ich empfinde das durchaus als anstrengend und kognitiv fordernd. (...) Mir ist es ein Rätsel, wie Menschen beispielsweise zu Schlagern klatschen und singen können, während sie dabei noch Spaß haben und entspannt sind.
Wenn man diese Formulierungen aneinander reiht, ergibt sich die Antwort fast von selbst. Das "Kognitive" besteht im Wissen, dass es Takte gibt und Zählzeiten unterschiedlicher Wertigkeit - betonte und unbetonte bei zusätzlicher Differenzierung. Das interessiert die Zuschauer beim ZDF-Fernsehgarten nicht, die bei Antonia aus Tirol & Co. so begeistert mitklatschen. In diesem Zusammenhang muss
@Rheinkultur wieder die Leser mit einem Beispiel aus der Chorpraxis nerven: Laienchorsänger im Rentenalter klatschen auch gerne fröhlich auf Eins und Drei. Hat man ein Potpourri mit dem Titel "Ein frohes Singen im Marschrhythmus" vorliegen, ist das ja auch kein Problem. Populäres und Rockiges funktioniert so absolut nicht. Chorleiter, die eine Verlagerung der Schwerpunkte auf Zwei und Vier erreichen wollen, erwartet zunächst das nackte Grauen - allerdings ist rhythmische Flexibilisierung und Stabilisierung keineswegs unerreichbar, es dauert nur eine Weile, bis die Chormitglieder das verinnerlicht haben. Klare Antwort: Übungssache, allerdings muss die Chorleitung das selbst sicher vorgeben und organisch vermitteln können.
Auf diese Frage hätte ich gern auch eine Antwort. Gerne bitte von @Rheinkultur (...)
Ziel ist, dass ein inneres Gespür hergestellt wird, welches ein Klatschen im Rhythmus völlig anstrengungslos und von allein geschehen lässt (von der Anstrengung des Klatschvorgangs mal abgesehen). "Leider" konnte ich das schon immer und weiß darum nicht, wie man sich fühlt, wenn man es nicht kann, ähnlich wie in Gehörbildung. Und leider weiß ich auch nicht, ob ich das durch frühkindliche Bildung erworben habe oder nicht...
@Rheinkultur ist in diese Thematik bereits gerne eingestiegen. Um an das Chorbeispiel anzuknüpfen: Ein zentraler Aktionsbereich nicht nur in der Chormusik ist das HÖREN - die Bereitschaft, etwas akustisch aufzunehmen und über das Gehör zu verinnerlichen. Dass es vielen Menschen an dieser Bereitschaft mangelt, erkennt man an der Unart, dauernd mit dem Nebensitzer quatschen zu wollen - und dann noch beleidigt auf das Ansinnen der musikalischen Leitung zu reagieren, diesen Störfaktor abzustellen. Schlechtes Rhythmusgefühl? Es tritt zutage, sobald die Synchronisierung von Grundpuls und zu interpretierender Musik nicht gelingt. Wer bereits mit dem Umsetzen der auf dem Blatt vorgegebenen Strukturen plus der Aufnahme externer Impulse (beispielsweise der Chorleitung) ausgelastet, wenn nicht sogar überfordert ist, wird keine Kapazitäten zur Wahrnehmung eines Grundpulses mehr verfügbar haben. Abhilfe aus der Chorpraxis: Beim Einstudieren von Einzelstimmen sind die akustisch unbeteiligten Mitglieder anderer Stimmen einzubeziehen. Ich erwarte also von den übrigen Akteuren auf Abruf Bewegungsimpulse etwa auf Zwei und Vier und fordere diese ("ich will die Hände seh'n, ich will die Hände seh'n, ich will, ich will...") solange ein, bis idealerweise alle im Fluss der Musik angekommen sind. Nebenbei nimmt dann auch das Geschwätz mit den Nebensitzern spürbar ab... .
Ist das beim solistischen Musizieren anders als im Ensemble? Es fehlt natürlich die Gruppendynamik, nicht aber zwingend ein musikalisches Gegenüber: Bewegungsimpulse zunächst ohne eigenes Musizieren einfordern, indem man fremdem Spiel (Lehrkraft oder Aufnahme) aktiv zuhört, dann beim eigenen Musizieren leichter synchronisierbare Muster wählen und an immer komplexeren Vorgaben schrittweise lernen. Warum nicht dazu die klassischen Schlagfiguren für das Dirigieren benutzen? Diese verbinden Musik und Bewegung in idealer Weise. Laienchorsänger mögen den Sinn einer solchen Anregung nicht nachvollziehen zu können und zu wollen - aber ein aufgeschlossener Instrumentalist könnte sich das ja mal überlegen... .
Mir fällt generell auf, dass sich viele Mitteleuropäer mit rhythmischer Präzision schwerer tun als die Vertreter anderer Kulturtraditionen mit größerer rhythmischer Vielfalt (etwa in der volksmusikalischen Praxis), soweit sie sich aktiv mit selbiger befasst haben. Allerdings ist es keineswegs unmöglich, gewisse Defizite in diesem Bereich zu beheben.
LG von Rheinkultur