Chopin Etüde Op. 25 / 11 (Sturmetüde, Winterwind)

Joh

Joh

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Hallo liebe Pianisten,

welch ein Wunder - ich habe noch keinen Thread zu diesem Stück gefunden. Da dachte ich mir, ich fange mal damit an.

Mich interessiert, was ihr für Erfahrungen mit diesem Stück gemacht habt und was ihr so für Übemethoden / Schritte verwendet (habt). Auch über die Cortot-Übungen hierzu möchte ich gerne mit euch diskutieren.

Bei mir ist das Stück nach 5 Jahren seit einem Monat wieder in Arbeit und ich merke, wie VIEL Arbeit es wieder ist...
 
Ich habe mir die Etüde mal angesehen. Für mich ist der Zeitaufwand einfach viel zu groß, da nutze ich die Zeit lieber um andere Werke zu erlernen. Wir haben uns ja hier schon einmal privat ausgetauscht ;)
 
Was ist los?
Hat keiner dieses Stück gespielt und möchte darüber berichten?
Ich fange mal mit einer ganz blöden und unwichtigen Frage an: wieso hat Chopin bei dem zweiten e-moll Abgang im Bass nur ein E anstatt einer Oktave geschrieben?
 
Was ist los?
Hat keiner dieses Stück gespielt und möchte darüber berichten?
Ich fange mal mit einer ganz blöden und unwichtigen Frage an: wieso hat Chopin bei dem zweiten e-moll Abgang im Bass nur ein E anstatt einer Oktave geschrieben?
Weil diese zweite e-Moll-Stelle im Gegensatz zur ersten eine Transposition des Anfangs in a-Moll ist, und am Anfang auch nur ein einzelner Ton im Bass ist? (Das war jetzt keine Quizfrage, oder?)
 
Also ich habe die Etüde zur Aufnahmeprüfung 2009 vorbereitet, da war ich 19 und fand sie aus unerfindlichen Gründen nicht so schwer und konnte sie auch ganz passabel spielen:

Vor einem halben Jahr wollte ich sie wiederholen und habe sie erneut geübt und fand sie auf einmal viel schwerer als vorher. Da ich sie als nicht so problematisch erinnert habe, habe ich mir aber auch viel zu wenig Zeit gegeben (zwei oder drei Wochen), außerdem sind in der Zwischenzeit wohl meine Ansprüche gestiegen.

Ich hab die Cortot-Übungen gemacht und als sehr nützlich empfunden, v.a. auch die Fingersätze.
 
...die Etüde passt nicht zur momentanen Witterung, die mehr in Richtung Sindings seichtes Frühlingsrauschen geht... ;-):-D
Mich interessiert, was ihr für Erfahrungen mit diesem Stück gemacht habt und was ihr so für Übemethoden / Schritte verwendet (habt).
Erfahrungen:
- der Klaviersatz ist, wie so oft bei Chopin, weitaus ökonomischer und schlanker, als der erste Höreindruck glauben macht! Hört man eine gute Aufnahme, hat man den Eindruck, dass da ein wuchtig übervirtuoses Stück a la Rachmaninov oder Skrjabin über die Tasten unwettert, spielt man hinein, verschwindet dieser Höreindruck
- trotz des eher schlanken Klaviersatzes wirkt das Stück aber zuverlässig auf die Zuhörer, kurzum ein verlässliches Schlachtross (!) --- aber gerade das hat mich immer gewundert, denn eigentlich passiert in diesem Sturm nicht so viel wie in anderen Chopinetüden: irgendwie gibt es keine Steigerungen, keine Entwicklungen, es stürmt halt vom ersten bis zum letzten Takt (und darin steckt das große gestalterische Problem der Etüde, sie muss spannend gemacht werden)
Übemethoden / Schritte
- bevor man wild drauflos schuftet, empfiehlt es sich, zu überlegen, was da los ist und wie man das in den Griff kriegt. Man erkennt schnell, dass die 16tel Figuren motorisch in Vierergruppen, rhythmisch aber als Sextolen organisiert sind. Also ist es am vernünftigsten, erstmal die Spielfiguren ins Tempo zu bringen und dabei mit der "arbeitslosen" Hand den Takt zu klopfen. (die chromatische Abwärtsfigur ist viel schwieriger als die oktavversetzten Arpeggien, also wird die akribisch geübt; Klindworths Fingersatz ist da recht gut) Die jeweilige "Melodie-Hand" ist für sich genommen einfach und schnell gelernt ---- ich musste erst beide Hände allein im Tempo lernen, danach dann im Tempo zusammen; hat funktioniert (allerdings ist dieses spieltechnische Problem - mit dem musikal. Rhythmus kollidierende Spielfiguren - aus etlichen anderen Chopinstücken bekannt, z.B. Balladen g-Moll und F-Dur, Etüde op.25 Nr.5 der Mittelteil (bei den 16teln !!!) sodass es von Vorteil war, ein paar solche Sachen schon zu können)
- ärgerlicherweise ist diese Etüde zwar, wie alle Chopinetüden, recht kurz, aber trotzdem grausig anstrengend... Das liegt daran, dass es leider recht lange dauert, bis man hier beide Arme beim gleichzeitig spielen völlig frei bzw. "unabhängig" bewegt; daran muss man sich gewöhnen.
- bzgl. der Gestaltung: alle 16tel Figuren zum Diskant hin blitzend, forte, beim runterlaufen stark diminuendo (damit die Mitelllage nie dick und pampig klingt)
- die 16tel Figur in der linken Hand und die beiden gegenläufigen Passagen sind weniger schwierig, als sie sich anhören
- für den glissando-artigen Schlußlauf hab ich immer den Busoni-Fingersatz verwendet

erstaunlich: da liegt ein Stück vor, bei dem es überwiegend nichts bringt, wenn man es sehr langsam mit beiden Händen übt (!)
 
Vor einem halben Jahr wollte ich sie wiederholen und habe sie erneut geübt und fand sie auf einmal viel schwerer als vorher. Da ich sie als nicht so problematisch erinnert habe, habe ich mir aber auch viel zu wenig Zeit gegeben (zwei oder drei Wochen), außerdem sind in der Zwischenzeit wohl meine Ansprüche gestiegen.

Danke!!!
Es geht mir genau so: ich fande sie damals auch nicht so schwer und mittlerweile finde ich sie ziemlich schwer... das mit den Ansprüchen könnte stimmen
 
Ich finde es immer schwierig ein Stück raus zu holen, das man einige Jahre vorher schon einmal erarbeitet hat....
 
Man erkennt schnell, dass die 16tel Figuren motorisch in Vierergruppen, rhythmisch aber als Sextolen organisiert sind. Also ist es am vernünftigsten, erstmal die Spielfiguren ins Tempo zu bringen und dabei mit der "arbeitslosen" Hand den Takt zu klopfen. (die chromatische Abwärtsfigur ist viel schwieriger als die oktavversetzten Arpeggien, also wird die akribisch geübt; Klindworths Fingersatz ist da recht gut)

das ist auch genau die Erfahrung, die ich gemacht habe. Zuerst 4er-Gruppen auf Tempo bringen und versuchen, absolut zu entspannen (Staccato-Fingeranschläge zur Übung helfen dabei enorm), dann 6er und 12er zusammenfassen und links den Rhythmus mitklopfen, evtl. die 16tel mitsprechen.
Die oktavversetzten Arpeggien habe ich genauso geübt - ist ja prinzipiell die gleiche Figur.

Über Klindworths Fingersatz würde ich gerne mehr erfahren - nur zur Info: ich finde sehr gut, was Cortot für die Abgänge schreibt: oben am Anfang 5-3-4 anstatt 5-4-3, es ist einfach viel stabiler.

- bzgl. der Gestaltung: alle 16tel Figuren zum Diskant hin blitzend, forte, beim runterlaufen stark diminuendo (damit die Mitelllage nie dick und pampig klingt)
Einverstanden, das ist das Ziel. Was macht man, wenn man im Konzert vor einem nagelneuen Steinway sitzt, bei dem die 2. und 3. Oktave so dumpf intoniert ist, dass man nichts versteht und das Gefühl hat, man müsste das Instrument mit Gewalt zerschlagen, damit ein brillianter Ton rauskommt?

- für den glissando-artigen Schlußlauf hab ich immer den Busoni-Fingersatz verwendet

erstaunlich: da liegt ein Stück vor, bei dem es überwiegend nichts bringt, wenn man es sehr langsam mit beiden Händen übt (!)

Mein Fingersatz ist so, dass ich in beiden Händen die Daumen gleich habe, d.h. eine 4er-Gruppe von a bis d und eine 3er-Gruppe von e bis gis.

Langsam mit beiden Händen musikalisch üben bringt bei mir komischerweise auch sehr viel, besonders bei den oktavversetzten Arpeggien mit der überaus unangenehmen linken Hand ,welche komplett andere Bewegungen braucht. Wie meinst du das, dass es nichts bringt?
 

Weil diese zweite e-Moll-Stelle im Gegensatz zur ersten eine Transposition des Anfangs in a-Moll ist, und am Anfang auch nur ein einzelner Ton im Bass ist? (Das war jetzt keine Quizfrage, oder?)

Beim ersten e-moll Abgang steht aber eine Oktave, die auch einfach viel besser klingt. Deshalb ist mir das einzelne E nach wie vor ein Rätsel. Man könnte argumentieren, dass es ja dann auch einstimmig im Bass weitergeht, aber die Lage ist dann doch eine etwas tiefere.
 
Über Klindworths Fingersatz würde ich gerne mehr erfahren - nur zur Info: ich finde sehr gut, was Cortot für die Abgänge schreibt: oben am Anfang 5-3-4 anstatt 5-4-3, es ist einfach viel stabiler.
http://conquest.imslp.info/files/imglnks/usimg/9/92/IMSLP00327-Chopin_-_OP25_11.PDF
Was macht man, wenn man im Konzert vor einem nagelneuen Steinway sitzt, bei dem die 2. und 3. Oktave so dumpf intoniert ist, dass man nichts versteht und das Gefühl hat, man müsste das Instrument mit Gewalt zerschlagen, damit ein brillianter Ton rauskommt?
das kommt sooo oft nun auch nicht vor
Mein Fingersatz ist so, dass ich in beiden Händen die Daumen gleich habe, d.h. eine 4er-Gruppe von a bis d und eine 3er-Gruppe von e bis gis.
klar, das ist ja auch ein "richtiger", also ein guter Fingersatz!
Spaßeshalber kannst du aber, wenn du magst, auch alternative Spielweisen für parallele Skalen ausprobieren, genug Material findet sich hier: http://burrito.whatbox.ca:15263/img...PMLP48002-Busoni_KU10_1_pp1-12_Tonleitern.pdf

ich spiele diesen quasi glissando Lauf mit:
1-2-3-4-5-2-3 usw. rechts
5-4-3-2-1-3-2 usw. links
(bevor sich irgendwer über vermeintliche nicht-Spielbarkeit solcher Fingersätze echauffiert, busoni lesen; wissen, dass solche Spielweisen von Liszt herrühren und oft - nicht immer - bequemer als die gewohnten Regelfingersätze sind)

Langsam mit beiden Händen musikalisch üben bringt bei mir komischerweise auch sehr viel, besonders bei den oktavversetzten Arpeggien mit der überaus unangenehmen linken Hand ,welche komplett andere Bewegungen braucht. Wie meinst du das, dass es nichts bringt?
mach ich ansonsten auch, nur in dieser Etüde nicht
 
Oh noch ein Tipp, mir hat es sehr geholfen rhythmisiert zu üben in 4er oder 6er Gruppen.
Viele Üben ja dann einfach punktiert, das bringt nicht besonders viel, aber wenn man beispielsweise im Rhythmus "Punktierte Achtel, 64-tel Triole" o.ä. übt, nützt es schon was.
Das Wichtige (!) dabei ist, dass jeder Ton der so geübten Passage mal der lange, gehaltene ist. Daraus ergeben sich natürlich rhythmische "Unlogiken", aber die helfen genau, das Geübte in jedem Winkel kennenzulernen und auch die Bewegungen, die man dabei ausführt.
Zweitens ist wichtig, den gehaltenen Ton lange zu halten, nämlich so lange, dass er zum Ruhepunkt wird. Dort entspannt man sich, hat eine neue Ausgangsbasis und stellt sich genauestmöglich vor (!) wie die folgende, schnelle Bewegung auszusehen hat.

Das Unterfangen ist zeitaufwendig, aber nützlich.
 
Danke!
Das mit den Rhytmisiserungen mache ich auch so, auch ab und an mit Loslassen der langen Noten.
Insgesamt bereiten mit die oktavierten Arpeggien nach unten die größten Schwierigkeiten (wie auch bei Op. 10 No. 1 oder Op. 25 No. 12). Die Fingersätze mit 4-3 sind für mich auf den weißen Tasten leider zu unbequem - habe zu ungünstige Hände, daher muss ich 5-4 nehmen, was im Tempo extrem schwer sauber und locker zu spielen ist.

Der Busoni-Fingersatz für die Tonleiter geht bei mir leider nicht optimal - 54321 klingt bei mir nicht immer zuverlässig sauber, nur auf sehr leichtgängigen Instrumenten - habe so was immer mal geübt, aber ich tendiere doch zu meiner Variante.
 
Die Übetechnik funktioniert auch für die von dir beschriebenen Stellen! Ansosnten kann ich nur sagen, dass du da wo die rechte Hand als schwer empfindest vor allem auch die linke extrem gut üben solltest! Die braucht nämlich mehr Aufmerksamkeit als man gemeinhin annimmt und ist nicht wirklich einfach, wenn sie überzeugend klingen soll.
 
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aber wenn man beispielsweise im Rhythmus "Punktierte Achtel, 64-tel Triole" o.ä. übt, nützt es schon was.
Das Wichtige (!) dabei ist, dass jeder Ton der so geübten Passage mal der lange, gehaltene ist. Daraus ergeben sich natürlich rhythmische "Unlogiken", aber die helfen genau, das Geübte in jedem Winkel kennenzulernen und auch die Bewegungen, die man dabei ausführt.
((P.P. Werner zum 3. Scherzo))
(((..."Stationenübung"...)))
:-):-):-)
 
ich spiele diesen quasi glissando Lauf mit:
1-2-3-4-5-2-3 usw. rechts
5-4-3-2-1-3-2 usw. links

Sowas ähnliches mache ich in den schnellen Skalen der 18. von Beethovens c-Moll-Variationen. Das funktioniert super und ist dort viel besser als der Standardfingersatz.

Wenn ich diese Etüde mal lerne, werde ich das auf jeden Fall probieren.

LG, Mick
 
Zuletzt bearbeitet:
Beim ersten e-moll Abgang steht aber eine Oktave, die auch einfach viel besser klingt. Deshalb ist mir das einzelne E nach wie vor ein Rätsel. Man könnte argumentieren, dass es ja dann auch einstimmig im Bass weitergeht, aber die Lage ist dann doch eine etwas tiefere.
Ja, aber der erste e-Moll-Abgang ist nur eine Variation des Hauptthemas und keine exakte Transposition. Insofern ist es zumindest nicht völlig zufällig, dass hier ein Oktavton nicht vorhanden ist – anders als bei vielen anderen Stücken Chopins, in denen in einer ansonsten identischen Wiederholung gerne mal hier und dort ein Ton fehlt oder überzählig ist.

Übrigens hat sich der Meister in diesem Stück einen enharmonischen Schnitzer geleistet: in den Takten 41 bis 44 müsste statt den cis jeweils des stehen.
 

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