Klavierauszüge

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DoctorGradus

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Hallo!

Dieser Faden würde vielleicht auch in das "Arrangement & Komposition"-Unterforum passen, aber ich glauber auch hier ist er ganz gut aufgehoben.

Angeregt wurde ich durch folgenden Beitrag aus Kaisers Klassik Kunde:

http://www.youtube.com/watch?v=fuGpkPeJ21M

Da fragt ein Leser/Zuschauer grob gesagt, ob es nicht frevel sei einen Klavierauszug/Transkription von Ensemblemusik zu machen.

Kaiser verneint dies recht eindrücklich mit den Worten: "Und wenn Sie ein Werk selber spielen, mit echtem Gefühl und falschem Fingersatz, dann sind Sie der Sache so viel näher, dann lernen Sie (sie) so viel besser kennen, als wenn Sie hundertmal in einer perfekten Karajan-Interpretation hören."

Ein wunderbar formulierter Satz. Daher meine Frage an euch: Wie steht ihr zu Klavierauszügen?

Spielt ihr welche? Wenn ja zum Studium einer Orchesterpartitur? Oder um ein Stück am Klavier nachzuempfinden?


Ich habe das lediglich einmal gemacht, und zwar mit Griegs "Ases Tod". Ich meine Herr Kaiser hat schon recht. Man kann die Bewegungen in einem Stück schon besser nachvollziehen.
 
Spielt ihr welche? Wenn ja zum Studium einer Orchesterpartitur? Oder um ein Stück am Klavier nachzuempfinden?

Ich spiele gerne aus Klavierauszügen, vornehmlich aus Opern (Verdi, Wagner, Puccini), einige spiele ich aus auswendig (Tristan, Walküre, Aida).

Gerade hier gibt es sehr gute Klavierauszüge:
z.B. Wagners eigener Tannhäuser Klavierauszug
Tristan von Hans von Bülow
Walküre von Karl Klindworth

Dann gibt es noch die fanastische "Klavierpartitur" der Berliozschen Sinfonie fantastique, die Liszt gemacht hatte.

Wie auch immer man zur "Reduktion" auf den Klavierklang stehen mag: mit Klavierauszügen kann man die Harmonik und Struktur eines Orchesterwerks recht überschaubar praktisch prüfen - das Lesen aus der Orchesterpartitur ist da deutlich aufwändiger.

Außerdem sind Klavierauszüge auch für Konzerte nötig, z.B. werden auch Opernarien nur von Gesang und Klavier gebracht.

Gruß, Rolf
 
Klavierauszüge?
Zwei Kriterien müssen sie erfüllen:
den Tonsatz im 1:1-Maßstab wiedergeben - und gut gesetzt sein.

Dann bieten sie die wunderbare Gelegenheit, Opern-, Oratorien,
Orchestermusik auf die Schnelle spielen oder auch einfach lesen zu können -
hat mir schon manche lange Bahnfahrt versüßt.

Und jetzt verabschiede ich mich für heute -
ich gehe noch einmal in die "Lulu" (siehe Umfrage "Mögt ihr Oper?") -
die ich auch als Klavierauszug zuerst kennen- und liebengelernt habe.
 
Bis 5:30' hat mir der Herr Kaiser voll aus der Seele gesprochen. Es hilft sicher, sich die Musik wirklich -- mit verschiedenen Stimmengewichtungen, auch bewusst im ganz langsamen Tempo -- aktiv zu vergegenwaertigen, statt nur mitzulesen und der Konserve zuzuhoeren, oder "im Kopf" zu hoeren. Dafuer sind Klavierauszuege Gold wert (und natuerlich schon ganz praktisch beim Einstudieren von Konzerten aller Art fuer den Pianisten, der das Orchester uebernimmt).

Ab 5:30' sehe ich das anders: auch fuer reine "Klavierauszuege" (also sehr notengetreue Uebersetzungen) ist Platz im Konzertsaal - natuerlich nicht statt, sondern neben den "Originalen". Das ist nicht nur meine Meinung, sondern gleichzeitig auch Feststellung, denn viele Stuecke, gerade auch die Beethoven-Liszt-Sinfonien werden immer beliebter (auch "unser" Walter hat sich ja letztes Jahr einer gewidmet, und ich habe auch eine auf meiner viel zu langen to-do Liste).

Fuer mich hat es etwas ganz Besonderes, wenn Werke, besonders wenn sie so bekenntnishaft sind wie z.B. Beethoven-Sinfonien, direkt und unvermittelt durch eine Person transportiert werden, statt von einem groesseren Kollektiv. Ich finde die Werke klingen auch fantastisch auf dem Klavier (von Katsaris kursiert z.B. eine absolut elektrisierende Live-Aufnahme der Eroica, einer meiner Lieblingsaufnahmen ueberhaupt)

J. Kaiser hat ja auch selbst darauf hingewiesen, dass nicht wenige Bearbeitungen von den Komponisten selbst stammen. Aus eigener Erfahrung faellt mir der zweite Satz aus Brahms' 1. Streichsextett ein, den er fuer Clara Schumann zum Geburtstag angefertigt hat, und der in dieser Fassung (laut Reclams Kammermusikfuehrer) eines seiner liebsten Vortragsstuecke wurde.

Die wohl prominenteste Parteinahme fuer die Beethoven-Liszt-Sinfonien kommt von Vladimir Horowitz (Quelle; auch zitiert in Hinson's Guide to Transcriptions):
When pressed as to whether, looking back on his life, he has any regrets, Mr. Horowitz admits to two. One is that he never played in public Franz Liszt's piano arrangements of the Beethoven symphonies. ''These are the greatest works for the piano, tremendous works. But they are 'sound' works,'' he explains, meaning works that draw on the piano's vast coloristic possibilities. ''For me, the piano is the orchestra. I don't like the sound of piano as a piano. I like to imitate the orchestra - the oboe, the clarinet, the violin, and, of course, the singing voice. Every note of those symphonies is in these Liszt works.'' And as for Mr. Horowitz's ability to mimic the orchestra on the piano - ''This is something I have.'' ''I played them all the time for myself. But I thought people would not understand this music. We are such snobs. Today, people think to be profound musicians you have to play four or five sonatas in one evening.''
 
Ich stimme pianovirus in allen Punkten voll zu.

Ich sehe geradezu eine Notwendigkeit, wichtige symphonische Werke auch auf dem Klavier zu bringen. Natürlich hat Howowitz recht, in dem er meint, das Klavier sei ihm am liebsten, wenn er es als Orchester auffasst.
Trotzdem bleibt ja der Unterschied im Klang.

Der Streichersatz oder gar der gemischte Orchestersatz macht es oft schwer, details zu erkennen. Da das Klavier trotz aller Bemühungen um einen sanglichen Charakter nie ganz seinen perkussiven Klang verlassen wird, ist es uns leichter, die einzelnen Stimmen zu verfolgen, wenn sie als Klavierklang dargestellt werden.

Es profitieren also nicht nur die Spieler selbst, die sich die Werke in neuer qualität erschliessen, sondern auch die Zuhörer, die ein solches Werk am Klavier wesentlich transparenter erleben können.

Das Ideal hiesse also: Entweder als Spieler den Klaviersatz - allein oder zu zweit - spielen und dann später das Orchesteroriginal mit neuem Bewusstsein geniessen oder aber, als Zuhörer auch erst den Klaviersatz hören und später das Original. In beiden fällen wird das Hören des Originals danach intensiver sein.

Übrigens hat Brahms alle seine Symphonien für Klavier 4 händig gesetzt- und dabei sich sehr genau an die Orchesterpartitur gehalten. Und er hat diese Werke auch am Klavier mit Freunden und vor allem mit seinem Klavierfreund Ignaz Brüll aufgeführt.

Ich selbst habe vor kurzem mit einem Schüler die 5. Symphonie von Beethoven in einer Fassung für 4 hände bei einem Konzert in einer Musikschule aufgeführt. Hinterher haben mir mehrere Besucher gesagt, dass sie das stark motiviert habe, wieder die Symphony anzuhören.

auch die Kunst der Fuge ist ja das Paradebeispiel für Transscriptions Möglichkeiten. Den besten Weg, sich dieses Tonmonument anzueigenen sehe ich im Studium des Klaviersatzes und wenn ich das verstanden habe, sollte ich es als Streichquartett anhören.

Auch von Beethovens Streichquartetten gibt es hervorragende Klavierauszüge. Wer sich der Mühe unterzieht, diese zu studieren wird aus dem anhören der Streichquartette einen umso höheren Gewinn ziehen.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich habe leider vergeblich im Internet geforscht.

Weiß jemand, ob es von Einojuhani Rautavaaras drittem Klavierkonzert einen Klavierauszug gibt?
 
Ups, $ 110,00 ist heftig.

Das war gestern wirklich nicht mein Tag, denn sonst hätte ich nicht nach dem 3. Klavierkonzert gesucht, sondern nach "Gift of Dreams" mit den entsprechenden Suchbegriffen in Englisch. So zeigt Google einige Treffer und u.a. in Finnland habe ich einen Versand gefunden (mit deutlich erträglicherem Preis für die Noten).

Danke für den Link und Denkanstoß.

Keine Sorge - daran würde ich mich nicht versuchen (außer vielleicht ein wenig Herumstolpern über die bb im Adagio assai).
;-)
 

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