Vor Publikum spielen

Ich für meinen Teil spiele schon nach 1 Bier definitiv schlechter.

Vor meiner Aufnahmeprüfung bin ich damals zum Arzt gegangen und habe mir aufgrund meiner starken Nervosität (um die ich von Auftritten und von einem mißglückten Aufnahmeprüfungs-Testlauf ein Jahr zuvor wußte) Beta-Blocker verschreiben lassen. Nur für diese eine wichtige Ausnahmesituation.

Ich muß sagen, es hat super funktioniert, die Aufnahmeprüfung war ziemlich locker und stellenweise fast lustig. (Habe allerdings die 3fache Menge dessen genommen, was der Arzt empfohlen hat. :D )

Gewohnheitsmäßig Alkohol, Drogen oder Medikamente bei Auftritten zu nehmen geht natürlich gar nicht! Aber ich finde, (vom Arzt verschriebene!) Betablocker zu Aufnahmeprüfungen oder Orchester-Auditions zu nehmen, ist o.k., da es sich um einmalige, besonders belastende und besonders wichtige Spezial-Events handelt.

LG,
Hasenbein
 
Ich für meinen Teil spiele schon nach 1 Bier definitiv schlechter.

geht mir genauso - ich werde da etwas zu draufgängerisch-gleichgültig in Details, nach einem zweiten (oder Sünde gar drittem) wird das nicht besser...

Beta-Blocker oder Beruhigungsmittel habe ich noch nie genommen, und das trotz der heftigen Plage namens Lampenfieber - - allerdings habe ich sowohl schon gelesen, dass so etwas empfohlen aber, aber auch, dass so etwas abgelehnt wird.

Entscheiden mag ich da nichts, weil ich zufrieden bin, auch ohne Medikamente (im weitesten Sinne) über die Runden zu kommen.
 
Außerdem kann es helfen, dem ganzen mit einer gesunden (!!!) Arroganz zu begegnen. Alle Leute sitzen nur da, weil sie DICH (!) hören wollen.
Du spielst aber NICHT (!) für sie. Du spielst dort oben auf der Bühne nur für dich alleine, und sie können sich glücklich schätzen, dir lauschen zu dürfen(!).
Du musst mit dir zufrieden sein, und mehr nicht. (niemanden anderen willst du etwas beweisen, wenn du auf der Bühne bist - NUR DIR SELBST)


Hallo KBK,

ich finde sehr interessant, was du hier schreibst - mir geht es nämlich genau umgekehrt :p . Ich könnte gar nicht spielen, wenn ich nicht als Adressaten die Ohren und Herzen des Publikums im Kopf hätte.

Ich versuche immer, den Klang in den Raum zu schicken, so dass er alle erreicht und überall ist und schwingt (auch wieder zu mir zurück). Ich finde, ich habe durch diese Vorstellung einen viel präsenteren Klang. Und irgendwie empfinde ich es, dass man zusammen mit dem Publikum diese große Musik erlebt. Besonders spürbar wird das in den Pausen( in einem Stück, nicht während zweier Hälften :D).

Viele Grüße

chiarina

P.S.: Wenn ich Alkohol trinke und dann spiele, finde ich, dass ich ganz toll spiele und fühle mich ganz gelöst. Die anderen aber nicht. :D :D Ich kann mir dann nämlich nicht mehr gut zuhören - o weh, o weh ..... .
 
Hallo KBK,
Ich finde sehr interessant, was du hier schreibst - mir geht es nämlich genau umgekehrt :p . Ich könnte gar nicht spielen, wenn ich nicht als Adressaten die Ohren und Herzen des Publikums im Kopf hätte.

Ich versuche immer, den Klang in den Raum zu schicken, so dass er alle erreicht und überall ist und schwingt (auch wieder zu mir zurück). Ich finde, ich habe durch diese Vorstellung einen viel präsenteren Klang. Und irgendwie empfinde ich es, dass man zusammen mit dem Publikum diese große Musik erlebt. Besonders spürbar wird das in den Pausen( in einem Stück, nicht während zweier Hälften :D).

Kann mir gut denken, dass dir deine Methode hilft. Bildliche Vorstellungen helfen oftmals unterbewusst. Immer wieder interessant.

Meine Einstellung soll aber zwangsweise nicht heißen, dass mich das Publikum mal kreuzweise kann, sondern einfach nur, dass wenn ich mit diesem Gewissen auf die Bühne gehe, meine besten Leistungen abrufen kann.
Wollte nur evtl. Missverständnisse aus dem Weg räumen.

Tja, suum cuique (Jedem das Seine) ;)
 
Ich versuche immer, den Klang in den Raum zu schicken, so dass er alle erreicht und überall ist und schwingt (auch wieder zu mir zurück). Ich finde, ich habe durch diese Vorstellung einen viel präsenteren Klang. Und irgendwie empfinde ich es, dass man zusammen mit dem Publikum diese große Musik erlebt. Besonders spürbar wird das in den Pausen( in einem Stück, nicht während zweier Hälften :D).

Das ist sehr schön formuliert! Genau um das geht es beim Spielen: Den tatsächlichen Klang der Schallwelle im Raum zu erleben - nicht aber, mit einem mentalen Konzept "in sich verkrochen" dazusitzen und zu hoffen, daß es sich von außen evtl. gut anhört. (Ich denke, in meiner Formulierung spürt man schon, daß Letzteres zu Nervöswerden führt, weil man der einsame Kämpfer ist...)

U.a. ist es daher auch so, daß große Pianisten je nach Raum unterschiedlich spielen. Sie haben sich nicht 1 "feste Interpretation" eintrainiert (also als wenn Horowitz sagen würde: "Das hier ist meine Horowitzversion des Stücks - ich spiel sie Ihnen mal vor", eine Art "menschliches MIDI-File", das bei Bedarf abgespielt wird), sondern die konkrete Umgebung mit ihren Erlebnis-Möglichkeiten gestaltet das Stück mit. Z.B. bedeutet ein großer, halliger Raum dann eher langsameres Tempo, ein kleiner und trockener eher schnelleres. Usw.

LG,
Hasenbein
 
Ich habe Zeiten mit einer Band gehabt, wo auch mal ziemlich feste gefeiert wurde und ich war da keine Ausnahme. Aber die wenigen Male, wo wir uns vor dem Spielen schon einen genehmigt hatten, haben uns davon überzeugt, lieber hinterher aufzuholen. Wir waren während dieser Konzerte nicht annähernd betrunken, und wir waren auch recht routiniert, aber es war irgendwie falsch. Es ist bestimmt kein großes Problem, sich nach ein paar Schlucken noch einmal überreden zu lassen, sich ans Klavier zu setzen, das ist aber eine ganz andere Situation als ein offizielles Klavier-Vorspiel, bei dem die Zuschauer vermutlich auch wesentlich nüchterner sind als bei einer Party, die mit Band-Musik begleitet wird.

Jetzt könnte man natürlich Leute wie Joe Cocker anführen, die fast im Delirium aufgetreten sind, aber erstens hat er kein Klavier gespielt (er hat nur so getan als ob) und zweitens hat es ihm das Publikum nicht gedankt.
 

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