Das "Bubbles"-Experiment - Was ist Zeitgenössische Musik wert?

  • Ersteller des Themas River Flowing
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Einaudi hat kapiert, wie sich deutlich mehr Kohle verdienen lässt.
 
Klar, Erfolg ist per se schon mal verdächtig. Der speist sich ja auch aus der Masse musikalisch ungebildeter Hörer, die sich weigern, an ihrem schlechten Musikgeschmack zu feilen...
 
Einaudi hat kapiert, wie sich deutlich mehr Kohle verdienen lässt.

Das ist legitim, und wenn wir uns jetzt an allen Künstlern abarbeiten, die Kunst zB in Form von Aufträgen dazu geschaffen haben, um Geld zu verdienen, sprengen wir den Strang.
:bomb:

Künstler, die leichte, eher "anspruchslose" (was ist das eigentlich) Musik schaffen, haben ihre Daseinsberechtigung, auch wenn manche Leute anderer Meinung sind. Aber so wie es leichte Literatur gibt, die man liest, und die man auch gleich wieder vergisst, gibt es das gleiche in der Musik.
Ich lese zwischendurch leichte Literatur, Komödien ohne großen Anspruch, oder auch mal Comics, Garfield oder Calvin and Hobbes.
Ich spiele alle paar Wochen mal, und jetzt auf mich mit Gebrüll, so etwas wie "Due Tramonti" oder "Onde corte" von Einaudi. Etwas, wo ich mich nicht konzentrieren muss, eine Art Rosamunde Pilcher der Musik. Einaudi, wie Pilcher kopieren sich andauernd selber, das weiß ich, aber das ist mir in dem Moment wurscht.
:-D

Edit: Aber ich bin zum Beispiel der Meinung, dass man seine Seele verkaufen muss, um jahrelang hirnlose Humpfda-Musik wie die von Florian Silbereisen, Spasthelruter Katzen (haha) o.ä. machen zu können.
 
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Wie dem auch immer sei, das "Stück" ist kompletter Mist und dennoch mit Steuergeldern gefördert worden. Und wieso kann überhaupt irgendwas mit öffentlichen Geldern nachträglich (!) gefördert werden?
Das ist der Unterschied: Wenn Mist staatlich gefördert wird, ist es auf einmal „Kunst“. Wenn es von denen bezahlt wird, denen es gefällt, bleibt es Mist. Eine verrückte Welt,
findet
cb
 
Ich spiele alle paar Wochen mal, und jetzt auf mich mit Gebrüll, so etwas wie "Due Tramonti" oder "Onde corte" von Einaudi.

Ich gehe nicht auf dich mit Gebrüll. Dass so viele dann auf dich mit Gebrüll gehen würden liegt daran, dass Rezipienten von Gute Zeiten, schlechte Zeiten, New Kids Turbo oder 50 shades of Grey sich meist der Tatsache bewusst sind, dass das keine hohe Kunst ist, im Gegensatz dazu sind Leute fast immer pikiert, wenn man Musik, die diese Leute mögen, den künstlerischen Wert abspricht.
Das ist relativ unabhängig davon, ob es sich um die Flippers, Florian SIlbereisen, Helene Fischer, Bushido, Lady Gaga, Einaudi, Thiersen, die Rolling Stones, Metallica, die Beatles, gregorianische Choräle, Ars nova, Schütz, Bach, Haydn, Beethoven, Schumann, Liszt, Debussy, Strawinski, Schönberg, Berio oder Cage handelt.
Bei Musik sehen die Hörer einfach meist ungern ein, wenn etwas auf niedrigerem Niveau ist. Ich spiele momentan den Zug der Zwerge von Grieg und bin mir sehr bewusst, dass das schon musikalisch nicht das Niveau einer Beethovensonate oder so ist, sondern auch Unterhaltung auf wesentlich niedrigerem Niveau. Wenn die Leute einsehen würden, dass Musik eben doch ähnlich in unterschiedliche Niveaus einzuteilen ist wie Literatur, würde wahrscheinlich kaum jemand komplett etwas gegen TEY, Pop oder sogar Schlager haben.

In Bezug auf besonders ich sage mal "seltsame" Musik könnten die vielen all zu schnell auf Kritik pikiert reagierenden Freunde neuer Musik sich eine Scheibe von Friedrich Gulda abschneiden, der gesagt hat, er kann die Kritik sogar nachvollziehen und sagt sich na und, dann ist es eben keine Musik, anstatt sich in ein elitäres Licht zurück und bei jeder Gelegenheit den intellektuellen Zugang abzusprechen.

Möglicherweise ändere ich meine Meinung irgendwann, ich halte aber den Kram, den Gulda zeitweise gemacht hat oder so Sachen wie Ligetis Volumina trotzdem für Schrott und glaube nicht, dass serielle Musik eine andere Befriedigung geben kann, als mathematisch auszuklamüsern, was da wann passiert.
Vielleicht ändere ich dazu meine Meinung irgendwann. Aber auch Genies können mal Ausschuss produzieren. Von Schrott zu reden, ist in dem Falle sicherlich übertrieben, trotzdem würde ich behaupten, dass beispielsweise Beethovens 22. Klaviersonate nicht die gleiche Qualität hat wie die Vorgängerin und Nachfolgerin, Wellingtons Sieg hat sicher bei Weitem nicht die Qualität seiner 7. Sinfonie.
 
Ein Kommilitone von mir hat seinerzeit in einer Prüfung einfach irgendwas improvisiert und das als Komposition des finnischen Komponisten Soundso ausgegeben.

Die Kommission fand das Stück sehr interessant und staunte, dass sie diesen vielversprechenden Komponisten noch nicht kannte.
 
Ein Kommilitone von mir hat seinerzeit in einer Prüfung einfach irgendwas improvisiert und das als Komposition des finnischen Komponisten Soundso ausgegeben.

Die Kommission fand das Stück sehr interessant und staunte, dass sie diesen vielversprechenden Komponisten noch nicht kannte.

Erinnert mich an:
"Zieh den Stecker raus, das Wasser kocht"
von Ephraim Kishon, 1965

Grüße
Häretiker
 
Das hat ja auch bereits John Cage gezeigt, indem er Töne für seine Kompositionen u.a. erwürfelt hat. Damit hat er gezeigt, dass auf Zufall basierende Klangergebnisse nicht von streng nach Regeln konzipierter Musik (insbesondere die serielle Musik) zu unterscheiden sind.

Eine Reaktion darauf war dann in den 1960er-Jahren die Minimal Music, deren Protagonisten das Ziel verfolgten, dass das Gehörte mehr ist als das Komponierte - im Gegensatz zur seriellen Musik, in der das Gehörte weniger ist als das Komponierte.
Wenn das schon seit den 60ern bekannt ist, warum ist dieses Wissen bis heute nicht bei den großen Musikinstitutionen angekommen? Das Bubbles Stück wurde ja 2006 gefördert, und im deutschsprachigen Raum sieht die Situation heute meiner Meinung nach auch nicht viel besser aus.

Hätte die Erkenntnis, dass sich Avantgarde-Musik kaum von beliebigem Geklimper unterscheiden lässt, nicht längst eine Revolution in Neue-Musik-Kreisen auslösen müssen?
 
Die Sache ist etwas komplizierter. Ich versuche es mal zu erklären:

Während der Zeit der großen Diktaturen (Deutschland / H..ler, Sowjetunion / Stalin) war Musik so sehr im Leben der Menschen verankert, dass sie zu politischen und ideologischen Zwecken missbraucht werden konnte. Das hatte z.B. in Deutschland seinen Ursprung in der Jugendmusikbewegung, wo in den 1920er-Jahren gemeinschaftliches Singen als gemeinschaftsfördernd betrachtet wurde. Die Nationalsozialisten brauchten das nur zu übernehmen und ihren ideologischen Stempel daraufzusetzen, und schon fand ein Missbrauch von Musik statt, die im Leben der Menschen ihren Platz hatte.

Nach den Diktaturen und Katastrophen des 20. Jahrhunderts (also ab 1945) wollten sehr viele Künstler (aber auch Musikwissenschaftler und Philosophen wie z.B. Adorno) nie wieder zulassen, dass Musik auf diese Weise missbraucht werden kann - es kam zum Prinzip des l'art pour l'art, der Idee einer Musik, die nur um ihrer selbst willen existiert, möglichst unemotional, abstrakt und unsinnlich.

Welcher Musikstil bot sich dafür an? Man knüpfte an die Zwölftonmusik an, wandte deren auf Tonhöhe bezogenes striktes Ordnungsprinzip auch auf die anderen musikalischen Parameter (Tondauer, Dynamik, Klangfarbe) an, und damit war die serielle Musik geboren. Als Reaktion auf den politischen Missbrauch der Musik hat sie ihre Daseinsberechtigung, natürlich auch als quasi-mathematisches Experimentierfeld. Aber sie rief eben auch Gegenreaktionen hervor, wie z.B. die Musik von Cage oder auch die Minimalisten.
 
Zuletzt bearbeitet:

Nach den Diktaturen und Katastrophen des 20. Jahrhunderts (also ab 1945) wollten sehr viele Künstler (aber auch Philosophen und Musikwissenschaftkler wie z.B. Adorno) nie wieder zulassen, dass Musik auf diese Weise missbraucht werden kann - es kam zum Prinzip des l'art pour l'art, der Idee einer Musik, die nur um ihrer selbst willen existiert, möglichst unemotional, abstrakt und unsinnlich.
Du meinst also, da haben sich Leute entschieden, um etwas vor Missbrauch zu schützen, seinen Kern zu zerstören? Entkernte Musik. Traurig. Ich dachte, die machen das, um was auszuprobieren, könnt ja was draus werden, und vielleicht was gutes. Eben weil es alles schon gibt, geht man halt auf die Suche nach einer Blauen Blume.

Da könnt man sich ja auch nen Strick nehmen, weil das Leben lebensgefährlich ist. Oder sich die Zunge herausschneiden, weil die Sprache benutzt wird, um Lügen zu verbreiten.

Heute, da jeder Hans mit seinem PC beliebige Töne zusammenstoppeln kann, selbst ich, der ich nicht mal Hans heiße, ist wahrhaftige Musik nur diejenige, die man selbst macht oder sie jemanden machen hört, im gleichen Raum, mit Equipment, das man genauso gut kennt wie ersiës. Also Youtube und so fällt flach. Was man da hört, ist im Zweifel unwahrhaftig.

Meinen Amusikthread letztens hab ich eigentlich nur mit allerhand Understatement unterlegt, um vorzubauen, dass man sich unnötig echauffiert über Selbstverständlichkeiten. Da ging es drum, Tonfolgen zu würfeln, die fragmentweise auch in echter Musik vorkommen könnten. Schon da ich gezeigt habe, dass das geht, dass das jeder machen kann, selbst ich, ist auch Bubbles Amusik für mich: eine Ersatz-Insprationsquelle für Übungen motivisch-thematischer Kompositionsarbeit, damit man nicht selbst klimpert a.k.a. schon mal gehörtes wiederkäut.
 
Du meinst also, da haben sich Leute entschieden, um etwas vor Missbrauch zu schützen, seinen Kern zu zerstören? Entkernte Musik. Traurig.

Oh, Du kennst den Kern der Musik. Wo siehst Du den denn? Könntest Du akzeptieren, dass den andere woanders sehen?

Da könnt man sich ja auch nen Strick nehmen, weil das Leben lebensgefährlich ist.

Das wäre eine Extremform von Eskapismus und kann vorkommen.

Es gibt harmlosere Eskapismusmechanismen (Wow! Das auf "dreifacher Wortwert"!): Musik machen, in Foren abhängen, Swingerclub, lustige Sachen rauchen, Modelleisenbahn, ...

Heute, da jeder Hans mit seinem PC beliebige Töne zusammenstoppeln kann, selbst ich, der ich nicht mal Hans heiße, ist wahrhaftige Musik nur diejenige, die man selbst macht oder sie jemanden machen hört, im gleichen Raum, mit Equipment, das man genauso gut kennt wie ersiës.

Kenner der elektronischen Musikszene wehren sich allerdings gegen die Idee, auf diese Weise (ein paar Knöpfe drücken, ein paar Tracks zusammen kloppen) Musik zu machen. Man kann auch kreativ alleine mit der DAW Musik machen.

Grüße
Häretiker
 
Oh, Du kennst den Kern der Musik. Wo siehst Du den denn? Könntest Du akzeptieren, dass den andere woanders sehen?
Resonanz. Wenn Menschen zusammenfinden, ist das Ausdruck gleicher Wellenlänge. Also, von spontanen Schlägereien vielleicht abgesehen. Und wenn Musik und mein Gefühlsklima gleichschwingt, läuft mir schon mal ein Schauer über den Rücken. Musik dagegen, die unsinnlich ist, unemotional und abstrakt, kann somit gar nicht wollen, dass Leute sie gerne hören. Vielleicht nur Musikkritiker, die für den Künstler ein gutes Wort einlegen sollen. Ich möchte mal ein Leut erleben wo sich Lapurla-Avantgardemusik gerne und oft einschmeißt, und nur diese, kein chemisches Zeug dazu und auch dann, wenn niemand dabei ist. Okay, das widerspricht sich.

Nein natürlich gibt es Leute, die sich sowas reinpfeifen. Selbst ich hab mal Bock auf Tapfersein. Manche essen auch Schokolade mit 99% Kakaogehalt, sonst würde sie wohl ned in den Regalen stehen.
 
Man kann das mit einem Ausspruch von Herrn Pletnev (allerdings in einem etwas anderen Zusammenhang) zusammenfassen:
Zu viele Experimente, zu wenig Ereignisse.
 
Ich möchte mal ein Leut erleben wo sich Lapurla-Avantgardemusik gerne und oft einschmeißt, und nur diese, kein chemisches Zeug dazu und auch dann, wenn niemand dabei ist. Okay, das widerspricht sich.
Ich weiss zwar nicht, was Du mit Lapurla hier meinst und den Begriff Avantgarde mag ich in Bezug auf Musik auch nicht, aber ein gutes Glas Wein, Kopfhörer über die Ohren und in die Musik eintauchen - natürlich zeitgenössische. Ganz wunderbar, um den Tag zu beschliessen. Kannst gerne mal zum gemeinsamen Hören vorbeikommen. Und wenn Dir Wein zu chemisch sein sollte, auch gerne bei einem Glas Wasser...
 
Alles dreht sich am Ende doch um die Erwartungshaltung, die der Hörer der Musik entgegenbringt. Will er Gewohntes hören, hört er triviale Musik, muss dann halt damit leben, dass er da routinierte Fließbandarbeit bei ner Fluppe im Mundwinkel eben mal so runterproduziert vorgesetzt bekommt, Musikperformances, bei der vorallem das Auge zuhört, äh, zusieht ("Awww, weißt du Henriette, dieser Flo, der hat mich eben angeguckt, mich!, mir wird ganz warm ums Herz!").

Will er ein Überraschungsfeuerwerk, ist auch das nur einen Mausklick entfernt, muss aber mit der Möglichkeit der enttäuschenden Erkenntnis leben, dass der eigentliche "Künstler" ein unbedarftes Kind am Klavier war, oder gar eine Software, die auf ein un- oder zumindest nicht an real existierenden Werken trainiertes neuronales Netzwerk, oder einfach auf Markovkettenstrukturen zurückgreift. Ob auch Musik der ersteren Art so produziert werden kann, soll für mein Argument keine Rolle spielen, gell.

Die zeitgenössische Musik, die du, @Kalivoda, mir bei einem Besuch zu hören geben würdest und bei der ich nicht mir die Ohren zuhaltend das Weite suchte, dürfte sich wohl zwischen diesen Polen bewegen. Dein Angebot hat was, der Weg dürfte mir aber durchschnittlich zu weit sein, und war vermutlich eh nicht ernstgemeint.
 
...nie wieder zulassen, dass Musik auf diese Weise missbraucht werden kann - es kam zum Prinzip des l'art pour l'art, der Idee einer Musik, die nur um ihrer selbst willen existiert, möglichst unemotional, abstrakt und unsinnlich.

Hmm, dann weicht diese Richtung in der Musik aber stark vom sonstigen Begriff des l'art pour l'art ab, bei dem sich zwar des Zwecks entledigt wurde, aber eher, um einem reinen Ästhetizismus zu fröhnen. Dazu passt serielle genauso wenig wie Zwölftonmusik. Sind die überhaupt nicht schon nach dem ersten Weltkrieg, vielleicht als Begleiter des Futurismus, entstanden? Während im Neoklassizismus noch tonal komponiert wurde?

Oh, Du kennst den Kern der Musik. Wo siehst Du den denn? Könntest Du akzeptieren, dass den andere woanders sehen?

Na, wo siehst Du ihn denn? Wat jibts denn noch außer Ästhetik/Intellekt + Emotion + Trance in der Musik?

Zum Ausgangsthema: So wie de Boer das auf seiner Website beschreibt, war das kein 'Prank' (BTW, Merda d'Artista war auch keiner, da wurde nicht einmal getäuscht), sondern sein Versuch, der zeitgenössischen Musik einen Stups in die seiner Meinung nach richtige Richtung zu geben (keine Angst vor Tonalität, Harmonie etc.), wie er in seinem Aufsatz 'Busonis Garten' beschreibt.

Beim Stück kam Verschriftung und Instrumentzuordnung übrigens nicht von den Kindern, da war also seine fachkundige Hand am Werk beteiligt, und die gezeigte Version ist elektronisch aus den Noten gerendert (Musescore in aller Pracht, nehme ich an, har har).

Die Frage bleibt - wenn eine Expertenkommission ein zufälliges nicht von einem richtigen Werk unterscheiden kann, was sagt das über die Musikrichtung aus?

Cee
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Frage bleibt - wenn eine Expertenkommission ein zufälliges nicht von einem richtigen Werk unterscheiden kann, was sagt das über die Musikrichtung aus?
@Cee die Frage nach der Richtung des Gegenstands wundert mich jetzt, ich hätte eher erwartet, dass gefragt würde, was das über die Expertenkommission sagt ;-) (wobei ich fürchte, dass letzteres nichts grandios Neues erbracht hätte, zumal Weinexperten wie man sagt schon mal Aldiwein (1,99) für besser als irgendein Nobelgewächs gehalten haben sollen (beim blind kosten))
 

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