Finde es auch absolut falsch Bach in ein rythmisches Korsett pressen zu wollen, was aber leider anscheind von den meisten Musiker als ungeschreibes Gesetz angesehen wird.
Mindenblues hatte ja schon auf die nun seit Jahren etablierte "Historische Aufführungspraxis" hingewiesen. Kann man etwa NICHT davon ausgehen, dass die dort angewandten Grundregeln, AUCH was Tempofragen betrifft, dem besten heute verfügbaren Wissen darüber entsprechen, wie zur Barockzeit und spezifisch zur Zeit Bachs (und mutmaßlich von Bach selbst..) musiziert worden ist?
Wenn "nein", welche Argumente sprechen dagegen?
Schließlich ist Bach nicht ganz unwesentlich vom "Stylus Fantasikus" geprägt, einer Form die mit jedem Romantiker in Sachen Freiheit mithalten kann. Ein Metronombach entbindet einen natürlich einer kreativen interpretation, habe aber schon manchen Bach gehört den das Metronom regelrecht verkrüppelt hat.
Ich frage mich nun wieder, was wohl mit "Metronombach" (übrigens besitze ich selbst nicht mal ein Metronom..) - oder bei Haydnspaß: "metronomischem" Bach - genau gemeint sein soll ... ? Mit der permanenten Unterstellung von total überzogenen Gegenpositionen, die real von kaum einem vertreten werden, ist keine konstruktive Diskussion möglich.
Es muss doch sicher differenziert werden zwischen Werken unterschiedlicher Ausrichtung.
Solche mit stärker improvisatorischem Charakter - da fallen mir Toccaten ein; aber ich gebe jederzeit gerne zu, dass es mit meiner musiktheoretischen/musikalischen Bildung auch nicht allzu weit her ist.. - fordern natürlich geradezu eine temperamentvoll-freie Interpretation. Dagegen dachte ich bei meiner Aussage weiter oben, die "meisten" Stücke Bachs benötigten eine eher unelastische, strenge Rhythmik, an jene Sachen mit durchgehendem rhythmischem Puls, wie beispielsweise typisch bei den (meist in zügigem Tempo zu spielenden) Ecksätzen seiner "Konzerte".
Aber selbst bei Stücken mit ausgesprochen sanglichem Charakter muss es der Lebendigkeit der Interpretation keinerlei Abbruch tun, wenn mit AGOGIK äußerst zurückhaltend umgegangen wird - nachdem ich mich mal schlau gemacht habe, was eigentlich genau unter >
Agogik< und
rubato zu verstehen ist, erscheint mir ziemlich klar, dass Letzteres wirklich nur an ganz besonderen Stellen "diskutabel" ist (was natürlich nur meine subjektive und absolut bescheidene Meinung ist) ... ;)
Hier ein Beispiel für eine in diesem Sinne (in meinen Ohren) gelungene Interpretation (die allerdings insgesamt kaum die "Historiker" zufriedenstellen dürfte ... :o ):
>
Gould spielt Allemande aus Partita No. 4<
Und die >
Ouverture< derselben Partita liefert mit der Einleitung erst ein passendes Beispiel für (begründet) "freiere" Gestaltbarkeit, anschließend im polyphonen Teil ein gutes Beispiel für den "rhythmisch pulsierenden" Charakter, den ich soeben meinte, bei dem rhythmische Disziplin meines Erachtens "sehr vorteilhaft" ist (um's mal so auszudrücken).
Wobei mir persönlich Gould hier wieder einmal ZU schnell unterwegs ist - ist zwar beeindruckend "perfekt", aber irgendwie auch etwas gleichmacherisch. Irgendwo las ich, dieses rasende Spiel habe er bevorzugt praktiziert, wenn ihm ein Stück nicht besonders gefallen habe; dann habe er es schnell hinter sich bringen wollen ... :p
Aber natürlich jeder wie's ihm gefällt.
Nun ja, warum nicht, zumal bei uns Hobby-Spielern. Mache ich ja letztlich auch so.
Es sollte aber nicht drumherum geredet werden, WARUM "es" einem so oder anders gefällt. Mir scheint es zumindest eine Überlegung wert, ob nicht ein genaueres Wissen darüber, wie ein Werk zu seiner Entstehungszeit aufgeführt worden ist (oder aufgeführt worden wäre) bzw. welche diesbezüglichen Absichten der Komponist hatte, ganz "zwanglos" dazu führen kann, dass man eine "werkgerechte(re)" Aufführungsweise auch
für sich voll und ganz annehmen kann. Genügend Ungewissheiten und Freiheitsgrade für die individuelle Auslegung bleiben doch so oder so erhalten, bei Bach ja noch weit mehr als bei anderen Komponisten ...
Grüße
Bernd