Bei Kindern und Jugendlichen ist es, zusammen mit Eltern und Schul-Lehrern, Aufgabe von uns Klavierlehrern, ihnen auch wenigstens ein Mindestmaß an Geschmack und Kultur beizubringen, damit sie, trotz der heutigen Bombardierung mit Schwachsinn durch die Medien, einigermaßen kompetente und feinsinnige Erwachsene werden. Dies geht nur, wenn man sie eben nicht jeden Scheiß spielen läßt, sondern auch mal verdeutlicht, warum dieses oder jenes Stück doch unter ihrem geistigen Niveau ist. Dies sollte man natürlich auf a) freundliche, möglichst witzige Art tun, damit es besser akzeptiert wird, und b) sollte der Klavierlehrer wirklich große musikalische Kompetenz und wirklich guten Geschmack besitzen, sonst denken Kinder zu Recht ganz schnell: "Was will DER mir denn hier erzählen und vorschreiben, der hat ja sogar Rosina-Wachtmeister-Bilder hier an der Wand hängen in seinem Gelsenkirchener-Barock-Zimmer mit dunkelbrauner Schrankwand mit beleuchteter Vitrine und dunkelgrünen Sesseln davor *würg*!"
Bei Erwachsenen ist es häufig etwas anders - die sind nicht selten schon so verkorkst und festgefahren, daß man sie halt den Blödsinn, den sie unbedingt spielen wollen, spielen lassen muß, wenn man nicht Auseinandersetzungen oder Kündigung riskieren will. Außerdem haben sie eine höhere Anspruchshaltung a la: "Ich bezahle schließlich hierfür, also will ich, daß ich maximalen Spaß habe."
Bei Jazzmusikern gibt es übrigens traditionell auch Stücke, die verpönt sind, wie z.B. "Take Five" oder "Girl From Ipanema". Was mir aber auffällt: Nicht selten sagen auch Musiker, die gar nicht gut spielen und gar nicht viel Ahnung haben: "Wat? Take Five? Nee, das ist doch total doof, das spiel ich nicht!" Diesen Musikern möchte ich dann immer sagen: "Meister, lern Du erstmal, überhaupt ein Stück wie 'Take Five' (das ja nicht schlechter ist als sehr viele andere Jazz-Standards) einigermaßen vernünftig spielen, dann können wir weiterreden!"