Schlechte Tage

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Hans Borjes

Hans Borjes

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18. Mai 2008
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Hallo,

hab gerade mal im Chat mit Klaviermacher andiskutiert, welche Perspektive es so hat, wenn man einen schlechten Übungstag hat. Manchmal läuft es gut und man denkt sich: bald bin ich ein Starpianist :D
musik0023.gif


An anderen Tagen kommt eher sowas dabei heraus


Ein Mensch, der sich ein Schnitzel briet,
bemerkte, daß ihm dies missriet.
Doch, da er es sich selbst gebraten,
tut er, als sei es ihm geraten,
und, um sich nicht zu strafen Lügen,
isst er's mit herzlichem Vergnügen!​

- nur hält sich mein Vergnügen in Grenzen, wenn ich nichtmal den Anschlag einigermaßen ordentlich hinbekomme. Wie geht Ihr damit um? Übt Ihr weiter oder laßt Ihr es dann? Ändert Ihr spontan die Übungstaktik?

Meine Ohren bekommen das schnell mit, nur die Finger brauchen viel länger, um klarzukommen.

Hans
 
Wenn ich einen schlechten Übetag habe und es auch merke (was ja meist recht schnell geht), spiele ich auch nicht weiter. Oftmals geht es dann wenige Stunden später bereits wieder gut. Oder spätestens am nächsten Tag. Schlechte Tage kommen immer mal vor.

Allerdings ist es meiner Meinung nach selbst an einem schlechten Übetag möglich, die Treffsicherheit einzelner Töne oder Schludrigkeit in Läufen etc. zu verbessern, auch wenn man direkt musikalisch eventuell gar nicht vorankommt. Langsames Üben dämlicher Stellen, die einem auch an guten Übetagen nicht so richtig in den Fingern liegen, weil man sie nie ganz sauber geübt hat, geht bei mir auch an schlechten Übetagen.
 
Es gibt Tage, da scheint praktisch nichts zu funktionieren. Da gibt es für mich drei Möglichkeiten:

Gleich aufhören
Ein bischen klimpern und in alten Noten spielen
Etwas finden, woran ich mich wütend festbeißen kann, Gehirn einschalten und überlegen, was ich objektiv erreichen kann, und dann wirklich durchziehen, egal, wie sehr der Frust und Ärger beißt.

Letztere Methode kann enorme Erfolge bescheren (man lernt am besten mit starken Emotionen im Hintergrund), wenn man wirklich einschätzen kann, was an so einem Tag machbar ist :)
 
@guendola & donbos:

dass die menschen so gleich sind... erstaunlich. Habe die gleiche Erfahrung gemacht wie ihr beide. Entweder abbrechen oder festbeißen. Und das Schöne ist: Beides bringt Dich weiter :D
 
Ich sehe das so: Schlechte Tage sind auch eine Chance...

Wenn ich mich an einem schlechten Tag dazu aufraffen kann, meine Stücke so lala und halbwegs hinzubekommen: dann kann es ja nur noch aufwärts gehen und dann kenne ich zumindest die untere Grenze meiner Schwankungsbreite, und kann mich besser im Gesamteindruck einschätzen (und dann auch nachfolgend gezieltere Übepläne entwerfen).

Und ich besser gewappnet für "richtige" Stress-Situationen, z. B. Vorspiele/Konzerte... :cool:

Es gibt allerdings auch bei mir schlechte Tage, an denen ich überhaupt nicht am Klavier bin ... (aber eher selten)...
 
ich finde, es kommt immer etwas dabei heraus, wenn man gut übt. Selbst dann, wenn man meint, heute geht gar nichts.
Am nächsten Tag stelle ich meistens fest, dass ich doch etwas gelernt habe, was ich verwerten kann.
So kann ich auch gelassener sein, wenn es mal nicht so 100%ig zu klappen scheint.

LG
violapiano
 
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Das beruhigt mich ein wenig, daß es mir nicht allein so geht. Ist sicher auch ein Lernprozeß, spontan aufzustehen und das schöne Piano mal zu verschmähen. Gehört aber vielleicht dazu, locker zu werden.
 
Hi,

als Wiedereinsteiger habe ich zwar viel Freude am Spielen und manches Aha-Erlebnis ("Es geht ja noch!"), aber auch schon einige frustrierende Tage gehabt, an denen "nichts" ging (das stimmt natürlich nie).

Meine Rezepte:
1) Ein Stück, durch das ich nur hindurchstolpere, einfach langsamer und/oder nur mit getrennten Händen üben. Damit spiele ich es bewusster und profitiere auch davon.
2) Loslassen! Wenn ein Stück überhaupt nicht klappt, dann lasse ich es einfach liegen und spiele etwas Leichteres. Festbeißen ist für mich nicht das Richtige; damit wird's zu ernst und vielleicht noch frustrierender. Am nächsten Tag geht es fast immer wieder besser, und das Erfolgserlebnis ist groß. Dann finde ich, dass das Loslassen am Vortag richtig war.
3) Etwas machen, das Spaß macht. Einfach Quatsch. Ein Bach-Stück als Pop-Chor spielen (auf dem DP). Dann hat der "schlechte Tag" wenigstens Spaß gemacht.

Gruß,
Pigpen
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
bei mir is das komisch ich hab manchmal tage da geht es gut ..und manchmal klapt es wochenlang nicht mit dem spielen :(:(
 

Es gibt eine nette Geschichte über Rachmaninoff, die mich tatsächlich dazu gebracht hat, öfters langsam zu üben. Leider weiß ich weder wer sie erzählt hat, noch wo ich sie gefunden habe.

Es geht ungefähr so, daß jemand bei Rachmaninoffs zu besuch kommt und vor der Tür stehenbleibt, weil er hört, daß Sergej übt. Nun stellt er fest, daß zwischen den einzelnen Anschlägen Sekunden vergehen und er braucht eine Weile um das Stück von Chopin zu erkennen. Dies war sein erster Besuch, später stellt er fest, daß das ultralangsame Spielen für Rachmaninoff normal ist und daß er seine Live-Improvisationen auch so vorbereitet. Viele der Floskeln und Phrasen, die er dann in halsbrecherischem Tempo zum besten gibt, entwickelt er nämlích vorher zuhause.

Und langsam üben kann man wirklich immer, man muß sich nur irgendwie zusammenreißen und zur Not das Metronom einschalten, damit man nicht schneller wird. Die Erfahrung, daß langsames Üben auch Tempo entwickelt, wenn man weiß, wie man im richtigen Tempo spielen muß, habe ich aber schon vorher gemacht, z.B. mit dem Agitato von Rachmaninoffs berühmten Cis-Moll Präludium. Phrasenweise bin ich ohne irgendwelches übliche Tempotraining (punktiert spielen, Metronom langsam schneller stellen etc.) inzwischen bei 150 angelangt, und wenn mein Finger wieder fit ist brauche ich es nur noch zusammenzusetzen :)

Und langsames Spielen hat auch meditative Wirkung und kann gerade an Frusttagen wunder wirken.
 
Interessante Sache, das mit dem Langsam spielen. Übst du denn auch so, dass Sekunden vergehen, bis du den nächsten Ton spielst? ;)

So habe ich begonnen, Choräle an der Orgel einzustudieren. Am Klavier mache ich mir noch Gedanken darüber, wie ich diese Sekunden nützen könnte. Ansonsten setze ich aber gelegentlich das Tempo abschnittsweise soweit herab, daß ich fehlerlos spielen und der Musik tatsächlich Ton für Ton folgen kann.
 
Ein guter Tag bedeutet: ABSCHALTEN können

Ein schlechter Tag für das Klavier- oder Orgelspielen ist genau dann, wenn die Gedanken zu wandern anfangen und ich mich nicht auf das Spielen konzentrieren kann.

Sehr gute Tage oder auch nur MOMENTE sind, wenn die Gedanken STILL stehen und ich an nichts denke und nur an dem momentanen Klang bin und daher die Musik FLIESSEN lassen kann.

Manchmal kann ich einen schlechten Tag in einen guten wandeln, indem ich vor dem Spielen etwas tue, was die Gedankenwanderung unterbricht. Sehr helfen tut in meinem Fall z.B. ein schöner langsamer langer Waldlauf, mindestens 10, besser 20 km. Danach ist es IMMER ein schöner Tag fürs Klavierspielen.
 
indem ich vor dem Spielen etwas tue, was die Gedankenwanderung unterbricht. Sehr helfen tut in meinem Fall z.B. ein schöner langsamer langer Waldlauf, mindestens 10, besser 20 km.
So Dinge tue ich persönlich eigentlich nicht, um die Gedankenwanderung zu unterbrechen, sondern um den Gedanken erst recht Zeit und Raum zu geben zu wandern. Aber das ist wohl bei jedem anders.
 
So Dinge tue ich persönlich eigentlich nicht, um die Gedankenwanderung zu unterbrechen, sondern um den Gedanken erst recht Zeit und Raum zu geben zu wandern.

Interessant. Also bei mir kommt mit Sicherheit das meiste raus beim Klavierspielen, wenn die Gedanken möglichst still stehen. Sozusagen an nichts denken, aber mit maximaler Wahrnehmung. Wenn ich in diesem meditativen Zustand bin, ist es ein "guter" Klavierspieltag, offen fürs Lernen und Verbesserungen. Die Frage ist nur, wie bekomme ich es hin, dass die Gedanken still stehen.

Kannst du das näher erläutern, wie du das meinst, den Gedanken erst recht Zeit und Raum zu geben? Für was hilft das?
 
Das ganze war eigentlich eher unabhängig vom Klavierspielen gedacht. Wenn ich das Bedürfnis verspüre einfach mal ziellos über das nachzudenken, was mir konkret in den Kopf kommt ohne durch Störgedanken von außen abgelenkt zu werden, mache ich z.B. so einen Waldspaziergang. Die Gedanken überlasse ich dabei einfach mal sich selbst, d.h. ich denke einfach mal das was mir gerade in den Sinn kommt, und wofür unter Beschäftigung eigentlich gar keine Zeit wäre. Dieses eher ungerichtete Denken meine ich, wenn ich schreibe, dass ich meinen Gedanken "Zeit und Raum" gebe. Im gleichen Kontext kann es sich aber auch um Gedanken handeln, die einfach einmal gezielt von mir gedacht werden wollen, und wofür ich unter Beschäftigung einfach nicht die Zeit habe.
Es ist schwer in Worte zu fassen, was ich damit meine und wie.

Im Gegensatz zu dir nutze ich Spaziergänge also nicht um die Gedankenwanderung zu unterbrechen, sondern ganz im Gegenteil um sie geschehen zu lassen. Das war es, was ich mit dem vorigen Beitrag eigentlich primär ausdrücken wollte.

Mit Klavierspielen hat das ganze primär so noch gar nichts zu tun.
 
Mit Klavierspielen hat das ganze primär so noch gar nichts zu tun.

Ok, alles klar. Aber warum schreibst du nicht stattdessen, was mit Klavierspielen zu tun hat? ;)

Weil, bei mir bedeutet längere Gedankenwanderung beim Klavierspielen eigentlich Zeitverschwendung; schlechte Tage bzgl. Klavierspielen (das Thema dieses Fadens) haben bei mir vor allem was mit unnützer Gedankenwanderung zu tun (nicht nur, aber hauptsächlich).

Im Gegensatz zu dir nutze ich Spaziergänge also nicht um die Gedankenwanderung zu unterbrechen, sondern ganz im Gegenteil um sie geschehen zu lassen.

Ich meinte schon eine gewisse bis ziemliche körperliche Verausgabung, und keinen Spaziergang. Meine Erfahrung ist, wenn ich mich körperlich ziemlich anstrenge, kann ich schon mit einer Unterbrechung der Gedankenwanderung rechnen. Das Spaziergänge nutzen können, um den Gedanken freien Lauf lassen zu können, ist mir schon klar. Aber das nutzt mir weniger bzgl. Stopp der Gedankenwanderung beim Klavierspiel als z.B. körperliche Anstrengung.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ja gut, dann hat das ganze nur auf einem Missverständis beruht. Ich dachte irgendwie, dass du so einen eher gemächlichen Spaziergang meinst. Dass das für den Stopp der Gedankenwanderung nichts bringt, siehst du ja selber auch so.
War aber trotz der Missverständnisse ein interessanter Exkurs weg vom eigentlichen Thema.

Aber nun zurück zum Thema: Wenn ich einen schlechten Tag am Klavier habe, weil die Gedanken wandern hilft eigentlich bei mir nur zweierlei, und es klingt wohl beides eher unkonventionell:

a) Ein langsames Stück spielen, welches ich technisch beherrsche, aber mir über die musikalische Ausarbeitung noch im Unklaren bin. Dann einfach die Gedanken weiterwandern lassen und einfach die Gedanken musikalisch umsetzen, egal ob sie augenscheinlich zum Stück passen oder nicht. So ergeben sich zwar oftmals grauenhafte musikalische Interpretationen, aber genauso kann es passieren, dass quasi durch Zufall dann eine Stelle sehr schön gelingt, mit einer Interpretation, auf die man vielleicht offensichtlich gar nicht gekommen wäre. Davon kann das Stück profitieren.
Natürlich geht so etwas wohl besser, wenn die Gedanken z.B. über irgendwelche Liebesprobleme kreisen, als wenn sie darum kreisen, dass z.B. die Kaffeemaschine umgekippt ist und die Sauerei davon immer noch überall ist, weil man ja rasend schnell noch die nächste S-Bahn erreichen musste (das ist mir leider gestern passiert - ich elender Schussel).

b) Ein schnelles Stück, welches technisch noch nicht allzu sicher ist, aber musikalisch schon recht gereift ist. Technisch dumme Stellen langsam Üben kann ich auch, wenn ich mit meinen Gedanken wo anders bin, sofern ich mich auf das Mechanische beschränken kann und das Interpretatorische schon recht sicher ist (bzw. im Techniklern-Schneckentempo von untergeordneter Bedeutung). Und wenn ich die Stellen mechanisch langsam geübt habe, kann ich versuchen, dass Stück im Originaltempo zu spielen. Das erfordert bei einem schnellen Stück dann bei mir soviel Konzentration auf die Treffsicherheit und Geläufigkeit, dass meine Gedanken eigentlich gar nicht mehr wirklich vom Stück abschweifen können.

Natürlich bleibt immer noch Möglichkeit c)
c) Einfach mal einen Tag nicht üben oder einfach mal fortschrittslos drauflosklimpernohne Ansprüche an das Ergebnis zu stellen. Wenn es nicht geht, dann geht es halt nicht.
 

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