
mick
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Stücke zu analysieren ist eine Nette Spielerei die bei modernen Kompositionen z.T. recht versagt (hat auch Mick mehrmals erwähnt).
Das hast du aber gründlich missverstanden. Analyse ist keine nette Spielerei, sondern absolute Notwendigkeit, wenn man ein komplexeres Stück inhaltlich durchdringen will. Das muss man als Amateur vielleicht nicht unbedingt, aber ich kann mich als Dirigent nicht vor das Orchester stellen, wenn ich nicht genau weiß, was ich will und wenn ich das, was ich will, nicht nachvollziehbar begründen kann. Ebenso kann ich als Pianist kaum eine überzeugende Interpretation abliefern, wenn ich mir über die Struktur und die Progression eines Werkes selbst nicht im Klaren bin. Es ist zwar möglich, dass Tante Käthe in Reihe 19 den Unterschied zwischen einer nett klingenden, aber doch irgendwie beliebigen Amateurdarbietung und einer bis in jede Note durchdachten Interpretation nicht benennen kann - aber das darf nun wirklich kein Maßstab sein.
Und was moderne Werke angeht - es gibt da überhaupt keinen Unterschied. Ich habe lediglich geschrieben, dass man sie nicht mit den Universalwerkzeugen der klassisch-romantischen Epoche analysieren kann. Dass sich solche Werke einer Analyse entziehen, ist allerdings kompletter Unsinn. Manches (z.b. einige serielle Kompositionen) sind sogar viel einfacher zu analysieren und zu verstehen als viele klassische Sonaten.
Man wird nicht nur musikalisch besser (was @Pedall bereits erklärt hat), sondern in hohem Maße auch spieltechnisch. Ich habe den Eindruck, du (aber nicht nur du - es scheint ein weit verbreiteter Irrtum zu sein) reduzierst Musiktheorie auf das Benennen von Akkorden bzw. ihrer Funktionen. Das ist allerdings nur ein Aspekt des Theoriegebäudes. Andere wären Rhythmik, Melodik, Kontrapunkt, Form (angefangen von der motivischen Keimzelle bis hin zur mehrsätzigen Großform) etc. Erst all diese Aspekte - die selbstverständlich nicht unabhängig voneinander sind - ermöglichen es, die Machart einer Komposition zu verstehen. Und je fitter man in der Theorie ist und je besser man sie praktisch anwenden kann, umso schneller versteht man ein Werk. Oftmals erschließen sich Werke dann beim ersten flüchtigen Blick auf das Notenpapier. Das setzt Kapazitäten für die musikalische und spieltechnische Umsetzung frei, die man sonst jedesmal aufs neue für das mühsame Erarbeiten des Textes und eigentlich offensichtlicher musikalischer Zusammenhänge verschwendet. Und die beim Spielen Aufmerksamkeit erfordern, die dann an anderer Stelle fehlt.Besser wird man spielerisch nicht, nur kluger!
Vergleiche das mit einem Opernsänger, der beispielsweise eine tschechische Oper in der Originalsprache lernen muss. Er kann den Text phonetisch lernen, ohne im Detail zu verstehen, was er da eigentlich singt. Oder er kann Tschechisch lernen. Letzteres wird zunächst viel mehr Zeit in Anspruch nehmen - aber er wird besser singen, weil er den Text inhaltlich durchdringt und er sich beim Singen auf die Musik, das Wort/Ton-Verhältnis, die Intonation etc. konzentrieren kann. Sobald die zweite tschechische Oper auf dem Spielplan steht, ist der Vorteil gigantisch, wenn man die Sprache bereits gelernt hat und sich sofort auf die musikalische und darstellerische Umsetzung der Partie kümmern kann.