Wiedereinstieg: effizientes, effektives und systematisches Lernen?

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brennbaer

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Hallo zusammen,

ich bräuchte mal Euren sach- und fachkundigen Rat.

Zuvor aber erst mal "kurz" ein paar Worte über mich.
Ich bin bereits seit 1 1/2 Jahren Mitglied, bislang jedoch nur als stiller Mitleser dabei.
Schon länger hatte ich den Wunsch, als spätberufener Wiedereinsteiger das Klavierspielen zu erlernen.
Etwa zur gleichen Zeit hatte ich mir ein Masterkeyboard besorgt.
Da meine Platzverhältnisse im Arbeitszimmer (und nur da kann ich das Piano aufstellen) recht beengt sind, lautete das Motto: ständiger Auf- und Abbau nebst Anschließen an den Rechner, etc., was bei einem sperrigen 25kg-"Ungetüm" und "isch hab' Rücken" die Übungsmotivation doch arg schmälerte.
Soll heißen, dass ich, obwohl ich vor gut 1 1/2 Jahren eingestiegen bin, nicht so weit bin, wie ich bei regelmäßigerem Üben sein könnte.
Richtig ernsthaft übe ich nun seit ca. einem halben Jahr, nachdem ein Digi-Piano eingezogen ist.

Mein musikalischer "Werdegang" lässt sich wie folgt beschreiben:
ca. im Alter von 8 - 12 Klavierunterricht, wg. Umzug bei zwei verschiedenen Lehrerinnen.
Den Unterricht bei beiden empfand ich, soweit ich mich erinnern kann, als recht dröge.
Ob's wirklich an mir, meinem damaligen Desinteresse an klassischer Musik, am Unterricht selbst oder gar einer unglücklichen Kombination aus allem lag, kann ich nicht sagen. Ist ja auch schon sehr lange her.
Man ging in die Klavierstunde, es wurde gezeigt, wie man was spielen musste, übte dies mit der Lehrerin und wurde mit Hausaufgaben nach Hause geschickt. Es wurde geübt, nach einer Woche ging's wieder zum Unterricht, usw.
In meiner Erinnerung lief das alles immer sehr starr ab.
Es wurden z.B. keine Hintergrundinformationen über die Stücke vermittelt, es wurde auch nicht gefragt, ob einem die ausgewählten Stücke überhaupt gefallen, ob man lieber etwas anderes spielen möchte.
Musiktheorie, Harmonielehre? Habe ich erst viel später, als ich schon lange keinen Unterricht mehr hatte, überhaupt etwas von gehört.
Man hätte natürlich die Lehrerinnen darauf ansprechen können, aber als kleiner Steppke ist man da in den seltensten Fällen schon so selbstbewusst, wenn man denn überhaupt schon so weit ist, um zu wissen, was man überhaupt möchte. Aber das geht ja nur, wenn man überhaupt vermittelt bekommt, was es so alles zu entdecken geben könnte.
Wie auch immer, bei einem neuerlichen Umzug wurde das Klavier nicht mitgenommen.
Damit hatte es sich dann auch mit der Pianistenkarriere. :dizzy:

Als Teenager (so zwischen 13 und 16) hatte ich dann noch des öfteren bei einem Freund immer wieder mal auf der Orgel gespielt, was ich zu der Zeit als interessanter empfand als das Piano. Allerdings hatte sich gleichzeitig das Hauptinteresse bereits in Richtung Tennis verlagert, so dass ich, obwohl mir das Orgelspiel eigentlich Spaß gemacht hatte, nie das große Bedürfnis verspürt hatte, dort einzusteigen.
Jedoch bin ich der Meinung, dass diese sporadischen Versuche an der Orgel geholfen haben, die Finger nie ganz einrosten zu lassen.
Das merke ich selbst jetzt noch, als mir bei einer "Ausmist-Aktion" ein paar meiner alten Klavierbücher (u. A.: W.Schneider, "Die Klavierfibel") unter die Finger kamen und interessanterweise sich mein Fingergedächtnis bei manchen Stücken, vor allem bei denen, die mir damals schon etwas mehr Spaß gemacht hatten, auf Anhieb relativ leicht tut.

Soviel zu meiner ersten Musikerkarriere.

Mein zweiter Klavier-Frühling gestaltet sich wie folgt:
Alter: 53...(Oje, wie die Zeit verfliegt :cry2: )
Wie gesagt, angefangen vor ca. 1 1/2 Jahren, richtig ernsthaft erst seit einem guten halben Jahr.
Geübt wird mind. an 5 Tagen die Woche, jeweils mind. eine Stunde. (Erstaunlich, wie schnell die Stunde rum ist, wenn man Spaß an einer Sache hat. Wenn ich mehr Zeit habe, ertappe ich mich dabei, dass ich nur mal kurz was üben wollte und plötztlich sind fast zwei Stunden vergangen.)
Notenlesen klappt recht gut, nur in den ganz tiefen und hohen Lagen, muss ich schon mal "Linien zählen".

Als Literatur habe ich mich urprünglich mit "Die Russische Klavierschule" (mit CD, um einen Vergleich und Anhaltspunkt zu haben, wie es klingen soll) versorgt.
Da muss ich allerdings sagen, dass diese nur bedingt für's Selbststudium geeignet ist. Und da auch nur, wenn man über Vorkenntnisse verfügt, also eher etwas für Wiedereinsteiger, aber m. M. n. nichts für komplette Anfänger.
Sie ist halt doch sehr auf das klassische Lernsystem mit Lehrerbegleitung ausgelegt.
Was mir daran gefällt, ist, dass das vierhändige Spiel früh thematisiert wird. Da ist es recht hilfreich, dass von diesen Stücken die Secondo Parts in den CDs enthalten sind.
Auch die Auswahl der Stücke finde ich recht interessant; ich weiß nicht, ob ich seinerzeit als Kind so richtig davon begeistert gewesen wäre...:konfus:
Aufgefallen ist mir übrigens, dass der Anspruch und Schwierigkeitsgrad in der "Russischen Klavierschule" recht schnell steigt.
Beide Bände als blutiger Anfänger innerhalb von zwei Jahren bewältigt zu haben, wie auf dem Umschlag in Aussicht gestellt, erscheint mir recht ambitioniert .

Zusätzlich zur "Russischen Klavierschule" hatte ich mir die zwei Hefte von "John W.Schaum - Fingerkraft" besorgt.

Bis vor 5-6 Wochen habe ich hauptsächlich mit diesen Büchern gearbeitet.

Da wie erwähnt, die "Russische Klavierschule" m.M.n. doch eher auf den Klavierunterricht mit Lehrer abzielt, habe ich mich nach Literatur umgeschaut, die eventuell doch etwas besser für's Selbststudium geeignet sein könnte.
Habe dabei die Erfahrung gemacht, dass es eigentlich in jeder Klavierschule irgend etwas gibt, was man so in einer anderen nicht vermittelt bekommt. Aber man kann ja deshalb nicht plötzlich mit dutzenden Büchern anfangen.

Jedenfalls kristallisierten sich für mich als Alternativen für die "Russische Klavierschule" zum einen Uli Molsens "Erleben - Verstehen - Lernen Klavierschule für Erwachsene" und zum anderen Heumanns zweibändiges "Klavierspielen - Mein schönstes Hobby" heraus.
Letztendlich entschied ich mich für "Klavierspielen - Mein schönstes Hobby" als "Hauptlernliteratur", weil es einerseits mir umfangreicher erschien und andererseits mit den CDs eine nicht zu unterschätzende Hilfe für Autodidakten bietet.
Da aber im Uli Molsen-Buch ebenfalls Sachen drinstehen, die mir weiterhelfen, habe ich bei einer passenden Gelegenheit ein günstiges Exemplar im Antiquariat gekauft.

Aktuell arbeite ich den ersten Band vom Heumann ein bißchen im Schnelldurchlauf ab.

Wie gesagt, kürzlich fielen mir ein paar meiner alten Bücher unerwarteterweise in die Hände: "Willy Schneider - Die Klavierfibel", "Der praktische Czerny - Band2 (3722), sowie "Diabelli, Opus 149, Klavier zu 4 Händen". Mehr haben wohl nicht "überlebt".
Bin nun unschlüssig, ob ich diese Bücher irgendwie in den Lernprozess integrieren soll.

Das ist also meine Ausgangssituation; was ich in den vergangenen ca. 18, verstärkt und richtig ernsthaft 6 Monaten, getrieben habe.

Was mir nun ein gutes Stück weit fehlt, ist eine Systematik für meinen Selbstunterricht.
Ich setze mich ans Klavier, arbeite die Übungen der Klavierschule ab (abarbeiten ist hier keinesfalls negativ gemeint).
Wenn ich das Gefühl habe, dass ich etwas Abwechslung brauche, nehme ich mir den Schaum und mache Fingerübungen.
Oder ich picke mir ein Stück aus "Piano Step by Step - Etüden", was ich ebenfalls aus dem Antiquariat mitgenommen hatte, heraus und versuche mich daran.

Aber das ist, wie man vielleicht schon erkennen kann, alles etwas unorganisiert und recht beliebig.

Habt Ihr vielleicht ein paar Tipps für mich, wie ich meine Übungseinheiten sinnvoll(er) gestalten kann?
So im Sinne von: so und soviel Zeit für die Klavierschul-Literatur, so viel Zeit für Fingerübungen, soviel für Stücke neben der Klavierschule, etc....
Einfach, um die Zeit am Piano effizienter und effektiver zu nutzen.

Mein mittelfristiges Ziel ist, nicht nur klassische Stücke zu spielen, sondern auch zeitgenössisches aus Pop/Rock, Blues, etc., auch mal 'nen Ragtime...
So von allem etwas, eben. :)

Wäre es ratsam, eventuell die "Russische Klavierschule" und ""Klavierspielen - Mein schönstes Hobby" parallel durchzuarbeiten?
Oder, da "Klavierspielen - Mein schönstes Hobby" mittlerweile meine Hauptliteratur ist, vielleicht einfach nur ausgewählte Stücke aus der "Russischen Klavierschule" zusätzlich zu lernen.
Oder ausschließlich beim Heumann (als Klavierschule) zu bleiben und nebenbei einfachere Bearbeitungen von Stücken aus den genannten Genres zu erlernen, um sich auf diese Weise nach und nach ein bescheidenes Repertoire zu erarbeiten?

Was mir auch nicht so ganz klar ist: wie gut sollte man die einzelnen Stücke der Klavierschule beherrschen?
Wie gut sollte man die jeweiligen Übungen beherrschen, damit man sie "abhaken" und zur nächsten übergehen kann?
Also z.B.:
Fehlerfrei vom Blatt ohne auf die Tasten zu schauen?
Oder auswendig ohne auf die Noten zu schauen?
Oder blind, ohne auf die Noten und/oder die Tasten zu schauen?
Fehlerfrei im Zieltempo mal Faktor X spielen können?
Wie anfangs erwähnt, habe ich keine Probleme damit, Noten zu lesen, sofern es nicht in die ganz tiefen/hohen Lagen geht.
Auch wenn es darum geht, die Tasten im "anfängerkompatiblen Tonraum", also ohne große Sprünge, zu treffen, ohne ständig auf die Tastatur schauen zu müssen, komme ich ganz gut klar.
Daraus resultiert, dass ich zumindest bei einfacheren Stücken selten auf die Tastatur und meine Finger schaue und stattdessen mit den Augen auf den Noten klebe.
Sollte ich also versuchen, auch die ganz einfachen Stücke auswendig zu lernen?
Oder wäre dies bei den einfachen Stücken vergeudete Zeit- und Hirnkapazität?
Zeit und Hirnschmalz, was man lieber ins Erlernen anspruchsvollerer Stücke, quais zur Repertoirebildung investieren sollte?

Ich hoffe, ich habe Euch mit dem langen Text nicht zu sehr gelangweilt und der eine oder andere hat bis zum Schluss durchgehalten.;-)

Ich würd' mich jedenfalls sehr freuen, wenn Ihr mir den einen oder anderen Rat/Tipp geben könntet :-)

Ich sage schon mal Danke
 
Hallo, brennbaer!

Also wenn du so viel übst wie du schreibst bist du bald ein Weltklasse-Pianist. :super:
Großartige Tips kann ich dir nicht geben - bin Anfänger und spiele viel auswendig. Ich denke es kann nicht schaden wenn man das eine oder andere Stück auch ohne Noten spielen kann.

Gruß Stoni!
 
Na dann herzlich willkommen im Forum. Rat/Tipps erhältst Du bestimmt von den Könnern hier im Forum. Ich wünsch Dir auf jeden Fall viel Spaß an den Tasten... :super:
 
Danke für die netten (Willkommens)worte :)

Also wenn du so viel übst wie du schreibst bist du bald ein Weltklasse-Pianist. :super:
Dann will ich mich mal ranhalten, damit es mit der späten Pianistenkarriere doch noch klappt...:coolguy:

Wenn da nur nicht diese ominöse 10.000 Stunden-Regel wäre. Entweder ich erhöhe mein Pensum um den Faktor 10, dann könnt's in 3 Jahren mit den Freikarten für mein erstes Konzert in der Elbphilharmonie für alle, die sich an diesem Thread beteiligen, klappen.;-)
Oder Ihr geduldet euch halt noch 20 - 30 Jahre. :schlafen:
Aber versprochen ist versprochen :super:
 
Mit der Schneiderschen Klavierfibel hab ich auch angefangen, als Kind und mit strenger Lehrerin.
Das Heft steckt bestimmt irgendwo in meinem Elternhaus in einer Kiste. Ich vermute aber, auch wenn ich vieles aus der Zeit verdrängt habe, dass sich die Fibel nur bedingt zum Selbstlernen eignet. Aber wenn Du darin Stücke findest, die Du magst, spiel sie ruhig ab und zu mal.
 
Danke,
oje, strenge Lehrerin...

Dass meine streng in der Art gewesen wären, dass man sich vor ihnen gefürchtet hätte, kann ich nicht sagen. Respekt hatte man natürlich.
Aber das hatte man vor vierzig Jahren als Kind vor Erwachsenen sowieso.;-)

In meiner Erinnerung waren die Stunden, wie soll ich's ausdrücken? Monton und uninspirierend trifft's vielleicht am besten.
Die Stücke wurden halt so gespielt, wie es in den Angaben auf den Noten vorgegeben war.
Richtiges Tempo, hier piano, hier forte, dort mezzoforte, etc.
Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass auch mal vermittelt worden wäre, wie man Gefühle und Stimmungen in die Stücke bekommt. Und was so hinter der Musik steckte. War halt alles sehr mechanisch, wenn ich aus heutiger Sicht betrachte.
Auch Dinge, auf die heutzutage bei der Musikschulung von Kindern anscheinend großer Wert gelegt wird, wie Gehörbildung, Rhythmustraining und ähnliches, einfach damit die Kleinen überhaupt erst mal ein Gefühl für die Musik bekommen, fanden bei mir nicht statt.
Die Frage wäre hier, ob sowas damals überhaupt an der Tagesordnung war.
Keine Ahnung, vielleicht waren das ja teilweise auch die Ursachen, warum ich damals nicht so richtig Spaß an der Sache hatte.

Meine Frage war ja, wie bereits im Eröffnungsbeitrag geschrieben, dass ich so einigermaßen auf dem Schlauch stehe und unsicher bin, wie ich meine Übungseinheiten effizient und systematisch gestalten soll. Welchen Raum sollen die Stücke aus der Klavierschule einnehmen, welchen die Fingerübungen, was soll ich zusätzlich ins Program aufnehmen? Eine weitere Klavierschule, doch lieber "freie" Stücke zur Repertoirebildung, oder....?
Wie intensiv sollen/müssen die Stücke aus der Klavierschule beherrscht werden?
Naja, die Fragen habe ich ja schon im ersten Beitrag gestellt, habe sie hier nur noch mal kurz zusammengefasst
 
Zuletzt bearbeitet:
Ha! Genau mein Thema. :-)Ich habe da vor einiger Zeit schon mal einen Thread mit dem Titel Spiel-/Übetechniken für Ältere eröffnet. Da ging es mir auch um effizientes Üben, neben einigen anderen Sachen. Im Grunde genommen habe ich mir dieselben Fragen gestellt wie Du hier jetzt zu Anfang.

Man hat ein paar Vorkenntnisse, aber wie macht man es richtig? Ich war da einfach unsicher. Ich habe allerdings einen Klavierlehrer, der m.E. hervorragend ist, und der hilft mir sehr.

Was ich jetzt mache, ist folgendes: Zum Aufwärmen spiele ich ein mir bekanntes Stück. Bei mir ist das jetzt das G-Dur-Menuett aus dem "Notenbüchlein für A. M. Bach". Danach beschäftige ich mich mit dem aktuellen Stück, bei mir zur Zeit die 1. Clementi-Sonatine. Dann mache ich noch ein paar Übungen aus dem Hanon, um die Geschmeidigkeit der Finger zu erhöhen.

Meistens ist da schon locker eine Stunde oder mehr vorbei. Aber falls ich noch Zeit habe, spiele ich vielleicht zum "Abwärmen" noch das C-Dur-Präludium von Bach. Das habe ich mal vor Jahren gelernt, und das spiele ich quasi im Schlaf.

Das Auswendiglernen ist für mich keine getrennte Tätigkeit, das geht automatisch beim Üben. Ich übe jedes Stück erst mit getrennten Händen, also erst die rechte Hand, dann die linke Hand, bis ich die Hände separat recht flott spielen kann. Dabei lerne ich das Stück ganz von selbst auswendig. Dann füge ich die Hände zusammen, spiele natürlich erst etwas langsamer und mit der Zeit dann immer schneller. Das geht auch besser, wenn man auswendig spielt, habe ich festgestellt.

Ach ja, ich übe in kleinen Abschnitten, also immer nur einen Takt mit der ersten Note des nächsten Taktes. Wenn man das ein paarmal wiederholt, bis man es schneller spielen kann, kann man es auswendig. Da möchte ich mal jemand sehen, der sich dagegen wehren kann. :coolguy:

Klavierschule habe ich keine, deshalb kann ich dazu leider nichts sagen. Ich übe nur mit Stücken, die ich mag, und mit den Übungen, die mein Klavierlehrer mir gibt.
 
Willkommen im Forum und im "Club" der Wiedereinsteiger.
Da reihe ich mich schon mal in die Anwärterschlange für die Elphi ein ;-)

Zu den Fingerübungen hab ich auch zum Anfang der Übezeit ganz banal die Tonleitern im Programm. Um nicht wie vor 50 Jahren beim Anblick eines zweiten Vorzeichen in Panik auszubrechen. Funktioniert.

Stimmt, ich bekam früher auch immer gesagt: erst wenn Du richtig spielen kannst (was auch immer damit gemeint war) kannst Du es Dir leisten "Gefühl" reinzubringen. Vorher ist das Firlefanz. Heute genieße ich es, die Noten "klingen" zu lassen. In der Hinsicht gibt es in jedem Stück immmer noch was Neues und noch was...zu entdecken. Lieber langsam und tief als zu schnell abgehakt. (Wehe man bekam früher ein Stück zu oft auf!)

Das Lernen selber - und ganz besonders das autodidaktische Lernen - ist ein recht individueller Prozeß. Für eventuelle Übungsstücke gibt es einen Faden, wenn ich mich richtig erinnere. Wie DU es am besten angehst, das müßtest Du erspüren. Brauchst Du die Fingerübungen zum Warmspielen oder bringen sie Dir mehr als Einlage zwischen zwei Stücken?
Ausprobieren!

Am besten fahre ich persönlich mit der Reihenfolge
Tonleitern (alle paar Tage eine neue dazu), Fingerübungen, bei denen ein oder mehrere Finger auf den Tasten liegen bleiben, ein leichtes Stück (Burgmüller) und dann im gesteigerten Schwierigkeitsgrad.
Zum Schluß Stücke von ganz früher, die ich mal konnte und neu angehe.
Sonatinen, Tänze..je nach Zeit, die zur Verfügung steht.
Klavierschule benutze ich keine.

Liebe Grüße und viel Freude am Klavier
Barbara
 
Hallo @brennbaer ,

willkommen im Club der Spät- wiedereinsteiger. Ich habe, ähnlich wie Du, nach langer Pause mit 61 wieder angefangen Klavier zu spielen. Ich spiele mich auch kurz mit Fingerübungen warm, danach 1 bis 2 Stücke aus meinem Repertoire dann kommen die neuen Stücke dran, ich übe meist paralell 2 komplett verschiedene Stücke, meist eine Ballade oder klassisches Stück und dann einen Boogie oder Ragtime. Ich übe meine neuen Stücke mehrmals täglich, zuletzt kurz vor dem Schlafen gehen.

Ich wünsche Dir viel Spaß und Erfolg

Ursula
 
Hallo und danke für eure Beiträge :-)

seht es mir bitte nach, wenn ich bei meinen Erwiderungen und Anmerkungen zu Euren Antworten nicht immer ganz konkret den jeweiligen Absender anspreche, auch wenn ich dies in einzelnen Fällen tue. Es soll nicht als Geringeschätzung der nicht direkt Angesprochenen verstanden werden.

@Annaklena:
danke für den Hinweis auf Deinen Thread. Habe gerade eben die ersten beiden Seiten gelesen und ihn direkt mal auf "beobachten" gesetzt.
Wenn ich schon dabei, möchte ich Dir in einem, was Du dort sagst, vehement widersprechen. "Altwerden" ist nicht Mist. Ich möchte ehrlich gesagt so alt wie nur irgend möglich werden.
Was Mist ist, sind die Nebenwirkungen des Altwerdens, vor allem das Altern. Das finde ich im Gegensatz zum alt werden ziemlich besch...eiden...:schweigen:
;-)

Der allgemeine Tenor scheint ja dahingehend zu lauten, dass Ihr eher weniger Zeit mit Fingerübungen verbringt. Also keine exzessiven "Geläufigkeitsübungs-Marathons", sondern eher vielleicht ca. 5 Minuten zum warm werden.
Dann die meiste Zeit neue Stücke erarbeiten und zum Schluss ein paar bereits erlernte Stücke aufwärmen.

Den Rat, neue Stücke langsam, teilweise quälend langsam zu üben, wenn's sein muss auch mal mit 20 oder10 bpm und zur Not noch langsamer, habe ich mir bereits beim Wiedereinstieg zu Herzen genommen und angewöhnt.
Bringt ja nichts, wenn man hektisch und voller Fehler durch die Stücke brettert.

Auch der Hinweis, dass man Stücke rückwärts erlernen soll, hat mir sehr geholfen.
Ich hoffe mal, dass ich das mit dem Rückwärtslernen insofern richtig verstanden habe, dass man sich teilweise von den hinteren Takten zu den vorderen durcharbeitet. Und dass damit nicht gemeint ist, dass man die Stücke wie bei einem rückwärts laufenden Tonband spielen soll.

Bei der Sache mit "rechte und linke Hand getrennt üben" komme ich bei manchen Stücken/Passagen sehr gut zurecht, bei anderen wiederum tue ich mich da schwer. Es kommt immer so ein bißchen darauf an, ob sich linke und rechte Hand in der Melodie und beim Rhythmus (unter)stützen und/oder ergänzen, oder ob die eine Hand "lediglich" die Begleitung für die Melodie übernimmt.
Im ersten Fall bilden linke und rechte Hand irgendwie eine Einheit, wo es mir schwerfällt, sie getrennt voneinander zu betrachten/hören. Wenn nur eine Hand gespielt wird, fehlt einfach ein Stück der Melodie, da entstehen in meinem Kopf zu große Lücken im Melodie- und Zählfluss.
Im zweiten Fall sind linke und rechte Hand natürlich auch eine Einheit, doch lässt sich hier viel offensichtlicher rechte und linke getrennt spielen. Wenn die linke vor allem als Begleitung fungiert, kann sie auch mal weggelassen werden, ohne dass siginifikant etwas an der Melodie fehlen würde.
Ich weiß nicht, ob ich so einigermaßen vermitteln konnte, was ich meine.

Beim Auswendiglernen scheint es, zumindest für mich, zwei unterschiedliche Ebenen zu geben.
Die eine ist das von Annaklena erwähnte automatische Auswendiglernen während des normalen Übens.
Das funktioniert schon so einigermaßen, kommt bei mir aber nicht richtig im Oberstübchen an.
Damit meine ich, dass es für mich eine Art oberflächliches, rein körperliches Auswendiglernen ist. Also einfach nur ein Automatismus, der eher im Unterbewußtsein abläuft. Wie beim Schalten im Auto, wo man ja auch nicht ständig darüber nachdenkt: "1.: rechter Fuß vom Gas, 2.: Kupplung treten, 3.: Gang wechseln, 4.: Kupplung kommen lassen, 5.: Gas geben."
Beim körperlichen Auswendiglernen, ich denke, dass ist das, was man auch als Fingergedächtnis bezeichnet, habe ich das Problem, dass wenn ich beim Spiel rausfliege, ich völlig aufgeschmissen bin. Ich habe dann totale Probleme, bewußt an einer Selle wieder ins Spiel reinzukommen.

Die andere Ebene des Auswendiglernens bezeichne ich für mich als bewusstes Auswendiglernen.
Bei ein paar sehr leichten Stücken habe ich das mal ausprobiert.
Die Vorgehensweise, die ich mir erarbeitet habe, sieht so aus: nachdem das Stück vom Blatt mit kaum bis ohne Blicke auf die Tasten funktioniert, nehme ich mir einen einzelnen Takt (als Beispiel sage ich mal Takt 10) vor und spiele ihn bewusst mit konzentriertem Blick auf die Tasten und Finger. So lange, bis der Kontrollblick auf die Noten nicht mehr benötigt wird.
Dann kommt der Takt 9 an die Reihe, bis der auch alleine und ohne Notenblattblick funktioniert. Dann mache entweder bei Takt 8 weiter, oder bei Takt 11, dann evtl. bei Takt 7. Wenn dann 3 oder 4 Takte sitzen, versuche ich, diese am Stück, also in der richtigen Reihenfolge zu verinnerlichen.
Im Grunde versuche ich, das Stück in einzelne Puzzleteile (Takte) "auseinanderzudröseln" und mir durch das Hin- und Herspringen zwischen den Takten während des Auswendiglernens Einstiegspunkte zu schaffen. Wenn das Stück dann als Ganzes so einigermaßen sitzt, versuche ich als zusätzliche Übung, mir irgendeine Stelle im Stück vorzustellen und direkt am betreffenden Takt einzusteigen, um auf diese Weise die Rettungsanker zu verinnerlichen.
Das scheint ungemein zu helfen, einigermaßen unbeirrt weiterspielen zu können, wenn man sich mal derbe verspielt.
Etwas, das für mich beim rein automatisierten "Fingergedächtnis" eben nicht funktioniert. Da heißt es für mich: "biste erst mal raus aus dem Stück, dann biste aufgeschmissen, gehe zurück auf Start und beginne komplett von vorne!"
Ich weiß nicht, ob diese Vorgehensweise besonders sinnvoll ist, da sie doch recht zeitintensiv ist.
Gerade bei den technisch einfacheren Sachen, die nach relativ kurzer Zeit beim Vom Blatt spielen in den "Fingern sitzen", bin ich mir nicht sicher, ob sich der Aufwand lohnt, sie derart zeitaufwendig auswendig zu lernen, oder ob man diese Zeit nicht besser nutzen sollte, neue, technisch anspruchsvollere Stücke zu erlernen, um sich spieltechnisch schneller weiterzuentwickeln.

Wie haltet Ihr es eigentlich mit dem Grad der Beherrschung neuer Stücke?
Wie selbstkritisch und streng Euch selbst gegenüber seid Ihr?
Wann bewertet Ihr neu einstudierte Stücke als gut genug, um Euch guten Gewissens einem neuen Stück widmen zu können?
 
Den Unterricht bei beiden empfand ich, soweit ich mich erinnern kann, als recht dröge.
Ob's wirklich an mir, meinem damaligen Desinteresse an klassischer Musik, am Unterricht selbst oder gar einer unglücklichen Kombination aus allem lag, kann ich nicht sagen. Ist ja auch schon sehr lange her.
Man ging in die Klavierstunde, es wurde gezeigt, wie man was spielen musste, übte dies mit der Lehrerin und wurde mit Hausaufgaben nach Hause geschickt. Es wurde geübt, nach einer Woche ging's wieder zum Unterricht, usw.
In meiner Erinnerung lief das alles immer sehr starr ab.
Es wurden z.B. keine Hintergrundinformationen über die Stücke vermittelt, es wurde auch nicht gefragt, ob einem die ausgewählten Stücke überhaupt gefallen, ob man lieber etwas anderes spielen möchte.

Du hast ziemlich zur selben Zeit wie ich Klavierunterricht gehabt, es scheint so, dass dies damals der Unterrichtsstandard war. Mein Unterricht lief fast genau gleich ab. Allerdings war ich an klassischer Musik damals schon interessiert.

Wie haltet Ihr es eigentlich mit dem Grad der Beherrschung neuer Stücke?
Wie selbstkritisch und streng Euch selbst gegenüber seid Ihr?
Wann bewertet Ihr neu einstudierte Stücke als gut genug, um Euch guten Gewissens einem neuen Stück widmen zu können?

Meine Lehrerinnen sagen ständig, ich soll nicht so streng sein mit mir ;-)
Ich bin also selbst meine schärfste Kritikerin, abgesehen von meinen Kindern, die sind noch kritischer.
Gut genug kann man als Amateur ein Stück eigentlich nie, irgendwann muss man es einfach gut sein lassen.

Du hast jetzt eine Menge sehr hilfreicher Tipps bekommen. Trotzdem, ich werde nicht müde, es zu wiederholen: wenn es irgendwie möglich ist, zeitlich/finanziell, nimm dir Unterricht.

Ich habe nach 35jähriger Pause auf einem höheren Niveau als du wieder angefangen (8 Jahre Unterricht als Kind, Matura im Fach Musik mit Klaviervorspiel) und dachte auch, dass ich autodidaktisch weitermachen könnte. Zum Glück habe ich dann doch eine Lehrerin gefunden und kann rückblickend sagen, dass ich mir selber etliche schlechte Angewohnheiten beigebracht hätte, die mir gar nicht aufgefallen wären und gegen die ich noch immer ständig ankämpfen muss.

Erst gestern habe ich meiner KLin ein Stück vorgespielt, von dem ich dachte, ich könnte es schon einigermaßen, dabei war ich tw. völlig daneben, beim Rhythmus z.B.
 

was man auch als Fingergedächtnis bezeichnet, habe ich das Problem, dass wenn ich beim Spiel rausfliege, ich völlig aufgeschmissen bin. Ich habe dann totale Probleme, bewußt an einer Selle wieder ins Spiel reinzukommen.

Wenn ich ein Stück technisch einigermaßen beherrsche, neige ich dazu beim Spielen träumend aus dem Fenster zu schauen. Da fliege ich logischerweise ab und zu an unterschiedlichen Stellen aus dem Fingergedächtnis. Ich sehe es positiv: Ich übe damit den Wiedereinstieg und finde gute Einstiegspunkte. Wenn ich anderen beim Spielen zuhöre empfinde ich einen Patzer auch nicht schlimm. Wenn geschickt wieder eingesetzt wird stört das für mich nicht den Spielfluß. :super:
 
@Annaklena:
Wenn ich schon dabei, möchte ich Dir in einem, was Du dort sagst, vehement widersprechen. "Altwerden" ist nicht Mist. Ich möchte ehrlich gesagt so alt wie nur irgend möglich werden.
Was Mist ist, sind die Nebenwirkungen des Altwerdens, vor allem das Altern. Das finde ich im Gegensatz zum alt werden ziemlich besch...eiden.
Ja, da hast Du recht. So hatte ich es auch gemeint. Gesund und fit möchte ich auch gern so alt werden wie möglich. Aber nicht krank und siechend. Aber eins ist am Altwerden toll: Ich kann jetzt noch Klavierspielen lernen, habe noch eine Menge Zeit dafür. :-)

Der allgemeine Tenor scheint ja dahingehend zu lauten, dass Ihr eher weniger Zeit mit Fingerübungen verbringt. Also keine exzessiven "Geläufigkeitsübungs-Marathons", sondern eher vielleicht ca. 5 Minuten zum warm werden.
Mein Klavierlehrer sagt immer, Fingerübungen sind kein Selbstzweck. Sie sind nur ein ganz kleines Hilfsmittel von vielen. Man kann auch an einem Stück Geläufigkeit üben. Warmspielen kann man sich sehr gut mit einem Stück, das man schon kennt.

Die Hanon-Übungen, die viele ja hassen, mache ich deshalb ganz gern. Denn er sagt, es geht nicht darum, die ganze Übung durch sämtliche Oktaven zu spielen, sondern von jeder Übung nur den ersten Takt, damit man möglichst viele verschiedene Fingerabläufe ins Gehirn bekommt. So spiele ich zehn verschiedene Übungen in fünf Minuten. Das ist abwechslungsreich und bringt viel. Aber es langweilt mich nicht.

Den Rat, neue Stücke langsam, teilweise quälend langsam zu üben, wenn's sein muss auch mal mit 20 oder10 bpm und zur Not noch langsamer, habe ich mir bereits beim Wiedereinstieg zu Herzen genommen und angewöhnt.
Bringt ja nichts, wenn man hektisch und voller Fehler durch die Stücke brettert.
Nein, das bringt nichts. Aber wenn man sehr kleine Abschnitte spielt, kann man schon nach wenigen Wiederholungen sehr schnell werden und auf Originaltempo oder höher kommen. Dann muss man nicht sehr lang extrem langsam üben, sondern setzt die kleinen Abschnitte im schnellen Tempo zusammen. Macht mehr Spaß, finde ich, aber das ist Geschmackssache. Man kann ja auch nur die schwierigen Stellen in kleinen Abschnitten üben, und was man einfach so vom Blatt spielt, spielt man nicht noch separat, sondern eben nur im Zusammenhang.

Du sprichst viel von "Fingergedächtnis". Ich persönlich habe das Gefühl, ich habe überhaupt kein Fingergedächtnis, sondern nur ein Gedächtnis für die Melodie. Deshalb habe ich auch beim Rausfliegen kein Problem, wieder reinzukommen. Ich weiß immer, wo ich bin, weil ich die Melodie im Kopf mitsinge. Ich weiß gar nicht so genau, was ein Fingergedächtnis ist. Ich kann kein Stück nur mit den Fingern lernen, das läuft immer alles über die Melodie.

Wann bewertet Ihr neu einstudierte Stücke als gut genug, um Euch guten Gewissens einem neuen Stück widmen zu können?
Dann, wenn es mir langweilig wird. :-)Ob ich das Stück schon so gut kann, wie ich möchte, oder nicht. Wenn es anfängt, mich zu langweilen, suche ich mir etwas Neues.

Ich brauche immer mindestens zwei Stücke, an denen ich gleichzeitig arbeiten kann. Durch die Abwechslung kommt dann keine Langeweile auf. Aber ich spiele im Moment ja auch noch leichte Stücke. Also wenn die Stücke anspruchsvoller werden, reicht vielleicht auch eins, weil das Stück in sich abwechlungsreich genug ist.

Wenn man zu perfektionistisch ist und ein Stück erst "perfekt" können will, macht man es sich unnötig schwer, finde ich. Ich kann das Stück ja immer wieder spielen und immer wieder daran arbeiten, auch wenn ich schon an anderen Stücken arbeite. Ist ja nicht wie in der Schule, wo man einen Abschlusstest für jedes Thema schreiben muss, bevor man zum nächsten weitergehen kann. :-)

Ich glaube, da hat jeder so seine eigene Methode. Die einen sind eher zufrieden mit einem Stück, die anderen nie. Am besten ist wahrscheinlich so ein Mittelweg.
 
Ja, das mit dem "Fingergedächtnis" ist schon so eine Sache.
Vielleicht ist es eine gute Idee, so wie Du es machst, die Melodie mitzusingen.
Mein Problem ist aber, dass ich, zumindest bei meinem aktuellen Level, eher mit dem Zählen beschäftigt bin. Da bleibt dann nicht mehr viel Kapazität, auch noch in Gedanken mitzusingen.
Wenn ich mich statt auf's Zählen auf's Mitsingen konzentriere, habe ich das Problem, dass sich mein Spiel in Tempo und Rhythmik meinem inneren Gesang anpasst.
Leider ist dieser Gesang ohne Zählen gerne mal aus dem Takt :-(
(Deshalb ist es mir auch ziemlich schleierhaft, wie Sänger überhaupt den Takt halten können. Gleichzeitig zählen und singen erscheint mir recht unvereinbar)

Im Kopf hört sich das Spiel in dem Moment für mich trotzdem richtig gut an und ich freue mich wie Bolle, was für ein toller Tastenzauberer ich doch bin..:coolguy:

Da kommt dann aber mein schärfster und strengster Kritiker in Spiel.
Er nennt sich "Record/Play" ;-)
Das, was für Manuela ihre schärfsten Kritiker sind, nämlich die Kinder, ist für mich die Aufnahmefunktion.
Ich finde sogar, dass das Feedback einer objektiven Aufnahme noch einen Tick gandenloser ist, als wenn man "nur" gesagt bekommt, was man da gerade falsch gemacht hat, weil man dann völlig herausgelöst aus dem eigenen Kopf hört, wie sich das Spiel für andere anhört.

Also, wenn ich das Aufnahmeknöpfchen am Piano drücke und mir das Resultat anhöre, schlage ich auch schon mal recht unsanft auf dem Boden der Tatsachen auf, wenn mir Unregelmäßigkeiten, selbst gröbere, im Rhythmus oder in der Dynamik, die mir beim Spiel subjektiv nullkommanull aufgefallen sind, schonungslos präsentiert werden.

Das gleiche Stück mit Konzentration aufs Zählen klingt dann in der Aufnahme schon deutlich besser, noch besser wird's, wenn ich das Metronom, welches mir den Hauptanteil des Zählens abnimmt, mitlaufen lasse, weil ich mich dann verstärkt auf die Dynamik konzentrieren kann.
J
Dann, wenn es mir langweilig wird. :-)Ob ich das Stück schon so gut kann, wie ich möchte, oder nicht. Wenn es anfängt, mich zu langweilen, suche ich mir etwas Neues.

Wenn man zu perfektionistisch ist und ein Stück erst "perfekt" können will, macht man es sich unnötig schwer, finde ich. Ich kann das Stück ja immer wieder spielen und immer wieder daran arbeiten, auch wenn ich schon an anderen Stücken arbeite. Ist ja nicht wie in der Schule, wo man einen Abschlusstest für jedes Thema schreiben muss, bevor man zum nächsten weitergehen kann. :-)

Ich glaube, da hat jeder so seine eigene Methode. Die einen sind eher zufrieden mit einem Stück, die anderen nie. Am besten ist wahrscheinlich so ein Mittelweg.
Also wenn ich danach handeln würde, wann ein Stück anfängt, mich zu langweilen, käme ich mir vermutlich wie ein Biene vor, die von Blüte zu Blüte springt.
Ich muss jetzt natürlich vorasuschicken, dass ich von Stücken spreche, die noch ziemlich weit vorne auf Anfängerniveau sind.
Zumindest momentan fällt es mir recht leicht, diese soweit in die Finger zu kriegen, dass ich sie recht bald recht flüssig vom Blatt (ich meine natürlich nicht prima vista) spielen kann.
Da habe ich dann das Stück soweit drauf, dass ich es in guten Momenten fehlerfrei durchspielen kann. Das ist aber zu dem Zeitpunkt noch nicht willkürlich reproduzierbar. Beim nächsten Durchlauf kann es passieren, dass sich der eine oder andere Holperer einschleicht.
Wenn's jetzt darum geht, diese noch vorhandenden kleinen Hänger oder Stolperer auszubügeln, merke ich, dass ich ungeduldig werde.
Aber da habe ich den Ehrgeiz, das Stück so weit zu beherrschen, dass ich es mehrmals hintereinander, oder auch ein paar Tage später, reproduzierbar duchspielen kann. Und zwar so, dass sich mir die Zehennägel nicht hochrollen, wenn ich mir das ohne Metronomunterstützung gespielte und aufgezeichnete Resultat anhöre
Da fängt für mich so ein bißchen die Langeweile an, wo ich mich schon etwas zwingen, oder netter ausgedrückt, überreden muss, mich festzubeißen.
 
(Deshalb ist es mir auch ziemlich schleierhaft, wie Sänger überhaupt den Takt halten können. Gleichzeitig zählen und singen erscheint mir recht unvereinbar)
Ich bin bzw. war mal ausgebildete Sängerin. Also man zählt da eigentlich nicht während des Singens. Ich zähle auch nicht wirklich während des Klavierspielens. Ich meine, ich zähle natürlich irgendwie schon, aber mehr innerlich, vom Gefühl her. Deshalb bin ich auch manchmal falsch. ;) Mich würde ständiges Zählen verrückt machen. Da käme ich völlig raus. Ist wahrscheinlich dasselbe wie bei Dir mit dem Singen. ;) Mein Klavierlehrer sagt jedoch auch immer, ich soll mitsingen, dann könnte man auch besser den Takt halten. Finde ich irgendwie auch, aber wahrscheinlich ist das wieder von Mensch zu Mensch verschieden.

Ich spiele beispielsweise manchmal nur die rechte Hand und singe die Linke mit oder umgekehrt. Weil ich ja immer alles zuerst mit getrennten Händen übe. So habe ich dann schon ein bisschen einen Eindruck, wie es dann mit zwei Händen zusammen klingen wird.

Im Kopf hört sich das Spiel in dem Moment für mich trotzdem richtig gut an und ich freue mich wie Bolle, was für ein toller Tastenzauberer ich doch bin..:coolguy:
Siehst Du? Das ist doch das Wichtigste. Vielleicht machen wir uns auch einfach viel zu viele Gedanken im Kopf. In Wirklichkeit ist es gar nicht so schlecht, was wir spielen, und das ist ein tolles Gefühl.

Mit dem Metronom habe ich festgestellt, dass das oftmals anderer Meinung ist als ich. ;) Das heißt, ich komme meistens früher am Ende an als das Metronom aufhört. Oder manchmal auch später. Also ich glaube, ich bin eine ganz schlechte Metronomspielerin. Ich spiele wirklich mehr nach Gefühl. Ich höre mir das Stück auf YouTube an, dann habe ich die Melodie im Kopf, und danach spiele ich mehr als nach irgendwelchen Zählzeiten.

Ja, das Aufnehmen ... Da sind Digitalpianos natürlich gleichzeitig ein Fluch und ein Segen. ;) Wenn ich mich aufnehme, finde ich mich auch immer furchtbar. Aber es ist schon eine gute Kontrolle. Wenn man das möchte. Man kann natürlich auch einfach nur spielen, sich gut finden und daran Freude haben. :) Solange niemand anderer zuhört.

Finde ich völlig legitim. Ich spiele, um Spaß zu haben. Es muss nicht alles korrekt sein oder superschnell oder perfekt. Das gibt es sowieso nicht. Wenn mir das Spielen ein gutes Gefühl vermittelt, bin ich eigentlich schon glücklich.

Aber Du hast schon recht. Man sollte sich auch kontrollieren, speziell wenn man keinen Klavierlehrer hat. Mein Klavierlehrer ist sowieso begeistert von mir, selbst wenn ich nicht begeistert davon bin, wie ich spiele. :) Insofern ist eine objektive Aufnahme da vielleicht sogar ein besseres Feedback.

Andererseits: Wenn mein Klavierlehrer mir sagt, er findet das toll, was ich jetzt schon nach so kurzer Zeit kann, und ich dann zweifelnd den Kopf schüttele, weil ich an all die Fehler denke, die ich gerade gemacht habe, ist das trotzdem ein gutes Gefühl. Er meint auch nicht, dass ich schon alles richtig mache, sagt mir auch, was ich falsch mache, was ich besser machen könnte, was ich üben sollte ... aber trotzdem beurteilt er mich aus seiner Erfahrung heraus als meinem Kenntnisstand entsprechend als gut, und das motiviert mich.
 
Ich bin bzw. war mal ausgebildete Sängerin. Also man zählt da eigentlich nicht während des Singens. Ich zähle auch nicht wirklich während des Klavierspielens. Ich meine, ich zähle natürlich irgendwie schon, aber mehr innerlich, vom Gefühl her. Deshalb bin ich auch manchmal falsch. ;) Mich würde ständiges Zählen verrückt machen. Da käme ich völlig raus. Ist wahrscheinlich dasselbe wie bei Dir mit dem Singen. ;)
Da bist du mir gegenüber natürlich im Vorteil.
Und trotzdem scheinst selbst Du mit Deiner Erfahrung als ausgebildete Sängerin ja auch manchmal Schwierigkeiten zu haben, mit Singen den Takt zu halten. Da muss man nicht viel Fantasie haben, um sich auszumalen, dass man es als ausgesprochener Nichtsänger diesbezüglich noch um einiges schwerer hat. :-(

Andererseits: Wenn mein Klavierlehrer mir sagt, er findet das toll, was ich jetzt schon nach so kurzer Zeit kann, und ich dann zweifelnd den Kopf schüttele, weil ich an all die Fehler denke, die ich gerade gemacht habe, ist das trotzdem ein gutes Gefühl. Er meint auch nicht, dass ich schon alles richtig mache, sagt mir auch, was ich falsch mache, was ich besser machen könnte, was ich üben sollte ... aber trotzdem beurteilt er mich aus seiner Erfahrung heraus als meinem Kenntnisstand entsprechend als gut, und das motiviert mich.
Das ist natürlich der Vorteil eines Lehrers, dass er sich bei Bewertung und Lob auch an subjektiven Maßstäben orientieren kann.
Wenn er einen Schüler, der noch ziemlich am Anfang steht, begeistert als ganz toll bewertet, meint er ja damit nicht, dass er "Lang Lang- oder Horowitz-toll" ist.
Sondern eben toll in Relation zu dem, was Schüler zum jeweiligen Ausbildungsstand nach seiner Erfahrung zu leisten imstande sind. Da ist dann der Schüler eventuell sogar kritischer und verlangt von sich ein höheres Niveau, als er dem Lernfortschritt entsprechend eigentlich sein kann.
Da kann dann auch schon ein mit Fehlern versehener Vortrag aus Lehrersicht toll sein.
Diese subjektive Beurteilung fehlt natürlich ohne Lehrer.
Da hat man auf der einen Seite die Begleit-CD der Klavierschule, eingespielt von einem Profi, auf der anderen Seite die eigene Aufnahme und dann fängt man an zu vergleichen und wundert sich, warum die eigene Aufnahme nicht so perfekt klingt, obwohl es vom Lehrerstandpunkt aus vielleicht schon als sehr gut bewertet werden würde.
Mit dem Metronom habe ich festgestellt, dass das oftmals anderer Meinung ist als ich. ;) Das heißt, ich komme meistens früher am Ende an als das Metronom aufhört. Oder manchmal auch später. Also ich glaube, ich bin eine ganz schlechte Metronomspielerin. Ich spiele wirklich mehr nach Gefühl. Ich höre mir das Stück auf YouTube an, dann habe ich die Melodie im Kopf, und danach spiele ich mehr als nach irgendwelchen Zählzeiten.
Naja, solange man nicht mit anderen Musiker zusammenspielt oder Sänger (sind natürlich auch Musiker) begleitet, ist es doch nicht ganz so wichtig, ob man etwas früher oder später als das Metronom ankommt.
Trotzdem sollte der Rhythmus des Stückes richtig gehalten werden. Es bringt ja nichts, wenn ich innerhalb eines Stückes oder gar einzelner Takte permanent die Zeit dehne und stauche. Der Charakter des Stückes sollte schon erhalten bleiben. Ob man ein "offizielles 100 bpm-Stück" nun mit 80, 90 oder 110 bpm spielt, sollte nicht so wichtig sein, wenn man nur für sich spielt. Trotzdem sollte man innerhalb des gewählten Tempos schon versuchen, einigermaßen im Maß zu bleiben, um nicht wie eine leiernde Kassette zu klingen ;-)
 
Da hast Du recht. :-)Ich habe die letzten Jahre nur Jazz gespielt, und obwohl man da auch im Takt bleiben muss (ich spiele in einer Band, aber nicht Klavier, das wäre denn doch noch zu früh), spielt man da weniger auf den Schlag, sondern neben dem Schlag, "off beat". Oder auch "laid back". Es kommt fast eher darauf an, dass man den Rhythmus so gut wie möglich verändert, als dass man ihn hält. Die Noten genau nachzuspielen wird dort eher als negativ empfunden. Das habe ich mir wahrscheinlich jetzt am Klavier noch nicht so richtig abgewöhnt. Der klassische Ansatz ist da denn doch etwas anders.

Aber das ist ja auch das Reizvolle daran. Die Stile befruchten sich gegenseitig, man kann nicht einrosten.

Da hat man auf der einen Seite die Begleit-CD der Klavierschule, eingespielt von einem Profi, auf der anderen Seite die eigene Aufnahme und dann fängt man an zu vergleichen und wundert sich, warum die eigene Aufnahme nicht so perfekt klingt, obwohl es vom Lehrerstandpunkt aus vielleicht schon als sehr gut bewertet werden würde.
Ja, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Man darf sich eigentlich nie mit einem Profi vergleichen. Gerade eben habe ich Valentina Lisitsa mit der "Elise" gehört.



Wenn ich das mit dem vergleichen würde, was ich da gestern zusammengeklimpert habe ... ;-)
 
Ich habe die letzten Jahre nur Jazz gespielt, und obwohl man da auch im Takt bleiben muss [..] spielt man da weniger auf den Schlag, sondern neben dem Schlag, "off beat". Oder auch "laid back".

Ich glaube, du hast da was falsch verstanden.

Offbeat hat nichts mit Microtiming und laid back nichts mit verschieden schwer betonten Zählzeiten zu tun.

Außerdem gibt es genügend Jazz-Nummern und Interpretationen, die nicht laid back, sondern sehr hart am Beat bzw. sehr weit vorne gespielt werden.
 
Ich bin bzw. war mal ausgebildete Sängerin.

Gutes Stichwort. Dieses allererste und ureigenste Instrument, das nichts kostet und überall dabei ist, wird leider oft vernachlässigt. Habe kürzlich in der FAZ einen Artikel gelesen, wo dargestellt wurde, dass die politische Phantasmagorie "Jedem Kind ein Instrument" völlig überraschenderweise an finanzielle Grenzen stößt. :dizzy: Statt dem Erstklässler eine Zugposaune oder eine Oboe in die kleine Hand zu drücken, wäre es so viel sinnvoller, der Stimme eine bedeutend größere Sorgfalt zu widmen.


Man darf sich eigentlich nie mit einem Profi vergleichen.

Der Trost: Es wäre doch auch völlig ungerecht! Profis haben in aller Regel seit Kinderfingerzeiten mit Fleiß, Beharrlichkeit, Talent und hoher musikalischer Motivation ihr Instrument erlernt, wurden adäquat gefordert und gefördert, sie haben täglich viele Stunden am Instrument verbracht, haben sich jahrzehntelang weitergebildet, Tipps von Profi-Kollegen bekommen, sich mit Herz und Hand der Musik und ihrem Instrument verschrieben etc.

Wie könnte jemand wie unsereins, dem es im Laufe des Lebens irgendwann mal einfällt, das Klavierspiel zu erlernen, ernsthaft erwarten, das Instrument mit der gleichen Souveränität und Perfektion zu beherrschen. :-)

Man kann nicht mehr als sein Bestes geben. :super:
 
Gutes Stichwort. Dieses allererste und ureigenste Instrument, das nichts kostet
Na ja, meine Gesangslehrerinnen haben schon etwas gekostet. :-)Aber grundsätzlich hast Du recht. Wenn man beispielsweise in einem Chor - auch als Kind - mitsingt, kostet das meistens nichts.

Das mit den finanziellen Grenzen ist natürlich wahr. Wenn ich hier lese, dass es hier Leute gibt, die schon als Kind auf einem Flügel geübt haben, kann ich nur neidisch werden. So etwas konnten wir uns nicht leisten. Noch nicht mal ein Klavier. Kein teures Instrument. Ich habe mir mal von meinem Taschengeld eine ganz billige Gitarre zusammengespart, aber für Unterricht war auch kein Geld da.

Aber es gibt billigere Instrumente, ganz zuoberst die gute alte Blockflöte, die sich wohl jeder leisten kann. Damit kann man Noten lernen und sogar ganz tolle Stücke spielen. Eine musikalische Grundausbildung kann man auch damit erhalten.
 

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