Hallo, Bachopin!
Deine Liebe zur Sekundärliteratur ist forumsweit bekannt -
vorallem was musikpädagogische Literatur betrifft.
Nun kommt also Werkanalytisches hinzu.
Ich will Dich weder ärgern noch Dir irgendwie in die Parade fahren -
aber darf ich trotzdem dringend von der Lektüre dieses Buches abraten?
Ich suche auch keinen Streit und werde mich in diesem Thread nur dieses eine Mal äußern -
allerdings ablehnend.
Bisher war mir nur im Falle Anton Weberns der kuriose Umstand vertraut,
daß Analysen umfangreicher sein können als das analysierte Musikstück selbst.
Herr Neil Miller schießt den Vogel ab und übertrifft die Webern-Exegeten der 50er und 60er Jahre.
Das mag übrigens alles stimmen, was er analytisch herausarbeitet -
ich hab's kaum überflogen, aber ich halte es für völlig nutzlos, dergleichen zu lesen.
In derselben Zeit, in der man sein Buch durchackert, könnte man die "Elise" spielen
und dabei für sich analysieren - das bringt einem das Stück näher und bedeutet größeren Gewinn,
als die analytischen Befunde des Herrn Miller zu verifizieren.
Zuletzt: Die Datenlage zur "Elise" ist mehr als dürftig. Es gibt kein Autograph,
nur ein paar skizzierte Ideen von Beethovens Hand, aus denen eigentlich gar nichts hervorgeht.
Alles andere - der Name der angeblichen Widmungsträgerin Therese/Elise - ist spekulativ,
der ganze Rest reine, von dem angeblichen Entdecker Ludwig Nohl betriebene Mystifikation.
Das Ganze sieht aus wie eine musikalische Trollerei: Nohl hat um Beethovens Skizzen herum
ein nettes Albumblatt komponiert, für das sich - wie Kernbeisser einmal so schön gesagt hat -
nie jemand interessiert hätte, wenn es nicht Beethoven als Kuckucksei untergeschoben worden wäre.
Gruß, Gomez