Warum wird keine geniale Musik mehr gemacht?

Wenn man einen Vergleich heute - früher anstellt, sollte man mMn also einen fairen Vergleich ziehen und entweder heutige Popmusik mit damaliger Volksmusik oder Neue Musik mit damaliger "E-Musik" vergleichen. Also Äpfel mit Äpfeln und Birnen mit Birnen. Ich nehme an, dass das ist, was Haydnspaß ungefähr andeuten wollte.

So ungefähr ;) Etwas, das der heutigen Popmusik mit ihrem Starkult vergleichbar wäre, gabs aber früher garnicht.

Dann müsste die Frage lauten: Warum hört niemand geniale Musik? :D

Niemand stimmt ja nicht. Es ist eben prozentual nur ein sehr, sehr kleiner Teil der Musikhörer.

Selbst der Anteil der Leute, die heute "alte" klassische Musik hören ist nicht sonderlich groß, verglichen mit den Pop, Rock, Jazz-Fans.
 
Ich würde ganz von dem "genial" weggehen, warum sollte ein einfaches Volkslied nicht genial sein. Die Frage ist dann also, warum wird und wurde Musik, die uns wertvoll und hochstehend erscheint, nie von der breiten Masse gehört? Und da ist der Hund begraben, um herausragend zu sein, muss die Musik über die Masse der anderen Musik herausragen, und die Masse der Musik ist meist Musik, die dem Massengeschmack entspricht. Die Frage lautet jetzt also, "Warum gefällt der Masse keine Musik, die nicht dem Massengeschmack entspricht"


Bei Musik, Literatur, usw ist es nunmal so, dass es auf der einen Seite den Massengeschmack gibt, und auf der anderen die Menge die glaubt, guten Geschmack zu haben und sich darin gegenseitig bestätigen. Diese zweite Gruppe hat früher die ganze Maschinerie am Laufen gehalten, seit Jahrzehnten aber haben sie sich von aktuellen Kompisitionen abgewandt. Das Neue, unter dem sich sicher einiges "geniales" verbirgt, findet keine Öffentlichkeit, man geht zu den "Klassikern" von Bach bis Rachmaninoff.
Wieso es zu diesem Bruch zwischen "E"-Musikschaffenden und den potentiellen Konsumenten gekommen ist, kann ich nur rätseln.
Mag daran liegen, dass die E-Musik sich viel zu E nimmt, und man verkennt, dass jede alte E Musik eigentlich die U-Musik der oberen Schichten war. Mag daran liegen, dass niemand mehr neue Musik ernst nimmt, die tonal ist, und keiner Musik hören will die wirklich atonal ist.
Es kann auch sein, dass dieser Bruch nötig oder ganz natürlich war, schon oft passiert ist und nur in meinem Bild über die historische Musikliebhaberschaft fehlt, dann muss man aber sagen, dass es der Neuen Musik nicht gelugen ist, sich eine neue Liebhaberschaft zu schaffen, oder es ist ihr sehr gut gelugen, sie von diesem Forum und der Gesellschaft als ganzes zu verstecken.
 
Chaotica hat einen wichtigen Punkt gebracht. Wir sollten nicht vergessen, dass es keine Zeit gab, in der mehr und höherwertiger klassisch musiziert wurde als heute. Jedes Jahr verlassen Dutzende Top-Pianisten, Top-Violinisten usw. die Uni, es wird alles immer weiter verfeinert. Die klassischen Komponisten wären überwältigt, würden sie ihre Musik so vorgetragen hören wie wir sie heute hören.

Das ist natürlich nur der aufführende Teil. Komponiert wird sicher auch noch Musik, die in späteren Epochen als genial gelten wird. Unabhängig davon, was man als genial versteht, steht aber auf jeden Fall fest, dass wir bei den gigantischen Massen an neuer Musik gar nicht alles erfassen können. Genau wie die Weltbevölkerung exponentiell gestiegen ist, ist es auch der Umfang der Notentexte. Wer sich auskennt und hoch interessiert ist, wird sicher vieles finden, was der Bezeichnung genial würdiger ist als die bekannte Popmusik. Ich zähle mich ausdrücklich nicht zu der Gruppe, weil die klassische Musik von Barock bis Romantik schon für ein ganzes Leben reicht. Zwei Jahrzehnte davon habe ich schon mit Unmusikalität vergeudet.

“Music is enough for a lifetime, but a lifetime is not enough for music”, Sergei Rachmaninoff
 
So ungefähr ;) Etwas, das der heutigen Popmusik mit ihrem Starkult vergleichbar wäre, gabs aber früher garnicht.
Stimmt.

Ein anderer wichtiger Unterschied für mich ist, dass die breite Masse damals gar nicht die Möglichkeit hatte, nur irgendwie an Kunstmusik heranzukommen, während heute mit den Massenmedien eigentlich alles für jeden verfügbar ist. Früher scheiterte es also eher am Können, heute wohl eher am Wollen.

@ Pilo

Du deutest auf jeden Fall in die richtige Richtung. Dies hier hat viel mit der Entwicklung der Musikgeschichte in Richtung des absoluten Stilpluralismus zu tun. Vielleicht wäre das ein eigenes Thema wert?

Zitat von Castati:
Wir sollten nicht vergessen, dass es keine Zeit gab, in der mehr und höherwertiger klassisch musiziert wurde als heute. Jedes Jahr verlassen Dutzende Top-Pianisten, Top-Violinisten usw. die Uni, es wird alles immer weiter verfeinert. Die klassischen Komponisten wären überwältigt, würden sie ihre Musik so vorgetragen hören wie wir sie heute hören.
Das sehe ich ganz genauso. Ich glaube auch nicht, dass selbst die besten Orchester um 1800 herum besser waren als ein durchschnittliches Sinfonieorchester heute. Und der Klavierhype Anfang des 19. Jahrhunderts hat wohl auch Massen an mechanistischen Möchtegernvirtuosen geschaffen, die von echter Musik absolut nix wussten. Gerade deswegen ist es doch so erstaunlich, was die Leute damals geleistet haben, die wir "große Komponisten" nennen.
 
Jetzt wird dieser Faden gut. Weiter so!!!! & Danke!
 
Mag daran liegen, dass niemand mehr neue Musik ernst nimmt, die tonal ist, und keiner Musik hören will die wirklich atonal ist.

Ich würde eigentlich liebend gern neu komponierte, tonale Musik z.B im Stile von Rachmaninoff hören (nein, keine Filmmusik), aber die meisten zeitgenössischen Künstler müssen das Rad wohl immer wieder neu erfinden...

Letztens hab ich einer Zeitung einen Artikel über den schweizer Komponisten David Philip Hefti gelesen. Hier kann man sich eine seiner Kompositionen mit Noten unterlegt anhören: Klick (links auf Hörprobe mit Notenbeispiel) Ich möchte jetzt kein Urteil über den musikalischen Wert solcher Kompositionen fällen, aber ich finde die Umstände, das alles zu notieren, fast interessanter, als was letztlich für Töne daraus entstehen.
 
Chaotica hat einen wichtigen Punkt gebracht. Wir sollten nicht vergessen, dass es keine Zeit gab, in der mehr und höherwertiger klassisch musiziert wurde als heute. Jedes Jahr verlassen Dutzende Top-Pianisten, Top-Violinisten usw. die Uni, es wird alles immer weiter verfeinert. Die klassischen Komponisten wären überwältigt, würden sie ihre Musik so vorgetragen hören wie wir sie heute hören.
Das ist mE aber keineswegs so sehr positiv anzusehen.
Klar, dadurch können wir - die wenigen, die die klassische Musik liebhaben;)- noch schönere Musik anhören, aber es stellt sich doch die Frage: Warum wird heutzutage auf solche hohem Niveau musiziert?
Diese Tatsche ist doch eben die Folge der - wie Ubik es immer so schön ausdrückt - Verblödung der Gesellschaft ( in Hinsicht auf den musikalischen Geschmack)

Durch diese Verblödung hören nur sehr wenige Menschen klassische Musik.
Dadurch ist es gar nicht möglich, Platz für sonderlich viele Interpreten zu schaffen. Nur wenige schaffen es bis zum Konzertpianisten.
Daraus folgt, dass unter denen, die diesen Berufswusch haben, ein unheimlicher Konkurrenzdruck herrscht.
Das heißt also : Die wenigen sauguten Musiker, die eine Chance haben, müssen sich auch noch abrackern bis zum geht nicht mehr.
Aus diesem Grund, wird heute in der klassische Musikbranche eben nur noch auf absolutem Top-Niveau musiziert.
Zusammenfassend betrachtet ist dies also nur die Folge der Verblödung der großen Masse.









Hacon
 
@ Hacon: Leute, Ihr geht immer von unbewisenen Behauptungen aus, die ihr einfach in den Raum stellt...
Durch diese Verblödung hören nur sehr wenige Menschen klassische Musik.

Stimmt doch gar nicht. Oper z.B. ist zur Zeit bei den Yuppies und bei der Society schwer "in". Und nach der Telekom Werbung erwischt nun auch die "simple" Herz-Schmerz-Oper das Bild-zeitungslesende Publikum. Woraufhin die Society das schnell wieder abstößt ...:twisted:

Morgen kann das mit Klaviermusik passieren...

Seht's mal wie bei der Tierzucht. Es kann einer Rasse nichts schlimmeres passieren, als dass sie in Mode kommt. Degeneration und mindere Qualität ist die Folge. Drum braucht man nicht darüber zu jammern, dass geniale Musik (falscher Begriff!!!) im Verborgenen stattfindet. Dies ist Bestandteil elitärer Musik (um hier den richtigen Ausdruck zu verwenden).

Geniale Musik kann auch Musik sein, die die Massen begeistert: z.B. Abba...
 
Letztens hab ich einer Zeitung einen Artikel über den schweizer Komponisten David Philip Hefti gelesen. Hier kann man sich eine seiner Kompositionen mit Noten unterlegt anhören: Klick (links auf Hörprobe mit Notenbeispiel) Ich möchte jetzt kein Urteil über den musikalischen Wert solcher Kompositionen fällen, aber ich finde die Umstände, das alles zu notieren, fast interessanter, als was letztlich für Töne daraus entstehen.
Mir ist grad was richtig dämliches passiert: Öffne die von dir verlinkte Seite, mache die Lautsprecher an, und wundere mich, was da für ne schöne harmonische Musik rauskommt, und wundere mich: Was hat denn der Pit da dagegen auszusetzen?

Dann fällt mir auf: Durch das Lautsprecher anmachen war die Musik der Website von Yundi Li angegangen, die bei mir noch geöffnet war;)













Hacon
 

Ich würde eigentlich liebend gern neu komponierte, tonale Musik z.B im Stile von Rachmaninoff hören (nein, keine Filmmusik), aber die meisten zeitgenössischen Künstler müssen das Rad wohl immer wieder neu erfinden...

Letztens hab ich einer Zeitung einen Artikel über den schweizer Komponisten David Philip Hefti gelesen. Hier kann man sich eine seiner Kompositionen mit Noten unterlegt anhören: Klick (links auf Hörprobe mit Notenbeispiel) Ich möchte jetzt kein Urteil über den musikalischen Wert solcher Kompositionen fällen, aber ich finde die Umstände, das alles zu notieren, fast interessanter, als was letztlich für Töne daraus entstehen.

Woher weißt du, dass es nicht irgendwo sowas gibt? Man kann es nicht wissen, weil der Markt, auch der für Neue Musik, überschwemmt ist. In den Kreisen, die regelmäßig solchen Komponisten lauschen wird ein Rachmaninoff wohl eher mäßigen Anklang finden, nichts dringt nach außen. Wie soll das neue Genie dich also erreichen?

Punkt zwei: (nein, keine Filmmusik)
Natürlich ist im Film viel Schund, aber deshalb die einzige verbliebene massenwirksame Bühne für symphonische tonale (ich will nicht sagen "normale") Musik innerhalb von drei Worten in einer Klammer abzutun, ist schon mangelnder Ernst beim Herangehen an zeitgenössische Musik. Die Bühne die es gibt wird abgelehnt, weil 99% schlecht/primitiv ist, andere Bühnen werden nicht geschaffen.
 
Durch diese Verblödung hören nur sehr wenige Menschen klassische Musik.

@ Hacon: Leute, Ihr geht immer von unbewisenen Behauptungen aus, die ihr einfach in den Raum stellt...
Stimmt doch gar nicht. Oper z.B. ist zur Zeit bei den Yuppies und bei der Society schwer "in". Und nach der Telekom Werbung erwischt nun auch die "simple" Herz-Schmerz-Oper das Bild-zeitungslesende Publikum. Woraufhin die Society das schnell wieder abstößt ...:twisted:

QUOTE]
Oh man, wo war ich nur wieder mit meinen Gedanken??? Hat mich die Hammerklaviersonate wohl doch etwas verwirrt:shock:

Natürlich hört die ganze Welt klassische Musik!!!
Was anderes gibts doch gar nicht!!!:cool:














Hacon
 
Nicht so impulsiv, ist doch nicht nötig...

"sehr wenige" ist
  1. verdammt dehnbar
  2. wenn man über heute im Vergleich zu damals spricht auch eine Aussage, früher wären es zahlenmäßig mehr gewesen, und das ist Blödsinn
 
Natürlich wird heute weniger klassische Musik gehört als früher.
Früher war klassische Musik ja auch neu und modern.
Heute ist klassische Musik alte Musik.

Und dafür dass Klassik ja eigentlich alt ist hören sie doch sehr sehr viele, oder?

(und so wenig sinds wirklich nicht, die Konzerte in die ich geh sind immer sehr gut besucht, auch welche von keinen Stars)

Liebe Grüße

oli
 
Ich meine mit alt, dass der Tag als sie geschrieben wurde schon ein wenig länger her ist.

oli
 
Da würde mich aber mal interessieren, was du mit "besser" meinst. Schneller, fehlerfreier, musikalischer, werkstreuer, intensiver, perfekter, schöner, richtiger....?
Fehlerfreier bestimmt, musikalischer wohl auch. Die Bedingungen für gutes Musizieren sind doch heute viel besser; z.B. hat man heute eine enorme Fülle an Einspielungen zur Verfügung, Interpretationen, die immer abrufbar sind. Das hilft doch schon, eigene Fehler zu vermeiden. Außerdem waren die Aufführungen damals auch oft mies, weil damals viele Werke gerade komponiert waren und die Zeit zum Einstudieren oft sehr knapp war. Wenn man heute damit beginnt, z.B. eine Beethovensinfonie einzustudieren, hat die ja jeder seriöse Orchestermusik sozusagen schon seit Jahren im Ohr.

Man kann allerdings schon argumentieren, dass die Interpretationen damals frischer gewirkt haben, eben weil die Werke neuer waren. Wenn das einzig entscheidende Kriterium für die Qualität der Musik ist, dann waren wohl die damaligen Orchester "besser".
 

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