Temperiertes Orchester

Dabei seit
27. Juli 2007
Beiträge
4.405
Reaktionen
11
Bekanntlicherweise ist Fb nicht das gleiche wie E, G# ist nicht Ab und so weiter, jedenfalls für Bläser, Sänger und Streicher. Was mich mal interessieren würde: Sind diese Unterschiede eigentlich relativ? Spielt ein Geiger grundsätzlich das selbe F#, unabhängig von der Tonart, oder spielt er erniedrigte Töne anders als erhöhte? Oder anders ausgedrückt, haben, z.B. in Orchestermusik, die verschiedenen Tonarten unterschiedliche absolute Intervalle oder sind Orchester inzwischen auch temperiert?
 
Ich bin kein Orchestermusiker, aber im Chor achte ich schon darauf, dass z.B. eine Stimme, die 2x hintereinander den gleichen Ton singt, der aber zu unterschiedlichen Akkorden gehört, diesen anders intoniert. Das dürfte beim Orchester ähnlich sein. Manchmal korrigiert der Dirigent auch unsaubere Akkorde in der Probe nach seinen Vorstellungen. Einen gut klingenden Konsens zu erzielen ist halt eine Kunst. Beim Zusammenspiel mit Tasteninstrumenten hat sich das natürlich schnell erledigt.

Viele Grüße
Axel
 
Ich stelle die Frage noch mal anders:

Haben in heutiger Streichorchestermusik die Intervalle stufenbezogen in jeder Tonart die selben Schwingungsverhältnisse? Also z.B. C-D in C-Dur identisch mit As-B in As-Dur?
 
Die Notwendigkeit der Temperierung entsteht ja nur bei Instrumenten, die mit fixen Tonhöhen arbeiten (müssen). Hier musste ein Kompromiss gefunden werden, wofür es unterschiedliche Lösungsansätze gibt. Eine sehr radikale Variante ist die gleichstufige Temperierung, bei der alle Tonarten im Prinzip gleich klingen (die Idee der Tonartencharakteristik läuft da ins Leere), auf Kosten der Reinheit der Intervalle. Alle Intervalle sind nutzbar, aber keines ist wirklich rein. Milde Varianten der Wohltemperierung verbessern die Reinheit der Intervalle, was aber in bestimmten Tonarten auf Kosten der Sauberkeit der Klänge geht. Sehr alte Stimmungen (z.B. Mitteltönigkeit) verbessern die Reinheit in einigen Intervallen weiter, es gibt dann aber Tonarten, die nicht mehr erträglich klingen. Es gab auch technische Versuche, das Problem zu lösen, z.B. indem man die schwarzen Tasten in der Mitte unterteilt hat und somit zwei "Halbtöne" statt einem zur Verfügung hatte. Bewundern kann man sowas heute noch in Museen.

In jedem Fall geht es aber bei der gleichstufigen Temperatur immer darum, dass der Zirkelschluss im Quintenzirkel nur erreicht wird, wenn alle Intervalle temperiert sind. Das ist aber ein rein theoretisches Konstrukt, sobald man die Tonhöhe beim Spielen unmittelbar beeinflussen kann.

Sobald nun zwei Musiker zusammen musizieren, wird jedes Intervall so ausbalanciert, dass es gut klingt. Das "gut klingen" wird kaum jemals rein mathematischen Prinzipien folgen (so wie es die gleichstufige Temperatur tut), sondern immer dem gefühlten "Klanggehalt" des Intervalls im Kontext. Gute Musiker können also innerhalb eines Stückes alle Intervalle möglichst rein intonieren, oder auch Abweichungen vornehmen, wenn es dem Klang zuträglich ist. Ein anders temperiertes Intervall klingt ja nicht sofort falsch oder verstimmt, sondern bietet eine andere Klangfarbe eines vertrauten Intervalls. Wichtig ist, dass ohne Tasteninstrumente (bzw. generell Instrumente mit fixen Tonhöhen) überhaupt keine Notwendigkeit besteht, gleichstufig temperiert zu spielen, da dies für jedes gemeinsam gespielte Intervall, bzw. Klang neu ausbalanciert werden kann.

Im Orchester wird es wohl darauf hinaus laufen (bin kein Dirigent), dass der Dirigent an bestimmten Klangvorstellungen arbeiten wird. Die Idee der Klangreinheit wird aber durch zwei Umstände kompromittiert. Zum einen kann man auf einem Instrument, welches keine fixen Tonhöhen hat, nie hundert Prozent treffsicher intonieren, man kann sich dem höchstens annähern und zweitens können schon gar nicht mehrere Musiker in einer Instrumentengruppe denselben Ton auf exakt dieselbe Art und Weise intonieren. Zusätzlich ist bei vielen Instrumenten (je nach Spielweise) ein leichtes Vibrato im Ton, was die Reinheit kompromittiert. Im Prinzip macht dies ja auch z.T. die Klangästhetik eines Orchesters aus: man kann sofort hören, "das ist ein Orchester, nicht eine einzelne Geige".
 
Grundlage meiner Frage sind die Tonartcharaktere, wie z.B. in Wikipedia beschrieben:

"Bei den in der Musikgeschichte überwiegend verwendeten nicht-gleichstufigen Stimmungen fielen die Intervalle der Töne bei verschiedenen Tonarten hörbar unterschiedlich aus und verliehen so den Tonarten individuelle Charakteristiken. Diese älteren Stimmungssysteme ließen bei gewissen Tonarten sehr klare und reine Stimmungen zu, mit zunehmender Entfernung von der 0-Ebene des Quintenkreises jedoch wurden sie unsauberer und damit unbrauchbarer. Oft wurden die ‚entfernteren‘ Tonarten bewusst zur Textausdeutung eingesetzt, auch um die Auflösungen der Dissonanzen hernach um so reiner wirken zu lassen. Mit Auftreten der gleichstufigen Stimmung hat sich dies allerdings verflüchtigt. Was blieb, war vielmehr die Tradition. Ein Stück in Hirtenstimmung hatte eben in F-Dur zu stehen usw."

(http://de.wikipedia.org/wiki/Tonartencharakter)

Eine ganz interessante Textsammlung dazu gibt es auch auf der Website von Kölnklavier.

Es gibt wirkich viele Abhandlungen zu diesem Thema, aber in wieweit wird die Idee heute noch berücksichtigt? Nur von ganz verrückten Dirigenten? Beim Spielen entsprechend alter Musik? Umstritten war das Thema ja anscheindend schon seit sehr langer Zeit. Ich bin erst kürzlich wieder darauf gestoßen, weil ich mich neuerdings mit nordindischer Musik beschäftige, wo in den Ragas (melodische auf jeweils einer bestimmten Tonleiter beruhende Konzepte) die Töne recht unterschiedlich intoniert werden, was unter anderem den Charakter des jeweiligen Rags ausmacht.
 
Hey,

zum Thema Tonartencharakteristik gibt es ja schon einige Fäden hier. Wenn man (und dass ist ja beim Thema Stimmungen durchaus gerechtfertigt) mal einfach die Frequenzen anschaut, so kann ich auf jeder Grundton(frequenz) einen gleichwertigen Tonvorrat mit gleichen Frequenzverhältnissen aufbauen.

D.h. ein Streicher der "pythagoreisch" spielt, sich also an den Tönen und Frequenzverhältnissen der Obertonreihe orientiert, der wird das gleiche spielen, ob nun die Geige einen halbton oder viertelton höher oder tiefer gestimmt ist.

Bei Instrumenten mit festgelegten Tonhöhen gestaltet sich das etwas schwieriger, da muss man sich für eine pythagoreische Stimmung auf einen Grundton festlegen. Für andere Bezugstöne passt dann die Stimmung nicht. Hier könnte man von einem auf der Stimmung beruhenden Tonartencharakter sprechen.

Ich denke aber, dass Tonartencharakteristik hauptsächlich kulturhistorisch zu verstehen ist. Wikipedia nennt hier ja die Tonart D-Dur, die als festlich gilt und setzt diese in Beziehung zu den Blechbläsern, mit denen festliches gerne instrumentiert wird, und die wohl in D-Dur gut spielbar sind. Das leuchtet mir ein.

Ich bin nun kein Experte sondern ein Laie mit Grundkenntnissen der Physik und ich mag hier auch sehr falsch liegen.



Ein Problem eines Orchesters wird nun sein die Widersprüchlichkeit von Obertonschwingungen (Blechbläser spielen ja obertöne an) und gleichschwebenen Stimmungen (Klavier, Holzbläser, Harfe etc.) zu vereinen. Die Streicher sitzen dann wohl etwas zwischen den Stühlen, da sie alle Frequenzen anspielen können.


Illustrieren kann man so einen "Widerspruch" sehr gut an der Gitarre. Beim Stimmen ist ja die Methode nach Flageoletts sehr beliebt. Flageoletts sind Obertöne der Seitenschwingung, d.h. durch festhalten eines Schwingknotens werden gezielt Obertonschwingungen angeregt.

Die Folge ist, dass die Gitarrensaiten pythagoreisch zueinander gestimmt sind, während auf einer Saite die Gitarrenbünde eine gleichschwebenden Stimmung folgen. Viele Gitarristen stimmen ihre Gitarre mit Flageoletts durch, und passen dann durch Anspielen verschiedener Akkorde die Stimmung leicht an, sodass die "Widersprüche" zwischen Obertonstimmung und gleichschwebender Stimmung verschwinden. (Sehr zu Gunsten einer gleichschwebenden Stimmung).


Aber vielleicht kann mal ein Geiger/Cellist/Bratschist hier mal Position beziehen: Wird im Streicher-Unterricht denn zwischen Fis und Ges unterschieden oder orientiert man sich an der geläufigen gleichförmigen Stimmung, die zumindest meine Ohren als "normal" empfinden.
 
Aber vielleicht kann mal ein Geiger/Cellist/Bratschist hier mal Position beziehen: Wird im Streicher-Unterricht denn zwischen Fis und Ges unterschieden oder orientiert man sich an der geläufigen gleichförmigen Stimmung, die zumindest meine Ohren als "normal" empfinden.
Das kommt auf den Lehrer an. Es gibt beide "Schulen".
im Chor achte ich schon darauf, dass z.B. eine Stimme, die 2x hintereinander den gleichen Ton singt, der aber zu unterschiedlichen Akkorden gehört, diesen anders intoniert. Das dürfte beim Orchester ähnlich sein. Manchmal korrigiert der Dirigent auch unsaubere Akkorde in der Probe nach seinen Vorstellungen. Einen gut klingenden Konsens zu erzielen ist halt eine Kunst. Beim Zusammenspiel mit Tasteninstrumenten hat sich das natürlich schnell erledigt.
100% Zustimmung.
 
Kann denn niemand meine anfängliche Frage beantworten (siehe erster Beitrag)?
 
Bekanntlicherweise ist Fb nicht das gleiche wie E, G# ist nicht Ab und so weiter, jedenfalls für Bläser, Sänger und Streicher. Was mich mal interessieren würde: Sind diese Unterschiede eigentlich relativ? Spielt ein Geiger grundsätzlich das selbe F#, unabhängig von der Tonart, oder spielt er erniedrigte Töne anders als erhöhte? Oder anders ausgedrückt, haben, z.B. in Orchestermusik, die verschiedenen Tonarten unterschiedliche absolute Intervalle oder sind Orchester inzwischen auch temperiert?


Hallo Guendola,


ich glaube, ich habe das neulich schon mal irgendwo geschrieben und hoffe, es ist jetzt nicht langweilig. Streicher intonieren leittönig, d.h. in G-Dur ist die Terz der Dominante D-Dur "fis". Dieses "fis" wird höher als ein fis auf dem Klavier gespielt, da es sich nach "g" auflöst. Würde ein Streicher in Fis-Dur spielen (was wohl selten vorkommt :D ) wäre dieses "fis", da kein Leitton, nicht so hoch wie das eben genannte "fis". Gleichzeitig ist das Leitton-"fis" höher als ein "ges"! Erniedrigte Töne, die z.B. als None in einem verminderten dominantischen Akkord vorkommen wie "es" in D-Dur und sich nach unten auflösen, werden tiefer gespielt.

Hoffentlich habe ich mich einigermaßen verständlich ausgedrückt!

Viele Grüße

chiarina
 
Das bedeutet, es gibt - außer der Tonhöhe keinerlei meßbare Unterschiede zwischen den Tonarten mehr? Ein Orchester könnte also theoretisch ein Stück, das in Cis-Dur geschrieben wurde, in C-Dur spielen, vorher die Instrumente um einen Halbton höher stimmen und keiner würde es merken, es sei denn, er schaut den Musikern auf die Finger?
 
Ein Orchester könnte also theoretisch ein Stück, das in Cis-Dur geschrieben wurde, in C-Dur spielen, vorher die Instrumente um einen Halbton höher stimmen und keiner würde es merken, es sei denn, er schaut den Musikern auf die Finger?

jetzt habe ich eine ganz dumme Frage:
dieses "höher stimmen" macht doch jeder Gitarrist bei Barreegriffen? da werden die Saiten doch quasi höher gestimmt (aus e-a-d-g-h-e wird z.B. #f-h-e-a-#c-#f), indem sie "verkürzt" werden.

ein kleiner Jokus noch: der Triangelspieler könnte Probleme haben, wenn er kein reichhaltiges Sortiment dabei hat :)

Gruß, Rolf

...ich bin ja mit dem Klavier recht zufrieden: mir ist bzgl. der Tasten egal, ob es nun Cis- oder Des-Dur heisst...
 

jetzt habe ich eine ganz dumme Frage:
dieses "höher stimmen" macht doch jeder Gitarrist bei Barreegriffen? da werden die Saiten doch quasi höher gestimmt (aus e-a-d-g-h-e wird z.B. #f-h-e-a-#c-#f), indem sie "verkürzt" werden.

Die Gitarre ist doch gleichstufig gestimmt, zumindest die Bünde sind so gesetzt. D.h. keine pythagoreische Stimmung möglich. Die Gitarre verhält sich da Stimmtechnisch wie ein Klavier. (1) (2) (3)



Und noch das kleingedruckte:


(2) Werden die Gitarrensaiten zur Obertonschwingung angeregt, etwa indem man mit dem Finger die Saite leicht berührt und unterteilt (halbiert, drittelt, viertelt) bekommt man Obertöne, die Töne heißen Flageoletts und haben auch eine etwas andere Klangfarbe als die normalen Töne. Dadurch dass es natürliche Eigenschwingungen der Saite sind, ist eine Flageolett-Quinte wirklich exakt pythagoreisch. Flageollets werden generell aber nur als Effekt eingesetzt.

(3) durch das Ziehen der Saiten kann man natürlich die Tonhöhe etwas variieren, d.h. Vibratos sind möglich, im Blues ist das generelle Praxis um die Bluenotes zu erreichen. Je nach Besaitung kann man da schon mehr als einen Halbton rauf.

(1) Da man jeder Saite einen eigenen Grundton verpassen kann, könnte man die Saiten pythagoreisch durchstimmen. Jedoch: die Stimmung ist nur dann exakt wenn man Intervalle über zwei Saiten im gleichen Bund spielt. Intervalle über zwei Saiten in unterschiedlichen Bünden wären wohl generell unsauber und passen in keines der Stimmsysteme (Bünde sind ja modern gestimmt) und Intervalle auf einer Saite über verschiedene Bünde wären gleichschwebend. Ich hab das Vorhin nur angesprochen, weil man genau das Problem hat, wenn man nach der Flageolett-Stimmmethode stimmt (Die Methode ist hier beschrieben: http://de.wikibooks.org/wiki/Gitarre:_Stimmen_mit_Flageolett )
 
Ich verstehe Guendolas Frage nicht ganz. Wir hatten dies Thema doch gerade neulich?

Ein Streicher versucht, ob bewusst oder unbewusst, Intervalle so sauber wie möglich klingen zu lassen. Selbst bei Bläsern ist das so - man kann mit dem Ansatz den Ton erstaunlich weit hoch oder runterziehen. Und genau das wird nach meiner Erfahrung auch unterrichtet: möglichst reine Intervalle.

Die Durterz wird oft kleiner als gleichtemperiert gespielt, also eher als reine Durterz. Gerade heute morgen hörte ich mir den Orchester-Schlusston eines Geigenkonzertes an: die Durterz war praktisch rein. Leittönig spielt man eine Durterz eigentlich nur in einer Melodie, nicht aber in der Harmonie.

Ciao,
Mark

P.S.: Wenn man mit einem Klavier zusammenspielt, spielt man natürlich möglichst rein mit dem Klavier zusammen, also gleichtemperiert.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich habe mich vor längerer Zeit mit einem Klavierstimmer unterhalten, der die Flügel in der Philharmonie in München stimmt. Er hat mir erzählt, dass er die Flügel je nach Art der zu spielenden Stücke verschieden stimmt. Das deutet doch darauf hin, das man versucht, sich der reinen Stimmung zu nähern weil das Orchester eben nicht wohltemperiert intoniert ... oder kann das auch einen anderen Grund haben? Ich weiss auch nicht, was passiert, wenn am gleichen Konzertabend Stückke in Ges und in Fis gespielt werden ... wird dann zwischendrin umgestimmt, das Instrument gewechselt oder kommt so etwas gar nicht vor? Leider hatte ich damals noch keine Ahnung von Wohltemperiert etc ... sonst hätte ich nachgefragt. Allerdings sollten das doch die Klavierstimmer hier wissen ... ist das üblich in Konzerthäusern oder wird alle wohltemperiert durchgenudelt?

Gruss

Hyp
 
Das deutet doch darauf hin, das man versucht, sich der reinen Stimmung zu nähern weil das Orchester eben nicht wohltemperiert intoniert...Allerdings sollten das doch die Klavierstimmer hier wissen ... ist das üblich in Konzerthäusern oder wird alle wohltemperiert durchgenudelt?

Danke, du hast die Frage verstanden und den ersten nützlichen Hinweis geliefert :)
 
Nehmen wir mal an, es steht ein Stück in Fis-dur auf dem Programm und außerdem eines in Ges-dur. Nehmen wir weiterhin an, in beiden Stücken sei eine Klarinette in A vorgeschrieben. Die liest nun das Fis-dur als A-dur und das Ges-dur als Heses-dur? Der Notensetzer war allerdings hoffentlich so freundlich, das Heses-dur als A-dur zu notieren. Und für die B-Trompeten wird er hoffentlich Fis-dur nicht als Gis-dur, sondern als As-dur notiert haben. Obendrein war der Instrumentenbauer, der die Klarinetten hergestellt hat, hoffentlich so freundlich, die Bohrungen der Grifflöcher der temperierten Stimmung angepaßt zu haben, denn sonst könnte der Klarinetterich man gerade in seiner Grundtonart so einigermaßen säuberlich musizieren. Derweil lesen die F-Hörner das Ges-dur als Des-dur, und wenn der Notensetzer freundlich war, auch das Fis-dur als Des-dur und nicht als Cis-dur. (Wer sich mit transponierenden Instrumenten nicht auskennt, dem sei erläutert, daß eine Klarinette in A eine kleine Terz höher notiert wird, als sie klingt, daß also notiertes C-dur zu klingendem A-dur wird.)
Die Fragen "Rein oder Temperiert?", "Fis oder Ges" stecken offensichtlich voller Mißverständnisse. Worin so manches Mißverständniß liegt, könnte man vorrechnen. Z.B. könnte man vorrechnen, daß eine Geige nicht "rein" gestimmt ist, denn die Stimmung g-d'-a'-e'' der leeren Geigensaiten in reinen Quinten ergibt ein scheußlich klingendes Intervall g-e''. Man kann's aber noch so oft vorrechnen, es hilft alles nichts: die Gläubigen glauben weiterhin an eine "reine Stimmung".
Die gibt es jedoch nicht. Es gibt lediglich die Möglichkeit, das eine und andere Intervall etwas besser zu intonieren als auf dem unflexiblen Klavier. Wirklich rein intonieren kann man nur simple Dur- und Molldreiklänge, alles was darüber hinausgeht, bedarf des Kompromisses. Und da kann auch ein Orchester nicht auf eine bestimmte Referenztonhöhe verzichten, zu der es immer zurückfinden muß.
 
hallo Kernbeisser,

sehr schön, dass Du an den Anblick einer vollen Orchesterpartitur erinnerst und diesen ausführlich beschreibst!!!

Denn es ist tatsächlich so! Mag ein Stück auch "Sinfonie A-Dur" heissen - in der Partitur sind nicht alle Instrumente in A-Dur notiert... :D

Damit sollte klar sein, dass eine praktikable Gleichstimmung der Instrumente (mehr oder weniger am störrischen Klavier orientiert), schon recht lange Zeit recht sinnvoll war.

Gruß, Rolf
 
Ich bin ja nur Amateur, aber ich will dennoch mal kurz was dazu sagen.

Die Instrumentierung dürfte die Tonartwahl eines Orchesterstückes zumindest bis Beethoven sehr stark beeinflußt haben. Ventiltrompeten und Ventilhörner gibt es erst seit etwa 1820. Bis dahin konnten Trompeter und Hornisten nicht alle Töne spielen. Das merkt man auch an den Stimmen. Eine befreundete Hornistin hat mir mal erzählt, dass sie deswegen auch lieber im symphonischen Blasorchester als im Symphonieorchester spielt.

Als Holzbläser ist es so, dass man auch sehr viel mit Stimmgerät übt und das Stimmgerät ist nunmal "temperiert" gestimmt. Man hört dem Ton aber auch an, wenn er zu hoch oder zu tief ist. Er schwingt irgendwie besser, wenn er richtig ist. Dennoch kann ich gerade mit der Oboe mit Ansatz und Stütze sehr viel machen, um den Ton höher bzw. tiefer zu intonieren.

Im Orchester ist es so, dass gerade bei den Bläsern in den Satzproben die Akkorde durchintoniert werden. Neben der Tonhöhe kommt es auch sehr stark darauf an, welches Instrument welchen Akkordton spielt und wie stark es diesen Ton spielt. Durch die unterschiedlichen Klangfarben der Instrumente werden die Akkordtöne so eben auch anders gefärbt. Aber eine Faustregel, an die man sich als Bläser dabei auch immer hält ist "Durterzen tief und Mollterzen hoch nehmen".

Im Umkehrschluss heißt das für Guendola:
Wenn ich im Stück einen Fis-Dur Akkord habe und irgendwo einen D-Dur Akkord, dann wir das Fis des D-Dur Akkords sehr wahrscheinlich tiefer sein als das Fis des Fis-Dur Akkords. Weils einfach besser klingt.

Ich kann durch intonieren zwei Dinge versuchen, die sich gegenseitig in den Weg kommen können:
1) Ich kann versuchen, eine Melodie möglichst schön zu spielen.
2) Ich kann versuchen, dass Akkorde im Zusammenspiel schön klingen.

Zum Schluß hier noch ein Link zu Herrn Saßmann, der das ganze im Rahmen eines kleinen Videos zum Intonieren bei einem Streichquartett besser erklären kann. Die anderen Videos zu Intonation könnten für Interessierte auch spannend sein. Leider in Englisch:

http://violinmasterclass.com/intonation_qt.php?video=int_mc3&sctn=Master Class

http://violinmasterclass.com/intonation_qt.php?video=int_def4&sctn=Definition
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Zurück
Top Bottom