... Ich war sehr verwundert darüber, dass die Professorin meinte, dass ich "sehr langsam" spiele :shock:
Was sagt ihr zum Tempo ?
lg marcus
"sehr langsam" ???? - das zeigt mir ganz deutlich, dass die Professorin eine von diesen schnellspielenden Virtuosen ist. So habe ich es vor ca. 40 Jahren bei meiner Ausbildung auch gelernt: Wer J.S.Bach am schnellsten spielen kann, spielt ihn am besten...
Ich würde sogar sagen, dass Dein Tempo deutlich zu (!) schnell ist. Denn eines ist mir in den letzten Jahren immer deutlicher geworden, dass Bach immens gewinnt, wenn er langsamer und vor allem singender gespielt wird. Zu Bachs Zeit war alle Instrumentalmusik immer nur eine Nachahmung des Gesangs, der als höchste Form des Musizierens galt. Schon bald nach J.S.Bach begannen die Klagen über zu schnelles Klavierspiel. Mozart war in einem Brief an seinen Vater so sehr erzürnt über das verhunzen seiner Werke durch zu schnellen Spieles des Abbe Vogler, dass er sich zu dem Satz hinreißen ließ: "So spielen und scheißen ist bei mir einerlei" .... Für Mozart mußte Musizieren schön sein. Schön und schnell schlossen sich für ihn gegenseitig aus.
Und Beethoven ? Er sagte über die Schnellspielviruosen: "Diesen Leuten läuft mit ihren Fingern gewöhnlich auch der Verstand davon."
Carl Phillip Emmanuel Bach in seiner Klavierschule schreibt: "Es ist unstreitig ein Vorurtheil, als wenn die Stärke eines Clavieristen in der blossen Geschwindigkeit bestünde .... Sie überraschen das Ohr, ohne es zu vergnügen, und betäuben den Verstand, ohne ihm genug zu tun."
Mir ist bewußt das das Thema Geschwindigkeit der Musik alter Meister sehr kontrovers, ja sehr leidenschaftlich, diskutiert wird. In den letzten Jahren habe ich mich mit diesem Thema sehr intensiv auseinandergesetzt.
Besonders Prof. Klaus Miehling und der Musikwissenschaftler Lorenz Gadient sind in ihren Auffassungen total entgegengesetzt.
Doch in der letzten musikwissenschaftlich sehr fundierten Arbeit von Lorenz Gadient, legt er für mich außergewöhnlich schlüssig dar, wie wir heute am besten mit dem Thema umgehen können.
Wenn es interessiert:
Lorenz Gadient, "Takt uznd Pendelschlag, Quellentexte zur musikalischen Tempomessung des 17. bis 19. Jahrhunderts neu betrachtet", 2010 Musikverlag Katzbichler, München - Salzburg; ISBN: 978-3-87397-384-1
Nochmal zu dem Stück J.S.Bach: Präludium D-Dur WTK 2
Carl Czerny hat dieses Stück mit Punktierte Viertel = 96 metronomisiert.
Richtig gelesen heißt das:
96 Metronomvollschläge (zwei hörbare Ticks) in der Minute, oder rechnet man es um auf drei Ticks je punktierte Viertel, dann sind das 144 getickte Achtel je Minute.
Unzweifelhaft ist, dass Carl Czerny's (der Meisterschüler von L.v.Beethoven) Metronomisierung nicht unbedingt als authentische Tempoangabe zu verstehen ist, aber seine Metronomisierung in einer Zeit, in der schon deutlich schneller gespielt wurde als zu Bachs Zeiten, kommt uns heute langsam ! vor. Das deutet zumindest darauf hin, dass heute Bach viel ! zu schnell gespielt wird.
So, das war eine lange Rede (Schreibe). Bitte jetzt nicht mit leidenschaftlichen Gegenargumenten kommen ... Das ist MEINE ganz persönliche Sichtweise, und mein persönlicher "Geschmack" .... und über Geschmack läßt sich bekanntlich nicht streiten ... :)
hansfaust