Wie Uebezeit nutzen?

Lieber @Alex_S.

Mich interessiert: Möchtest du nur deinen Standpunkt verteidigen, oder willst du wirklich etwas dazulernen? Ich verstehe, dass man die eigenen Ansichten verteidigt, mache ich auch zunächst mal so. Irgendwann kommt allerdings der Punkt, wo man seinem Gegenüber mal ernsthaft zuhören sollte - und wenn man selbst Amateur ist und mehrere Profis mit Engelszungen etwas erklären, kommt der recht früh. Wenn du es wirklich nicht verstehst, ist das nicht so tragisch. Verteidigst du deine Position deshalb so vehement, um unsere Argumente zu verstehen?

Ich möchte einen (schon öfter im Forum erwähnten) Schlüsselmoment aus meinem Klavierunterricht erzählen:
Ich spielte den 1. Satz einer Mozartsonate, meine Professorin übte mit mir, genau zuzuhören und mit dem Ohr immer dranzubleiben. Ich spielte. Sie sagte: "An Stelle X hast du nicht zugehört". Ich war ganz erstaunt, dass sie das tatsächlich gehört hatte - kam mir wie Zauberei vor, und sagte verblüfft "Ja, stimmt". Sie im Umkehrschluss war nun ebenfalls verblüfft, weil ich mich genau erinnern konnte, dort nicht zugehört zu haben.
Heute verblüffe ich selber meine Schüler mit solchen Aussagen. Ein musikalisch gebildetes Ohr hört zu jedem Moment, ob der Spieler hinhört (d.h., ob er absichtsvoll spielt und gestaltet, der Musik einen Sinn gibt bzw. diesen erkennt etc.) oder nicht.

Auch die Aussage von @mick , dass keiner ein Technikproblem hat, sondern eines, was das musikalische Verstehen betrifft, habe ich früher nicht verstanden. Jetzt verstehe ich sie und bin absolut sicher, dass das stimmt. Denn wenn man eine musikalische Idee nicht technisch hörbar machen kann, wird man sofort nach Lösungen suchen, um sie eben doch hörbar zu machen - und wird so besser. Das gelingt allerdings oft nicht allein, weil man eine pianistische (technische) Hilfestellung benötigt.
Häufig ist übrigens auch das Problem, dass der Spieler noch nicht richtig differenzieren kann zwischen dem, was er innerlich will und hört, und dem, was akustisch herauskommt. Allerdings ist dieser Spieler schon einen guten Schritt weiter, weil er eine musikalische Idee im Kopf hat.

Was das "Warmspielen" betrifft: Ich als Profi spiele unter der Woche normalerweise so oft und viel Klavier, dass ich kein Warmspielen benötige. Allerdings habe ich auch normalerweise warme Hände, bin in guter gesundheitlicher Verfassung, habe mehr als die Hälte des Lebens (vermutlich) noch vor mir. Wenn ich nicht gerade technisch besonders dififzile Stücke spielen soll wie bspw. die Etüde op. 10,2 von Chopin, kann ich dir hochvirtuose Stücke ohne Einspielen sehr gut vorspielen.
Wenn andere sich warmspielen möchten, ist das natürlich auch möglich, und wenn man damit umzugehen weiß, sind auch rein motorische Übungen nicht ausgeschlossen. Musikalisch und technisch lernen wird man dabei allerdings wenig.

Noch eine Idee zur Chopin-Etüde:
Natürlich besteht mit jedem Stück die grundsätzliche Gefahr, dass man die Ohren schließt und nicht mehr zuhört. Die meisten Profis sind allerdings so aufs Zuhören trainiert, dass sie das u.U. gar nicht mehr können, und höchstens etwas "unengagierter" (Zitat @rolf) spielen, d.h. mit weniger Elan. Zuhören werden sie dennoch.
Du kannst ja mal überlegen - hörst du lieber einer langweiligen Radiosendung zu oder einem Weißen Rauschen? Auch wenn dich die Sendung nicht so interessiert, kannst du nicht so leicht weghören. Weißes Rauschen nervt unfassbar, und man tut gut daran, es baldmöglichst auszublenden. Mit Chopinetüde und Hanon ist es ähnlich.
 
@Normalo

Ich finde, deine Beschreibung des Übens klingt sinnvoll und abwechslungsreich. Warum hast du noch Übezeit übrig? Entweder gehst du beim Üben der Stücke nicht weit genug (was ich vermute) bzw. hörst einfach vor dem nächsten Schritt auf, oder du hast zu wenig Repertoire. Hier genauer zu differenzieren ist vermutlich nur bei einem persönlichen Unterricht möglich. Manchmal können Schüler kluge Dinge benennen und beschreiben, handeln dann aber intuitiv bzw. im Geschehen eben doch anders, unvollständiger, weniger sinnvoll o.ä.

Kadenzen zu üben, allein schon I IV V I in Dur und Moll in allen Tonarten und Umkehrungen, ist übrigens eine sehr sinnvolle Idee, die auch einige Zeit braucht! Danach könntest du mit erweiterten Kadenzen weiterachen, mit Quintfallsequenzen und Zwischendominanten etc.

Was sagt dein Lehrer, wie du deine Zeit weiter nutzen könntest?
 
Einerseits erfordert angeblich Klavierspielen keine technische Übung bis hin zu Beethoven Sonaten. Das ist imo offensichtlicher Unsinn.
Offensichtlicher Unsinn ist es, etwas falsch wiederzugeben: @mick schrieb, dass man auf dem Weg zu mittleren Beethovensonaten (sowas wie Mondschein) keine technischen Studien (im Sinn von Übungssammlungen) benötigt.
Offensichtlicher Unsinn ist es auch, a priori ein reduziertes Tempo beim einstudieren als unmusikalisch zu bezeichnen.
Die Liste fortzusetzen bin ich zu träge...
 
Da kann ich dir nicht folgen, denn etwas üben und etwas spielen ist doch nicht nur sprachlich ein gehöriger Unterschied...

Du könntest dir Gedanken über die Intervallschritte beim spielen der 12 Durkadenzen machen - wenn diese zutreffen, hast du implizit die 12 Durskalen im Vorratsschrank :-)

Natürlich ist üben und spielen nicht das gleiche. Du hast von "technisch üben" geredet, darauf hab' ich mich bezogen. Darauf deine Zitatengegenüberstellung "spielen" und "üben" (#119). Dann die Aussage, der Tipp würde mir nichts nützen, wenn es da irgendwas zu "üben" gäbe. Was ist denn jetzt technisch üben? Dem kann ich auch nicht folgen.

Gerade weil das alles durch solche "Spielereien" so unendlich logisch und einfach wird, gefallen mir diese Übungen. Ich spiele die Kadenzen auch in ihren Umkehrungen und links immer noch den jeweiligen Stufenton mit. Das klinkt alles andere als unmusikalisch. Seit ich mich darauf konzentriere (auch im Analysieren von Noten), dass die Basis immer der obere Ton der Quarte ist, sofern der Akkord nicht ohnehin in der Grundstellung steht, erkenne ich vieles viel schneller!

Neuerdings spiele ich auch Dur-Tonleitern und dann vermindere ich die 3. und die 6. Tonstufe um einen Halbton. Und dann habe ich die gleichnamige harmonische Molltonleiter. Ist auch cool, denn das klappt immer!
 
spiele unter der Woche normalerweise so oft und viel Klavier, dass ich kein Warmspielen benötige.
...so sieht der "Traumberuf" (siehe paar Seiten vorher) leider aus - nix mit dreimal je 4 Stunden Pause.
Spaß beiseite: Wer das beruflich betreibt, hat sauviel Praxis und benötigt "warmspielen" nur im Fall eiskalter Hände (Kreislaufinsuffizienz oder vorher ohne Handschuhe bei Frost Schnee geschippt)

Aufwärmen - aufwachen, gleich an die Tasten: da geht gar nix bei mir! Erstmal Kaffee, Dusche, Frühstück, Fluppe, Zeitung gaffen - wenn das absolviert ist als Aufwärmprogramm, dann kanns auch gleich mit op.10,2 losgehen.
 
Was ist denn jetzt technisch üben? Dem kann ich auch nicht folgen.
Im Fall der schlichten Kadenzen wäre das:
rumfingern a la mimimi wie fasse ich D in Des-Dur an mit langwierigem Finger/Tastensortieren - wo das nötig ist... da wäre man halt mit den schlichten Kadenzen vorerst überfordert.

Ansonsten wäre das technische üben das schrittweise eingewöhnen noch unbequemer Koordinationen, neuer Bewegungsmuster - tausenderlei
 
Lieber @Alex_S.

Mich interessiert: Möchtest du nur deinen Standpunkt verteidigen, oder willst du wirklich etwas dazulernen?
Angefangen hat es damit, dass ich Berichte, wie es die Profis, die ich kenne machen. Danach hatte der TE gefragt. Ich kenne zahlreiche Profis da ist das eben so. Es gibt auch welche, die das anders machen.
Aber ich will natürlich auch lernen und Gern lasse ich mich von Argumenten und vor allem von Ergebnissen überzeugen. Das Autoritätsargument zieht bei mir aber nicht, da ich lange genug im „Geschäft“ bin und das (musikalische) Leben außerhalb der Forenwelt kenne. Anders als von einigen behauptet, kommt man auch mit Hanon durchaus weit, z.B. Lang Lang oder Annique Göttler. Es gibt also viele Wege zum Erfolg, das möchte ich nicht bestreiten. Es gibt also keinen Grund jemanden „herunterzubrüllen“, der eine andere Ansicht vertritt, wie es hier der Fall ist. Kein Wunder, dass da kein anderer Lust hat, hätte ich auch nicht, wenn ich nicht krank im Bett läge.

Doch, im Unterricht ist gerade das besonders schlimm! Wenn du Wiedereinsteiger unterrichtest oder Schüler, die zu dir wechseln und diese haben viel Hanon etc. gespielt, ist es fast unmöglich, diesen die Gestaltung einer Passage aus einer Mozart-Sonate o.ä. zu lehren. Es ist unglaublich schwierig und mühsam, die eingeprägten Verhaltens- und Übungsmuster zu ändern. Das liegt daran, dass sie gelernt haben, alle einigermaßen schnellen Sechzehntel gleich zu spielen und das Ohr dabei abzuschalten.

Auch nach Jahren des Unterrichts bei mir fallen sie immer wieder in diese alten katastrophalen Gewohnheiten zurück - deshalb bin ich ein absoluter Gegner solchen Übens!

Liebe Grüße

chiarina

Dazu möchte ich meine Erfahrung schildern: meine Kinder und die meines Bruders haben KlavierUnterricht bei verschiedenen Lehrern aber mit ähnlichem, modernen Konzept. Kein Hanon oder ähnliches, nur Stücke, methodisch imo sehr gut aufgebaut mit Lerneffekt auch für Harmonielehre und auch kindgerechtes. Macht einen guten Eindruck grundsätzlich. So wird das auch hier von den meisten Profis vertreten.
Dann aber die Vorspiele:
Wirklich keines dieser Kinder hatte einen wirklich schönen Ton. Was die spielten war ganz nett, technisch nichts dolles. Aber man kann ja auch leichte Stücke sehr schön und Ausdrucksstark spielen. Aber wirklich Keines konnte kräftig und schön spielen. Nicht nur meine Kinder nicht, sondern die ganzen Klassen, die ich gehört habe. Ein Junge war dabei, der eine schöne Geschichte auf dem Klavier erzählt hat, aber eben kraftlos .
Nun zum Vergleich zu mir: mit Hanon seit dem 5. Lebensjahr. Kein Überflieger aber zum Geldverdienen hat es immerhin schon als 9-jähriger gereicht. Die Klasse meiner Lehrerin und die Klassen ihrer Schüler hatten nach meinem Eindruck alle einen besseren Klang oder überhaupt Klang. Meine Lehrerin konnte die Meißten Schüler sogar am Klang aus dem Nebenraum erkennen, wenn sie allein Tonleitern spielten.
Das Spielen der heutigen Kinder war dagegen ohne großen Charakter.

Woran liegt es?
Romantische Verklärung der Vergangenheit? Mag ein Teil dabei sein, aber ich habe noch Aufnahmen von früher, daher eher nicht. Auch meine inzwischen 80jährige Mutter hat das bestätigt, ungefragt.
Die verderbte Jugend von heute, die nicht übt? Die ist nicht besser oder schlechter als früher imo, wir haben auch nicht gern geübt.
Die Methodik? Naja, die Kinder konnten meist ihre Stücke und hatten Spaß daran. Fehlende „Kraft“ beim Spiel schien das Problem. Hand- und Körperhaltung soweit ok, wobei die verschiedenen Lehrer da leicht unterschiedliche Auffassungen haben.
Am plausibelsten erscheint mir der Mangel an purer Technik. Die Stücke werden zu früh weggelegt um technische Fortschritte zu erzielen, jedenfalls ohne weitere ergänzende Technikübungen (z.B. Hanon). Ist ja auch blöd, man will ja ein neues Stück lernen.
Bisher haben mir andere Auffassungen weder in der Praxis, noch in der Theorie (wie sie hier vertreten wird) überzeugt.
Anderes Erlebnis: die Kinder einer russischen Lehrerin einer Bekannten (alle mit Hanon) deutlich klangschöner.
Letztlich kann es andere Gründe haben, aber es ist meine Erfahrung, der ich mehr traue als unbekannten forenmitgliedern.

Denn wenn man eine musikalische Idee nicht technisch hörbar machen kann, wird man sofort nach Lösungen suchen, um sie eben doch hörbar zu machen - und wird so besser. Das gelingt allerdings oft nicht allein, weil man eine pianistische (technische) Hilfestellung benötigt.
Richtig, nicht „allein“. Es sind immer viele Faktoren. Wir sind nicht so weit voneinander entfernt. Das wird hier aufgebauscht weil keiner liest.
Was das "Warmspielen" betrifft: Ich als Profi spiele unter der Woche normalerweise so oft und viel Klavier, dass ich kein Warmspielen benötige. Allerdings habe ich auch normalerweise warme Hände, bin in guter gesundheitlicher Verfassung, habe mehr als die Hälte des Lebens (vermutlich) noch vor mir. Wenn ich nicht gerade technisch besonders dififzile Stücke spielen soll wie bspw. die Etüde op. 10,2 von Chopin, kann ich dir hochvirtuose Stücke ohne Einspielen sehr gut vorspielen.
Da hast du natürlich einen anderen Stand als der Fragesteller als Hobbyspieler. Aber sicher wirst du dich vor dem Konzert aufwärmen. Vor eine Übungsstunde aufwärmen genauso, wenn du nur eine hättest. Die Zeit der meisten Hobbyisten am Klavier ist beschränkt
Musikalisch und technisch lernen wird man dabei allerdings wenig.
Das bezweifle ich eben aus meiner Erfahrung heraus, ich bin da aber nicht missionarisch unterwegs und akzeptiere deine Meinung.
Noch eine Idee zur Chopin-Etüde:
Natürlich besteht mit jedem Stück die grundsätzliche Gefahr, dass man die Ohren schließt und nicht mehr zuhört. Die meisten Profis sind allerdings so aufs Zuhören trainiert, dass sie das u.U. gar nicht mehr können, und höchstens etwas "unengagierter" (Zitat @rolf) spielen, d.h. mit weniger Elan. Zuhören werden sie dennoch.
Der TE ist kein Profi. Chopin Etüden sind (noch) nicht seine Ebene, wenn ich das richtig verstanden habe.
 
da fehlt itzo ein es :coolguy:

hypsche Idee, jedenfalls

begeistere mich gerade, viele Tonleitern alla Ferruccio abzugleiten

etwas ernstgemeinte Frage: warum nicht immer so daumenuntersatzsparend? liegt es an der ungünstigeren Klangkontrolle, wenn eine Tonleiter mit Busoni-Fingersatz, aber in nornalen Tempi, gespielt wird?
 
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(Müdes) Hirn sagte: chromatisch versetzt,
um dann dennoch leicht dialektisch das h hinten zu verstehen...

sorry @rolf... Ich hab mich heute vormittag zu sehr mit dem Skalarprodukt abgemüht. Eigentlich einfach, aber nur umwegig zu erklären. So ähnlich wie manche Spieltechniken.

Für den Hinweis bedanke ich mich übrigens nicht: "Hirn einschalten" und gleich "ein wenig denken" ist Schwarze Pädagogik. Ich sage sowas nicht.
 
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Angefangen hat es damit, dass ich Berichte, wie es die Profis, die ich kenne machen. Danach hatte der TE gefragt. Ich kenne zahlreiche Profis da ist das eben so. Es gibt auch welche, die das anders machen.
Aber ich will natürlich auch lernen und Gern lasse ich mich von Argumenten und vor allem von Ergebnissen überzeugen. Das Autoritätsargument zieht bei mir aber nicht, da ich lange genug im „Geschäft“ bin und das (musikalische) Leben außerhalb der Forenwelt kenne. Anders als von einigen behauptet, kommt man auch mit Hanon durchaus weit, z.B. Lang Lang oder Annique Göttler. Es gibt also viele Wege zum Erfolg, das möchte ich nicht bestreiten. Es gibt also keinen Grund jemanden „herunterzubrüllen“, der eine andere Ansicht vertritt, wie es hier der Fall ist. Kein Wunder, dass da kein anderer Lust hat, hätte ich auch nicht, wenn ich nicht krank im Bett läge.



Dazu möchte ich meine Erfahrung schildern: meine Kinder und die meines Bruders haben KlavierUnterricht bei verschiedenen Lehrern aber mit ähnlichem, modernen Konzept. Kein Hanon oder ähnliches, nur Stücke, methodisch imo sehr gut aufgebaut mit Lerneffekt auch für Harmonielehre und auch kindgerechtes. Macht einen guten Eindruck grundsätzlich. So wird das auch hier von den meisten Profis vertreten.
Dann aber die Vorspiele:
Wirklich keines dieser Kinder hatte einen wirklich schönen Ton. Was die spielten war ganz nett, technisch nichts dolles. Aber man kann ja auch leichte Stücke sehr schön und Ausdrucksstark spielen. Aber wirklich Keines konnte kräftig und schön spielen. Nicht nur meine Kinder nicht, sondern die ganzen Klassen, die ich gehört habe. Ein Junge war dabei, der eine schöne Geschichte auf dem Klavier erzählt hat, aber eben kraftlos .
Nun zum Vergleich zu mir: mit Hanon seit dem 5. Lebensjahr. Kein Überflieger aber zum Geldverdienen hat es immerhin schon als 9-jähriger gereicht. Die Klasse meiner Lehrerin und die Klassen ihrer Schüler hatten nach meinem Eindruck alle einen besseren Klang oder überhaupt Klang. Meine Lehrerin konnte die Meißten Schüler sogar am Klang aus dem Nebenraum erkennen, wenn sie allein Tonleitern spielten.
Das Spielen der heutigen Kinder war dagegen ohne großen Charakter.

Woran liegt es?
Romantische Verklärung der Vergangenheit? Mag ein Teil dabei sein, aber ich habe noch Aufnahmen von früher, daher eher nicht. Auch meine inzwischen 80jährige Mutter hat das bestätigt, ungefragt.
Die verderbte Jugend von heute, die nicht übt? Die ist nicht besser oder schlechter als früher imo, wir haben auch nicht gern geübt.
Die Methodik? Naja, die Kinder konnten meist ihre Stücke und hatten Spaß daran. Fehlende „Kraft“ beim Spiel schien das Problem. Hand- und Körperhaltung soweit ok, wobei die verschiedenen Lehrer da leicht unterschiedliche Auffassungen haben.
Am plausibelsten erscheint mir der Mangel an purer Technik. Die Stücke werden zu früh weggelegt um technische Fortschritte zu erzielen, jedenfalls ohne weitere ergänzende Technikübungen (z.B. Hanon). Ist ja auch blöd, man will ja ein neues Stück lernen.
Bisher haben mir andere Auffassungen weder in der Praxis, noch in der Theorie (wie sie hier vertreten wird) überzeugt.
Anderes Erlebnis: die Kinder einer russischen Lehrerin einer Bekannten (alle mit Hanon) deutlich klangschöner.
Letztlich kann es andere Gründe haben, aber es ist meine Erfahrung, der ich mehr traue als unbekannten forenmitgliedern.


Richtig, nicht „allein“. Es sind immer viele Faktoren. Wir sind nicht so weit voneinander entfernt. Das wird hier aufgebauscht weil keiner liest.

Da hast du natürlich einen anderen Stand als der Fragesteller als Hobbyspieler. Aber sicher wirst du dich vor dem Konzert aufwärmen. Vor eine Übungsstunde aufwärmen genauso, wenn du nur eine hättest. Die Zeit der meisten Hobbyisten am Klavier ist beschränkt

Das bezweifle ich eben aus meiner Erfahrung heraus, ich bin da aber nicht missionarisch unterwegs und akzeptiere deine Meinung.
mu
Der TE ist kein Profi. Chopin Etüden sind (noch) nicht seine Ebene, wenn ich das richtig verstanden habe.
Lieber Alex_S.,

du fragst dich, woran es liegt, dass Schüler bestimmter Lehrer so oder so spielen und führst das auf die Nutzung oder Nichtnutzung von Hanon zurück.

Da Klavierunterricht aber aus unzähligen Facetten, Elementen und Herangehensweisen besteht, ist die Korrelation eine mögliche unter tausend anderen. Aus meiner Sicht eine sehr unwahrscheinliche. Hanon verhindert ja eher, dass jemand musikalische Geschichten erzählt, klanglich differenziert, singt auf dem Klavier, gut hört u.v.a.. Im besten Fall kann man mit ihm eine gewisse Passagentechnik erlernen (viele andere Erfordernisse einer virtuosen Spieltechnik nicht!) leider sehr oft eine mechanische Passagentechnik. Man lernt nicht, wie man eine Cantilene spielt, wie man singt, wie man Töne formt und dazu sehr viele Variationen an Bewegungsausführungen von Arm, Hand, Finger, Körper benötigt. Deren Koordination führt dann auch zu der Kraft, die du vermisst hast. Klavier spielt man mit Impulsen und Schwüngen - man braucht keine große Fingerkraft!

Fest steht: wenn alle Schüler einer Lehrerin klanglich schlecht und undifferenziert spielen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihr Gehör nicht genügend geschult ist, denn wenn sie hören würden, dass es schlecht klingt, würden sie etwas daran ändern. In Schülerkonzerten allerdings kann es sein, dass besonders jetzt nach Corona, nach möglicherweise viel Online-Unterricht, nach so gut wie keiner Vorspielerfahrung oder wenig Umgang mit anderen Instrumenten die Schüler noch unsicher sind mit entsprechendem Klang.

Liebe Grüße

chiarina
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber Alex_S.,

du fragst dich, woran es liegt, dass Schüler bestimmter Lehrer so oder so spielen und führst das auf die Nutzung oder Nichtnutzung von Hanon zurück.
Sicher nicht monokausal.
Da Klavierunterricht aber aus unzähligen Facetten, Elementen und Herangehensweisen besteht, ist die Korrelation eine mögliche unter tausend anderen.
Umso mehr wundert es mich, dass die hiesigen Forumsprofis so leicht über Kollegen IRL als KKL reden, weil ein frustrierter Spätanfänger sich hier auskotzt, ohne den Sachverhalt genau zu kennen, sobald sie nur „Fingerübung“ oder „Hanon“ hören. Erhöht für mich nicht die Glaubwürdigkeit.
Aus meiner Sicht eine sehr unwahrscheinliche.
Was nicht anders zu erwarten war, aber die positiven Beispiele fanden unter ähnlichen Bedingungen statt.
Hanon verhindert ja eher, dass jemand musikalische Geschichten erzählt, klanglich differenziert, singt auf dem Klavier, gut hört u.v.a..
Das hast du schon sehr oft gesagt, ist aber nicht meine Erfahrung, im Gegenteil. Es mag sein, wenn man das ohne Anleitung und ohne Geist macht. Dann ist das aber nicht nur bei Hanon so, sondern auch mit anderen Methoden. Ich hatte die Theorie dahinter ja schon mehrfach geschildert.
Im besten Fall kann man mit ihm eine gewisse Passagentechnik erlernen (viele andere Erfordernisse einer virtuosen Spieltechnik nicht!) leider sehr oft eine mechanische Passagentechnik.
Ohne Mechanik geht es beim Klavier nicht.
Man lernt nicht, wie man eine Cantilene spielt,
Das ist auch nicht der Sinn. Man verlangt zu viel, wenn man von Hanon alles lernen will.
wie man singt, wie man Töne formt und dazu sehr viele Variationen an Bewegungsausführungen von Arm, Hand, Finger, Körper benötigt.
Nicht sehr viel, aber doch genug für den Anfang und besser als nur im Vorübergehen mit Stücken.
Klavier spielt man mit Impulsen und Schwüngen - man braucht keine große Fingerkraft!
Schon klar, deswegen „Kraft“ in Anführungszeichen.
Fest steht: wenn alle Schüler einer Lehrerin klanglich schlecht und undifferenziert spielen,
„Alle schlecht und undifferenziert“ war von mir so nicht gemeint, es fehlte nur etwas, was es bei anderen gibt.
ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ihr Gehör nicht genügend geschult ist, denn wenn sie hören würden, dass es schlecht klingt, würden sie etwas daran ändern.
Es handelt sich um Kinder. Das hört sich für mich so an als ob du sehr hohe Ansprüche an deren Reflectionsfähigkeit hast. Die ist aber begrenzt. Und schlecht wollte ich das auch nicht nennen. Das kam wohl falsch rüber.
In Schülerkonzerten allerdings kann es sein, dass besonders jetzt nach Corona, nach möglicherweise viel Online-Unterricht, nach so gut wie keiner Vorspielerfahrung oder wenig Umgang mit anderen Instrumenten die Schüler noch unsicher sind mit entsprechendem Klang.
Die Bedingungen der verschiedenen Klassen waren gleich.
Trotzdem danke für deine Ausführungen.
 
Das ist auch nicht der Sinn. Man verlangt zu viel, wenn man von Hanon alles lernen will.
Oh nein! Der Klavierton soll von Anfang an singen. Selbst Hanon kann man cantabel spielen. Es ist eher so, dass die Gleichförmigkeit und Plumpheit der Übungen den Spieler in die Langeweile schickt. Er hört sich nicht mehr zu und spielt rein mechanisch. Das ist keine Musik und wird auch keine.

Gleichwohl halte ich das Üben von gewissen technischen Abläufen für wichtig und auch konzentrierte Übungen dazu.
Brahms´ Fingerübungen sind ein Schatz, der den Spielapparat geschmeidig macht - bei richtiger Ausführung - und gleichzeitig schwingt immer Musik mit.
Auch das Üben von Etüden halte ich für sinnvol, um eben bestimmte Sachverhalte intensiver zu üben, z.B. Cramer-Bülow.
Dem guten Hanon fehlt jeder, wirklich jeder Funke Musik und jeder Schüler wird durch ihn in eine - wie ich energisch finde - falsche Ecke gedrückt.
Das Ergebnis sind oft Pianisten, die sehr sportlich spielen und noch nie erfahren haben, dass jeder Lauf auch eine Melodie ist...
 
Es gibt ja wohl eine Funktion, um Beiträge von bestimmten Nutzern auf Ignorieren zu setzen (hab ich noch nicht gebraucht bisher) - gibts auch eine Funktion, um alle Beiträge zu ignorieren, in denen das Wort Hanon vorkommt? :denken:

Zu dem Thema ist doch echt ALLES schon gesagt/geschrieben worden...
 
Doch, im Unterricht ist gerade das besonders schlimm! Wenn du Wiedereinsteiger unterrichtest oder Schüler, die zu dir wechseln und diese haben viel Hanon etc. gespielt, ist es fast unmöglich, diesen die Gestaltung einer Passage aus einer Mozart-Sonate o.ä. zu lehren. Es ist unglaublich schwierig und mühsam, die eingeprägten Verhaltens- und Übungsmuster zu ändern. Das liegt daran, dass sie gelernt haben, alle einigermaßen schnellen Sechzehntel gleich zu spielen und das Ohr dabei abzuschalten.

Auch nach Jahren des Unterrichts bei mir fallen sie immer wieder in diese alten katastrophalen Gewohnheiten zurück - deshalb bin ich ein absoluter Gegner solchen Übens!
Also deine Erfahrung in allen Ehren, aber so ein Schüler hat offenbar nichts anderes gespielt als Hanon. Gift ist immer eine Frage der Dosis.
Es gibt ja Leute, die haben gewisse Gaben einfach nicht. Ich glaube man überschätzt die Wirkung von solchen Übungen. 3 Minuten am Tag können so etwas nicht bewirken. Da muss es schon eine Disposition gegeben haben oder völligen Missbrauch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also deine Erfahrung in allen Ehren, aber so ein Schüler hat offenbar nichts anderes gespielt als Hanon. Gift ist immer eine Frage der Dosis.
Es gibt ja Leute, die haben gewisse Gaben einfach nicht. Ich glaube man überschätzt die Wirkung von solchen Übungen. 3 Minuten am Tag können so etwas nicht bewirken. Da muss es schon eine Disposition gegeben haben oder völligen Missbrauch.
Lieber Alex_S.,

Sehr oft steht hinter dem Üben von Hanon eine bestimmte Haltung. Und zwar die, dass mechanisches Klavierüben als eine Art Gymnastik ohne Verbindung zu einer musikalischen Aussage sinnvoll wäre und das Klavierspiel verbessern würde.

Wer diese Haltung hat, übt meist nicht nur Hanon, sondern geht ganz anders an das Klavierspielen heran als ich es für wichtig und richtig halte.

Ich halte mich da an die Besten der Besten, an A. Goldenweiser, H. Neuhaus, R. Schumann und viele andere. Das sind Künstler, Künstler der Musik, der Klavierpädagogik, der Pianistik. Ich zitiere meinen eigenen Beitrag über Klaviertechnik: https://ulrike-danne-feldmann.de/klaviertechnik-1-grundlagen/.

Diese Haltung ist das Problem und mein Problem, letzten Endes nicht drei Minuten Hanon. Hanon ist nur das Symptom. Auch bei dir lese ich diese Haltung. Ich kann daran nichts ändern, aber das Wort Mechanik in Bezug auf das Klavierspiel - ich nehme an, du meinst hier nicht die Klaviermechanik, oder?
Ohne Mechanik geht es beim Klavier nicht.
- tut mir einfach in der Seele weh. Seit ich unterrichte - immerhin 40 Jahre - kämpfe ich gegen die leider immer noch weit verbreiteten mechanistischem Herangehensweisen das Klavierspiel betreffend. Das fängt an mit dem Anfangsunterricht - oft wird keine audiomotorische Herangehensweise etabliert, sondern die Note, die Taste. Gleich wird mit dem Unterricht nach Noten begonnen anstatt erst einmal nach Gehör zu spielen und so klingt es dann auch. Statt "touch" wird angeschlagen. Ich strebe nach Klang, nach einer möglichst vielfältigen Verbindung der Töne, nach Lebendigkeit, nach einem farbenreichen Spektrum, nach der Verbindung des Ohrs zu den Emotionen und sensibelster Motorik. Und da passt das Wort "mechanisch" nicht hinein. Pianisten sind für dieses Wort besonders empfänglich, weil die Tonproduktion (wir stellen den Ton nicht selbst her, müssen nur "drücken") eine sehr mechanische Komponente hat. Genau deshalb müssen wir ALLES tun, um dem entgegenwirken. Vielleicht kann ich dir mit diesen Worten verständlicher machen, warum ein solches Denken mich dazu bewegt, hier solche Beiträge zu schreiben. Diese Haltung richtet ungeheuer viel Schaden an!

Liebe Grüße

chiarina
 

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