Wer sagt wie langsam langsam ist?

Nein, du kannst nicht einfach eine Metronomangabe von einem Stück auf ein anderes übertragen, schon gar nicht, wenn es unterschiedliche Taktarten sind. Das geht allerhöchstens in begrenztem Rahmen, wenn es die gleiche Art Stück ist (z.B. zwei Scherzi) und beide Male die gleiche Taktart. Ansonsten hilft bei der Tempoeinschätzung nur Erfahrung und Intuition. Es gibt einfach keine allgemein gültigen Regeln dafür. Deswegen gibt es da ja auch teilweise ziemlich große Unterschiede zwischen verschiedenen Pianisten.
 
Nein, du kannst nicht einfach eine Metronomangabe von einem Stück auf ein anderes übertragen, schon gar nicht, wenn es unterschiedliche Taktarten sind.

Da hast du völlig recht, würde ich selber auch nie tun. Man kann natürlich nicht einfach die Tempoangabe stur übertragen auf ein anderes Stück desselben Komponisten, bloß weil dort auch "Langsam" steht.

Mir ging es lediglich um den Eindruck, was der Komponist selber bei einem Stück unter dem Attribut "Langsam" verstanden hat, welches eine Tempoangabe des Komponisten enthält - eine auf der einen Seite individuelle Angelegenheit, die aber auf der anderen Seite auch im Kontext des Komponisten und des Zeitgeists zu sehen ist. Wenn ein Komponist ein Stück mit "Langsam" überschreibt nebst Tempoangabe, macht es - für mich - durchaus Sinn, es selber zu überprüfen, ob man es bei diesem angegebenen Tempo genauso empfindet. Ich finde das sehr spannend, z.B. auch die Kinderszenen im Tempo von Schumann zu spielen. Weil der eigene Eindruck durchaus differiert. Aber es kann ein Anhaltspunkt sein (mehr nicht), den Tempocharakter zu erahnen, den der Komponist bei anderen Stücken möglicherweise im Sinne hatte - nicht metronomgenau -, welche dasselbe Attribut haben. Ob man sich selber daran hält, ist ja was ganz anderes.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Missverständnis, ich meinte nur die Schlussfolgerung von 40er. Dem, was du gesagt hast, stimme ich natürlich zu!
 
Selbst wenn man die "richtige", vom Komponisten intendierte Metronomzahl trifft, heißt das noch lange nicht, dass man den intendierten Tempoeindruck trifft (und der ist entscheidend für die Stimmigkeit einer Interpretation)!

Letzterer hängt nämlich noch ab von Timing, Agogik, (Binnen-)Dynamik, Phrasierung und Artikulation.
 
Hab den Henle Urtext daheim. Nr. 34 ist tatsächlich mit 84 Achtel angegeben! Es steht dort ebenfalls "Langsam". Wenn Urtext sollte es von Schumann sein.

Danke für Deine Beobachtung!!! Demnach wäre nach Schumann die Tempoangabe Langsam mit MM 42/Viertel zu verstehen.
wenn das so sein sollte, warum hat Schumann dann den Achteln eine Metronomzahl gegeben, anstatt die arithmetische Aufgabe "was wäre das in Vierteln" (nämlich 42) zu lösen? Offenbar will Schumann dort Achtel als Orientierung, und damit ist erstmal nichts darüber gesagt, wie in anderen langsamen Stücken die Viertel zu nehmen seien. Kurzum: die Tempoangabe "langsam" bei Schumann kann nicht auf alles, nicht mal auf alle Schumannstücke generalisiert werden.

zum Vergleich:
Artur Kolisch hatte bei allen Beethovensachen versucht, das originale Tempo zu ermitteln (ausgehend von den wenigen Metronomangaben Beethovens selber); nur wenn Rhythmus, Gestik, Takt von zwei Sachen ähnlich waren, gab Kolisch diesen als Orientierung dieselbe Zahl (also alle Prestos im 4/4Takt ähnlich, was nichts über ein alla breve Prsto oder ein 3/4Takt Presto aussagt)

upss, gerade seh ich, dass das alles schon längst geklärt war:
Nein, du kannst nicht einfach eine Metronomangabe von einem Stück auf ein anderes übertragen, schon gar nicht, wenn es unterschiedliche Taktarten sind. Das geht allerhöchstens in begrenztem Rahmen, wenn es die gleiche Art Stück ist (z.B. zwei Scherzi) und beide Male die gleiche Taktart.
jepp, so isses!!
 
Ach Leute, die Frage ist doch läääängst geklärt!

Auf jedem Metronom steht es doch drauf: Presto ist Tempo 168-200.

Metronom

Würden die das überall auf die Metronome draufschreiben, wenn es nicht zutreffen würde? Siehste!
 
Wie relativ jede Tempowahl ist, stellt sich spätestens dann heraus, wenn man mal die schon jahrzehntelang anhaltende Diskussion um Ravels "Bolero" an sich heranlässt: aktives-hoeren.de • Thema anzeigen - Die Magie gebürtlichen Lebens: Ravels Bolero

Die Vorgabe wäre eigentlich die einfachste, die überhaupt denkbar ist: Ein repetitiv gehaltenes Gefüge mit wechselnden Klangfarben, das sich über eine Viertelstunde hinweg kontinuierlich steigernd aufbauen soll - und dann gibt es so viele unterschiedliche Interpretationsansätze und Tempodefinitionen wie es Interpretationen gibt. Wie groß wäre dann erst der Klärungsbedarf, wenn sich Anspannung und Entspannung innerhalb eines Stücks abwechseln? Ich wage einerseits die Prognose, dass es vermutlich nur Einzelfälle gibt - andererseits unterstelle ich, dass das Vergleichen eines langsameren Tempoempfindens früherer Zeiten mit schnelleren Tempi im 21. Jahrhundert nicht nur hypothetisch ist, sondern auch zu künstlerisch fragwürdigen Resultaten führt. Dazu gehörte die Forderung nach dem "metrischen" Lesen von Metronomzahlen, um daraufhin Stücke im halben Tempo zu musizieren (Grete Wehmeyer: Bücher). Spätestens dann, wenn Musik mit Atemführung (Vokalwerke, Bläserliteratur) und/oder Bewegung gekoppelt wird, ergeben sich vielfältige Probleme: Da Geigenbögen irgendwann zu Ende sind und Tänzer nicht in der Luft beim Schweben stehenbleiben können, müssten Phrasierungen neu organisiert und Choreographien anders konzipiert werden. Spieler von Tasteninstrumenten haben andere Probleme, beispielsweise die begrenzte Schwingungszeit von Saiten.

Was noch gar nicht zur Sprache gekommen ist: Auch die räumlich-akustischen Bedingungen am Aufführungsort sind zu beachten, da z.B. lange Nachhallzeiten bei schnellen Tonfolgen und/oder schnellen harmonischen Wechselvorgängen ein intransparentes Klangbild zur Folge haben können. Fazit: Standardlösungen, Patentrezepte und allgemeingültige Ansätze gibt es nicht, und das ist auch so in Ordnung.

LG von Rheinkultur
 
Hattet Ihr eigtl. schon von dieser Quelle gehört ?

Tempo Giusto

Ich war vor längerem mal darauf gestoßen, aber ob das alles richtig ist, was da gesagt wird, das weiß ich nicht. Evtl., wer Zeit hat, kann ja mal überfliegen.

LG, Olli
 
Etwas zu vergeigen krieg ich in jedem Tempo hin.
 

Etwas zu vergeigen krieg ich in jedem Tempo hin.
Es gilt also Murphys Gesetz:
  • These: In einem zu schnellen Tempo kannst Du ein Stück vergeigen
  • Antithese: Auch in einem zu langsamen Tempo kannst Du ein Stück vergeigen
  • Synthese: Egal welches Tempo - Du vergeigst jedes Stück...

Auf das Klavierspielen bezogen gilt demnach folgendes:
  • These: Es gibt Klavierunterricht, um das zu lernen, was in Schulwerken und Lehrbüchern über das Klavierspielen nicht vermittelt wird
  • Antithese: Es gibt Schulwerke und Lehrbücher über das Klavierspielen, um das zu lernen, was im Klavierunterricht nicht vermittelt wird
  • Synthese: Weder mit Klavierunterricht, noch mit Schulwerken und Lehrbüchern über das Klavierspielen lernst Du, wie man Klavier spielt

Und clavio.de gibt es, damit man diese bittere Wahrheit leichter ertragen kann. Danach kann man zwar immer noch nicht Klavier spielen, aber man hat wenigstens darüber geredet. Deshalb gehe ich jetzt üben, denn die Hoffnung stirbt zuletzt...!

LG von Rheinkultur
 
Etwas zu vergeigen krieg ich in jedem Tempo hin.

Da bist Du sicher nicht allein.


gibt's vermutlich mehrere - nicht alle davon sind unbedingt öffentlichkeitstauglich ;)

Allerdings:


gibt's immer... was mich manchmal wundert: ich traf schon mal (teils blutige) Amateure, die eine bessere Vorstellung davon haben, wie man Musik schön darstellt, als studierte Profis... geben tut's anscheinend alles... ;)

Es lohnt sich, der Frage nach einer "optimalen Darstellung von Musikstücken" auf den Grund zu gehen. Und möglich ist es auch. Leider ist das wohl so ziemlich das einzige, was ich darüber sagen (schreiben) kann - denke ich.
 
Liebe Clavianer,

mich plagt seit einiger Zeit eine Frage, auf die ich als solches noch keine befriedigende Antwort erhalten konnte.

Es geht um die Aufführgeschwindigkeit klasischer Stücke, für die keine Metronomangaben oder akustische Aufzeichnungen vorliegen - also praktisch die gesamte klassische Literatur vor 1887 dem Jahr des Patents für die Schallplatte.

Wer entschied wie rasch Stücke zu spielen sind, die mit Allegro oder Andante und den anderen Tempi-Bezeichnungen angegeben sind? Natürlich der Vortragende - aber orientierte sich dieser dabei an Vergleichsstücke anderer Komponisten und den Aufführenden?

Ich habe schon mehrfach gehört, dass in den früheren Jahrhunderten deutlich langsamer gespielt wurde als heute. Wie dies belegt werden könnte, ist eine andere Frage.

Das frage ich mich auch oft, besonders wenn ich Chopin-Walzer spiele.
Hört man sich div. Interpreten an, dann frage ich mich auch z.B. sind die auf der Flucht? Ich dachte es geht hier um einen Walzer. Warum werden die oft (immer) so schnell gespielt? Wollte das Chopin wirklich so? Was ist das Maß der Dinge hier?
Habe hier alles gelesen und wollte das auch noch mal dazu packen.
Hasenbein kann bestimmt was dazu sagen, oder?

LG Jörg
 
Hört man sich div. Interpreten an, dann frage ich mich auch z.B. sind die auf der Flucht?

wenn einem solche Assoziationen kommen, ist das m.E. nicht so gut... es sei denn, es handelt sich um ein Stück, dessen "Thema" oder beabsichtigte Wirkung "Flucht" ist - dann darf es auch wie eine solche wirken. Ein Walzer sollte das aber eher nicht, da stimme ich zu.
 

Zurück
Top Bottom