Tipps für Klavierlehrer (Literatur)

@killmymatrix
Natürlich wäre es schön, wenn ALLE SchülerInnen irgend wann einmal vom Lehrer unabhängig werden und ihre Musik weiter in irgend einer Form - auch alleine oder mit anderen - betreiben. Doch wie sieht die Realität denn aus? Von 100 jüngeren Schülern behalten wieviele die Musik in ihrem Leben und bleiben am Ball? Kann man diese Forderung denn überhaupt stellen?
Meine "beste" Schülerin war eine 35 jährige Frau, die täglich von 20 bis 21 Uhr geübt hat. Für ihre Kinder war sie dann nicht ansprechbar. Nach 2 Jahren konnte sie leidlich das Ab Dur Impromptus von Schubert spielen. Ihre Vorkenntnisse waren 250 Anschläge auf der Schreibmaschine. Ziemlich flott. Die Nägel auch hier: immer einen Hauch zu lang... dann begann sie, Bienen zu züchten. Vorher hatte sie 2 Jahre sehr professionell getöpfert bis die ganze Verwandschaft und Freundeskreis mit Töpferware und Kuns zugedonnert war. Aus ihrer Zeit eines VHS-Nähkurses nähte sie gelegentlich noch für ihre Jungs Designer-Jeans nach, mit Hosenboden in Kniehöhe, das war vor 15 Jahren. Aber das Nähen an sich war für sie durch, ihre Jungs mussten schon ganz schön drücken. Ach ja, sie hörte dann mit Klavier auf, ihre nicht übenden Jungs auch und das Klavier wurde verkauft, so wie auch die Bienen nach 5 Jahren wieder weg kamen...
Was ich damit sagen will: was kann ich denn als Lehrerin wissen, was gut und "richtig" für meine Kundschaft ist? Eindrucksvoll fand ich auch die Lisa, eine 12 Jährige, die in der Vorstellungsstunde sagte, dass sie genau EIN Jahr lang Unterricht haben möchte und sich DANN entscheiden wolle, ob das was für sie wäre. Auf die Frage, wie viel Übezeit sie denn investieren wolle, meinte sie: so ungefähr eine Stunde pro Tag, wenn keine Arbeiten oder so etwas anstehen. Dann vielleicht etwas weniger. Ihre Frage war dann sehr konkret: wie weit sie denn dann kommen würde und ob ich ihr die Stücke vorspielen könnte? Ich spielte ihr "Für Elise" und Den "Marsch des königlichen Löwen" von Camille Saint Sans vor, in einer schönen Bearbeitung für Klavier Solo. Beides hatte sie nach 9 Monaten drauf, so wie einige andere Stücke. Klang gut, war schön. Nach einem Jahr bedankte sie sich und: hörte auf. Ich fand es großartig.


Natürlich meine ich mit "behalten", dass zu Hause nichts Neues hinzu gelernt wird. Doch was verlangt man denn da von den Kinderchen... in der Schule fängt das wirkliche selbständige Arbeiten doch auch erst später an. Vorher müssen sie einfach die Dinge zu Hause üben, die als Stoff in der Schule durchgenommen wurden... das sind dann die Hausaufgaben. Ganz einfach.

@Haydnspaß
Viele haben ein gutes Gehör, eigentlich alle. Denn jeder lernt seine Muttersprache und macht dabei exakt die ortsüblichen Abweichungen in Tonfall und Prosodie. Es gibt sogar große Komponisten, die keine Noten konnte, Miles Davis zB lernte erst mit 40 Jahren Noten. Thelonius Monk war auch kein großartiger Notist, meine ich.
Und dann die Schar der blinden Pianisten... klar, dafür gibt es auch eine Notenschrift... ich habe mal versucht, in das System hinein zu kommen, um einer Blinden mehr Memo-Hilfe zu geben. Aber das war uns beiden zu stressig. Wir haben lieber weiter hin musiziert was das Zeug hielt. Sie spielt heute immer noch.

Du sprichst von "Unwilligkeit" Noten zu lesen... höre ich da einen kleinen Vorwurf heraus? Wie kann man denn jemandem daraus einen Vorwurf machen, dass er es nicht schafft - aus welchen Gründen auch immer - Noten zu lesen?!? Eine Schülerin verheimlichte mir mal, dass sie an grünem Star litt. Es war die einzige Schülerin, die ich angebrüllt habe und die ich rausgeschmissen habe, weil sie "Unwilligkeiten" beim Notenlesen zeigte. Das tut mir heute noch leid.
Außerdem muss man berücksichtigen, dass es Kinder gibt, deren Augenreifung erst mit 14 oder 15 Jahren abgeschlossen ist. Sie haben einfach Probleme, die Augen auf einen Punkt zu fixieren, was eigentlich mit 6 Jahren bei den meisten kein Thema mehr ist. Die parrallelen Linien tun ein übriges dazu, diese "unsteten" Augen zu irritieren. Da hilft auch nicht Bodenmann, der ein System auf eine DinA4 Querseite hochzieht.

Dann hatte ich noch mit Personen zu tun, auch Erwachsene, denen ich empfohlen habe sich mal mit dem Phänomen Winkelfehlsichtigkeit und Prismenbrille zu beschäftigen... viele Leute haben keine Ahnung, was es damit auf sich hat, sogar die Fachärzte wissen darüber wenig bis gar nichts. Was Wikipedia dazu schreibt ist eher Schulmedizinisch und stimmt nicht so ganz. Nun ja, den Kindern wird dann sehr schnell und einfach "Unwilligkeit" vorgeworfen (beim Lesen... und Schreiben...) ...und nun ja, ich gebe zu, natürlich spielt das auch manchmal eine Rolle... Unsere Schüler sind eben einfach alle faul, unwillig, charakterschwach, unkonsequent... hallo?!?! Was sollen denn immer diese Schuldzuweisungen? Ist jemandem schon mal aufgefallen, dass alle Schüler wie ihre Lehrer klingen? Sie sind das eigene Abziehbild!!! Werfen wir ihnen Faulheit vor, dann sind wir selbst faul. Werfen wir ihnen fehlende Liebe zur Musik vor, dann fehlt uns diese Liebe selbst. So einfach ist das.

Erziehung ist Liebe. DAS ist ein schöner Buchtitel.

"Üben ist doof" ist der bescheuertste Buchtitel, den ich je gehört habe. Das Buch an sich ist auch nicht viel besser. Wie kommt man denn auf so eine Idee, dass Üben doof ist?!? Kann ja nur daran liegen, dass man das selbst denkt... und wenn einem dieser Buchtitel aus der Seele spricht... puh, Leutz, da müssen einige wohl ein ziemliches Problem haben mit dem üben. Darf ich an dieser Stelle man zugeben: ich habe in meinem Leben noch nie "geübt"... ich habe immer nur: Musik gemacht.

In diesem Sinne

Viola
 
Erstmal: Vielen Dank für eure Antworten!

Ich glaube zwar nicht, dass das Problem bei mir liegt, denn ich hatte auch mal eine 12jährige, die (auch wegen der Kontrolle des Vaters) viel und gerne geübt hat, sodass sie schnell Fortschritte machte. Ich denke, es ist vorallem ein Problem des Alters, weil meine SchülerInnen zumeist schon älter als 30 sind und man es da nicht mehr so schnell lernt und man natürlich auch weniger Zeit hat (Arbeit) Kann mir das jemand aus eigener Erfahrung bestätigen?

Dein Beitrag liegt zwar schon eine Weile zurück, aber ich habe ihn gerade erste gelesen und muss doch mal enorm protestieren! Es gibt eh reichlich Vorurteile gegenüber Menschen, die erst im höheren Alter geginnen, Klavier zu lernen, und die muss man nicht durch so etwas verstärken.

Ich bin nicht Lehrerin, sondern Klavierschülerin, aktuell 48 und ich habe vor 3 Jahren gegonnen, intensiv Klavier zu lernen und kann damit zum Thema Alter durchaus etwas sagen.

Für das Klavier muss man sich die Zeit nehmen, wie übrigens für alle anderen Dinge im Leben auch, unabhängig vom Alter. Der zeitliche Aufwand wird oft von Anfängern nicht richtig eingeschätzt und sie benötigen vom Klavierlehrer durchaus Anhaltspunkte dazu (nicht zu verwechseln mit Druck).

Ganz wichtig ist, warum ein Erwachsener Klavier lernen möchte, da gibt es nämlich genau wie bei den Kindern große Unterschiede, und welche Stücke jemand spielen möchte. Das ist, neben der hoffentlich großen Freude an Unterricht und Üben auch für den Unterrichtsinhalt sehr wichtig.

Wie gesagt, ich habe vor drei Jahren begonnen, und ich möchte möglichst gut Klavier spielen können, was auch immer das letztlich vom Level für mich bedeutet. Das werde ich irgendwann herausfinden.

Ich habe begonnen mit mind. 1 Stunde üben pro Tag, aktuell übe ich - im Durchschnitt! - ca. 2 - 2,5 Stunden pro Tag, das ganze bei einer Arbeitswoche, die mich so 55-60 Stunden die Woche kostet.

Womit ich, aufgrund meiner Erfahrung mit meinem ersten Klavierlehrer Probleme hätte: wie gut kennst Du Dich wirklich aus. Ich frage im Unterricht zum Beispiel sehr viel, warum etwas so ist, versuche zu verstehen, sehe im Klavierlehrer auch einen "Coach, der mich durch den Dschungel der vielen teil widersprüchlichen Informationen in und um das Klavierspielen und lernen führt" und erwarte natürlich eine Antwort die fundiert ist. Angenommen, ich würde meinen Lehrer fragen, welche Vorteile sich durch das Auswendiglernen von Stücken ergeben, oder ob und wann welche Übungen sinnvoll sind und dergleichen, erwarte ich kompetende Antworten. Inwiefern wärst Du in der Lage, das abzudecken? Mein erster Klavierlehrer - die Phase mit ihm war entsprechend kurz - hat auf Leichtversionen bestanden, darauf dass p und pp am besten mit Hilfe des linken Pedals zu erzielen ist (ich gehe jetzt mal davon aus, dass Du DAS nicht machst), jede Frage war eine Frage zu viel. Was ist mit gezielten Hinweisen zum Beispiel zum Spielen von Vorschlägen (das habe ich momentan gerade in einer Chopin-Mazurka), wie sieht es aus mit Interpretationen?
 
Ich hätte jetzt auch eine Frage:
Ich habe noch nie mit Neueinsteigern gearbeitet und werde bald ein kleines Mädchen unterrichten welches noch eine Noten lesen kann etc.

Wie bringt man den kleinen die Noten bei und wie motiviert man sie diese Stücke aus den Klavierschulen zu spielen die nur aus 2 verschiedenen Noten bestehen.

Ich hofffe ihr könnt mir helfen.
MfG
 

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