Zeitgenössische Musik, die man sich anhören kann

Stephan, Du Zyniker,

besten Dank für den Tipp. Es kann aber sein, dass ich es erst im nächsten Leben lesen werde. Sofern ich da lesen kann...

Herzliche Grüße
gubu
 
Hallo allerseits,

wollen wir denn jetzt nun ein Stück nehmen oder nicht? Vielleicht eins, was hier vielen unverständlich ist? Wenn's nach mir geht, keine 12-Ton-Musik.

Ich persönlich empfinde es nie so, dass ein zeitgenössischer Komponist mit seiner Musik nicht kommunizieren will. Ich glaube vielmehr, dass ein Bruch mit bisher Dagewesenem offensichtlich dringend nötig war/ist und später, so vermute ich mal, abermals neue Wege beschritten werden.

Mich interessiert auch, welcher (neue) Weg in der Auseinandersetzung mit ehemaligen Epochen und Komponisten beschritten wurde, warum also der Komponist zum Zeitpunkt der Komposition eine solche Tonsprache gewählt hat. Wenn es die zeitgenössische Musik nicht gäbe, würde man vielleicht sogar die klassischen Komponisten anders hören, denn das musikalische Spektrum wurde gravierend erweitert und das wirkt sich m.M.n. auf uns als Hörer aus.

Ehrlich gesagt glaube ich, Musik kann gar nicht nicht kommunizieren :D .

Viele Grüße

chiarina
 

Und dafür bedient sie sich eines Mediums. Meist ein Komponist.

Und nun müsste man prüfen, wann jemand als Medium geeignet ist.

Es ist nur ein Gedanke, dem man nicht folgen muss, aber es könnte sein, dass sich die Musik, die sicher eine Kosmische ist, sich eines Mediums bedient, um für uns erfahrbar zu werden. Insofern wären dann bestimmte Komponisten Ausgewählte der Schöpfung, die quasi nicht selbst schrieben sondern aus denen es heraus schrieb.

Es ist auf der Grundlage dieses Gedankens dann herauszufinden, wer aus der Reihe der zeitgenössischen Komponisten derart inspiriert ist.

Denn warum sollte die Weltmusik irgendwann aufhören, ihre Botschaften zu senden?
 
Wenn es die zeitgenössische Musik nicht gäbe, würde man vielleicht sogar die klassischen Komponisten anders hören, denn das musikalische Spektrum wurde gravierend erweitert und das wirkt sich m.M.n. auf uns als Hörer aus.

ein sehr wichtiger Gedanke!

wir ändern uns mit jedem Zuwachs an Wahrnehmungs- und Verständnismöglichkeiten.

nach Beethovens komplexer Spätwerkharmonik kommen mir viele Mozartstellen harmlos vor - das zwang mich, sie genauer zu hören und ich stelle fest: sie sind nicht harmlos, sondern vermitteln ihre Expressivität optimal mit den eigenen (relativ begrenzten) Mitteln.

ebenso geht es mir mit Chopin, nachdem ich Liszt und Mussorgski kannte - und auch hier zwang mich das, genauer bei Chopin hinzuhören - - - an dieser Stelle an pppetc tausend Dank, weil er mir mit richtungweisenden Überlegungen half, Chopin immer wieder neu zu hören

ebenso eht es mir, wenn ich erst Ravel und Skrjabin, und danach die diatonischen Abschnitte der Lisztsonate oder mancher Wagnerstellen höre - und auch hier zwingt mich das jedesmal neu, genauer in jede Musik und ihre eigene musikalische Sprache hineinzuhören.

in Maßen gilt dies auch für das (zugegebenermaßen manchmal ärgerliche) Hören extremer Positionen von avantgardistischer oder zeitgenössischer Musik: so manches Werk von Varese oder Boulez wirkt erst mal wie eine kalte Dusche - hört man aber direkt danach Tschaikowski, kommt zumindest mir diese Hyperromantik zunächst fast weinerlich vor - - bis sich beides mildert, und mir Tschaikowski wieder gefällt, ich aber auch bei Varese und Boulez schöne, rätselhafte und faszinierende Klänge entdecke.

so ist es auch mit den radikalen Clustern bei Nono et al.

allerdings gibt es bei mir eine Grenze, die ich selber einfach nicht überschreiten will: wenn die vielen "herkömmlichen" Instrumente entweder um kalte Elektronik ergänzt oder gar durch sie ersetzt werden, dann mag ich nicht mehr zuhören und dann will ich taub für alle noch so gelehrsamen Erläuterungen sein - - Maschinen haben ihren berechtigten Platz andernorts, mag auch das eine oder andere kurzfristig faszinierend erscheinen (sowas vergleiche ich gerne mit den high-tech-Vorstellungen in der Filmbranche: wie altertümlich wirken die ersten Enterprise Folgen gegen z.B. Avatar, was das Science-Fiction-Interieur betrifft)

Neuhaus meinte nicht, man müsse Liszt können, um sich an Mozart wagen zu dürfen - er meinte damit eine umfassende musikalische und technische Schulung, die für jede Musik nötig ist.

Gruß, Rolf
 
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Es ist nur ein Gedanke, dem man nicht folgen muss, aber es könnte sein, dass sich die Musik, die sicher eine Kosmische ist, sich eines Mediums bedient, um für uns erfahrbar zu werden. Insofern wären dann bestimmte Komponisten Ausgewählte der Schöpfung, die quasi nicht selbst schrieben sondern aus denen es heraus schrieb.

das macht auf mich einen sehr religiösen Eindruck - - allerdings halte ich nicht irgendeine allgemeine Musikgottheit für real, sondern viel menschlicher (und sympathischer) sind mir als die "Götter" der Musik solche Leute wie Bach, Mozart, Beethoven, Chopin, Liszt, Ravel, Berg, Schostakowitsch, Messiaen, Ligeti... ... :)

so gesehen glaube ich nicht, dass wir Gottheiten brauchen - die Komponisten genügen vollauf :)
 
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Es ist auf der Grundlage dieses Gedankens dann herauszufinden, wer aus der Reihe der zeitgenössischen Komponisten derart inspiriert ist.

Der hier?

http://www.youtube.com/watch?v=VxJLLmQVGvE&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=i0EFvJIMQog&feature=related

(Auszug aus "Licht", komponiert 1977 bis 2004)


@Rolf : Das muß nicht zwangläufig was mit Gottheiten zu tun haben, das kann auch nur bedeuten dass Musik ein Teil der Natur ist wo der Mensch Finder und kein ERfinder ist.
 
@Rolf : Das muß nicht zwangläufig was mit Gottheiten zu tun haben, das kann auch nur bedeuten dass Musik ein Teil der Natur ist wo der Mensch Finder und kein ERfinder ist.

ich glaube, Beethoven hätte es sich verbeten, "Medium" einer irgendwie kosmischen Musik zu sein: stammen von ihm doch die selbstbewußten Worte
was ich bin, das bin ich durch mich selbst - was Sie sind, sind Sie durch Geburt

allerdings ist die aus der Romantik (und zwar der literarischen Romantik!) stammende Vorstellung, es dichte im Dichter, sehr beliebt - kein Zweifel

(((aber sag mal irgendeinem Dichter: ach Du Glückspilz, wie schön für dich, dass es in dir dichtet - merkst du eigentlich was davon? ... na, da werden die alle ganz fuchtig und streng und verweisen darauf, wieviel sie zu arbeiten haben, bis ein Gedicht fertig ist :D ...und obwohl Berlioz (die Fantastique in einer Nacht rausch- oder anfallartig komponiert) und Wagner (Rheingoldbeginn in einem anfallsartigen Rutsch) ins selbe Horn literarisch tuteten, war es doch ganz anders, wie die erhaltenen Skizzen nachweisen)))

herzliche Grüße, Rolf
 
Um noch einmal auf die Eingangsfrage des Threads zurückzukommen:

http://www.youtube.com/watch?v=bsUbmCoMP1Y

Bach'sche Anklänge sind unverkennbar (bewusst?) vorhanden, der russisch-orthodoxe Ursprung ist deutlich hörbar. Insgesamt äußert wirkungsvoll. Der Komponist hat übrigends eine recht interessante Vita vorzuweisen: http://de.wikipedia.org/wiki/Hilarion_Alfejev Am Ende des letzten Teiles (Nr 47) sieht man ihn auch. Dem Publikum scheint es gefallen zu haben.
 
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ich glaube, Beethoven hätte es sich verbeten, "Medium" einer irgendwie kosmischen Musik zu sein: stammen von ihm doch die selbstbewußten Worte

Hallo Rolf,


Selbstverständlich muss ein Mensch extrem viel an sich arbeiten um große Musik schreiben zu können. Ungeheures Talent gehört da ja auch dazu.
Das spricht doch nicht dagegen dass Musik in seinem Grundwesen ein Naturprodukt ist das unabhängig vom einzelnen Menschen existiert, womöglich in seinen Genen bereits schon fest verankert ist ohne sein eigenes dazutun.

Worin liegt denn der Unterschied zwischen der "komponierten" Musik eines Computers und der komponierten Musik eines Menschen?
Die großartige Logik kanns ja wohl nicht sein, denn darin sind Computer unschlagbar.
Und warum finden andere Menschen wiederum die von Menschen gemachte Musik ungleich inspirierender?

Das muss doch was mit einem kollektiven Unterbewußtsein zu tun haben, oder etwa nicht?

Dass nun Beethovens Symphonien einmalig sind, und auch so nur von Beethoven geschrieben werden konnten, spricht auch nicht dagegen.
Wenn sie ständig angereichert sind von hunderten und tausenden natürlichen Musikbausteinen, zusammengesetzt von Beethovens höchsteigener persönlichen Art und Weise, dann bleibt Beethoven immer noch letzten Endes ein Medium.
Besonders dann wenn diese unzähligen Musikbausteine wie die Faust aufs Auge zusammen passen, gerade dann erweist er sich als glänzendstes Medium von allen!

Denn, woher stammen denn diese Gesetze des Zusammenpassens? :)


Apropos Gottheiten :

Höheres gibt es nicht, als der Gottheit sich mehr als andere Menschen nähern und von hier aus die Strahlen der Gottheit unter das Menschengeschlecht verbreiten

Ein Zitat von Beethoven. :)



Auch herzliche Grüße!
 
die Passion des orthodoxen Bischofs könnte ohne weiteres in der ersten Hälfte des 19. Jh. komponiert sein - - nachdem ich mir drei Abschnitte angehört habe, finde ich in Sachen Kirchenmusik z.B. Rossini "moderner"

es gibt ja auch einen Adeligen (einer der Hohenzollern? oder so) bei uns, der im Stil der Wiener Klassik komponiert.

auf jeden Fall hochinteressant, zu hören dass man in Russland so komponieren kann - - das Requiem von Loyd-Webber finde ich deutlich schlaffer

freilich geht es auch anders, eher an Mahler und Schostakowitsch erinnernd, wenn man die - erstaunlich populären!! - Sinfonien des zeitgenöss. poln. Komponisten Gorecki hört.

und Kirchenmusik: Requiem von Ligeti sowie die Messen von Pärt
 

kleine Abschweifung

Besonders dann wenn diese unzähligen Musikbausteine wie die Faust aufs Auge zusammen passen, gerade dann erweist er sich als glänzendstes Medium von allen!

Denn, woher stammen denn diese Gesetze des Zusammenpassens? :)

wir schweifen da wohl etwas ab :)
dass Beethoven Medium sei, will mir nicht einleuchten - und der Natur dürfte er die Arietta (op.111) auch nicht abgelauscht haben - - er selber hat sie geschaffen, das ist untrennbar von seiner Persönlichkeit. Das hat mit formaler Logik gar nichts zu tun.
vermutlich gehört Musik zur "Natur" der Menschen, allerdings bleibt sie menschengemacht (wie ja auch die Instrumente)

herzliche Grüße, Rolf
 
Mensch, Fisherman, das hätteste ja wirklich für Dich behalten können...
 
naja, so abschweifend empfand ich das gar nicht.
Schließlich könnte das ein Mittel sein um gute zeitgenössische Musik von schlechter zu unterscheiden, und zwar unabhängig vom persönlichen Geschmack.

Z.B. habe ich in Beitrag #112 geschrieben dass ich finde dass das Spätwerk von Stockhausen "was hat".
Gleichzeitig gefällt mir persönlich das Werk aber nicht so besonders gut, was wiederum reine Geschmackssache ist.

Es wurde von pppetc angedeutet (zumindest habe ich das so verstanden) dass es auch in der zeitgenössischen Musik sehr viel Blödsinn geben soll.
Wie entlarvt man denn nun Blödsinn?
 
Es wurde von pppetc angedeutet (zumindest habe ich das so verstanden) dass es auch in der zeitgenössischen Musik sehr viel Blödsinn geben soll.
Wie entlarvt man denn nun Blödsinn?

das ist die Kardinalfrage :D

(mühsame Methode, weil Gegenrede - also langwierig)
entweder man wettert dagegen, und zwar so, dass sich die eigenen Argumente durchsetzen - dann hat man Blödsinn entlarvt

(gelassener)
abwarten... Blödsinn verschwindet recht gern, jedenfalls in der so genannten E-Musik
 
Vielen Dank für die Pärt-Tips! Die beiden ersten Stücke finde ich großartig!

Das Grimaud-Ding mit dem Bach-Zitat hingegen finde ich eher peinlich. Und dann auch noch dieses alberne Getue von ihr...

LG,
Hasenbein
 

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