Genau das habe ich heute auch herausgefunden. Dieses 90 cm hohe Wurlitzer spinet piano mit "drop action" - Mechanik wird bei einem Händler für gnadenlose 2800 € angeboten.
Baujahr zwischen 1970 - 1980, das ergibt zumindest die Seriennumer - Rechereche.
https://www.clavio.de/forum/attachm...en-mechanik-bei-kleinstklavieren-dsc00023.jpg
Wurlitzer - das ist m. E. eines der traurigsten Kapitel der Klaviere mit Unter-Tasten-Mechanik.
Die Wurlis aus den 70er/80er Jahren sind nämlich nicht wirklich klein. In der Höhe unterbieten sie die kleinsten "richtigen" Klaviere nur um gut 5 cm, in den im Raum wirklich bedeutsamen Maßen der Breite und Tiefe sind sie sogar größer als etliche andere. Und was bieten sie sonst? Einen vordergründig frischen, aber sehr industriell anmutenden, drahtig-zweidimensionalen Klang. Einen sehr dürren Tiefbass, der diese Bezeichnung nicht wirklich verdient, und der deshalb von vielen selbst kleinsten Klavieren mühelos in den Schatten gestellt wird. Und dann die fragwürdige Spielart - nun ja, die haben sie mit allen Unter-Tasten-Mechaniken gemeinsam. Darauf komme ich noch extra zu sprechen.
Man darf sich fragen, wieso ausgerechnet diese amerikanischen Schrumpf-Pianos bei uns zu nennenswertem Verkaufserfolg gelangten. Meine Interpretation ist diese: Im Unterschied zu den weitaus meisten anderen zeitgenössischen Klavieren, ganz besonders den kleinen, kamen die Wurlis mit der überzeugenden Anmutung daher, ein wohnzimmertaugliches kleidsames Möbelstück zu sein. Stilistisch sicher nicht jedermanns Sache, aber immer mit deutlich bis in sorgfältig ausgearbeitete Details hinein erkennbarer Verbeugung vor dem Stilbewusstsein derjenigen, denen es gefallen könnte. Dazu gehörte übrigens, dass diese kleinen Wurlitzer-Klaviere üblicherweise zusammen mit einer stilistisch wie farblich passenden Bank ausgeliefert wurden.
Abgesehen davon werfen diese Klavierchen ein ganz falsches Licht auf den typischen amerikanischen Klavierbau und seine Geschichte. Denn dort wusste man schon vor hundert Jahren überaus solide Klaviere zu bauen, die noch deutlich größer waren als hier zu Lande, nämlich standardmäßig etwa 140 cm hoch und 80 cm tief.
Und auch für die Firma Wurlitzer sind die Kleinstpianos kein wirklich charakteristisches Aushängeschild. Bei uns ist die Firma z. B. viel stimmiger mit den legendären "Juke-Boxen" für Single-Schallplatten bekannt geworden, wie sie in den 60er bis 80er Jahren serienweise in Kneipen, Imbissbuden und Eiscafés standen. Und in Amerika kamen von Wurlitzer schon vor ca. 100 Jahren riesige "Nickelodeons", Klaviere mit einem Überbau aus zahllosen Orchesterinstrumenten, die man durch Einwurf eines "Nickel" (amer. 2-Cent-Münze) automatisch in Betrieb setzen konnte. In meinen Dias von 1987 habe ich noch ein Foto von so einem Riesenteil, aus dem Museum "Ghost Town" in Colorado Springs (Colorado USA). Ich habe es gerade ausgegraben und etwas trickreich über dem Licht meiner Schreibtisch-Halogenlampe abfotografiert. Siehe unten - na das ist doch was anderes als ein Schrumpfklavier!
Gruß
Martin
PianoCandle
... und aus Krach wird Klang