Aufregung

  • Ersteller des Themas Leoniesophie
  • Erstellungsdatum

Leoniesophie

Leoniesophie

Dabei seit
7. Juni 2010
Beiträge
1.103
Reaktionen
418
Mein größter musikalischer Wunsch ist in Erfüllung gegangen - ich kann über das Klavierspielen die Freude an der Musik mit anderen teilen. Zum einen, wenn unser Pianist keine Zeit hat, einen Chor auf dem Klavier zu begleiten und zum anderen in einer Bigband mitspielen ( will zunächst heißen mitproben ) zu dürfen. Ich betrachtete das ganze auch als Mutproben für mich persönlich.

Dabei hab ich mir schon einigen Frust einghandelt, den ich objektiv betrachtet, nicht als persönliche Niederlage einordnen müsste. Tue ich aber. Soll ich aufgeben oder weitermachen? Ok, könnt ich mir sagen, du hast einfach den Mund zu voll genommen. Aber nach so kurzer Zeit schon aufzugeben, ist auch irgendwie blöd, zumal es mir ja Freude macht.

Konkret: Für den Chor hatte ich zwei kleine Begleitstücke ( Popsongs ) eingeübt und bei einem Auftritt gespielt. Ich war sowas von aufgeregt! Aber gut, ich bin durchgekommen und meine Freunde sagten natürlich, daß es gut war. Das fand ich aber nicht, aus verschiedenen Gründen. Jetzt kamen die Stücke nach 3 Monaten wieder in der Probe dran, ich setz mich ans Keyboard und es geht voll in die Hose. Boah, wie peinlich. Unser Pianist, der mir sehr wohlgesonnen ist und auch im Chor mitsingt, ist dann eingesprungen. Ich faselte irgendwas von "Ja, ich muß es nur wieder üben, dann klappt das schon". Aber innerlich dachte ich, hey, Du bist einfach nicht gut genug für diese paar Akkorde. Ich will jetzt trotzdem irgendwie da durch, Weglaufen bringt ja nix. Nach genauerer Betrachtung des einen Stücks fand ich dann, daß es vielleicht doch garnicht so einfach zu spielen ist, aus verschiedenen Gründen. Unser Pianist hat das Stück nach einem Leadsheet harmonisiert und ausnotiert, dabei sind jetzt in der linken Hand einige vierstimmige Akkorde mit Dezimen zu greifen, in der rechten Hand gleich zu Anfang Sechzehntel und im zweiten Takt gleich ein Lagenwechsel und einge andere "Feinheiten", das Ganze auch noch flott gespielt.

Diese Erkenntnisse hab ich für mich bereits gewonnen :)

1. Ich darf das Stück nicht unterschätzen
2. Ich muß es zuhause üben, bis ichs im Schlaf spielen könnte
3. Die Aufgeregtheit wird nicht von allein verschwinden, deswegen muß ich das Stück 140 %ig können, ums dann, wenns drauf ankommt, 100 % spielen zu können.
4. Ich kann keine Dezimen greifen, weil meine Hand zu klein dafür ist, ich muß also die Akkorde umschreiben, sodaß sie für mich spielbar sind.
5. in der linken Hand sind in jedem Takt vier Viertel, nach dem ersten Viertel kommt ein großer Sprung, das ist sauschwer für mich, weil ich die Tastatur sozusagen verlassen muß, gleichzeitig rechts die locker zuspielenden 16tel Läufe mit dem Lagenwechsel auf die 4. Viertel.
5. Ich muß lernen, damit umzugehn, im Fokus zu stehn, alle gucken auf mich und erwarten korrektes Spielen, um richtig mit dem Gesang einsetzen zu können. Oder ich muß mir sagen, ok, Du bist einfach nicht für die Bühne geschaffen. :(

Von der Bigband berichte ich ein andermal, sonst wirds hier zu lang :cool:

Wer hat ähnliche Erfahrungen gemacht, und wie hat er daraus gelernt? Wer von den aktiven Bühneprofis hat Tipps für die Herangehensweise in so einem Fall?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo, LeonieSophie, klingt nach sehr ambivalenten Gefühlen, nach Lust und Frust, nach Freude und Enttäuschung. Grundsätzlich bleibt die Frage, warum man sich so etwas antun muß... Um eine neunmalkluge Antwort zu geben, fehlen mir jetzt viele Informationen, z.B. wie lang du schon spielst, waS Du spielst, wie Du spielst, kurzum welche pianistische Entwicklungsstufe du hast. Es fehlt aber auch ein Blick in die von Dir erwähnten Noten. Grundsätzlich aber gilt: wenn du ein Stück vor 3 Monaten geübt hast, und es so gerade eben mit Ach und Krach vorgetragen hast, es dann aber 3 Monate nicht mehr angesehen hast, ist es zu großen Teilen nicht mehr abrufbar. Hättest m.E. da gar nicht einspringen dürfen/sollen
Eine weitere Frage ist, ob dieser erstellte Klaviersatz sehr pianistisch geschrieben ist, was ich zu bezweifeln wage, nachdem, was Du geschrieben hast. Vielleicht kann Dir jemand diesen satz, der ja "nur" ein Begleitsatz ist, etwas abspecken und auf das Wesentliche hin umschreiben vielleicht kannst Du das ja auch selbst...Und: wenn ein Pianist vor Ort ist, bleibt die Frage, ob der starke Kraft-und Zeitaufwand für die Überei, zzgl. der Aufregeung und Nervenanspannung noch in Relation steht zum Ergebnis. Vielleicht wäre diese Zeit sinnvoller eingesetzt mit pianistischen Studien, die Dich mehr individuell fördern, Erfolg geben und wirklich Lust statt Frust vermitteln.Beispiel: die Springerei mit der linken Hand, die Du unter Punkt 5 erwähnst: dann nimm (nochmal?) die Gymnopedien von Satie, den a-moll Walzer von Chopin,und entsprechende Kapitel aus Klavierschulen,und befrage einen KL, um das zu trainieren. Und um in die Chor-oder Bandbegleitung hineinzukommen, sollte man erst mit leichteren, voll beherrschten Sachen anfangen. "Bevor Du eine Kathedrale baust, bau zuerst einmal eine Kapelle"....
Gruß! Stephan
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Leoniesophie,

ich bin in einer ähnlichen Situation.
Anfang Mai spiele ich mit zwei Freunden auf einer Privatfete.

Meine Strategie:
Da wir keine streng ausnotierten Stücke spielen, werde ich mich stark zurücknehmen und auf der sicheren Seite spielen.
Das heißt es gibt eine Minimalversion, die ich sicher beherrsche.
Beim Üben gehe ich weit drüber hinaus.

Für Soli habe ich mir eine geradezu debile Grundstruktur aus notiert, die ich dann, je nach Nervenzustand, erweitere oder mich - auch über mehrere Harmoniewechsel hinaus - weit aus dem Fenster lehne.
Üben tue ich eine Maximalversion, die ich aber gar nicht zu spielen gedenke.
Selbst bei der Begleitung habe ich statt weit verteilter voicings als Reserve Dreiklänge in enger Lage bereit.

Ich denke, was für "meine" 3-Mann Combo ( git, perc, voc ) (git, perc, voc) (bass, keys) gilt, das könnte auch im Chor und Bigband klappen.:p

Lieber Gruß, NewOldie
 
Hallo Stephan,
vielen Dank für die ausführliche Antwort. Ich möchte Euch unbedingt noch die Noten des besagten Stückes hochladen, sonst ist es tatsächlich ins Blaue hineinredet. Ich bin Wiedereinsteigerin und habe seit einem Jahr wieder Unterricht, habe zuletzt 2 zweistimmige Inventionen von Bach geübt und bin jetzt an einer dreistimmigen. Es ist so, daß der Pianist einen Ersatzmann für seine Urlaubszeiten sucht und bei besagter Probe war er zwar da, aber die sollte ja für den nächsten Auftritt sein, wo er nicht da sein wollte. Meine Intention war zunächst die Neugier, schaff ich das. Aber ich bin auch gerade im Zwiespalt, denn eigentlich fühle ich mich dort im Chor in meiner Rolle als eine Altstimme viel viel wohler. Die Rolle als Klavierspielerin im Fokus der Aufmerksamkeit, zumindest bei den Soli, liegt mir eigentlich garnicht, aber ich wollte mich an der Stelle einfach weiter entwickeln. Vielleicht ist es einfach besser, noch 1 - 2 Jahre damit zu warten, bis ich vom technischen Können soweit bin, so eine Aufgabe zu wuppen. Es war auch eher so ein Zufall, der sich ergeben hatte und ich dachte, so eine Gelegenheit hab ich nicht oft im Leben.

Hättest m.E. da gar nicht einspringen dürfen/sollen (Stephan)

Ja, das hab ich mir selbst eingebrockt und das stimmt, was du sagst.
Die Situation in der Bigband ist ok. Ich lerne Stück für Stück dazu und bei der Probe spiele ich das mit, was ich gut kann und den Rest spielt der andere Klavierspieler, der schon länger dabei ist. In der Probe sind zwei Instrumente da, sodaß wir gleichzeitg spielen können. Ein Stück klappt jetzt so gut, daß ich das mal allein spielen darf
 
Hallo New Oldie,
auch Dir lieben Dank für Deine Antwort, das hilft mir auch weiter. Du verstehst dann sicher, daß einen so etwas reizt, obwohl man vorher schon weiß, daß man vor Aufregung fast in die Hose macht. Es ist dieses Gefühl, gemeinsam Musik zu machen, das habe ich einfach sehr lange Zeit vermißt beim Klavierspielen. Wenn ich Dich richtig verstehe, kann ein doppelt gestricktes Sicherheitsnetz ein bißchen die Aufregung abfedern. Bei meinem besagten Stück war es so, daß ich zwar nach Noten spielen wollte, aber letztendlich hatte ich die Noten sehr unsauber aufgeschrieben, mit tausend Änderungen drin, kaum lesbar. So im Nachhinein eigentlich ein Wahnsinn, sich dann da vorne ans Keyboard zu setzen. Ich kann mich ja auch vorher nicht einspielen. Na ja, mal schaun, ich werd also einige ändern müssen, wenn ich das gescheit machen will.
Aber wow, da bist Du aber schon ganz anders unterwegs: spielen nach Leedsheats, da denk ich in 3 Jahren vllt. mal dran. Ich drück dir auf jeden Fall die Daumen für Dein Konzert. vllt. kannst du mal einen kleinen Mitschnitt hochladen? :)
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo Leonie,

ich bin in genau derselben Lage. Ich probe seit Januar in einer BigBand mit, weil die eben keinen Pianisten hatten und ich gefragt wurde, ob ich das nicht machen könnte...

Ich stehe auch zwischen "Ich kann das (lernen)" und "Ich kann das nicht". Was mir zu schaffen macht ist rhythmische Genauigkeit im Zusammenspiel, monotone Begleitungen konzentriert mitdenken (d.h. mich bei einem Pattern, das 8 Takte lang wiederholt wird, nicht zu verzetteln). Dazu kommt die ungewohnte Situation, dass so viele mitspielen (3 Posaunen, 3 Saxophone, 3 Trompeten, Schlagzeug, E-Gitarre) und ich mich manchmal schlecht selbst höre und andererseits den anderen nicht zuhören kann, weil ich mich auf meinen Part konzentrieren muss.
Die Noten sind auch sehr unpianistisch gesetzt. Da nehme ich mir aber mittlerweile die Freiheit Dinge wegzulassen. Welcher Arrangeur, der wirklich Ahnung von Klavier hat, würde zwei simultane Oktavglissandi notieren? -> 2 (G-)Oktaven, die simultan mit beiden Händen angeschlagen werden und beide als Oktavglissando abwärts gehen.

Ich mache es erstmal weiter, aber insgeheim hoffe ich, dass sie jemanden finden, der fähiger ist als ich.

Bei deinen "Lehren", die du aus den Erfahrungen gezogen hast, ist mir aufgefallen, dass du anscheinend keine richtige "Qualitätskontrolle" für dich selbst gefunden hast. Soll heißen, du hast beim Üben nicht gewusst, ob du die Stücke jetzt wirklich kannst. Das geht mir ähnlich.

lg marcus
 
Bei deinen "Lehren", die du aus den Erfahrungen gezogen hast, ist mir aufgefallen, dass du anscheinend keine richtige "Qualitätskontrolle" für dich selbst gefunden hast. Soll heißen, du hast beim Üben nicht gewusst, ob du die Stücke jetzt wirklich kannst. Das geht mir ähnlich. ( marcus)

Ja, die Qualitätskontrolle ist sonst mein Klavierlehrer und manchmal mein Sony H2, vielleicht sollte ich das dafür mal nehmen.

In der Bigband haben die Bläser und die Rythmusgruppe zusätzlich zur Gesamtprobe vorher auch Einzelproben, das bringt mir sehr viel, wenn ich erst mit Schlagzeug, Bassgitarre oder Kontrabass und optional Gesang auch separat übe. Wobei wir nur ausnotierte Stücke nehmen. Bei Birdland zum Beispiel war es für mich mit der ganzen Band einfacher, den Rythmus und die ganzen Synkopen zu lernen als allein. Witzigerweise kann ich die bei den Inventionen verwendete Artikulation hier auch oft anwenden ( die Jazzer schreien wahrscheinlich jetzt auf).
 
Ich würde sagen, die große Überschrift zu Thema lautet "Unsicherheit auf der Bühne". Mit je mehr Musikern man zusammenspielt, desto mehr merkt man, wie verbreitet das Thema ist.
Ich könnte auch eine Menge dazu sagen... :-). Jeder hat mal "schlechte" Auftritte und dann wieder "gute". Die schlechtesten hat man oft vor kleinem, privaten Publikum. Schlechte Auftritte hat man auch immer vor schlecht gelaunten Publikum. Der erste Tipp wäre also, spiele anfangs auf Veranstaltungen, wo das Publikum traditionell gut drauf ist.

Wenn man in einer Band spielt, so darf man in der Regel weniger als die Hälfte machen als man für notwendig hält. Das ist extrem ungewohnt, wenn man lange alleine gespielt hat. Im allgemeinen Pegel kann auch das eigene Feeling leiden; deshalb ist das eigene Monitoring wichtig (an den digitalen Keys besonders schwierig); Tipp: Im Monitoring erhält jeder einen Ausschnitt aus dem Frequenzband, es klingt isoliert zwar beschissen. aber die Band soll ja gut klingen!

Lieber "billige" Stücke wählen. Das Publikum will Spaß und interessiert sich niemals für Schwierigkeitsgrade. Das Outro muss sitzen: Das ist, was hängenbleibt, auch in der Beurteilung.

"Aufgeregt sein" bedeutet letzten Endes, soviel ist mir mal klargeworden, das Publikum zu beleidigen, denn dahinter steht die Aussage: "Ihr seid Menschen, vor denen ich mich fürchten muss!". Die haben doch aber gar nichts getan! Die wollen Spaß! Menschen, vor denen man Angst hat, kann man nichts sagen. Wenn man aber nichts sagen kann, dann sollte man schweigen.
usw. usw.
Wichtig noch dieser Aspekt: Aufgeregtheit kann man sich auch antrainieren. Einige versuchen, dass durch Gewalt zu brechen; also sie wollen versuchen, durch die Wiederholung von aufgeregten Auftritten ruhiger zu werden. Ich halte das für falsch, weil man als Musiker irgendwann wie ein Pawlowscher Hund reagiert: Du siehst ne Bühne und nichts geht mehr.

Wer sich auf die Liebe zur Musik konzentriert, hat keine Zeit mehr für Selbstbeobachtung. Es kann aber schon sein, dass man mit der Musik erst so spät anfängt, dass man sich auf dem Instrument nie wirklich sicher fühlt (ich selbst habe dies Phänomen auf Tasteninstrumenten); dann spielt man halt mit anderen in kleinerem Rahmen zusammen. Warum aufgeregt sein, wenn man für seine Leistung sowieso kein Geld bekommt? Wenn man ABER Geld bekommt - dann ist die Zeit der Aufregung ja kaum noch notwendig. Ich habe mal ein Konzert von Paul McCartney gesehen, wo er ganz allein Blackbird spielt, vor mehr als 50.000 Zuschauern. Wenn man also nur 1/1000-tel von ihm hat, dann sind 50 Leute kein Problem mehr...
Sicherheit wirkt ansteckend! Unsicherheit auch! Unsichere Musiker können anstrengend sein, obwohl sie auch eigene Ängste relativieren...In der Regel konzentriert sich jedes Publikum immer auf den besten Akteur.
Alles Gute und viel Freude beim Vorspielen!
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
da bist Du aber schon ganz anders unterwegs: spielen nach Leedsheats, da denk ich in 3 Jahren vllt. mal dran. )

Hi, Leoniesophie

nee ganz und gar nicht. Den Eindruck möchte ich nicht erwecken.
Ich spiele doch erst 2 Jahre, habe allerdings seit 18 Monaten ausschließlich Pop/Jazz Unterricht.

Viel mehr als ein paar figurierte Akkorde, Flächensounds beim Gesang und Wiederholen der Gesangsmelodie beim Solo ist da in der "sicheren Version" nicht drin.
Unter den Gästen sind auch in Würde gealterte Punks und Metaller, denen fällt das gar nicht auf.:mrgreen:

ich drück dir auch die Daumen. LG NewOldie
 
Viel mehr als ein paar figurierte Akkorde, Flächensounds beim Gesang und Wiederholen der Gesangsmelodie beim Solo ist da in der "sicheren Version" nicht drin.
Ich finde, dass Du ein gutes Konzept hast und mehr ist auch meist nicht nötig. Bin mir sicher, dass Du in Gesangsmelodie schon ein paar Zusatztöne, Umspielungen oder rhythmische Licks einbaust...; das ist schon deshalb übenswert, falls man - Gott bewahre - aus der Melodie live rausfliegt :-) , die pentatonische Skala zur Melodie gehört also bestimmt mit zum Übungsprogramm; man braucht ja nur ein paar Legos...

Ich wollte noch ergänzen: Ob man einem gutes und ein eher schlechtes Feeling beim Auftritt hat, kann man vorher nie mit Sicherheit sagen, vor allem wenn vorher so absolut nervöse Menschen auf der Bühne standen, deren Nervositätsfunke rüberzuspringen droht.

Nach einem guten Auftritt weiß man: Es kann unheimlich Spaß machen, vor Leuten zu musizieren, das Instrument zu beherrschen, "den Engel durch den Raum gehen zu lassen", man kann nach solchen Momenten mit nach Hause nehmen, wie schön es ist, wenn man die Aufregung eben nicht mit auf die Bühne nimmt, bzw. sich durch die Aufregung nicht behindern und stören lässt...in einer Band gibt es übrigens immer zwei Arten von Musikern: Die einen bekommen ihre Fehler durch die anderen ausgebügelt und die anderen sind die, die auf die anderen achten, sie antizipieren und ihre Fehler ausbügeln. Und dann gibt es noch dritte Sorte: Die fehlerfreien; aber die sind schwer zu finden oder fest engagiert.
 
Hallo Neronick,
auch Dir vielen Dank für Deine Anregungen, die noch einige neue Aspekte enthalten.

Im allgemeinen Pegel kann auch das eigene Feeling leiden; deshalb ist das eigene Monitoring wichtig

"Aufgeregt sein" bedeutet letzten Endes, soviel ist mir mal klargeworden, das Publikum zu beleidigen, denn dahinter steht die Aussage: "Ihr seid Menschen, vor denen ich mich fürchten muss!".

Einige versuchen, dass durch Gewalt zu brechen; also sie wollen versuchen, durch die Wiederholung von aufgeregten Auftritten ruhiger zu werden.

Oha, das klingt irgendwie erschreckend - kein Gewöhnungseffekt mit zunehmender Anzahl an Auftritten? :eek:
 

Hi,

da sind mM super Tips zusammengekommen, auch die psychologischen Aspekte von Neronick.

Ich hatte auch einige Jahre "Auftritts-Stress". Meine Strategien waren eigentlich ähnlich denen von Leoniesophie oder NewOldie.

Man kann nicht mit einem Stück auftreten, das man nur in der Probe gerade so zu 100% bewältigt. Da sind dann Schwierigkeiten beim Auftritt vorprogrammiert. D. h. man muss eine Auftrittsreserve erarbeiten.

Eine Auftrittsreserve kann man bewusst aufbauen, durch

  • beim üben 10-30% schneller spielen (das ist mM essentiell, das muss man machen, geht allerdings nicht bei jedem Stück)
  • zusätzliche Schwierigkeiten einbauen. ZB: im Stehen, mit wenig Licht, ohne Noten, ohne Klang (Digi oder Silent), zum Metronom (am besten Zwischenkontroll-Metronom) spielen, ...
  • den Stress der Auftrittssituation simulieren, zB durch eine Aufnahme, möglichst Video
Was auch noch wichtig ist, dass man genau feststellt, ob ein Stück überhaupt auftrittsreif ist. Das kann man zB so machen:

Am Tag vorher bestimmt man einen Zeitpunkt (Wecker stellen) an dem man das Stück am nächsten Tag spielen wird.
Am entsprechenden Tag übt man dann ganz normal, allerdings nicht das zu testende Stück. Wenn jetzt der Wecker klingelt, hört man mit dem Üben auf, stellt sich die Auftrittssituation möglichst plastisch vor (Dirigent, Publikum, Bühne) und beginnt das Stück ohne vorherige Vorbereitung zu spielen. Man darf auch nicht während dem Spielen bei Fehler stoppen. Es sollte wie bei einem Auftritt sein. Wenn man einen Fehler macht, muss man sich irgendwie durchmogeln. The Show must go on. Gut ist dabei wenn man zu einem entsprechendem ablaufendem Midi-File spielt. Das läuft bei einem Fehler erbarmungslos weiter, siehe weiter unten.

Das macht man an 5 verschiedenen Tagen. Wenn man jetzt mindestens 4 mal von den 5 Versuchen sozusagen bestanden hat (das kriterium kann man auch auf keinen Fehlversuch verschärfen), dann ist das Stück auftrittsreif. Wenn man das nicht schafft, ist das Stück noch nicht ausreichend geübt oder zu schwer.

Wichtig ist auch, dass man während dieser Zeit (oder zumindestens nicht kurz vor jedem Test) das Stück nicht noch extra übt.

Bei einem Auftritt solle man nie zu schwere Stücke spielen. Eigentlich sollte man nur Stücke spielen, die 1-3 Level (je nach Aufregungsgrad ;-) ) unter seinem höchsten machbaren Level sind.

Zum Üben der Gruppensituationen habe ich mir von den entsprechenden Stücken Midi-Files besorgt oder selbst erzeugt. Diese Midi-Files spielt man dann ab und simulieren die anderen Musiker wie beim Auftritt. Die Midi-Files müssen nicht perfekt sein oder sich super anhören, es geht nur darum dass der musikalsche Kontext, wie beim Spiel in der Gruppe eingermassen da ist. Zum Üben reicht im Minimum für die Bigband-Situation Bass und Schlagzeug, für die Chor-Situation sogar nur die Hauptmelodie. (für Birdland oder Watermelon Man müsste ich eigentlich noch was haben, das könnte ich dir zukommen lassen.)

Andererseits sollte man aber auch ohne musikalischen Kontext üben/testen, da man dann gezwungen wird den Kontext (das Spiel der anderen) sich mental vorzustellen. Dadurch wird auch eine zusätzliche Sicherheit erzeugt.

Gruß
 
Eine Auftrittsreserve kann man bewusst aufbauen, durch

  • beim üben 10-30% schneller spielen (das ist mM essentiell, das muss man machen, geht allerdings nicht bei jedem Stück)
  • zusätzliche Schwierigkeiten einbauen. ZB: im Stehen, mit wenig Licht, ohne Noten, ohne Klang (Digi oder Silent), zum Metronom (am besten Zwischenkontroll-Metronom) spielen, ...
  • den Stress der Auftrittssituation simulieren, zB durch eine Aufnahme, möglichst Video

Am besten noch mal versuchen, mit gekreuzten Händen spielen, oder mal mit den Zehen, statt den Fingern! Oder Seilspringen dabei (beim staccato).

Ganz im Ernst, Bachopin, da sind schon ein paar dolle Dinger dabei, damit wird man die Nervosität keinesfalls los, das führt nur noch zu größerer Unsicherheit.

Dein Morn
 
Ganz im Ernst, Bachopin, da sind schon ein paar dolle Dinger dabei, damit wird man die Nervosität keinesfalls los, das führt nur noch zu größerer Unsicherheit. (Morn)

Das finde ich nicht, Bachopin. Mir sagen die Tipps zu. Ich habe es vor meinem ersten Auftritt derart gestaltet, daß ich 14 Tage lang vor meinem ersten Auftritt jeden Tag sozusagen einem imaginären Publikum das Stück vorgespielt habe, und zwar auch, um es komplett durchzuspielen. Das hatte mir schon etwas geholfen.
 
Schon klar, Leoniesophie, nicht alle Tipps von Bachopin waren schlecht. Ohne Klang spielen, sich Publikum vorstellen, also sich quasi die Auftrittssituation zu vergegenwärtigen ist in der Tat ratsam. Aber bitte nicht im Stehen spielen! Oder immer gleich alles schneller.

Dein Morn
 
Hi Morn,

was meinst du mit dolle Dinger?
Etwa das hier: "im Stehen, mit wenig Licht, ohne Noten, ohne Klang (Digi oder Silent), zum Metronom (am besten Zwischenkontroll-Metronom) spielen"

Ist mir alles passiert.
Im (fast) Stehen weil das E-Piano zu nah an der Wand stand.
Mit wenig (gar kein) Licht, das ist mir nur einmal passiert, seitdem hatte ich immer so eine kleine Klemm-Lampe dabei.
Ohne Klang, dann wenn du dich aufgrund der lauten Anlage oder des Gitarrist, dich selber aber sowas von überhaupt nicht hörst.
Zum Metronom, klar zum Schlagzeuger.

Und wenn du das alles daheim schon mal geprobt hast und dann gelernt hast trotzdem noch gut und sicher zu spielen. Was glaubst du was dann bei einem Normal-Auftritt passiert? Da fühlst du dich sowas von sicher.

Es geht doch um das Antrainieren einer Aufführungsreserve, so dass du trotz der Aufregung, die deine Aufmerksamkeit reduziert, gut spielen kannst.
Die Aufregung kannst du daheim nicht üben, aber du kannst das Üben/Spielen künstlich erschweren (machen übrigens Sportler auch). Das ist dann fast so ähnlich. Du hast auch eine reduzierte Aufmerksamkeit.

Leider kenne ich auf spieltechnischer Ebene nur die Erschwernis durch schneller Spielen. Wenn es da noch etwas anderes gibt, sofort her damit.

Ich kenne übrigens nochmehr Tricks:
Du kannst ein Familienmitglied bitten, dir zuzuhören und wenn du dich verspielst, dann darf es sich von dir etwas wünschen.
Oder du setzt 10Euro ein, wenn du dich verspielst, dann spendest du das Geld für irgendetwas.

Was glaubst du, wie da der Adrenalinpegel steigt. ;-)

Gruß
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Oha, das klingt irgendwie erschreckend - kein Gewöhnungseffekt mit zunehmender Anzahl an Auftritten? :eek:
Doch, natürlich gibt es einen Gewöhnungseffekt - an das was Du tust. Wenn Du aufgeregt sein willst, dann gewöhnst Du dich daran, aufgeregt zu sein; wenn Du dem Publikum Freude bringen willst, dann gewöhnst Du dich daran, dem Publikum Freude zu bereiten. Die grundsätzliche Frage ist also, willst Du dich auf einen Egotripp begeben, dann lege den Focus auf die Selbstbeobachtung; willst Du dem Publikum dienen, dann lege den Focus auf die Musik und vermittele das authentische Gefühl, das diese Musik in dir auslöst.

Wenn Du aber auf ein Publikum stösst, das so mit sich selber beschäftigt ist, dass Du ihm vollständig egal bist, egal welches Niveau Du hast (einige Musiker in der Pariser Metro sind SUPER!), oder weil sie halt einfach nur babbeln wollen, um an ein Date zu kommen, dann kann es sein, dass Du lernst, ganz befreit zu spielen.

Der Übeaufwand richtet sich nach der ökonomischen Bedeutung, nach nichts anderem. Im Internet finden sich noch zahlreiche gute Hinweise zu dem Thema, auch hier im Forum. Wenn man als Anfänger merkt, dass man durch einzelne Auftritte keine positive Gewöhnung erzielt, muss man die innere Einstellung überarbeiten und dazu eine kreative Pause einlegen. Was sehr nützlich ist, sind gestandene Mitmusiker, die der Fels in der Brandung sind :-).

Letzter Tipp: Der größte Blödsinn ist es, seine Unsicherheit und Unerfahrenheit zu Beginn vorbeugend zu entschuldigen. DAS NERVT! Dem Publikum ist das alles völlig egal, es will nur Musik hören auf einer Musikveranstaltung (oder will dort ein Date machen... :-) )

Was gut ankommt: Erfrischende, lockere Authentizität, egal welches Niveau. Was schlecht ankommt: Egotripps auf Bühnen. (Selbst die größten Selbstdarsteller mimen den Kasper für die Leute! (Lena?) )
 
Leider kenne ich auf spieltechnischer Ebene nur die Erschwernis durch schneller Spielen. Wenn es da noch etwas anderes gibt, sofort her damit.

z.B. wäre da noch (extrem) langsam spielen. Und das Bewusstsein, dass man, wenn man auftritt, immer schneller spielen wird, als beim üben, weil der Puls dann in der Regel schneller ist.
Auch kann man beim Üben die Dynamik übertreiben (wie leise schaffe ich diese pp-Stelle, ohne das Töne fehlen). Beim Auftritt muss das dann alles nicht so riskant gehandhabt werden.

Im Stehen würde ich nie spielen, genauso wenig, wie ich nicht auf nem Keyboard spiele. Punkt. Auch bei eingeschränkten Lichtverhältnissen würde ich's mir überlegen, ob ich spiele.

Ansonsten, Bachopin, hat ja jeder seine eigenen Übmittel gegen die Aufgeregtheit, aber ich fand deine eben etwas fragwürdig.

Dein Morn
 
Hi,

mir fallen noch 2 Sachen ein:

1.) 1-2 Wochen vor Auftritten, wenn die Stücke ja schon sitzen (man sollte kein Stück spielen, dass man erst ein paar Tage vorher gelernt hat), habe ich an mehreren Tagen für mich so eine Art Auftritts-Session durchgeführt. Ich habe praktisch das gesamte Programm wie unter Auftrittssituation mit den Midi-Files mehrmals durchgespielt. Fehler oder zumindestens komplett rauskommen war nicht mehr erlaubt.

2.) Ich habe beim Auftritt immer nur mit Noten gespielt.
Da gibt es Unterschiede. Ich kann die Stücke eigentlich auswendig. Man sollte sie auch so gut können. Aber beim Auftritt gibt das für mich einfach einen enormen Zuwachs an Sicherheit, da ich ein guter vom Blatt Spieler bin. Ich würde darauf nie verzichten. Allerdings ist das auch gefährlich. Was passiert wenn man die Noten vergisst? Deswegen waren auf meiner Check-Liste die Noten an oberster Stelle.

Und die Sachen von Neronick sind absolut richtig.

Man bekommt das Lampenfieber nicht dadurch weg, dass man es ignoriert oder unterdrückt. Man sollte lieber versuchen sich damit positiv auseinanderzusetzen und es als das zu nehmen, was es ist. Eine Reaktion des kreatürlichen Unterbewusstseins (Entwicklungsgeschichtlich alter Teil des Gehirns) auf eine vermeintliche Gefahrensituation.

Gruß
 

Zurück
Top Bottom