Erfahrungsaustausch Spätberufene

Mir macht es zufällig Spaß, weil ich aus irgendwelchen Gründen gut "vom Blatt" spielen kann (die weniger lustige Gegenseite dieser Medaille: ich tue mich brutal schwer mit dem Auswendiglernen:cry2:).
Vielleicht gibt es da einen Zusammenhang - zwischen "Schwertun mit Auswendiglernen" und "gut Prima Vista spielen"?

Ich konnte als Kind meine Stücke immer relativ bald auswendig (ich hab meine Stücke nie aktiv auswendiggelernt). Ab da mussten die Noten eigentlich nicht mehr gelesen werden - es fehlte also die Übung. Entsprechend schlecht lese ich Noten, und Prima Vista kann ich eigentlich gar nicht.

Wer sich ein Stück ewig nicht einprägt und demnach mehr an den Noten klebt, der (sorry, die) entwickelt vielleicht zwangsläufig Fähigkeiten im schnellen Erfassen von Noten, von Motiven und Harmonien. Mir fällt seit meinem Wiedereinstieg das Merken auch schwerer, und auch nach langer Zeit benutze ich noch die Noten. Ich habe das Gefühl, dass ich zumindest im Entziffern des Notentextes deutlich besser geworden bin. Prima Vista geht aber immer noch nicht.
 
Das geht mir genauso, doch wie ist es zu erklären?

Wer sich ein Stück ewig nicht einprägt und demnach mehr an den Noten klebt, der (sorry, die) entwickelt vielleicht zwangsläufig Fähigkeiten im schnellen Erfassen von Noten, von Motiven und Harmonien.

Womöglich gibt es "bei unsereins" ein grundsätzliches Manko bei der musikalischen Erfassung eines Stücks?
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Ich befürchte es jedenfalls.

In der Zeit, die ich brauche, um 10 Stücke durchaus akzeptabel "vom Blatt runter spielen" lerne, habe ich kein einziges auswendig gelernt. Bitter. Ich würde gern etwas dagegen tun.
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In der Zeit, die ich brauche, um 10 Stücke durchaus akzeptabel "vom Blatt runter spielen" lerne, habe ich kein einziges auswendig gelernt. Bitter. Ich würde gern etwas dagegen tun.
Ich auch, ich glaube, ich bin Noten abhängig:girl:Ich muss mir aktiv vornehmen, ein Sück auswendig zu lernen und es ganz fest wollen, dann geht es nach gefühlt ewiger Zeit. Was bleibt ist immer die Sorge, etwas zu vergessen, was mir Energie nimmt, das Stück zu musizieren, mit Sicherheit durch Noten geht es leichter Durch diese Sicherheit spiele ich mit Noten eigentlich immer besser als ohne, was die Motivation des mühsamen auswengig Lernens nochmals herabsetzt, mir fehlt der zündende Funke, dieses wirklich zu wollen und einzusehen warum. Können möchte ich es schon:konfus:
 
Ich habe die erfahrung gemacht das ich ein stück auswendiglerne wenn ich beim erarbeiten auf die tasten schauen muss. (Weil ich einfach gucken muss welche tasten ich zu spielen habe)

Ansonsten fällt es mir auch schwer stücke bei denen ich das nicht muss wirklich auswendig zu spielen.
 
die Motivation des mühsamen auswengig Lernens nochmals herabsetzt, mir fehlt der zündende Funke, dieses wirklich zu wollen und einzusehen warum

Die ehrliche Motivation ist bei mir vorhanden. Wüsste ich eine Strategie, würde ich sie mir erarbeiten.

dass es bis dahin nicht automatisch auswendig ist

Das ist auch der Ansatz meines Bruders: Ein Stück nicht auswendig zu können bedeutet, es nicht richtig geübt zu haben. Ich befürchte aber ein musikalisches Defizit bei mir persönlich, und das alarmiert mich.

Evtl. lernst Du zu schnell, um es in dieser Zeit auswendig zu lernen.

Das gehört zur Problematik dazu. Daher ist es mir unmöglich, "leichte" Stücke auswendig zu lernen. Es liegt nicht an der harmonischen Analyse, sondern ganz billig an der Reihenfolge z. B. der Noten der Begleitung (wenn diese z. B. aus gebrochenen Akkorden besteht, weiß ich genau, was kommen könnte/müsste, aber wann der gebrochene Akkord in welcher Umkehrung kommt - schwierig, schwierig:konfus:).

Logo kann ich das Stück irgendwann auswendig, wäre ja schlimm wenn nicht. Dafür muss es nur "schwer" genug sein, so dass man gezwungenermaßen lange daran übt.

Nur, das ist ja keine Lösung und auch kein Trost. Ich muss meine KL mal fragen, welche Strategien sie mir vorschlägt, um besser auswendig lernen zu können...
 
'Automatisch Lernen' trainiert aber meist nur das Fingergedächtnis, und das kann einen leider von jetzt auf gleich im Stich lassen...im Kopf sollte man das Stück haben, leichter gesagt als getan.

Für viele (mich auch) ist das Auswendiglernen leider harte, anstrengende Arbeit, die man ja nur ungern mit seinem Hobby assoziieren möchte.
 
Ich habe die erfahrung gemacht das ich ein stück auswendiglerne wenn ich beim erarbeiten auf die tasten schauen muss. (Weil ich einfach gucken muss welche tasten ich zu spielen habe)
Da sieht man, wie unterschiedlich verschiedene Menschen lernen. Es gibt Menschen, die rein nach Gehör lernen können, manche lernen optisch nach Tastenbild, manche können sich das Notenbild einprägen. Mir selber nützt das Tastenbild fast nichts (außer bei größeren Sprüngen), beim Auswedigspielen schaue ich am liebsten gar nicht auf die Finger.
 
'Automatisch Lernen' trainiert aber meist nur das Fingergedächtnis, und das kann einen leider von jetzt auf gleich im Stich lassen...im Kopf sollte man das Stück haben, leichter gesagt als getan.

Ok, das Problem kenne ich, aber ist wirklich ein Problem? Peinlich wäre es wenn ich Konzerte geben würde, mach ich aber nicht. Also wenn es passiert, werden die Noten aufgeschlagen und alles ist gut.
 
Ok, das Problem kenne ich, aber ist wirklich ein Problem? Peinlich wäre es wenn ich Konzerte geben würde, mach ich aber nicht. Also wenn es passiert, werden die Noten aufgeschlagen und alles ist gut.

Klar das nicht, aber es ärgert mich halt wenn ich ein Stück 'kann' und dann doch wieder Fehler mache. Ist wie wenn einem eine Telefonnummer nicht einfällt, kein Drama aber lästig.

Schöner ist es wenn das Stück wirklich bombenfest im Langzeitgedächtnis sitzt, und das ist ja machbar, aber anstrengend (für mich).
 

Ich bin zwar nicht direkt ein Späteinsteiger da ich mit 9 Jahren angefangen habe und auch regelmäßig gespielt habe.
Ich habe aber zwischen meinem 33. und 48. Lebensjahr so gut wie keine Taste mehr angefasst und dann wieder angefangen.
Heute stelle ich folgendes fest:
  • Die Stücke die ich früher bereits auswendig konnte, kann ich heute immer noch auswendig (ggf. nach kurzer Auffrischung mit Noten)
  • Ich musste früher nie etwas bewusst auswendig lernen - es kam mit dem Üben ganz von allein.
  • Heute tue ich mich brutal schwer, selbst einfache Sachen sicher auswendig auf die Reihe zu kriegen.
Keine Ahnung warum das so ist. Und aktuell auch keine Ahnung was ich dagegen unternehmen kann.

Viele Grüße
 
Wichtig ist, dass man den zu erreichenden Fortschritt klar definiert und auch messen kann, ob man es erreicht.

Beispiel:
Ziel: Blind spielen, also wirklich im Dunkeln.
Stück definieren, das man auswendig kann. Vielleicht als Übergang eine Überschutzbrille, die man unten abklebt. Dann wirklich im Dunkeln.

Nur wenn man das kann, ist eine optische Loslösung von den Tasten möglich. Dann hat man den Blick frei für die Noten.
 
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Ziel: Blind spielen, also wirklich im Dunkeln.
Stück definieren, das man auswendig kann. Vielleicht als Übergang eine Überschutzbrille, die man unten abklebt. Dann wirklich im Dunkeln.

Nur wenn man das kann, ist eine optische Loslösung von den Tasten möglich. Dann hat man den Blick frei für die Noten.

Was soll der Quatsch? Die Anfangsposition der Hände findest du nicht blind. Und manche große Sprünge auch nicht.
Chopin 27,1 ist für mich blind nicht vorstellbar. Und wenn die Hände mal laufen und keine großen Sprünge drohen, kann ich den Blick vollständig auf den Noten lassen.

Grüße
Manfred
 
Stevie Wonder erblindete unmittelbar nach seiner Geburt, musste also blind Klavier spielen.

Es gibt bereits einen Thread zu dem Thema: https://www.clavio.de/threads/blind-klavier-spielen.18692/

Mir geht es auch nicht darum, als Sehender völlig blind spielen zu können. Es ist aber eine didaktische Hilfe, sich von dem zumeist überflüssigen Blick auf die Tasten zu lösen und haptische Hilfen anzustreben, auch bei kleinen Sprüngen. Bei großen Sprüngen hilft der orientierende Blick natürlich gewaltig.
 
Die Anfangsposition der Hände findest du nicht blind. Und manche große Sprünge auch nicht.
Doch, die Anfangsposition kann man mühelos ertasten. Und Sprünge blind zu üben, bringt enorme Sicherheit - auch, wenn man das nachher im Konzert nicht so macht. Die eklige Sprungstelle im Mephisto-Walzer habe ich tagelang nur mit geschlossenen Augen geübt; mir hat's auf jeden Fall geholfen.
 
Also ich übe auch regelmäßig mit Augen zu. Gerade wenn ich merke, dass ich bei einigen Stellen anfange nur auf die Finger zu schauen mache ich die Stellen blind um sie zu sichern. Wie ich es am Ende beim Vorspielen mache ist dabei relativ wurscht, ich werde aber sicherer in dem was ich mache.
Für mich war auswendig nie ein Problem, bis ich angefangen habe Stücke im schnellen Zyklus zu wechseln (es gab einfach mehr Gottesdienste zu spielen). Heute wäre ich ohne Noten oft auch etwas aufgeschmissen, weil die Vorbereitungszeit fürs Auswendiglernen nicht reicht. Dafür kann ich aber Stücke schneller vom Blatt erarbeiten, weil ich sehr selten nur noch auf die Tasten schauen muss. Auch Sprünge in günstigen Intervallen bis zu Oktaven klappen recht locker blind.
Beim Fuß an der Orgel war das von anfang leichter, dort konnte ich nicht auch noch hinschauen, daher hab ich den schon immer blind gespielt. Das hatte den großen Vorteil, dass wenn der Fuß daneben lag es mich nicht gestört hat und ich weiterspielen konnte. Lagen die Hände nicht wie im Tastengedächtnis war ich raus.
In der Übergangszeit habe ich die Hände quasi halbblind auswendig gespielt und nur die Fußnoten betrachtet. Nun erkenne ich die Harmonie und kann sie auf Hand und Fuß übertragen.
Nächstes Ziel: das denken nicht in Harmonien sondern in Funktionsstufen. Dann kann ich leichter und spontan transponieren!
 
Stevie Wonder erblindete unmittelbar nach seiner Geburt, musste also blind Klavier spielen.

Lennie Tristano, Art Tatum, George Shearing, Marcus Roberts, Eddie Thompson, Tete Montoliu, Noboyuki Tsujii, Ray Charles etc. konnten/können alle Klavier spielen und das in vielen Fällen der genannten Pianisten äußerst virtuos. Das sollte Beweis genug sein, dass man fürs Klavierspiel nicht sehen können muss.
 
@Barratt: klar gibt es Strategien. Nicht bei Jedem wird jede Strategie helfen, aber eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, dass man gleich zu Beginn beim ersten Kontakt mit dem neuen Stück damit anfängt.
In dem Moment des Bekanntmachens, wenn Du es angehst, das Stück zu analysieren etc. gleich phrasenweise in geeigneten Klein-oder Kleinsteinheiten üben und sofort merken, sooft wiederholen, bis das Mikroteilchen im Kopf ist. Keine Angst, es ist schnell wieder vergessen :dizzy:, deshalb immer nur kurze Neulerneinheiten, viele Pausen, immer wieder die neuen Dinge wiederholen. Und das alles ohne den Anspruch, sich alles sofort zu merken. Das erzeugt nur Stress. Die Erfolge kommen mit viel Übung (wer hätte das gedacht) und meist über Nacht.
 

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