Talent?

[...]
Derjenige, dem "Talent" nachgesagt wird, hebt sich schon allein dadurch von der Masse ab.
[...]
Vielleicht also geht es bei der Frage nach dem "Talent" nicht immer schon um eine inhaltliche Bestimmung, sondern um den Umstand, von anderen für begabt gehalten zu werden.

LG, Sesam

hallo Sesam,

das sind recht herbe psychologisierende Gedanken... freilich teilweise nicht ganz von der Hand zu weisen (leider)

aus verwandten Gründen hatte ich davor bzw. davon abgeraten, sich eine "das alles ist Begabung/Talent"-Checkliste zum abhaken zu basteln - nicht zuletzt ist gerade hier die Entwicklung bei jedem etwas verschieden (der eine begreift emotional & körperlich früher als der andere etc).

deshalb wiederhole ich: wer irgendwann zw.16-20 ein paar Chopinetüden und 2-3 größere Stücke wirklich hörenswert spielen kann (!!!), bei dem ist ausreichend "Talent" zum Vorschein gekommen - - auf welche Weise ist doch ziemlich egal!

kurzum: aufgeben, weil man meint "buhuhu ich bin unbegabt, weil ich mit 5 noch nicht 16 h täglich Strawinski geübt habe" oder andersrum "boah alle Onkels und Tanten sagen ach Gottchen ist das aber begabt" und deshalb sich verpflichtet fühlen, nun von Sonnenaufgang bis Mitternacht Terzenetüden zu pauken --- beides ist mit Sicherheit so falsch wie blöde (deshalb hab ichs auch so sarkastisch formuliert)

was den Weg betrifft, mal zw.16-20 das zu können, wie ichs oben beschrieben habe, so dürfte jedem klar sein: ohne was dafür zu tun, schafft das niemand (auch keine "Inselbegabung", whatever that may be...). Deshalb wiederhole ich nochmal meine ganz praktische Rechnung: wer täglich 5 h übt, hat im Monat 30 mal 5 istgleich 150 h geübt - wer je Woche wegen Schul- & Freizeitstress nur 3 halbe Stunden üben schafft, hat am Ende des Monats 4 (Wochen) mal 3h istgleich 12 h geübt - - - die Differenz rechne ich jetzt nicht auch noch vor, gebe aber zu bedenken, dass allein diese Differenz so manche Etüde ermöglichen würde...!!!

natürlich muss man das - üben, und nicht wenig! - gerne tun, und mehr als nur sinnvoll ist, wenn das unter möglichst bester Anleitung geschieht. übrigens dürfte ganz banal rechnerisch einleuchten, dass sich die "Fortschritte" manueller wie musikalischer Art bei reichlich Betätigung anders (und zwar schneller!) gestalten, als bei eher sporadischem üben...

eines aber wundert mich ganz arg in diesem Faden hier, ja entsetzt mich beinahe: die Chimäre vom "gedrillten" Wunderkind, das wie eine kleine Dressurmaschine den Ehrgeiz seiner Eltern befriedigt und um seine Kindheit etc betrogen wird - - - ich halte das wenn nicht für ein gräßliches Zerrbild, so doch für etwas einseitig und übertrieben. Hier schreiben doch viele, die große Freude am Klavierspielen haben, Musik sehr mögen usw usw - ja ist denn die Vorstellung, dass es auch (nicht nur) Exemplare gibt, die das ebenso gerne aber schlichtweg MEHR betreiben, gar so abwegig??? (((ich weiss: das dressierte asiatische Violin- oder Klavierkind... Suzuki-Geigenschule schon ab 3 oder 4... eines Tages vielleicht auch Oktaventraining in der Stillgruppe und praenatale Tonleitern... ;) ... von Leibnitz´ "bester aller möglichen Welten" sind wir teils mehr teils weniger weit entfernt, und Extreme sind gewiss nicht zu verallgemeinern))) - - ich hatte als Jugendlicher furchtbar gerne geübt, 6-8 h unter der Woche, am Wochenende und in den Ferien von früh bis spät. Bereuen musste ich das nie - ich habs mir ja selber ausgesucht und WOLLTE das!

also insgesamt: cool bleiben, lieber mehr als weniger üben (ab und zu mal testen, ob man differenziert und melodisch spielt) und paar Jahre üben verstreichen lassen - dann kann man sich mit dem bis dahin Erreichten mal auseinandersetzen und überlegen, ob es Prüfungsanforderungen entspricht.

liebe Grüße, Rolf
 

Zurück
Top Bottom