Warum git es für ein dieselbe Note zwei Bezeichnungen?

  • Ersteller des Themas reymund
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Hier noch kurz die Auflösung der kleinen Rätselfrage von oben: Jeder Ton lässt sich mit beliebiger Genauigkeit durch (reoktavierte) Schichtung reiner Quinten approximieren, oder, wie man sagt: Die abzählbar unendliche Menge der durch Quintschichtung entstehenden Töne liegt dicht in der überabzählbaren Menge aller Töne.

Wer auf unterhaltsame Weise nicht nur solch "nutzloses" Wissen erwerben, sondern auch mehr über Tonsysteme, historische Stimmungen etc. aus einer (elementar-)mathematischen Perspektive lernen will, dem sei dieses Buch empfohlen:

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Mit anderen Worten: Durch fortgesetztes (reoktaviertes) Schichten reiner Quinten wird man auch mit noch so viel Geduld nie wieder am Ausgangspunkt ankommen. Man erhält also auf diese Weise eine abzählbar unendliche Menge von Tönen im Oktavraum.
... die außerdem im Oktavraum dicht ist. Insofern ist der "quintenferne" Teil der Oktave praktisch nicht von den quintgenerierten Tönen zu unterscheiden.


OK, war ich zu spät...
 
... die außerdem im Oktavraum dicht ist. Insofern ist der "quintenferne" Teil der Oktave praktisch nicht von den quintgenerierten Tönen zu unterscheiden.

Super! Es gibt also gar keine wirklich "quintenfernen" Tonbereiche – man kann die Oktave beliebig eng durch Schichtung reiner Quinten auffüllen.


Nein nein, nicht zu spät, ich habe geschrieben, während Du wohl noch nicht nachgeladen hattest.
 
Okay.

Wieso? Das dissonante Intervall ist doch dasselbe, bei mir klingt c-as genauso dissonant wie c-gis.

CW


Aus dem Kontext gerissen, wirst Du immer c-as hören. Aber spiele mit Deiner linken Hand mal einen a-Moll-Dreiklang und mit Deiner rechten Hand abwechselnd c''-gis'.
Anschließend spielst Du einen f-Moll-Dreiklang mit deiner rechten Hand wieder c''-as'.
Du wirst erkennen, dass das zweite Beispiel weniger Spannung hat, da die Tonfolge im Kontext von a-Moll (dritte Tonleiterstufe zum Leitton) eine Dissonanz ergibt (verminderte Quarte) und im Kontext von f-Moll eine Konsonanz (fünfte Tonleuterstufe zur dritten, große Terz).

Diese Unterschiede sind bei tonaler und modaler Musik wahrzunehmen. Bei Zwölftonreihen ist es, glaube ich zumindest, egal, da es ja hier keinen Grundton gibt, zu dem die anderen Töne einen Bezug haben könnten.
 
Der übermäßige Dreiklang klingt deshalb dissonant, weil a) das Gis vom durch westliche Musik geschulten Ohr als Vorhalt
Nein, ein Vorhalt ist ja eher ein dissonanter Ton, der INNERHALB EINER HARMONIE durch einem konsonanten Ton AUFGELÖST WIRD (Bsp. 1, c-h). In dem Fall ein Quartvorhalt. Die übermäßige Quinte in Bsp. 2 ist einfach eine Hochalteration der Quinte innerhalb des Akkordes, die dadurch der Dominante mehr Spannung gibt. Diese Spannung WIRD erst IM NACHFOLGENDEN AKKORD AUFGELÖST (dis-e). Außerdem lösen sich Vorhalte tendenziell eher nach unten auf und übermäßige Intervalle streben tendenziell eher nach oben. Als Vorhalt würde es dann doch eher wieder eine kleine Sexte sein so wie in Bsp. 3 (es-d). Die Dissonanz liegt dann zwischen h und es und nicht mehr zwischen g und dis.
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Ich mache das nochmal an einem Beispiel von a-Moll-harmonisch klar:
Alle heptatonischen Tonleitern (also Dur, Moll und die Modi) haben sieben Töne. Warum heißt der (künstlich erhöhte) Leitton bei a-Moll gis und nicht as? Weil statt des g ein gis gespielt wird, da das g erhöt und nicht das a erniedrigt wird. Würde ich das a erniedrigen, wäre das ja gar keine a-Moll-Tonleiter mehr, da der Grundton fehlt. Das ist quasi schon die Antwort. Man kann aber auch noch ein bisschen weiter denken: Hätte eine harmonische Molltonleiter statt des gis ein as, wäre einer der Stammtöne (a) doppelt und ein Stammton würde fehlen: a-h-c-d-e-f-as-a. Bei oktatonischen Tonleitern ist es manchmal gar nicht so klar, ob beispielsweise gis oder as gemeint ist, da diese ja allein durch eine Reihenfolge von Ganz- und Halbtonschritten hergeleitet werden.
 
Wenn in Deinem Beispiel es-d gespielt wird, empfindet das Ohr das es im Nachhinein als Vorhalt zum d, und so bringe ich das auch den Schülern bei. Auch wenn irgendwelche ganz schlau sein Wollenden da noch differenzieren wollen. Ich möchte meine Schüler nicht verwirren, sondern ihnen praktische, gut verstehbare und anwendbare Werkzeuge (u.a. auch für eigene Song-Begleitung sowie Jazz und Pop) an die Hand geben, und dafür ist die Definition "Vorhalt = akkordfremder Ton auf schwerer Zählzeit, der sich schrittweise in einen akkordeigenen Ton auflöst" völlig ausreichend.

Wer Klassik-Tonsatzlehrer werden will, soll sich gerne die komplizierte Version reinziehen :005:
 

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