Pianosa
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Ich muss ein bisschen ausholen mit meiner etwas verrückten Geschichte. Am 3. Oktober war ich unterwegs und habe aus reinem Interesse bei einem kleinen Händler bei mir in der Nähe reingeschaut, der nur gebrauchte Instrumente verkauft. Er hatte gerade einen alten Blüthner 170 aus den Zwanzigern, einen Feurich 190 aus den Siebzigern und einen Förster 170 aus den Sechzigern plus eine Handvoll Klaviere da. Der Chef war gar nicht da (Feiertag), sondern nur ein Mitarbeiter, der einen gerade reingekommenen Bechstein L von 1930 reinigte. Ich habe also fleißig Instrumente angespielt und dann noch einen kurzen Blick auf den Bechstein geworfen. Optisch Original Schellack mit Gebrauchsspuren, aber nichts Schlimmes, technisch auf den ersten Blick keine offensichtlichen Mängel, aber nicht anspielbereit. Ich habe trotzdem ein paar Tasten gedrückt und ja, nicht anspielbereit war nicht untertrieben. Sehr verstimmt und abgesackt, sehr dereguliert und beim Tiefbass kam beim Anschlag nur ein dezentes Plopp von den Saiten, so wenig Spannung hatten die. Als ich ging, dachte ich, schöne Flügel hat er da und auch der Bechstein könnte sicher was Spannendes werden. Aber ich habe zuhause definitiv keinen Platz für einen Flügel bzw. keine Erlaubnis, den Platz irgendwie zu schaffen.
Ein oder zwei Tage später habe ich dann mit dem Chef telefoniert, der meine Eindrücke wissen wollte. Ich habe ihn dann gefragt, was er mit dem Bechstein vorhat. Er sagte, dass er es noch nicht wüsste. Es seien einige Händler interessiert, das Instrument sei im kompletten Originalzustand, habe eine Langer-Mechanik und keine technischen Mängel außer einem feinen Riss im Resonanzboden im Diskant, der unkritisch sei. Ich sagte ihm, dass ich es schade fände, wenn das Instrument von einem Händler aufgekauft wird, der es dann nach Polen für eine Rundum-Frischzellenkur schafft, bei der von dem ursprünglichen Instrumentencharakter nicht mehr viel übrig bleibt. Er stimmte mir zu, aber als ich ihm sagte, dass der Flügel im aktuellen Zustand musikalisch nicht beurteilt werden kann, meinte er, dass er mindestens den Flügel mehrmals hochstimmen lassen müsste und dass er das nicht investieren wollte, weil die Saiten uralt sind.
Ungefähr eine Woche später rief er mich an und sagte mir, dass er es sich überlegt hat und den Bechstein doch im aktuellen Zustand stimmen lässt. Das hat mich sehr gefreut und ich wollte bei nächster Gelegenheit vorbeischauen, um den Flügel zu spielen. Ich sagte ihm aber auch direkt, dass ich keine Möglichkeit habe einen Flügel zu stellen und nur aus Liebe für die Instrumente komme. Am 22.10. war es dann soweit und ich habe den Bechstein angespielt. Immer noch dereguliert mit sehr ungleichmäßigem Spielgefühl, immer noch merklich verstimmt nach einmaligem Hochziehen, aber immerhin annähernd die richtige Tonhöhe und spielbar. Der Klang war warm und farbenreich, aber nicht sonderlich klar und in der tiefsten Oktave zwar weich und rund, aber doch ziemlich kraftlos. Aber was soll ich sagen, klanglich hat er mich direkt angesprochen und ich fand, dass da deutliches Potential vorhanden ist. Auch abseits vom ungleichmäßigen Spielgefühl und 1-2 leicht hängenden Hämmern merkte ich, dass die Mechanik leichtgängig, aber gut kontrollierbar spielbar ist. Dann hatte ich ein Gespräch mit dem Chef, dass ich den Bechstein ein super Instrument finde, aber für mindestens die nächsten fünf Jahre keine Möglichkeit sehe ihn unterzubringen und ich lieber nicht näher über einen Kauf nachdenken sollte. Er hat mir dann vorgeschlagen, dass ich den Flügel auch über Jahre bei ihm im Geschäft stehen lassen könnte. Das sei kein Problem und würde seinen Laden aufwerten. Dann hatte ich noch Bedenken mit dem Preis, weil es pure Liebhaberei bei mir wäre und ich den Flügel nur ab und zu spielen würde, wenn ich zu meinen Eltern zwei Orte weiter fahren würde. 7.000 € wäre wirklich das Maximum, was ich ausgeben würde. Der Chef ist zwar selbst Klavierbauer, aber er macht den Klavierverkauf nur als Nebenerwerb und hat einen Klavierbaumeister, der für ihn die Arbeiten an den Instrumenten macht. Er meinte, er habe schon mit dem Meister gesprochen und für 6.000-6.500 € Kaufpreis sollten wir mit dem vorhandenen Material wieder ein ordentliches Instruments hinbekommen. Dann hat er mir ein paar Tage Bedenkzeit versprochen und auch zugesagt, dass ich mit dem Klavierbaumeister sprechen kann.
Ja, ich hatte Feuer gefangen, aber war auch skeptisch, weil ich kein Fachmann bin und gerade so Sachen wie Stimmhaltung bei einem so alten Instrument nicht beurteilen kann. Also habe ich mit dem Klavierbaumeister telefoniert. Er hat mir den Originalzustand des Instruments nach seiner Einschätzung bestätigt (ausgenommen Verschleißteile), dass der Riss im Resonanzboden gutartig sei und genauso ein sichtbarer größerer Wasserfleck auf dem altersbedingt nicht mehr ganz intaktem Resonanzbodenlack nur ein rein optischer Makel. Bei der Stimmbarkeit, Stimmhaltung und nicht abschätzbaren Risiken solle ich mir keine Sorgen machen. Das Instrument sei technisch in super Zustand, also Gussplatte, Stege, Stimmstock, Mechanik. Die alten Hammerköpfe hätten noch viel Material, um sie gut abziehen zu können. Regulieren, stimmen und intonieren seien notwendig, neue Saiten seien es nicht unbedingt. Danach war ich überzeugt und habe mich für etwas verrückt gehalten (und meine Frau für noch etwas mehr), dass ich mir einen Flügel kaufe, der dann dauerhaft gute 50 km von mir entfernt steht.
Am 7.11. haben wir uns dann alle vor Ort beim Flügel getroffen und nach nochmaligem Stimmen habe ich mit dem Klavierbaumeister meine Vorstellungen vom Klang und Spielgefühl besprochen und dass ich erst einmal das bestehende Material beibehalten möchte und allenfalls die Röllchen ausgetauscht werden. Die Röllchen waren aber schon einmal getauscht worden und sahen noch ganz ok aus, die Dämpferfilze waren auch nicht original und taten angemessen, was sie sollen. Mit ein bisschen seitlichem Tastenspiel konnte ich leben. Also nur die Grundarbeiten Hammerköpfe abziehen, regulieren, stimmen und intonieren.
Und dann hieß es warten - bis gestern. Und der Bechstein, ich nenne ihn ab jetzt liebevoll die alte Dame, ist besser geworden, als ich erwartet habe. Klar gäbe es vor allem klanglich noch genug Verbesserungspotential. In der tiefsten Oktave klingt er rund und angenehm, aber er könnte kraftvoller sein. Aber für mich sind die zwei Oktaven rechts der Mitte (ein- und zweigestrichen) klanglich traumhaft geworden. Warm, farbig, aber auch klar, strahlend und mit langanhaltendem Klang. Vom Spielgefühl spielt er sich in allen Lagen bis auf den tiefen Bass leicht und fast wie von selbst, aber trotzdem gut kontrollierbar. Die alte Dame ist nicht die lauteste, aber hat einen erstaunlichen Dynamikumfang. Gute zwei Stunden habe ich gespielt und die klanglichen Möglichkeiten erkundet. Ich habe meinen verrückten Kauf wirklich nicht bereut . Immerhin ist es im versprochenen Preisrahmen geblieben .
So, nach dieser langen Erzählung gibt es noch ein paar Bilder. Den Reso-Riss kann man auf dem letzten Bild zwischen Langsteg und Saitenaufhängung sehen. Und wenn jemand den Flügel gerne spielen möchte, von mir aus jederzeit gerne (nur nicht kaufen ). Er steht für die nächsten Jahre beim Händler in Kirchardt Berwangen in der Nähe von Heilbronn, bis die alte Dame hoffentlich bei mir einziehen wird.
Ein oder zwei Tage später habe ich dann mit dem Chef telefoniert, der meine Eindrücke wissen wollte. Ich habe ihn dann gefragt, was er mit dem Bechstein vorhat. Er sagte, dass er es noch nicht wüsste. Es seien einige Händler interessiert, das Instrument sei im kompletten Originalzustand, habe eine Langer-Mechanik und keine technischen Mängel außer einem feinen Riss im Resonanzboden im Diskant, der unkritisch sei. Ich sagte ihm, dass ich es schade fände, wenn das Instrument von einem Händler aufgekauft wird, der es dann nach Polen für eine Rundum-Frischzellenkur schafft, bei der von dem ursprünglichen Instrumentencharakter nicht mehr viel übrig bleibt. Er stimmte mir zu, aber als ich ihm sagte, dass der Flügel im aktuellen Zustand musikalisch nicht beurteilt werden kann, meinte er, dass er mindestens den Flügel mehrmals hochstimmen lassen müsste und dass er das nicht investieren wollte, weil die Saiten uralt sind.
Ungefähr eine Woche später rief er mich an und sagte mir, dass er es sich überlegt hat und den Bechstein doch im aktuellen Zustand stimmen lässt. Das hat mich sehr gefreut und ich wollte bei nächster Gelegenheit vorbeischauen, um den Flügel zu spielen. Ich sagte ihm aber auch direkt, dass ich keine Möglichkeit habe einen Flügel zu stellen und nur aus Liebe für die Instrumente komme. Am 22.10. war es dann soweit und ich habe den Bechstein angespielt. Immer noch dereguliert mit sehr ungleichmäßigem Spielgefühl, immer noch merklich verstimmt nach einmaligem Hochziehen, aber immerhin annähernd die richtige Tonhöhe und spielbar. Der Klang war warm und farbenreich, aber nicht sonderlich klar und in der tiefsten Oktave zwar weich und rund, aber doch ziemlich kraftlos. Aber was soll ich sagen, klanglich hat er mich direkt angesprochen und ich fand, dass da deutliches Potential vorhanden ist. Auch abseits vom ungleichmäßigen Spielgefühl und 1-2 leicht hängenden Hämmern merkte ich, dass die Mechanik leichtgängig, aber gut kontrollierbar spielbar ist. Dann hatte ich ein Gespräch mit dem Chef, dass ich den Bechstein ein super Instrument finde, aber für mindestens die nächsten fünf Jahre keine Möglichkeit sehe ihn unterzubringen und ich lieber nicht näher über einen Kauf nachdenken sollte. Er hat mir dann vorgeschlagen, dass ich den Flügel auch über Jahre bei ihm im Geschäft stehen lassen könnte. Das sei kein Problem und würde seinen Laden aufwerten. Dann hatte ich noch Bedenken mit dem Preis, weil es pure Liebhaberei bei mir wäre und ich den Flügel nur ab und zu spielen würde, wenn ich zu meinen Eltern zwei Orte weiter fahren würde. 7.000 € wäre wirklich das Maximum, was ich ausgeben würde. Der Chef ist zwar selbst Klavierbauer, aber er macht den Klavierverkauf nur als Nebenerwerb und hat einen Klavierbaumeister, der für ihn die Arbeiten an den Instrumenten macht. Er meinte, er habe schon mit dem Meister gesprochen und für 6.000-6.500 € Kaufpreis sollten wir mit dem vorhandenen Material wieder ein ordentliches Instruments hinbekommen. Dann hat er mir ein paar Tage Bedenkzeit versprochen und auch zugesagt, dass ich mit dem Klavierbaumeister sprechen kann.
Ja, ich hatte Feuer gefangen, aber war auch skeptisch, weil ich kein Fachmann bin und gerade so Sachen wie Stimmhaltung bei einem so alten Instrument nicht beurteilen kann. Also habe ich mit dem Klavierbaumeister telefoniert. Er hat mir den Originalzustand des Instruments nach seiner Einschätzung bestätigt (ausgenommen Verschleißteile), dass der Riss im Resonanzboden gutartig sei und genauso ein sichtbarer größerer Wasserfleck auf dem altersbedingt nicht mehr ganz intaktem Resonanzbodenlack nur ein rein optischer Makel. Bei der Stimmbarkeit, Stimmhaltung und nicht abschätzbaren Risiken solle ich mir keine Sorgen machen. Das Instrument sei technisch in super Zustand, also Gussplatte, Stege, Stimmstock, Mechanik. Die alten Hammerköpfe hätten noch viel Material, um sie gut abziehen zu können. Regulieren, stimmen und intonieren seien notwendig, neue Saiten seien es nicht unbedingt. Danach war ich überzeugt und habe mich für etwas verrückt gehalten (und meine Frau für noch etwas mehr), dass ich mir einen Flügel kaufe, der dann dauerhaft gute 50 km von mir entfernt steht.
Am 7.11. haben wir uns dann alle vor Ort beim Flügel getroffen und nach nochmaligem Stimmen habe ich mit dem Klavierbaumeister meine Vorstellungen vom Klang und Spielgefühl besprochen und dass ich erst einmal das bestehende Material beibehalten möchte und allenfalls die Röllchen ausgetauscht werden. Die Röllchen waren aber schon einmal getauscht worden und sahen noch ganz ok aus, die Dämpferfilze waren auch nicht original und taten angemessen, was sie sollen. Mit ein bisschen seitlichem Tastenspiel konnte ich leben. Also nur die Grundarbeiten Hammerköpfe abziehen, regulieren, stimmen und intonieren.
Und dann hieß es warten - bis gestern. Und der Bechstein, ich nenne ihn ab jetzt liebevoll die alte Dame, ist besser geworden, als ich erwartet habe. Klar gäbe es vor allem klanglich noch genug Verbesserungspotential. In der tiefsten Oktave klingt er rund und angenehm, aber er könnte kraftvoller sein. Aber für mich sind die zwei Oktaven rechts der Mitte (ein- und zweigestrichen) klanglich traumhaft geworden. Warm, farbig, aber auch klar, strahlend und mit langanhaltendem Klang. Vom Spielgefühl spielt er sich in allen Lagen bis auf den tiefen Bass leicht und fast wie von selbst, aber trotzdem gut kontrollierbar. Die alte Dame ist nicht die lauteste, aber hat einen erstaunlichen Dynamikumfang. Gute zwei Stunden habe ich gespielt und die klanglichen Möglichkeiten erkundet. Ich habe meinen verrückten Kauf wirklich nicht bereut . Immerhin ist es im versprochenen Preisrahmen geblieben .
So, nach dieser langen Erzählung gibt es noch ein paar Bilder. Den Reso-Riss kann man auf dem letzten Bild zwischen Langsteg und Saitenaufhängung sehen. Und wenn jemand den Flügel gerne spielen möchte, von mir aus jederzeit gerne (nur nicht kaufen ). Er steht für die nächsten Jahre beim Händler in Kirchardt Berwangen in der Nähe von Heilbronn, bis die alte Dame hoffentlich bei mir einziehen wird.
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