Steinway, sehr alte Instrumente, eine Wiki-Artikelergänzung, ein Entwurf

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Wiedereinaussteiger

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Bin mir nicht sicher, ob das hierher gehöre - ... ggfs. sorry.

Als Ergänzung unter den Tabellen hier beabsichtigt.

=== Historische Steinway-Klaviere ===

Die Frühgeschichte von Steinway als Familie, die Produkte und die Fertigungsbetriebe sind Gegenstand intensiver Forschung - und auch von Mythen, die teils aus Eigeninteresse von der Familie entweder lanciert oder aber nicht richtiggestellt wurden.

Wichtig ist, dass es außer den zwei hier tabellarisch gelisteten Familien von Klavieren (Hochklaviere oder Pianinos, und Flügel) eine dritte Gruppe gab, die [[Tafelklavier]]e, mit denen Steinway 1853 in New York die Fertigung von Klavieren begann. Erst 1856, drei Jahre später, baute man die ersten New Yorker Flügel, Nr. 791 und 792.

Das letzte Tafelklavier fertigte Steinway 1889.

Der Beginn des Baus von Hochklavieren ist auf 1863 datierbar, geschah aber zunächst mit wenig Überzeugung. Vater Steinway und die anderen Brüder favorisierten den Flügel - und für den amerikanischen Hausgebrauch immer noch das in Europa bereits totgesagte Tafelklavier („square“). Erst die Ankunft Theodors in New York 1865 gab dem Bau von Hochklavieren einen Schub.

In weiten Teilen der Klavierszene herrscht eine diffuse Einschätzung, dass die Entwicklung der Steinway-Flügel einzigartig gewesen und Beschreiten von Neuland sei. Tatsache ist hingegen, dass die frühen Flügel von Steinway, ausgelegt von Vater Heinrich (Henry) und vom technisch begabtesten Sohn Henry jr., einem eindeutig identifizierten Vorbild folgten: den Flügeln von Erard in Paris. Diese Entwicklungslinie ist in einem Museum in Loma Linda bei Los Angeles anhand von Erard-Flügeln nachvollziehbar; Bill Shull, Klavierbau-Historiker, weist dies in seinen Museumsexponaten nach.

Das Erard-System der Längsabstützung des Rahmens eignete sich aufgrund seiner Modularität hervorragend zur Entwicklung des gusseisernen Rahmens.

Die Bassüberkreuzung hat Henry Junior auch nicht „erfunden“, obschon er 1859 das berühmte Patent dafür erhielt. Er bekam das Patent für die erstmalige, konsequente Anwendung der bereits seit [[Alpheus Babcock]] bekannten Überkeuzung nun auch bei Flügeln, Ergebnis einer jahrelangen Entwicklungsarbeit, die über den bei Tafelklavieren bereits bekannten Stand der Gusstechnik hinauswies. Eine Entwicklung, die erst gelang, als größere Gusseisenmengen in verbesserter Qualität zu einem einteiligen Flügelrahmen vergossen werden konnten. Immerhin wiegen frühe Steinway-Rahmen bis zu 300 Kilogramm; diese Masse ist gussfertigungstechnisch für die Mitte des 19. Jahrhunderts keineswegs trivial.

Die frühen Flügel von Steinway zeigten bis exakt ins Baujahr 1875 noch eine Klaviaturwange, die – genauso wie die Grotrian-Steinweg-Flügel jener Jahre in Braunschweig – mit einer Schablone geprüft wurden, die bei Flügeln aus Fertigungen in Paris, in Braunschweig und in New York gleichermaßen passte. Sie zeigt ein charakteristisches „V“ wie die Erard-Flügel, eine Einkerbung vom Pianisten weg zum Bassende über dem ebenso charakteristischen „Buckel“ im Radius über der Klaviatur am Klappenscharnier.

Gleichermaßen klar ist allerdings auch, dass sich – nicht nur mit der Bassüberkreuzung von 1859 – die Steinway-Flügel rasant von ihrem Pariser Vorbild wegentwickelten und an Klangstärke bereits Mitte der 1860er Jahre das europäische System des Flügelbaus (Geradsaiter, Stahlstützstreben, Anhangplatten) hinter sich ließen. Dieses „V“ kann als Ehrerbietung der Steinways gegenüber dem ungenannten Vorbild Erard gewertet werden.

Leicht unklar ist auch die Seriennummerierung der Steinway-Klaviere ab 1853 als angeblich fortlaufende Nummern der Steinweg-Instrumente aus Seesen am Harz. Die Steinways wurden dabei beobachtet, dass sie ein Klavier mit früherer Seriennummer als die bekannte Nr. 483 aus eindeutiger New Yorker Fertigung zerstörten, vermutlich um den Mythos um die Seriennummern nicht korrigieren zu müssen. Das nunmehr in Seesen im Museum ausgestellte „erste“ New Yorker Steinway-Tafelklavier mit dieser Seriennummer ist mit Bestimmtheit nicht das absolut allererste New Yorker Produkt, allenfalls eines der ersten. Die Aufzeichnungen der Auslieferungsbücher, die anfangs William Steinway führte, zu jener Zeit noch ein Jugendlicher, sind an diesem Punkt inkonsistent und vielfach korrigiert. Susan Goldenberg wies in ihrem kritischen Buch zu Steinway darauf hin.

Auch zu den Flügeln sind Mythen und Sagen im Umlauf: es wird oft gesagt, es gebe keine Flügel von Steinway, die gerade besaitet seien, also ohne Bassüberkreuzung. Dies ist falsch; die ersten Flügel von 1856 bis zum Patent von Henry junior waren drei Jahre lang sämtlich Geradsaiter, wenn auch nicht sehr viele Instrumente in dieser Auslegung gebaut wurden. Im [[Smithsonian Institute]] in Washington steht die Nr. 1199, ein Konzertflügel von 1858, der "straight strung", also gerade besaitet ist. Bis 1863, vier Jahre nach dem Patent zur Überkreuzung, wurden noch einzelne gerade besaitete Flügel ausgeliefert. Erst bei Flügeln mit Seriennummer ab dem Baujahr 1864 ist sicher, dass sie bassüberkreuzt gebaut sind.

Eine weitere Sage ist die bis heute vorgegebene Buchstaben-Reihentreue. Steinway identifiziert ältere Flügel bein Anfragen nach der Echtheit bestimmter alter Instrumente verwirrenderweise gern mit denselben Buchtaben, die erst seit 1878 für die jeweiligen Längen vergeben wurden: A bis D. Flügel ähnlicher Größenklasse, jedoch sehr unterschiedlicher Konstruktion aus der Feder von Vater Henry und Sohn Henry jr. werden hierbei oftmals als „frühe A, B, C oder D“ benannt, obwohl diese Instrumente von anderer, aufwendigerer Konstruktion sind.

Insbesondere bei den angeblichen „C-Flügeln“ im Größenbereich der heutig gebauten 227 cm langen Flügel ist diese Angabe verwirrend. So sind gerade für diese Flügel, die in den Katalogen von Steinway meist „Style II“ oder „Parlor Grand“, sehr viele Detailveränderungen zu benennen. Die Flügel reichen von einer Länge 220 über 223 bis 225 cm Länge – und sind dennoch keine echten C, da ihnen drei Tasten fehlen und auch die Anzahl der Töne pro Saitenfelder andere sind.

Diese „Parlor Grands“ stellen – noch vor den älteren Konzertflügeln „style III“ und „style IV“ - die Meisterwerke von Henry jr. dar.

Gemeinsames Charakteristikum ist hier, dass alle „zu alten“, falsch als C-Flügel benanten Instrumente zwar eine Konzertflügelauslegung mit fünf Saitenfeldern haben, aber nur 85 Tasten. Der echte erste C-Flügel entstand erst 1886 als letztes Modell der Baureihen A bis D, mit 88 Tasten als „Verkleinerung“ des runderneuerten D-Konzertflügels von 1884. Er ist zugleich die letzte Arbeit, die Theodor Steinway in der technischen Nachfolge seines 1865 verstorbenen Bruders Henry jr. ausführte, um alle Klaviere nach „seinen“ Kriterien zu re-designen. Sein Ziel: die Produktionskosten zu senken. Damit mäßige Verkaufspreise zu ermöglichen. Sie mit Beibehalt hoher Produktqualität deutlich preiswerter zu bauen.

Auch einige Tafelklaviere sind in den beiden Aanfangsjahren noch „flat strung“, also ohne die sonst typische Überkreuzung gebaut worden – obschon der allererste in New York gebaute Tafelklaviertyp bereits eine moderne, überkreuzte Saitenanordnung aufwies.

Daher ist bei der Offerte sehr alter Steinway-Instrumente ein differenziertes Knowhow erforderlich, um den Wert (und Aufwände für die eventuelle Instandsetzung) solcher Instrumente einschätzen zu können. Guten Gewissens kann man Kaufinteressenten erst zu ordentlichen Instrumenten ab 1892 raten, die bereits 88 Tasten aufweisen. Teils ist bei Konzertflügeln auch eine Anschaffung von Instrumenten sinnvoll, die ab 1875 gebaut wurden. 1875 ist zugleich ein charakteristisches Datum, da in jenem Jahr nicht nur der erste Konzertflügel seine Vollgussplatte („Cupola“) bekam, sondern seither auch alle Flügel die Pilotenschrauben-Mechanik bekamen.

Ältere Flügel haben die von Theodor Steinweg erfundene Piloten-Mechanik zwar oft auch nachträglich eingebaut erhalten, aber dies ist nicht sichergestellt. Die älteren Abstraktenmechaniken unterschiedlichen Typs sind aufwendig zu regulieren und mangels Ersatzteilen nahezu nicht mehr instandzusetzen.

Macht man sich daran, ein älteres Steinway-Instrument zu erwerben, so sollte man Expertise zu Rat ziehen. Diese ist nicht immer beim Hersteller allein zu finden, der mit seinem technisch-historischen Erbe schon allein deshalb etwas nonchalant umgeht, weil es bis heute kein von der Firma Steinway betriebenes Museum mit Steinway-Instrumenten gibt:

der letzte aus der Familie kommende Chef Henry Ziegler Steinway war, wie sämtliche Vorgänger, der unwiderleglichen Ansicht, dass man Klaviere verkaufen und nicht lediglich zur Schau stellen wolle.

;-)
 
Ganz. ganz hervorragend! Du MUSST mal ein Buch schreiben! Glückwunsch!
 
Wenn ich - elf Jahre später - darauf noch mal zurückkommen darf, hier sind zwei dicke Fehler drin.

1- ist hier unter Clavioten nicht weiterdiskutiert worden. Ist das Geschriebene wirklich so gut ...?...
1a- und muss es dann in die Wikipedia?
1b- oder reicht es insidernd hier in Clavio?

2- Es wurde nicht in die WP eingebaut - mea culpa, oder
2a- ich hatte Angst das zu tun, oder steckte damals gerade wieder entweder

2a1- in wikipedianischen Grabenkämpfen oder

2b- im Arbeitsstreik. Es ist

2c- sicherlich so, dass mir paar solche welche derer Nichtswisser-Regelhuberer auf den Hacken lauern, um mit großer Lust das, was ich evtl. täte, zu befechten gehen. Mit muchas regulärgeros und -eros und -erros expectandos, ...

2d- ...weil auch hier die "Bequellung" (Verweis auf huldvoll zuvor mal Geschreibseltes)
2d1- nicht eingetragen ist, oder
2d2- noch nicht, oder
2d3 - extra nicht, um zu gucken, was ich mir dorten in Feindesland noch erlauben darf als Letzter der dortigen Klaviermohikaner, nachdem so "Barone des Bargeldes" , "Count de Monnaie", und "Karl Kunden" nicht mehr arbeitsam aufscheinen, und

2e- ich irgendwann, vielleicht jetzt, entscheide, dass meine Zeit des Wissen beigetragen Habens auch mal enden solle, eh spätestens, wenn ich bei einer scharf gefahrenen Runde um den Möhnesee mit meiner uralten BMW R 69 von 1955 in eine Leidplanke eventüll gerasselt sein werde. Der Organspenderphall, casus morbus kawasaki.

... doch Ach nee, die nehmen keinen Ü60.

...und wieder mal Shakespeare der alte Schüttelspeer,
Rein oder Nichtrein, das ist hier die Frage.

Machet euch frei von der Lust, dass es EUER Wissen schon sei, bereits huldvoll dargeboten.
Urteilt, ob es der Welt zustehe, über das Claviotenhäuflein hinaus.
 
I don't quite understand. Feeling a bit under the weather?
 
Es ist eine einfache Frage - rein damit oder nicht? Für alle auf der Welt, oder sollen es nur die Clavioten wissen?

Die Umstände drumherum etc., pillepalle, eher unwichtig.
Mir deucht, den hier versammelten reicht schon, gelesen zu haben, und man ist an dem, was in der WP zu stehen käme, dann tendenziell vielleicht eher uninteressiert. OK, auch das wäre eine zulässige Schlussfolgerung. Dann allerdings fragt man eher nicht mehr weiter, sondern macht einfach mal.

Oder macht eben nicht, unabhängig von Clavioten.
 
Ich würde an deiner Stelle diesen Artikel mal zu Steinway schicken, z.B. über Hr. Hartwig Kalb ('HKalb at steinway.de'), was er davon hält. Oder du bekommst einen anderen Ansprechpartner, wenn du in Hamburg-Altona mal bei Steinway anrufst. Die Leute sind dort sehr nett, ich hatte auch schon mal Kontakt gehabt wegen meines historischen S&S-0.

Allerdings würde ich vorher alles, was keine harten Fakten sind, wie Kaufempfehlungen usw. wegstreichen. Also z.B. den Absatz "Daher ist bei der Offerte ..." sowie die letzten beiden Absätze.

Aber insgesamt fände ich es schade, wenn du es nicht in Wikipedia entsprechend ergänzt. Schöne Recherche und Artikel! Am besten noch etwas straffen oder evtl. eher Nebensächlicheres weglassen, wenn es irgendwie geht, damit der Wikipedia-Artikel nicht zu überfrachtet ist.
 
Ja, das Thema "überfrachtet" hatten wir hier schon mal diskutiert. Die Ergüsse von @Wiedereinaussteiger sind einfach manchmal (nein, eigentlich immer) sehr schwer zu lesen und schweifen oft ab. Ansonsten würde ich das auch bei Wikipedia reinstellen. Wäre doch schade drum. Allerdings muss ich sagen, dass mich persönlich die ganze Historie von Steinway nicht so interessiert.
 
TF... allso näh. Theoriefindung, ich doch nicht.

Quellen sind in den Büchern von LIEBERMAN, GOLDENBERG, KEHL, und auch im Buch über die Konzertflügel-Entstehung. CHAFIN, meine ich. Und im 53er Buch vom Boss Theodore Steinway, zur Feier 100 Jahre steht auch was Brauchbares zum Belegen. sowie in zwei, drei Websites, von namhaften Restauratoren zum Einen, und dem History Man Bill Shull aus Loma Linda.

Genau hier liegt, läge nun ... die Arbeit.
Referenzieren.
All das noch einmal zu lesen, UND sich die Seitennummern aufzuschreiben.
Kurzfristig käme ich eh nicht dazu, da ich zZt einen Masterarbeits-Bewerkeler an den Hacken habe.

Ich denke, ich lasse das mittelfristig bleiben.
Seid insoweit bedankt.

Betreffs Hamburg werde ich mal längerfristig überlegen.
 

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