Staccato-Zeichen

Stilblüte

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Hallo,

In meinem Mozartstück kommen zweierlei Sorten von Staccato-Zeichen vor. Einmal der gewöhnliche Punkt, dann noch der Keil, den Haydn (?) hauptsächlich verwendete.
Ich dachte erst, der Keil wäre ein Akzent und habe mich schon über merkwürdige Akzentuierung gewundert. Weiß es jetzt aber besser.
Was ich mich alledings frage, ist, warum Mozart die Zeichen mischt - bei drei aufeinanderfolgenden Noten schreibt er erst Punkte und dann einen Keil.
Kann das Zufall sein? Bzw. wo liegt der Sinn?

liebe Grüße
Stilblüte
 
Über die Frage "Strich, Keil oder Punkt?" ist schon viel Tinte aus musikwissenschaftlichen Federn geflossen. Badura-Skoda z.B. (oder auch Siegbert Rampe) raunen in ihren Mozart-Büchern auch immer über die Unterschiede von Strich und Punkt, ohne an irgendeiner Stelle mal konkret zu schreiben, worin der Unterschied eigentlich liegt. (Ich will ganz ehrlich zugeben, daß ich den spieltechnischen Unterschied immer noch nicht kapiert habe.)

Ich versuche mal eine pragmatische Erklärung um das ganze Gewese:
  • Ein Grund mag sein, daß es mit einem Gänsekiel zeitraubender ist, einen ordentlichen Punkt zu setzen als einen leichten "Federstrich".
  • Die Papier der damaligen Zeit enthielten viele Verunreinigungen und Einschlüsse. Bei Staccato-Punkten läßt sich mitunter nicht genau unterscheiden, ob es sich vielleicht nicht doch bloß um "Fliegendreck" handelt.
Lustig wird es dann, wenn im Manuskript an einer Stelle ein Strich steht, an der Parallelstelle aber ein Punkt. Bedeutsame Absicht? Oder war es dem Komponisten egal? (Warum schrieb Beethoven manchmal "dim." und manchmal "decresc."?)

U.A.w.g.

PS: Vor einigen Jahren noch haben sich die Verlage bei den praktischen Ausgaben um die Differenzierung kaum geschert. Mittlerweile wimmelt es bei Henle und Bärenreiter nur so von Strichen und und Keilen, die ärgerlicherweise der "Fingersatz-1" sehr ähnlich sehen und beim Primavista-Spielen für Irritation sorgen.
 
Also liegt des Rätsels Lösung in der Feder?

Ist ja interessant, da wäre ich nie drauf gekommen...
 
Ich dachte erst, der Keil wäre ein Akzent

Da ist schon was dran. Staccato-Noten sind eben oft auch akzentuiert zu spielen. Wenn die letzte Note unter einem legato-Bogen einen staccato-Punkt hat, würde ich davon ausgehen, daß der Ton nicht nur kurz, sondern auch betont gespielt werden soll. Das gilt übrigens unabhängig davon, ob der Punkt ein Punkt oder ein Strich ist.

Eine andere Frage wäre, wie staccato nun genau bedeutet. CPE Bach schreibt in seiner Klavierschule, daß staccato-Noten um die Hälfte (!) des Notenwerts gekürzt werden. Das was man heutzutage normalerweise als staccato präsentiert bekommt (da ist Gould wohl das große Vorbild) ist ein staccatissimo seccissimo :p
 
Und ich dachte immer, der Strich bzw. Keil stände für ein stärkeres staccato.

Also in etwa:

Punkt = 40% des urspr. Notenwertes
Strich = 25% des urspr. Notenwertes
 
CPE Bach schreibt in seiner Klavierschule, daß staccato-Noten um die Hälfte (!) des Notenwerts gekürzt werden.

Das ist falsch.

Er schrieb, dass Noten, die weder "gestossen" (== staccato) noch "geschleift" (== legato), also "normale Noten", um die Hälfte gekürzt werden. siehe: 1. Teil, Kapitel 3, §22

Weiterhin, dass bei gestossenen Noten, also beim staccato-Vortrag, um mehr als die Hälfte gekürzt wird, siehe: 1. Tiel, Kapitel 3, §17

Dies alles ist hier nachzulesen, vielen Dank an Koelnklavier!:
http://www.koelnklavier.de/quellen/versuch/kap1-3g.html

Ich finde, diese Klavierschule von CPE Bach ist von unschätzbarem Wert für alle, die wissen möchten, in welcher Art sein werter Vater (sein einziger Lehrer) wahrscheinlich gespielt hat.

Man kann wohl davon ausgehen, dass grösstenteils non-legato gespielt wurde, und zwar egal, ob Orgel, Cembalo, Clavichord!!!
Nur mal so zum drüber nachdenken, vielleicht kommt man ja irgendwann drauf, dass diese Spielweise (im Gegensatz zum so oft gehörten Rubato-geschwängerten, pedalgelatschtem Legatobrei...) für die polyphon strukturierte Bachmusik sehr viel für sich hat...
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Das ist falsch.

Er schrieb, dass Noten, die weder "gestossen" (== staccato) noch "geschleift" (== legato), also "normale Noten", um die Hälfte gekürzt werden. siehe: 1. Teil, Kapitel 3, §22

Danke für den Hinweis und den Link.

Zu den staccato-Noten heißt es also richtig:

Die Noten, welche gestossen werden sollen, werden sowohl durch darüber gesetzte Strichelgen als durch Punckte bezeichnet.
...
Man muß mit Unterschied abstoßen, und die Geltung der Note, ob solche ein halber Tackt, Viertheil oder Achtheil ist, ob die Zeit=Maaße hurtig oder langsam, ob der Gedancke forte oder piano ist, erwegen; diese Noten werden allezeit etwas weniger als die Hälfte gehalten.

Jetzt ist natürlich die Frage, was "etwas weniger als die Hälfte" ist. Ausdrücklich spricht CPE Bach davon, daß auch diese (staccato-) Noten gehalten werden. Darum ging es mir ja: daß staccato heutzutage von den allermeisten Pianisten grundsätzlich so kurz wie möglich gespielt wird. Bei Geigern ist das völlig anders. Darüber sollte man sich mal Gedanken machen.

Horowitz
http://de.youtube.com/watch?v=gv2oM5DE1Mk

Gould
http://de.youtube.com/watch?v=QKHofGP8g2k

Gulda
http://de.youtube.com/watch?v=jUuT_z1p8O4

dagegen Richter (auch wenn er sonst nicht so mein Favorit ist)
http://de.youtube.com/watch?v=Lrz_8mMMOpc
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ja, sieht so aus, als würde man heute Staccato kürzer spielen als zu Bachs Zeiten - interessant!

Was mich bei CPE Bach am meisten erstaunt hat, dass sozusagen die "Default"-Einstellung bei normalen Noten ist, dass sie nur etwa die Hälfte der Tondauer gehalten werden. Heutzutage ist es ja eher so, dass der Normalzustand ist, dass man Legato spielt, also volle Tondauer.

Bei einem Seminar hat ein bekannter Mindener Organist (der auch Improvisations-Lehrbücher verfasst) neulich ziemlich vehement den Standpunkt vertreten, dass man Bach auf der Orgel durchgängig non-legato spielen sollte. Das deckt sich mit CPE Bach, aber diesen Standpunkt habe ich in der Radikalität sonst noch nie vernommen (allerdings gehört, Konzert von Prof. Laukvik).
Sorry for OT!
 
Bei einem Seminar hat ein bekannter Mindener Organist (der auch Improvisations-Lehrbücher verfasst) neulich ziemlich vehement den Standpunkt vertreten, dass man Bach auf der Orgel durchgängig non-legato spielen sollte.

Das würde mir durchaus einleuchten. Orgeln stehen ja in Kirchen, und die Akustik einer Kirche verbindet die Töne selbst dann, wenn man non legato spielt. Ansonsten erhält man einen ziemlichen Klangbrei. Also wenn überhaupt, dann nur sehr langsame Stücke legato spielen (auf der Orgel!)
 
Wenn man das non-legato-Spiel in der Barockmusik ernst nimmt, hat dies erhebliche Vereinfachungen des Fingersatzes zur Folge. Der alte Bach und seine Söhne hätten sich wahrscheinlich gewundert über die halsbrecherischen Fingersatz-Konstruktionen eines Otto von Irmer, Theopold Lampe und Andras Schiff. Unter der Prämisse des legato-Spiels mögen die ja ihre Berechtigung haben. Aber wie schön kann doch eine non-legato-Melodie in der Mittelstimme mit nur einem Finger gespielt klingen! :D (in Anlehnung an eine Kontroverse in einem früheren Thread)
 

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