Eine Frage, die sich mir in dem Zusammenhang stellt, ist, warum es in der europäisch geprägten Kunstmusik im 20. Jahrhundert eher unüblich wurde, die eigenen Kompositionen als Komponist selbst solistisch aufzuführen. Es geht dabei ja um die Trennung von Komposition und Interpretation. Was spricht für die Personalunion, was dagegen? Spielt vielleicht das, was in der Literaturwissenschaft als „Tod des Autors“ * bezeichnet wird, eine Rolle?
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https://de.m.wikipedia.org/wiki/Tod_des_Autors
Mir ist nicht klar, wie Du diese 2 Aspekte in Einklang zu bringen gedenkst. Meinst Du, dass der in Mode gekommene, vom Lebens der Autors losgelöste interpretative Ansatz es für Komponisten unattraktiv gemacht hat, eigene Werke zu interpretieren, weil sie vom eigenen Hintergrund keinen Abstand nehmen können?
In CPEBachs Versuch gibt es laut meiner Erinnerung eine kurze Abhandlung über die Gründe, warum Werke oft am besten durch Fremde vorgetragen werden. Seine Argumente sind etwas direkter, in etwa: der Komponist kennt sein Stück zu gut, um dessen Banalitäten schön und eindrucksvoll zur Schau zu stellen, und außerdem ist er vielleicht im Allgemein kein guter Spieler.
(Hier scheint mir nicht unwichtig, den Begriff der Interpretation im Sinne der Literatur und in der Musikaufführungspraxis klar genug zu unterscheiden. Ein Musikinterpret deutet weniger als er vorführt. Wenn es darum ginge, wie Komponisten selbst über ihre Werke schreiben, wäre der Vergleich einfacher.)
Der Tod des Autors spielt sicherlich eine Rolle bei der Vertonung von Gedichten, wenn z.B. ein Komponist Gedichte im inneren Ohr mit der Stimme des ihm persönlich bekannten Dichters liest, oder sich gerade dazu zwingen muss, dies nicht zu tun.