Auch wenn ein Komponist ganz sicher von der Existenz und dem Gebrauch des Sostenuto-Pedals weiß, wird er sich die Option offen halten, die Verwendung nicht verbindlich vorzuschreiben, wenn die meisten zur Wiedergabe des Stücks verfügbaren Instrumente mit dieser Spielvorrichtung (noch) nicht ausgestattet sind. Sonst müsste er potenziellen Interpreten ausdrücklich nahelegen, das Stück nur dann zu spielen, wenn ein Flügel mit entsprechender Ausstattung zur Verfügung steht.
@Rheinkultur diese noble Scheu war Ravels Kollegen Claude Debussy offenbar fremd, denn Debussy schrieb (wenn auch in uneinheitlicher Notationsweise) den Gebrauch des mittleren Pedals dort vor, wo er ihn für unverzichtbar hielt (z.B. in der versunkenen Kathedrale, im Prelude der Suite usw.) -- Ravel kannte das Klavierwerk seines Kollegen sehr genau -- und jetzt kommt ein sehr interessanter Moment: gelegentlich notierte Debussy Haltenoten, die man unmöglich realisieren kann, ohne eigens die Verwendeung des mittleren Pedals vorzuschreiben; Ravel verwendete gelegentlich dieselbe Notationsweise!
Man muss dazu wissen, dass im späten 19. und frühen 20. Jh. keine genormte Notationsweise für das mittlere Pedal vorlag! Debussy, der als einer der ersten explizit die Verwendung des mittleren Pedals zu notieren versuchte, ist da weitaus fairer als etwa Skrjabin und Rachmaninov (beide kannten das mittlere Pedal, notierten es aber nicht, sondern hielten Hinweise darauf bzgl. der Notation für offensichtlich (!), berühmtestes Beispiel ist Rachmaninovs Prelude cis-Moll)
Ungefähr derselben Generation wie Debussy, Ravel, Rachmaninov entstammte
Stewart Grainger (dessen Richard Strauss Transkriptionen berühmt-berüchtigt sind), und der notierte meines Wissens als erster den Einsatz des mittleren Pedals ganz minutiös.
Man kann bzgl. des Klaviersatzes einerseits Liszt und Brahms (ohne mittleres Pedal) und andererseits Debussy, Ravel, Rachmaninov, Grainger vergleichen: man kann das komplette Oeuvre von Liszt und Brahms ohne sostenuto Pedal realisieren - bei Debussy, Ravel (an wenigen Stellen), Rachmaninov, Grainger geht das nicht.
Aber das bedeutet nicht, dass das sostenuto Pedal einzig für voluminöse Orgelpunkte bei Harmoniewechsel von Pedalflächen Anwendung fände: es eignet sich hervorragend zur punktuellen legato-Unterstützung z.B. bei Bach und Mozart.
Einziger Wermutstropfen: es ist nicht so zuverlässig wie Verschiebung und Dämpfung (die funktionieren bei jedem Flügel)
Quellen benötigt man bzgl. Ravel eigentlich nicht: die Notentexte genügen da völlig.
historisches: das Patent für das sostenuto Pedal erhielt Steinway NY November 1875 - der Steinway Flügel, den Steinway Wagner zur Verfügung stellte, war 1876 gebaut und gen Bayreuth transportiert worden (das ist der so geheißene "Parsifal Flügel" (so nannte man ihn nach Wagners Tod bei den Restwagners) bzw. der Flügel, in dessen Deckel ei Loblied zur Uraufführung des Rings in Goldschrift prangt - übrigens ein ganz fantastisches Instrument!) Liszt schätzte diesen Flügel sehr und hatte oft auf ihm gespielt, allerdings lag da - ab 1876 - schon fast das gesamte Klavierwerk von Liszt vor; vermutlich hat er das sostenuto Pedal nicht verwendet; Wagner selber war kein Pianist, er hatte sich nur am wunderbar voluminösen Klang des Flügels erfreut (etliche Lisztschüler spielten für Wagner an diesem Instrument)
kleine Anmerkung: ja (!!), restlos alles in Liszts 3. Consolation und fantastique-Transkription ist ohne mittleres Pedal spielbar, und das ohne Einbußen - diese Sachen sind in einer Zeit entstanden, als es dieses zusätzliche Pedal noch gar nicht gab.