Hallo,
wie "streng" seid ihr im Umterricht?
Wie reagiert ihr, wenn Schüler nicht bzw. viel zu wenig üben?
(Und die immer weiter kommen ohne das sich etwas ändert, obwohl ihr sie schon darauf angesprochen habt z.B.)
Würde mich einfach mal interessieren,
liebe Grüße
Sweetchocolate
Hallo sweetchocolate (schöner Nick :p ),
es kommt darauf an. Es gibt Zeiten, in denen Schüler beruflich oder in der Schule so beansprucht sind, dass Üben nur sehr eingeschränkt möglich ist. Das trage ich gern mit, weil es nicht anders geht und der Schüler mir sein Interesse am Klavierspiel deutlich zeigt. Und darum geht es: hat der Schüler Interesse oder nicht! Wenn ja, warum übt er nicht oder wenig, wenn nein, warum kommt er überhaupt?
Im ersteren Fall ist viel zu machen. Es kann sein, dass ihm die Selbständigkeit des Übens schwer fällt, dass es ihm schwer fällt, eine ruhige, möglichst immer gleiche Tageszeit zum Üben zu finden, dass zu Hause ständig Trubel im Wohnzimmer, wo das Klavier steht herrscht, dass er sich schlecht organisieren kann ......... . Da sehe ich meine Aufgabe als Klavierlehrerin, ihm zu helfen. Ich gebe zu, dass ich da eine ziemlich große Toleranzschwelle habe. Aber wenn ich Interesse spüre, denke ich immer, dass das Klavierspiel und dessen vielfältige Aufgaben und Lernfelder ihn auf den richtigen Weg bringen, von dem seine ganze Persönlichkeit profitieren kann. Auch wenn ein Schüler sonst übt und einfach ein, zwei Wochen keine Lust hat, versuche ich ihn mit abwechslungsreichem Unterricht zu motivieren. Es kommt also immer auf den Kontext an. Gibt es ein Problem oder nicht! Mal ein, zwei Wochen der Lustlosigkeit ist für mich kein Problem.
Wenn ich aber das Gefühl habe, es gibt ein Problem, sei es mangelnde Organisationsfähigkeit etc. oder Faulheit, d.h. Klavierunterricht ohne irgendein Bewusstsein für die eigene Verantwortung von Schülerseite ( das finde ich
sehr wichtig!!!) - nichts anderes ist Faulheit - dann sehe ich es ebenfalls als meine Aufgabe, dieses Problem zusammen mit dem Schüler zu lösen.
Da hilft ein ganz klares Feedback! Sonst ändert sich ja nichts. In einem solchen Fall mache ich erst mal das, was die "Hausaufgabe" war, damit das in der letzten Stunde Erlernte und zu Übende wiederholt wird ( sonst wäre ja die letzte Stunde umsonst gewesen). Naturgemäß dauert das ziemlich lange. Da ich das ja in der letzten Stunde schon einmal mit dem Schüler geübt habe, finde ich das natürlich schrecklich langweilig und das sage ich dem Schüler auch. Ich äußere also meine Gefühle, beschreibe das Verhalten des Schülers und auch die Folgen, die dieses Verhalten für mich hat. Eine klassische Ich-Botschaft (
jetzt werden alle, die mich hier schon näher kennen, sich totlachen oder auch nur gähnend abwenden :p , aber seitdem ich mich so intensiv mit Kommunikationsmodellen wie Thomas Gordon: "Die neue Familienkonferenz" beschäftigt habe - dieses Modell gibt es auch für Lehrer - habe ich überhaupt keine Probleme mehr im Klavierunterricht. Ich weiß, wie ich Konflikte zwischen Lehrer und Schüler, die ja immer wieder mal vorkommen, lösen kann.)!
Ein Beispiel: "Ich finde es heute im Unterricht total langweilig. Ich muss genau das Gleiche machen wie letzte Woche, weil du dies nicht geübt hast, und ich habe jetzt überhaupt keine Lust mehr, mir noch Mühe mit abwechslungsreichem Unterricht zu geben."
Der Schüler wird meine Sicht in der Regel verstehen und ich könnte ihn meinerseits nach seinen Gefühlen fragen. Vermutlich wird auch er die Stunde ziemlich langweilig und ätzend finden und so kann er in der Regel erkennen, dass sein Übeverhalten in der Woche, also schlicht er selbst für einen guten Klavierunterricht mitverantwortlich ist. Wenn man das Ganze noch mit ein bisschen Humor würzt und den Schüler weiter sehr wertschätzend behandelt, so dass er merkt, dass mir etwas an ihm liegt und ich eben einfach nur interessante Klavierstunden mit ihm verbringen möchte, von dem sein Klavierspiel nur profitieren kann, ist er meistens bereit, sich auf Abmachungen einzulassen und etwas zu verändern.
Das ist nur mal ein Beispiel, was aber die Grundlage meines Unterrichts verdeutlicht: nur
zusammen mit dem Schüler kann man guten Unterricht machen.
Schüler, die über längere Zeit gar nicht üben, habe ich deshalb gar nicht. Da wären ja Probleme vorhanden, die wir nicht lösen konnten. Das einzige Problem, bei dem ich auf lange Sicht nichts machen kann, ist das des mangelnden Interesses. Es muss ja nicht jeder Klavier spielen. Da würde ich dem Schüler meine Beobachtung mitteilen, ich hätte den Eindruck, er habe überhaupt keine Lust zum Klavierspielen, er würde nie üben, wie denn seine Meinung dazu wäre. Dann wird man sehen und er wird gegebenfalls aufhören.
Ich bin also sehr für absolut klare Verhältnisse, habe aber im Gegensatz zu vielleicht anderen eine recht große Toleranzschwelle, wenn Interesse beim Schüler da ist. Man kann natürlich einwenden, wenn einer nicht mindestens eine halbe Stunde pro Tag übt, hat er zuwenig Interesse. Aber wenn jemand ein Bedürfnis hat, sich in Musik auszudrücken und auch in seinen Möglichkeiten ganz schön spielt, drücke ich dann eben manchmal ein Auge zu ;) .
Liebe Grüße
chiarina