ich lese gerne und oft in der Bibel.
Guten Abend, lieber Neronick,
so ganz arg weit, wie Deine auf diesen Satz folgenden apodiktischen Formulierungen suggerieren, scheinst Du in die Materie noch noch nicht eingedrungen zu sein, was Dir natürlich, da Du nicht im Verdacht stehst, Priesteramtsanwärter zu sein, niemand vorwerfen wird. Also, zu ein paar Punkten meine - ebenfalls laienhaften - Anmerkungen:
was die sogenannte "christliche Religionen" vermittelt, kann ich in Bibelworten nirgends entdecken
Du scheinst dem populären Irrtum zu erliegen, Bibel mit Katechismus gleichzusetzen, das ist die Bibel aber klärlich nicht. Es handelt sich um eine Sammlung unterschiedlicher Schriften (im AT sogar sehr heterogener und spät, nämlich 100 n.Chr., kanonisierter), nicht um eine systematische Lehrschrift. Zudem beträgt die Distanz zwischen Jesu' Lehrtätigkeit und dem NT rund 2 Generationen, weil man überhaupt erst mit der schriftlichen Niederlegung der "christlichen" (anfangs eher: reformjüdischen) Anschauungen begonnen hat, als die Parusie-Erwartung der Urgemeinde sich nicht erfüllte. Aus diesem Grunde weist das NT notwendigerweise viele Lücken und die Evangelien etliche Diskrepanzen auf, sodaß Fragen, die auftauchen, durch theologische Reflexion gelöst werden müssen oder wenigstens der Versuch dazu unternommen werden muß. Hierher gehört
Dreieinigkeit? Was ist das?
Gute Frage, und schade daß Du uns nicht deine Ansicht dazu verrätst (na vielleicht auch gut, denn sonst würden möglicherweise viele Theologen um Lohn und Brot kommen). Klar ist jedenfalls, daß im NT die Rede ist von Gott, seinem Sohn und seinem Geist, ohne daß aber ihre gegenseitigen Relationen definiert würden. Um die Antwort zu finden, jenseits politisch motivierter konziliarer Festlegungen in der Spätantike, bedarf es eben solcher kritischer Geister, wie Du einer bist.
Welches Buch und welche Stellen zitiert JESUS, wenn er sagt "Es steht geschrieben...", "damit das Schriftwort sich erfüllt...", usw.
Das tut nicht Jesus, sondern der jeweilige Evangelist; und der zitiert nicht (immer) wörtlich, sondern referiert auf eine AT-Stelle. Der Querverweis sollte eigentlich in jeder ordentlichen NT-Ausgabe unter dem betreffenden Bibelvers abgekürzt zu finden sein. Natürlich auch in jedem NT-Kommentar, und wenn's der alte Schlatter ist, denn Du sicher in der nächsten ev. Gemeindebibliothek finden kannst.
Jesu Blut trinken? Bitte?? Sind wir Kannibalen?
Auch hierzu könnte Dir bekannt sein, daß die Interpretation der sog. "Einsetzungsworte" theologisch durchaus umstritten ist. Die Orthodoxie samt Römern und Lutheranern (die in dogmatischer Hinsicht oft nur reformiert angestrichene Katholiken sind) nimmt sie wörtlich, die reformierten Kirchen betrachten sie als Metapher und somit das Abendmahl als Gedächtnismahl. Du kannst mir als Sprachwissenschaftler glauben: auf sprachlicher Basis ist eine Entscheidung zwischen beiden Auffassungen nicht möglich. Aber Du kannst mir auch glauben, wenn Du es nicht selber nachlesen magst, daß auch in der orthodoxen Koiné von Kannibalismus keine Rede ist; aber das würde jetzt ein bisserl arg weit führen. Wenn Dich allerdings Dein Weg schon in die nächste Gemeindebibliothek führt, leih Dir dort Conzelmanns Einführung ins NT aus, die natürlich keine fertige Antwort liefert, aber Dein Denken zu dem Fragenkreis schärfen wird.
die gesamte "Verdammung" von sexuellen Fragen, das Zölibat
Der (wenn Du erlaubst) Zölibat ist keine christliche Angelegenheit, sondern eine römisch-katholische Sonderentwicklung. Und auch den ersten Punkt mag es, wenn auch keineswegs so kraß wie Du es darstellst, in der römischen Kirche geben, deren Klerus tatsächlich oft durch eine unselige Unterleibsfixierung auffällt; in den Kirchen der Reformation gibt es ihn nicht.
Wenn ich mich in einen Kircheninnenraum verirre, so fühle ich mich (als amtlich bescheinigter Atheist) wie in einer Sekte mit Ritualen, die ich nicht verstehe, deren Ablauf mir fremd ist.
Alles andere wäre ja auch erstaunlich; wenn ich mit den Medienwissenschaftlern von nebenan rede, glaube ich auch auf einem anderen Planeten zu sein (und tatsächlich, wenn ich mirs recht überlege, ich habe recht damit). Aber -- warum gehst du denn freiwillig an solche Grußelorte? Warum meidest Du sie nicht einfach? Treibt Dich etwa irgendetwas dahin? Nun, wenn das so wäre, wärest Du ja gar kein Atheist, sondern bestenfalls ein Häretiker, der seine Wurzeln fühlt, ohne daß sie ihm bewußt sind. Richtige Atheisten, weißt du, scheren sich nicht um anderer Leute Götter; die sind ihnen einfach sauwurscht.
Kryptoorthodoxe Grüße,
Friedrich