Komponisten im Schatten der Komponisten

also rezeptionsgeschichtlich hatten Alkan und Medtner dieselbe Zeit, dass ihr Oeuvre sich entfalten und wirken kann, wie ihre jeweiligen Zeitgenossen Chopin & Liszt (bzgl. Alkan) oder Skrjabin & Rachmaninov (bzgl. Medtner).

Fips sprach hier bestimmt nicht von der Rezeptionsgeschichte, sondern vom einzelnen Hörer. Der braucht einfach länger, um Zugang zu Medtner zu finden, als zu Rachmaninov. Ich denke, wenn jemand nicht schon sehr medtnergewohnt ist, dann gibt es nur ziemlich wenige Stücke von ihm, bei denen es möglich ist, sie einmal zu hören und zu sagen "Wow, das ist schön!". So wird er beispielsweise bei einem Konzertpublikum erst mal viel weniger Eindruck hinterlassen als ein emotional mitreißender Rachmaninov.
Und ja, Skrjabin ist auch nicht gleich so mitreißend, aber der hat Medtner gegenüber sozusagen den Vorteil des anderen (und moderneren) Stils.

Ob dieselbe Erklärung für Alkan auch funktioniert, weiß ich nicht. Ich habe mich mit dem noch nicht wirklich beschäftigt, nur ab und zu einzelne Sachen halt mal gehört...

PS: Das Medtner unraffiniert sei, sehe ich nun übrigens gar nicht ein...
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Oft kann man es hören, da stimme ich Rolf zu. Aber man sollte sich nicht zu sehr darauf verlassen oder die unmittelbare Wirkung zum alleinigen Maßstab machen. Denn meiner Erfahrung nach braucht es manchmal Zeit, um sich auf eine Musik einzulassen, bevor sie ihre Qualitäten enthüllt. Und solche Musik ist dadurch automatisch weniger "öffentlichkeitswirksam", weil sie Mühe macht und man sich quasi sorgsam um sie kümmern muss.

hallo,

also rezeptionsgeschichtlich hatten Alkan und Medtner dieselbe Zeit, dass ihr Oeuvre sich entfalten und wirken kann, wie ihre jeweiligen Zeitgenossen Chopin & Liszt (bzgl. Alkan) oder Skrjabin & Rachmaninov (bzgl. Medtner).

Ich hatte das eher nicht rezeptionsgeschichtlich gemeint, sondern ganz unmittelbar auf die persönliche Auseinandersetzung mit einem Stück im Hier und Jetzt bezogen. Aber das eine hat mit dem anderen vielleicht auch etwas zu tun...

Bei Rachmaninov und Medtner ist meine persönliche Erfahrung, dass Rachmaninovs Musik viel unmittelbarer emotional wirkt und ich bei Medtner eine gewisse Zeit des Sich-einlassens gebraucht habe, bis ich die ganzen feinen Strukturen seiner oft komplexen musikalischen Geflechte erfassen konnte. In bezug auf die Qualität der Musik sind beide für mich auf einer Höhe, jeder auf seine Art. Aber der Zugang zu Medtner ist schwieriger.

(Ein Gedanke, den ich gestern noch hatte, war, dass die Komplexität von Medtners Musik sich sehr stark in der Rhythmik zeigt. Seine Rhythmen sind oft komplizierter und verschachtelter als bei Rachmaninov. Dies trägt sicher dazu bei, dass man Rachmaninovs Musik zunächst leichter erfassen kann.)

Grüße von
Fips
 
Ich hatte das eher nicht rezeptionsgeschichtlich gemeint, sondern ganz unmittelbar auf die persönliche Auseinandersetzung mit einem Stück im Hier und Jetzt bezogen. Aber das eine hat mit dem anderen vielleicht auch etwas zu tun...

Bei Rachmaninov und Medtner ist meine persönliche Erfahrung, dass Rachmaninovs Musik viel unmittelbarer emotional wirkt und ich bei Medtner eine gewisse Zeit des Sich-einlassens gebraucht habe, bis ich die ganzen feinen Strukturen seiner oft komplexen musikalischen Geflechte erfassen konnte. In bezug auf die Qualität der Musik sind beide für mich auf einer Höhe, jeder auf seine Art. Aber der Zugang zu Medtner ist schwieriger.

(Ein Gedanke, den ich gestern noch hatte, war, dass die Komplexität von Medtners Musik sich sehr stark in der Rhythmik zeigt. Seine Rhythmen sind oft komplizierter und verschachtelter als bei Rachmaninov. Dies trägt sicher dazu bei, dass man Rachmaninovs Musik zunächst leichter erfassen kann.)

Grüße von
Fips




aabbbeerr gerade das ist doch der punkt. es ist doch nicht das kompliziertere das bessere. natürlich qualität ist subjektiv. aber, so ist es doch die kunst des komponierens die komplexen emotionalen verwirrung sich selbst´ dem zuhörer zugänglich zu machen. ich möcht weiß gott nciht sagen es sei sogar dessen aufgabe, aber eben das macht einen guten komponisten aus. in der literatur bleiben viele kluge gedanken verborgen oder der majorität unzugänglich, weil ein satz mit 10 schachteln alla cicero einfach abschreckt. und wie steif und egozentrisch ist es, sich schriftsteller zu titeln und dann einen text zu verfassen , den keiner lesen möchte? warum wird mozart unteranderem so gefeiert? weil seine musik unglaublich luftig und leicht ist. gut es gibt auch komplexes , aber bei mozart begibt es sich doch meist eher "lebendig" der notentext ist klein und der klang soo groß. DAS ist die Kunst. und desswegen ist rachmaninov auch populärer als medtner.

musik soll etwas vermitteln, etwas "sagen" , aber wer möchte schon ein stück erst analysieren müssen um es zu mögen? wer hört sich denn den katigorischen imperativ bei einer lesung an?


lg yannick
 
und wie steif und egozentrisch ist es, sich schriftsteller zu titeln und dann einen text zu verfassen , den keiner lesen möchte?

Also bei der Schriftstellerei ist das ja nochmal was anderes als bei der Musik. Da würde ich ganz deutlich die Position vertreten, dass man Sachen schreiben darf, die keiner lesen will!

Mir gefällt die Idee, dass leichte Zugänglichkeit ein Wert ist, aber sowieso nicht. Sie vernachlässigt nämlich etwas: Der Genuss, den gewisse Leute von einem Werk haben, wenn es sich ihnen dann doch erschlossen hat, wäre ohne die schwere Erschließbarkeit nicht möglich gewesen, weil dann eben das Stück ein anderes wäre. Es ist zum Beispiel einfach nicht möglich, Gefallen an komplizierter Melodienführung zu finden, wenn keine komplizierte Melodienführung da ist. Wenn sie aber da ist, dann wird's halt schwerer zugänglich. Haben die Leute, die an sowas dann Gefallen finden, einen schlechteren Geschmack als jene, die eine einfacher verständliche, lange, sangliche Melodie vorziehen? Ich finde das also schon sehr problematisch!
 
aabbbeerr gerade das ist doch der punkt. es ist doch nicht das kompliziertere das bessere. natürlich qualität ist subjektiv. aber, so ist es doch die kunst des komponierens die komplexen emotionalen verwirrung sich selbst´ dem zuhörer zugänglich zu machen. ich möcht weiß gott nciht sagen es sei sogar dessen aufgabe, aber eben das macht einen guten komponisten aus. in der literatur bleiben viele kluge gedanken verborgen oder der majorität unzugänglich, weil ein satz mit 10 schachteln alla cicero einfach abschreckt. und wie steif und egozentrisch ist es, sich schriftsteller zu titeln und dann einen text zu verfassen , den keiner lesen möchte?

Ich würde dir zustimmen, dass das Komplizierte nicht automatisch das bessere ist. Es gibt auch Komplexes, das nicht mehr ist als ein Gewurschtel. Anderseits gibt es "Einfaches", das eine unerklärliche Wirkung hat (siehe Mozart).

Aber ansonsten hat Kleines Cis es schon gut formuliert. Ich denke, man kann das nicht 1:1 mit geschriebener Kunst vergleichen. Und zwar deshalb, weil in der Musik die Form viel weniger leicht vom Inhalt getrennt werden kann als in der Sprache. In der Schriftstellerei ist die Form das Mittel, um den Inhalt zu transportieren. Die Form der Sprache spielt eine große Rolle dabei, wie ihr Inhalt (also die klugen Gedanken) transportiert wird. Aber in der Musik ist die Form ein Teil des Inhalts, der Inhalt ergibt sich mit durch die besondere Art der "Formulierung".

Grüße von
Fips
 
um es nochmal überspitz zu formulieren, ich halte es für pure egofütterung zu behaupten man fände den genuss der entwurschtelung einer komplizierten tonsatzführung für besonders. und dann zu sagen, man hört eben lieber "einfache" bzw nicht sinnfrei verkomplizierte rhytmik etc. nur, weil man die wahre musik, die nur hinter bergen von notentext liegen kann, nicht verstände...
 
Ich weiß nicht recht, was ich dazu sagen soll. Was ist das genau für eine Behauptung? Meinst du, jemand, der sagt, dass ihm etwas kompliziertes gefällt, irrt sich? Das ist eine ziemlich fragwürdige Behauptung; ich würde nämlich meinen, ich bin in einer ungleich viel besseren Position als du, zu beurteilen, was mir gefällt.
Bislang schien mir nur, dass aus deiner Ansicht folgt, dass er einen schlechten Geschmack hat, weil Kompliziertheit, sofern sie die Gemeinverständlichkeit hindert, sinnfrei ist und daher die Qualität des Werks senkt. Was Fips und ich bestritten...

Und das, was du in deinem letzten Satz suggerierst, behauptet wohl niemand... :rolleyes:

Ich bin mir nicht sicher, ob diese Seitendiskussion in dem Thread angebracht ist. Sie ist natürlich relevant, um Rolfs These zu untermauern (obwohl ich ziemlich sicher bin, dass Rolf andere Qualitätskriterien im Sinn hatte... Sonst würde er Skrjabin vermutlich nicht als Positivbeispiel hervorherben.)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
ok dann zurück zum thema :rolleyes:

jeder komponist ,der unbekannt ist, hat es wohl verdient, bis auf ein paar unglückliche außnahmen ;):rolleyes:
 
Eigentlich wollte ich damit suggerieren, dass man die Diskussion über die Qualität von Musik vielleicht auslagern sollte. Sie ist natürlich relevant für das Thema hier, wenn jemand die These aufstellt, dass die vergessenen "zurecht", aufgrund ihrer Qualität, vergessen worden sind, weil das mit einer Auffassung von Qualität untermauert werden muss. Aber wenn wir das hier weiterführen, könnte es möglicherweise andere Leute davon abhalten, weitere Meinungen zum ursprünglichen Thema zu posten. Ich bin aber nicht sicher, wie wir das handhaben sollen.
 
Ich glaube, dass wir alle ein gewisses "Verständnis" für die Musiksprache haben; genauso wie wir alle ein gewisses Verständnis für Geschriebenes haben.
Das, was am ehesten unserem Verständnis entspricht, lässt sich am leichtesten konsumieren. Man versteht die meisten Zusammenhänge, begreift die emotionale Tiefe etc.
Je weiter sich die Musik von unserem Verständnis entfernt, desto weniger kriegen wir von alledem mit. Vieles geht an uns vorbei, ohne dass wir es "verstanden" haben.

Bezogen auf diese Fragestellung heißt das, dass die Komponisten, die weniger geschätzt werden, vlt einfach weiter von unseren Hörerfahrungen weg sind und wir deshalb eine gewisse Einarbeitungszeit benötigen. Den durchschlagenden Publikumserfolg wird dann freilich der Komponist einheimsen, dessen Werke am besten verstanden werden.


Abseits von dieser Erklärung muss man aber noch bedenken, dass es qualitative Unterschiede geben kann (wo dann auch 100x hören nix bringt :D ) und außerdem unser Geschmack ebenfalls eine Rolle spielt. Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, sobald jemand eine Musik nicht mag, versteht er sie nicht.

lg marcus

warum kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Beitrag völlig überflüssig ist
 
Licht und Schatten

Hallo,

was heißt das "im Schatten stehen"?

Was wir hier mit "im Schatten stehen" meinen, ist der Vorzug oder der Nachteil durch das Publikum.
Da fällt mir das Zitat ein, das sogar auf uns Forianer (oder Foraner?) zutrifft: :D

Francois Sansons: Die Leute wollen im Konzert die Melodien wieder hören, die sie sowieso schon kennen. Das gibt ihnen das Gefühl, was von Musik zu verstehen. Wir sind doch alle so, wir wollen das hören, was wir kennen.

(Nach einem Fernsehbeitrag über F.S. aufgeschrieben).

Liebe Grüße

Walter
 

sehr berühmte Komponisten im Schatten anderer

hallo,

um das Thema mal ein wenig zu lockern: viele berühmte Komponisten standen bzgl. spezieller Gattungen im Schatten anderer Komponisten!

Sinfoniker:
Wagner (Sinfonie, Faust-Ouvertüre) und Bizet (Sinfonie C-Dur) befinden sich bzgl. dieser Gattung eindeutig im tiefsten Kernschatten solcher Komponisten wie Brahms, Tschaikowski, Bruckner :D

Sonaten (für Klavier)
Wagner (Jugendsonaten, Albumsonate) und Tschaikowski (grande Sonate G-Dur) befinden sich hier im tiefsten Schatten von Brahms, Liszt, Chopin

Opern (sehr interessant, da die "im Schatten" befindliche zweite Reihe dennoch Meisterwerke verfasst hat):
Tschaikowski, Gounod, Massenet, Bizet, Delibes befinden sich im Schatten von Wagner und Verdi - weder Pique Dame, noch Lakme, weder Manon noch Carmen und auch Margarethe halten des permanente Niveau einer der großen Wagner- Oder Verdiopern durch. Gilt auch für Saint-Saens Samson et Dalilah.

Unter solchen Relationen ist es eigentlich gar nicht mehr so schlimm, wenn Medtner zusammen mit Reger, Korngold, Hindemith und anderen bzgl. der Klaviermusik verglichen mit Debussy, Ravel, Rachmaninov und Skrjabin eher in der zweiten Reihe angesiedelt ist. Einderseits sind, wie oben gezeigt, "zweite Reihen" durchaus fähig, Meisterwerke zu bringen, andererseits kann man sich ja überlegen, dass gleichsam "hierarchisch" eine dritte, vierte usw. Reihe im Schatten der zweiten Reihe ist ;)

Gruß, Rolf
 
Es gibt eine wundervolle-CD Serie der Firma Hyperion. Es handelt sich hierbei um romantische Klavierkonzerte von weniger bekannten Komponisten. Man kann hier echte Schätze entdecken und wundert sich warum die so unbekannt geblieben sind.
So bin ich auch auf eine tolle Aufnahme der Komponisten Jadassohn und Draeseke gestoßen. Die beiden waren Zeit ihres Lebens durchaus bekannt auch wenn sie in Wagners und Brahms' Schatten standen. Aber Jadassohn war jüdischer Herkunft und sein musikalisches Erbe wurde vor 45 gezielt unterdrückt (Der deutlich ältere Mendelssohn war zu dieser Zeit schon zu bekannt um ganz in Vergessenheit zu geraten). Draeseke widerum war als "Vorzeigedeutscher" sehr geeignet für die Nazipropaganda. Genau das aber wurde ihm nach dem Krieg zum Verhängnis.
Kurz: vieles hing auch an der Herkunft und politischen Orientierung des Komponisten.
Die Theorie von Guendola teile ich grundsätzlich auch: Es kann immer nur einen Superstar geben - ich nenne das mal "musikalischen Monotheiesmus".
Die Bekanntheit ändert sich scheinbar aber auch. So war der Komponist Ferdinand Ries zu Lebzeiten genauso bekannt und gerfragt wie Beethoven und Schubert. Aber er hatte nachhaltig nicht den Einfluss, vielleicht weil man mit seiner Musik keine echte Neuerung verbindet.
Deshalb denke ich, dass der "Promistatus" eines Komponisten vor allem mit seinem Erfindungsgeist einhergeht. Sie waren alle Künstler, die etwas zum ersten mal gemacht haben und so zu Orientierungspunkten wurden.
 
(...) in der Musik ist die Form ein Teil des Inhalts, der Inhalt ergibt sich mit durch die besondere Art der "Formulierung".

...interessanter Punkt!

Ich denke, dass in einem guten Stück immer eine gut ausgewogene Korrespondenz zwischen "Was" und "Wie" stattfindet - egal in welcher Epoche. Form als bloßes "Wie" kann schnell zu plakativ sein, Form als bloßes "Was" ist schnell zuviel Konstruktion ohne Inhalt.

liebe Grüße,
Partita
 
Form als bloßes "Was" ist schnell zuviel Konstruktion ohne Inhalt.

... und bevor jetzt jemand Neue Musik als Beispiel für zuviel Konstruktion ohne Inhalt ansieht, schaue er sich erstmal ein Stück wie Boulez' "Rituel" wirklich ernsthaft an... Es gibt natürlich gute und schlechte Neue Musik wie es immer gute und schlechte Musik gegeben hat. Wer nur konstruiert, dem mangelt es womöglich an künstlerischer Inspiration. Wer sich nur von Inspiration versucht zu speisen, ohne eine solide Kenntnis der Instrumentation oder von alten und altbewährten Satztechniken, der läuft ebenfalls Gefahr, gute Ideen zu verschenken. Selbst wenn man etwas Neues schaffen will, geht dies m. E. nicht ohne Interaktion oder Bezugnahme mit/auf Tradition.

Da ich aber jetzt off topic bin, höre ich jetzt auf damit... ;)

Gute Nacht!
 

Zurück
Top Bottom