Üben und Interpretation

  • Ersteller des Themas philomela
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Ich verstehe euch absolut. Aus pädagogischer Sicht kann es problematisch sein, das Spiel eines Laien/Schülers nicht als Interpretation zu verstehen. Er, der so und auch im Unterricht sehr an der musikalischen Gestaltung arbeitet und sich sehr in Musik ausdrückt und dem Musik sehr viel bedeutet, kann sich dadurch abqualifiziert fühlen. Gerade das individuelle, persönliche Spiel ist ja gerade das Wunderbare und so empfindet man sicher sein Spiel als persönliche Interpretation, was auch sehr wichtig ist.

Vielleicht kann man das Ganze noch mal von einer anderen Ebene aus betrachten:

angenommen, ich wäre Laiendarsteller im "Faust" von Goethe. Z.B. als "Gretchen" :shock: :D . Dann würde ich die Aufgabe sehr, sehr ernst nehmen und mein Allerbestes geben und doch würde ich persönlich das nie als Interpretation betrachten. Das fände ich irgendwie vermessen, denn als Interpret deutet man ja ein Werk und um es deuten zu können, muss ich ein sehr großes Wissen um das Stück herum, um Schauspielkunst, Sprachgestaltung etc. angehäuft haben. Ich muss auch in der Lage sein, ein Stück von vielen Seiten aus zu deuten, um dann die Lösung zu nehmen, die mich berührt, die für mich im Moment authentisch ist und die mir im Moment als die Schlüssigste erscheint.

Als Laiendarstellerin würden mir einfach sämtliche Möglichkeiten fehlen, um so in die Materie eintauchen zu können. Und trotzdem ist das Stück zu meiner persönlichen Rolle geworden, denn ich gebe meine Gedanken und Gefühle hinein.

Aber ist die Aufführung schon deshalb Interpretation, weil sie subjektiv ist?

Liebe Grüße

chiarina
 
Rolf, ich behaupte, der Fehler, den Du und viele andere machen, ist:

Es gibt selbstverständlich große Unterschiede zwischen dem Spiel und Musikverständnis eines Wald-und-Wiesen-Spielers und dem eines Profis. Oft sogar sehr, sehr große! Soweit klar und nicht diskussionswürdig.

Aber mir will nicht einleuchten, warum da irgendwo so ein Quantensprung sein soll! Also hier "gelungen Notentext darbieten", dann eine eindeutige Grenze, dann davon eindeutig getrennt "Interpretieren".

In der Realität ist das doch ein Kontinuum!

Und man kann sich doch zumindest in vielen Fällen streiten, ob das nun noch "den Notentext gelungen hinkriegen" oder schon "interpretieren" ist! Und überdies ist es doch so manches Mal Geschmackssache! (Ich kenne das ja, wenn "Klassiker" Kollegen verbal zerreißen...)

Mir zu unterstellen, ich hielte das Spiel eines Anfängers für "dasselbe" wie das eines Klavierstudenten, ist natürlich Unsinn, und ich bin mal so nett, Dir nicht einen bewußten rhetorischen Trick zu unterstellen.

Gehst Du wenigstens mit mir konform, daß es ein Kontinuum ist und daß man keine bestimmte "Grenze" festlegen kann, ab der man sagen kann: "Ab jetzt interpretiert er"? Daß man halt nur merkt, wann eindeutig Interpretation geschieht oder wann eindeutig einsteigerhaftes Spiel geschieht?

LG,
Hasenbein
 
Hallo zusammen,

die Sichtweise: Profi kann und darf interpretieren, Anfänger kann und sollte es nicht, ist schon ein wenig verklemmt und obendrein sehr destruktiv (geht es hier etwas um die Steigerung des Selbstwertes??).

Die Ausgangsfrage des Fadens
Kann und sollte man überhaupt die eigene Interpretation, das eigene Gefühl beim Musizieren, soweit ausklammern und sich nur auf die gedruckte Vorgabe konzentrieren?

Gehen wir mal davon aus, dass gute Lehrer wohl imstande sind, angemessene Literatur auzuwählen, dann ist doch glasklar, dass jedes Stück nebst technischem Können auch interpretiert werden soll. Oder wie anders wäre denn die Auseinandersetzung mit der Musik, die da geschrieben steht, zu nennen? Es ist mir neu, dass sich erst mit dem Eintritt in eine MuHo die Fähigkeit zur Reflexion einstellt. Jedes Kleinkind ist doch in der Lage Melodien ihrem Charakter nach vorzusingen, zu tanzen oder ggf. schon auf einem Instrument vorzutragen. Soll man ihm das absprechen oder gar verbieten ("du musst erst lernen deine Finger richtig zu bewegen!!")??? Ja im Kleinen fängt das an, Aufgabe des Lehrers ist es diese Fähigkeit auf- und auszubauen. Die Meisterkurs-Keule bitte stecken lassen! Das tut den Schülern gar nicht gut, ist einfach nur Panne.

LG, Sesam
 
Hallo,

ich finde diese Diskussion hier superspannend und fruchtbar für mich, weil ich jetzt ein etwas anderes, vielschichtigeres Verhältnis zu dem Konstrukt "Interpretation" entwickele.

Gehst Du wenigstens mit mir konform, daß es ein Kontinuum ist und daß man keine bestimmte "Grenze" festlegen kann, ab der man sagen kann: "Ab jetzt interpretiert er"? Daß man halt nur merkt, wann eindeutig Interpretation geschieht oder wann eindeutig einsteigerhaftes Spiel geschieht?

Was mich in dem Zusammenhang beschäftigt ist, wer denn bemerkt, ab wann etwas eine wirkliche Interpretation ist. Nach dem hier geschilderten Verständis würde ich mich als Wald-und-Wiesen-Musikerin da völlig ausschließen. Eigentlich kann doch dann jemand nur noch eine Interpretation als solche erkennen, der sich annähernd ebenso intensiv mit dem Werk befasst hat wie der interpretierende Künstler selbst. Das setzt ja dann zumindest ein Hochschulstudium voraus.

Ist es tatsächlich so, dass (echte, gute) Musik sowohl nur von Hochschulabsolventen gemacht werden als auch nur von solchen verstanden werden kann? Dann wäre die Musik aussschließlich von Elite für Elite ... :(

Viele Grüße
philomela
 
Mir zu unterstellen, ich hielte das Spiel eines Anfängers für "dasselbe" wie das eines Klavierstudenten, ist natürlich Unsinn, und ich bin mal so nett, Dir nicht einen bewußten rhetorischen Trick zu unterstellen.

eigentlich traute ich Dir zu, dass Du die von mir erwähnten Analogien nicht fälschlich auf Dich beziehst... unterstellt hab ich Dir gar nichts!!
 
Die Meisterkurs-Keule bitte stecken lassen! Das tut den Schülern gar nicht gut, ist einfach nur Panne.

...unter dieser Voraussetzung ist es auch Panne, dass realiter Leute existieren, die Lichtjahre besser spielen können als besagte Schüler... sollte man nun die besagten Schüler schonen, indem man ihnen die frustrierende Erfahrung erspart, sowas anzuhören?

wenn den lieben Schülern was gut tut, dann die Erfahrung zu machen, wie Musik klingen kann und auch im besten Fall klingen soll - nebenbei habe ich schon oft genug erklärt, dass man im mittleren Schwierigkeitsbereich ohne Klavierstudium durchaus auf hohem, quasi professionellem Niveau spielen lernen kann und dann auch sogar die eine oder andere wirklich schöne Interpretation zustande bringt (es muss ja nicht partout das technische Hochgebirge von Liszttranskriptionen sein). Hierzu ist aber sehr viel Wissen, Verstehen, Begreifen und Können nötig - und das zu erwerben schafft nicht jeder.

Und die Empfehlung, statt zu heulen oder zu maulen, ein einfaches Klavierstück (z.B. eine der Gnossiennes, wenn man ansonsten schon an der Pathetique übt) so gut wie nur möglich zu polieren, wiederhole ich gern. Und wenn etwas vielleicht für Mimosen demotivierend ist, dann der Umstand, dass es durchaus passieren kann, dass ein "fortgeschrittener" die leichte Gnossienne eben doch nicht so differenziert und sinnvoll zum klingen bringt wie ein Profi - nun, dann heißt es halt, im Unterricht an Grundlagen zu arbeiten, nämlich die Klangdifferenzierung betreffend. Eigentlich bei Licht betrachtet eine schöne Aufgabe!
 
...unter dieser Voraussetzung ist es auch Panne, dass realiter Leute existieren, die Lichtjahre besser spielen können als besagte Schüler... sollte man nun die besagten Schüler schonen, indem man ihnen die frustrierende Erfahrung erspart, sowas anzuhören?

:confused: äh, was will uns der Autor damit sagen?

Zitat von Rolf:
wenn den lieben Schülern was gut tut, dann die Erfahrung zu machen, wie Musik klingen kann und auch im besten Fall klingen soll

Unwidersprochen, lieber Rolf.

Zitat von Rolf:
Und die Empfehlung, statt zu heulen oder zu maulen, ein einfaches Klavierstück (z.B. eine der Gnossiennes, wenn man ansonsten schon an der Pathetique übt) so gut wie nur möglich zu polieren, wiederhole ich gern. Und wenn etwas vielleicht für Mimosen demotivierend ist, dann der Umstand, dass es durchaus passieren kann, dass ein "fortgeschrittener" die leichte Gnossienne eben doch nicht so differenziert und sinnvoll zum klingen bringt wie ein Profi - nun, dann heißt es halt, im Unterricht an Grundlagen zu arbeiten, nämlich die Klangdifferenzierung betreffend. Eigentlich bei Licht betrachtet eine schöne Aufgabe!

Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Fragestellung der Threadurheberin Mimosenhaftigkeit vermuten lässt. Und bevor nicht das Gegenteil bewiesen ist, sollte man Buhuhu auch niemandem unterstellen ;) Immer schön dran denken: man kann alles lernen. Vor allem wenn man nicht durch keulenschwingende Akademiker verschreckt wird :D

LG, Sesam
 
Ist es tatsächlich so, dass (echte, gute) Musik sowohl nur von Hochschulabsolventen gemacht werden als auch nur von solchen verstanden werden kann? Dann wäre die Musik aussschließlich von Elite für Elite ... :(

Ja, so ist es. Aber da schon auch nicht von Absolventen irgendeiner Hochschule der wissenschaftlichen, Verzeihung, künstlerischen Provinz. Das muss schon eine namhafte Institution sein.

LG, Sesam
 
Ist es tatsächlich so, dass (echte, gute) Musik sowohl nur von Hochschulabsolventen gemacht werden als auch nur von solchen verstanden werden kann? Dann wäre die Musik aussschließlich von Elite für Elite ... :(

Ja, so ist es. Aber da schon auch nicht von Absolventen irgendeiner Hochschule der wissenschaftlichen, Verzeihung, künstlerischen Provinz. Das muss schon eine namhafte Institution sein.

...wie ich sehe, will man hier nur noch polemisch turteln...

Philomena,
gute Musik (oder sagen wir besser: Kunstmusik) wird nicht nur von musikalischer Elite als solche erkannt oder rezipiert oder geschätzt - verstehen und selber spielen können ist nicht dasselbe. Der Nichtmusiker Thomas Mann z.B. hat sehr gute Sachen über Wagners Opern geschrieben. Und wer in eine Oper geht, der muss nicht Gesang studiert haben, wer in ein Sinfoniekonzert geht, der muss nicht dirigeren studiert haben, kann aber trotzdem viel davon verstehen.
Kurzum die Elitepolemik ist Quatsch bzgl. der Rezeption von Musik.

also Kopf hoch :)

und als Scherzlein noch:
unter der Dusche celeste Aida schmettern macht Spaß, Pavrotti an der Scala ist man deswegen aber nicht :D und bietet den Zuhörern folglich auch nicht mit Pavarotti vergleichbares - aber wahrnehmen, ob unter Dusche oder an der Scala besser gesungen wird, das kann man sehr wohl.

Gruß,
Rolf
 

Hi Leute,

jetzt mal langsam, wir haben's doch durchgekaut. ;-)

Interpretieren tut jeder der durch Noten ein Stück wiedererschafft/zu Gehör bringt.

Nur gibt es halt verschiedene Ebenen oder Grade der Interpretationskunst. (Wie eigentlich immer bei Kunst. Die einen könnens mehr, die anderen weniger. ;-) )

Der höchste Grad der Interpretationskunst, wo es nur noch um grosse musikalische Zusammenhänge und Verfeinerungen geht, benötigt ein hohes Mass an Wissen und Können. Dies kann man nur durch entsprechend intensive zeitliche und manuelle Beschäftigung mit diesem Thema erwerben und ist dadurch nur sehr schwer durch einen Hobbyspieler erreichbar, aber nicht unerreichbar.

Nicht mehr und nicht weniger.

Gruß
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Rolf, Du bist doch nicht etwa ein Verfechter der chinesischen Methode ((oder gar ein Anhänger von Sarrazin))???:shock: :D

aber mitnichten, gubu, ich hab grad was gelernt und bin total begeistert, weil das grad gelernte inhaltlich und spachlich einfach supi ist: alle tun interpretieren --- ich tu jetzt ein Pils köpfen, dann tu ich nochn bissel hier rumlesen (in der Hoffnung, Anlaß für ein weiteres Pils zu finden), und was tust Du? tust du noch ne Runde interpretieren, oder tust Du auch eins köpfen? :D:D
 
Mein Gott,

hat der dumme Bachopin sich mal wieder sprachlich nicht gut ausgedrückt.

Das tut ihr ja nie tun.

Gruß
PS: Habt ihr übergaupt gelesen (verstanden?), was ich sonst noch geschrieben habe?
 
Soll das (die letzten 7 Posts) jetzt witzig sein oder ist es ernst gemeint?
 

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