelos lösen und herausheben.

Kurz - so eine Mechanik gibt es nicht, oder sie ist mir noch nicht begegnet...

Siehe Skizze unten...

Gruß
Martin
PianoCandle

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Kurz - so eine Mechanik gibt es nicht, oder sie ist mir noch nicht begegnet...
Hallo Martin,

Doch hab ich gesehen - allerdings ist der Balken hinten und es sitzt eine normale kleine Mechanik drauf. Leider hab ich keine Bilder dazu. Aber Du musst Dir nur diese Achse (Scharnier) in der Position etwa unterhalb der Dämpfertangenten vorstellen. Der Rest von Deiner Skizze passt dann...

LG
Michael
 

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