Ratgeber - Spielverletzungen und Unbequemlichkeiten beim Klavierspielen

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4minuten33

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8. Dez. 2010
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hallo,

auf meinem neuen Blog habe ich vor Kurzem einen Artikel veröffentlicht, der als Unterstützung und Informationsquelle für Pianisten gedacht ist , die unter einer Verletzung (oder auch unter „Unbequemlichkeiten“ beim Spielen) leiden.

Die Informationen basieren auf den Erkenntnissen von Dorothy Taubmans Arbeit und sind nicht allein Ausdruck meiner persönlichen Erfahrungen und Meinung. Diese weichen teilweise von traditionellen Verfahren und Meinungen ab.

Da es hier im Forum ab und zu Fragen über Verletzungen gibt, habe ich gedacht, dass es sinnvoll wäre, den Artikel hier zu erwähnen .

Hier also ist der Link, da der Text für einen Forum-Beitrag zu lang ist.
http://klavierspiel.org/verletzungen-pianisten/

Viele Gruesse,

4minuten33
 
Die Informationen basieren auf den Erkenntnissen von Dorothy Taubmans Arbeit und sind nicht allein Ausdruck meiner persönlichen Erfahrungen und Meinung. Diese weichen teilweise von traditionellen Verfahren und Meinungen ab.
Welche sind die traditionellen Meinungen und Verfahren?
Berühmt-berüchtigt sind die Probleme, welche z.B. Fleisher und Martinez hatten (Dystonie)
 
Also.

1) ist das ja nun eine Ansammlung reichlich unkonkreter Allgemeinplätze auf Deiner Seite, 4minuten33.
Jedenfalls nichts, was irgendwie über die allgemeinsten Ratschläge einigermaßen aufgeklärter Klavierspieler im 21. Jahrhundert oder gar über "traditionelle Meinungen und Methoden" (welche sind das? Und welche heute noch relevanten meinst Du??) hinausgehen würde.

2) habe ich das verlinkte Taubman-Video gesehen.

Der Brillentyp am Anfang, der da spielt, ist längst nicht locker genug / längst nicht gut ganzkörperlich koordiniert. Sieht man u.a. sehr deutlich daran, wie er immer den Kiefer zusammenkneift. Von fließender, meisterhafter Beherrschung ist da noch nicht allzu viel zu sehen.

Aber kein Wunder: Diese Taubman-Methode operiert mit zu isolierter Betrachtung bestimmter Körperregionen und hat die Gesamtkoordination nicht ausreichend durchschaut.

Im weiteren Verlauf sieht man, daß sie immer nur guckt, was "vorne" (also bei der Hand-/Tasten-Region) so los ist, aber nicht mit den Schüler behandelt, wie die Gesamtkoordination des Körpers ist. Z.B. redet sie von "Rotation" - ja, schön und gut, aber was wird genau rotiert? Es reicht nicht, zu gucken, ob die Hand den Winkel verändert - schließlich kann das durch unterschiedlichste Bewegungen von Oberarm und Unterarm zustande kommen.

Man hat nicht das Gefühl, daß Taubman in der Lage ist, dem Schüler Grund- und Gesamtprinzipien an die Hand zu geben, wie eine sinnvolle und "gesunde" Bewegung aussehen kann, sondern sie hat so'n Sammelsurium an Tipps für verschiedene Probleme parat. So etwas kann ich nicht für eine bedeutende "Methode" halten.

Außerdem ist bei alledem die Musik außen vor! Es geht nur darum, irgendwas ohne Verkrampfung oder Schmerzen "hinzukriegen". Wie das dann klingt, wird nicht behandelt.

Dabei ist gerade der Klang (also nicht nur der Klang eines einzelnen Tones / Akkordes, sondern auch, wie sich z.B. alles geschmeidig klanglich verbindet) der entscheidende Indikator für eine musikalische Bewegungsweise. Dieser Indikator sagt einem aufmerksamen Spieler u.a. auch, wie die Spielbewegung modifiziert werden könnte, um ein musikalischeres Ergebnis zu erlangen, und diese Modifikation, sofern sie sinnvoll ist, bedeutet notwendigerweise auch freiere, rundere und somit schmerzfreiere Bewegung!

Bei der Frage "Hand nach außen knicken", die ja u.a. im Video behandelt wird, kann es nicht darum gehen, ob diese Bewegung vermieden wird. Das schlägt Taubman ja vor: Man soll es so einrichten, daß die Hand relativ zum Unterarm immer quasi "gerade" bleibt, und bums, sind die Schmerzen weg. - Nein, das ist für mich ein billiger Trick - man muß vielmehr gucken, WIE die Bewegung der Hand im Handgelenk ausgeführt wird: Ist die Bewegung ganzkörperlich integriert, oder wird sie nur isoliert von handnahen Muskeln ausgeführt (die natürlich schnell ermüden)? Wird die Bewegung "aktiv" von Armmuskeln ausgeführt, oder ist sie quasi eine passive Reaktion, z.B. weil andere Körperteile sich bereits weiterbewegt haben und die Finger noch an Tasten haften? Und, auch ganz wichtig: Ist die Bewegung ruckartig (immer schlecht, ruckartige Bewegungen bringen Verkrampfung, Schmerzen, schlechten Klang), oder ist sie in einen Gesamt-Bewegungsfluß integriert?

Bei Taubman besteht also der Lern-Rückkopplungskreis im wesentlichen nur aus den Elementen Bewegung, "Töne hinkriegen" und Verkrampfungs-/Schmerzwahrnehmung (diese wiederum fokussiert auf die Hände und Unterarme); ein wirklich sinnvoller Lern-Rückkopplungskreis würde immer über den Klang und die gesamtkörperliche Koordination (mit den Händen letztlich nur als letztes Glied einer Bewegungskette) laufen.

Ich finde den Titel des Videos entlarvend: "Choreography of the hands". Das sagt im Grunde schon: Wir machen eine schöne, gesunde Choreographie, und dann schauen wir mal, wie's dann so klingt.
Neenee, mit Bewegungschoreographien kommt man nicht weiter. Man muß immer mit dem anzustrebenden Ergebnis, weswegen man eine Bewegung überhaupt ausführt (im Falle des Klavierspiels also dem Klang), arbeiten.
Was für eine "Choreographie" herauskommt, guckt man sich dann vielleicht anschließend an, wenn alles richtig gut klingt.

LG,
Hasenbein
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Der Brillentyp am Anfang, der da spielt, ist längst nicht locker genug / längst nicht gut ganzkörperlich koordiniert. Sieht man u.a. sehr deutlich daran, wie er immer den Kiefer zusammenkneift. Von fließender, meisterhafter Beherrschung ist da noch nicht allzu viel zu sehen.

Er sitzt auch zu hoch und hat ab und an rechts dadurch einen Knick im Handgelenk. Es gibt zwar auch Pianisten, die hoch sitzen und keine Probleme haben (Barenboim.....), aber wenn jemand Probleme hat, ist nicht selten ein ungünstiger Sitz dafür ursächlich.

Mich stört auch, dass D. Taubmann während des Spiels der Schüler so laut mitsingt - es wirkt sehr dominant und kann dadurch Anspannung eher begünstigen als verhindern.

Man muss als Lehrer immer aufpassen, dass man den Schüler nicht überfährt - hier wirken die Schüler wenig selbstständig, wenig "auf sich hörend", sondern so, dass sie tun, was der Lehrer sagt. Ihnen müsste mehr Zeit gegeben werden, selbst zu spüren, auszuprobieren, welche Bewegungen für sie richtig sind ..... .

Liebe Grüße

chiarina
 
Ja, ihre Vorgehensweise wirkt auf eine bestimmte Art sehr altmodisch und 19.-Jahrhundert-Pädagogik-mäßig und gleichzeitig irgendwie möchtegern-guruhaft.
 
(an Hasenbein)

Nach meiner beruflichen Erfahrung brauchen viele Pianisten diese Informationen, auch wenn ich in diesem Rahmen nicht in Details eingehen kann. Es werden « im 21. Jahrhundert », z.B. immer noch unnötig Pianisten operiert. Dass der Artikel keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, ist bereits erwähnt. Dieser Text ist und kann in sich keine Kur sein, leider, aber Informationen geben und Prävention leisten. Wenn du den ganzen Text gelesen hast und meinst, dass du das schon alles weißt, freut mich das, dann sind wir wenigstens teilweise einverstanden.
Andere finden den Artikel nützlich.

Die Dokumentation, die auf YouTube zu sehen ist, beabsichtigte damals nur einen Einblick in Taubmans Arbeit zu geben (Sie selbst mochte diesen Film nicht besonders, weil er am Ende wenige Details gibt.), aber es ist die einzige Dokumentation die online verfügbar ist.

Der Artikel ist als Hilfe für Pianisten, die verletzt sind gedacht, nicht um die Taubman Approach in sich zu erklären. Solltest du diese Arbeit besser verstehen wollen, kannst du z.B. the Taubman Techniques, eine Serie von 10 DVDs, ansehen. Dort bekommst du auf die Fragen, die du stellst und selbst beantwortest, eine andere Antwort. Es geht in dieser DVD-Dokumentation ausschließlich um das Klavierspielen, nicht um sie.

Es geht bei der Taubman Approach - wie anscheinend bei dir auch - um „wie das klingt“ und das anzustrebende musikalische Ergebnis (es steht übrigens im Artikel, dass eine korrekte Bewegung nicht nur angenehm sondern auch den musikalischen Ausdruck dienen muss). Aber da sind, eigentlich, alle einverstanden - Wie ist aber die Frage?

Es reicht leider nicht immer Zuhören, klare musikalische Vorstellungen und Lockerheit, um eine Lösungen zu finden - zumindest nicht bei allen. Außerdem wie gut kann man mit stechenden Schmerzen zuhören?

Zu deiner Ablehnung sage ich nur folgendes, da es um Hilfe für Verletzte geht:
Falls du selbst konsequent und regelmäßig Schüler langfristig geheilt hast, die die Art von Schmerzen und Problemen hatten, die in diesen Film beschrieben sind (und es gibt noch schlimmere) - und falls diese Schüler danach in der Lage waren, z.B. das 3. Klavierkonzert von Rachmaninoff zu spielen, brauchst du dich nicht mit dem Thema Dorothy Taubman zu beschäftigen. Es brauchen viele deine Hilfe.

Wenn es nicht der Fall ist, bedeutet das für mich nicht gleich, dass du ein schlechter Pianist oder Lehrer bist, aber auf jeden Fall, dass du das Ganze nicht so schnell und pauschal beurteilen solltest.

Es ist leichter zu polemisieren als die genannten Probleme tatsächlich zu lösen.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Lieber 4minuten33,

erst einmal herzlich willkommen hier und danke für deinen Beitrag zu D. Taubmans Arbeit.

Ich denke, wir sind uns, wie du in deinem letzten Beitrag gezeigt hast, in durchaus vielem einig. Zum Beispiel in dem, dass natürlich falsche Bewegungen, eine grundlegend falsche Spieltechnik, ursächlich für viele Verletzungen sind. Aus meiner Sicht wird der Zusammenhang mit dem Klang in deinem Blog aber viel zu wenig betont: der Klang von "gedrückten" Tönen ist furchtbar und der betreffende Spieler hat keine gute Klangvorstellung, wenn er immer klanglich schlecht spielt. Da muss man ansetzen! Du sagst, Taubman macht das. Das wäre schön! Aus dem Video geht es aber nicht hervor.

Ich stimme mir dir überein, dass Alexandertechnik und Feldenkrais sehr hilfreich sein können, aber natürlich nicht speziell für das Klavierspiel gedacht sind. Entweder man findet einen Lehrer, der die Erkenntnisse daraus auf das Klavierspiel überträgt (das gibt es durchaus - man beachte auch das Buch von Kratzert!) oder man macht es selbst. Sehr zu empfehlen sind da auch die Feuchtwanger-Übungen.

Ebenfalls sind wir einer Meinung, dass Operationen nicht die Ursache beseitigen, wenn falsche Bewegungen für die Verletzungen verantwortlich sind.

Aber mich interessiert, inwiefern denn

Die Informationen basieren auf den Erkenntnissen von Dorothy Taubmans Arbeit und sind nicht allein Ausdruck meiner persönlichen Erfahrungen und Meinung. Diese weichen teilweise von traditionellen Verfahren und Meinungen ab.

die Erkenntnisse von Taubman von traditionellen Verfahren und Meinungen abweichen! Was macht sie anders? Es läuft doch in einem normalen Klavierunterricht auch so ab, dass, wenn es schlecht klingt, die Bewegungen verändert werden. Guter Klang führt automatisch zu einem Spiel, bei dem An- und Entspannung die richtige Balance haben. Da bekommt man keine Verletzungen. Was macht Taubman da anders?

Mir gefallen auch deine praktischen Hinweise: du sprichst davon, dass Klavierspieler achtsam sein sollen, auf sich hören, sich Zeit nehmen sollen. Das alles vermisse ich leider in dem Video - ich finde das wirklich schlecht, tut mir leid. Taubman gibt ihren Schülern dort kaum Zeit. Ich stimme auch hasenbein zu, dass Körperregionen wie Hand und Finger isoliert betrachtet werden, zumindest in dem Video. Ich verstehe auch nicht, wieso es nur dieses Video gibt, wenn schon D. Taubman selbst es nicht gut findet! Das ist doch auch marketingtechnisch sehr ungünstig! Solange es kein anderes Video gibt (was ich nicht verstehe, denn schließlich ist ja alles auf DVD), muss ich dieses doch als repräsentativ nehmen. Nicht jeder gibt sofort viel Geld für DVD's aus, um den schlechten Eindruck zu widerlegen.

Liebe Grüße

chiarina
 
z.B. bitte siehe punkt 3 im Artikel, « zu einigen gängigen Annahmen über die Ursachen von Verletzungen « , und auch punkt 7
ich muss gestehen, dass mir das nicht detailiert genug ist - allerdings ist in einem online-Artikel ja auch nicht viel Platz.

ich maße mir nicht an, gravierende Folgen von Fehlbewegungen "heilen" zu können - mir scheinbt, dass in schlimmen Fällen eine grundlegende Änderung des spieltechnischen Verhaltens mit einer entsprechenden medizinischen (sic!) Therapie kombiniert werden sollte. So weit mir bekannt, sind Fälle von schlimmer Dystonie nicht ohne medizinische Hilfe halbwegs kuriert worden.

in diesem allgemeinen Sinn halte ich bei wirklichen "Verletzungen" (was auch immer darunter verstanden sein soll) das konsultieren eines Arztes für hilfreich - eine noch so gut gemeinte rein spieltechnische Korrektur wird körperliche Schäden kaum beseitigen können (sofern besagte Schäden schon manifest sind)
 
Es kann überraschend klingen, aber gravierende Folgen von Fehlbewegungen (auch über Jahre hinweg Schmerzen) können doch allein durch die Änderung des spieltechnischen Verhaltens rückgängig gemacht werden. Das ist meine Erfahrung als verletzter Schüler gewesen (bevor ich über die Existenz der Taubman Approach in einer Musikermedizinklinik gehört habe, hatte ich damals ziemlich alles, was die Medizin mir anbieten konnte, probiert) und als Lehrer mit verletzten Schülern. Wenn du gut Englisch verstehen kannst, ist das, glaube ich, in der Doku klar gezeigt.

Das erfordert aber sehr genaue Arbeit und der Pianist muss einer anderen Herangehensweise gegenüber offen sein als seine gewohnte. Wie lange das dauert ist vom Fall zu Fall unterschiedlich- es muss nicht immer kompliziert sein, aber es dauert auf jeden Fall in der Regel länger als nur 9 Minuten wie dieser eine Fall im Film (!)- das ist eher eine Ausnahme.

Damit sage ich nicht, dass eine Zusammenarbeit mit der Medizin immer auszuschliessen ist. Es geht aber normalerweise ganz ohne, da diese nicht notwendig ist. Wie erwähnt, ist die Medizin üblicherweise nur in der Lage, die Symptome zu behandeln, nicht ihre Ursachen. Entzündungshemmer z.B. erlauben eventuell länger Schmerzen zu ignorieren, was auf die Dauer nicht gesund ist, da die Schmerzen ein Warnsignal vom Körper sind. Diesem sollte zugehört werden. Wenn die richtige Bewegung gezeigt und vom Körper gemacht wird, ist sie schmerzlos. Sie wirkt dann therapeutisch.

Ich kenne persönlich mehrere schwere Fälle von Fokaler Dystonie, die allein durch die Taubman Approach geheilt worden sind. In den Fußnoten im Artikel gibt es ein paar Links darüber (leider nur auf Englisch). Das sind aber die schwierigste Probleme- das Retraining (erneute Erlernen) kann eventuell lange dauern, und die Person muss sich mit Geduld und Offenheit sich darauf einlassen. Eine meiner Schülerinnen hatte eine Dystonie Diagnose bekommen und spielt heute problemlos. Damit sage ich aber nicht, dass wir bei allen Fällen von Dystonie immer Erfolg garantieren können. Die fokale Dystonie ist, aber, im Prinzip heilbar.
Eine Zusammenarbeit mit der Medizin wäre in solchen Fällen prinzipiell sinnvoll, aber es kommt immer darauf an, welche medizinische Herangehensweise verwendet bzw. probiert wird.

Die Probleme, die mit Schmerzen verbunden sind (Dystonie ist, wie du es wahrscheinlich weißt, normalerweise schmerzlos), sind wesentlich leichter zu lösen.

Unter Verletzungen verstehe ich übrigens, falls das nicht klar ist, allgemein Schmerzen, Sehnenscheidenentzündungen, Karpaltunnelsyndrom, Synovialzysten, Tennisarm usw.

Über die Details im Artikel : Wie du es selbst schreibst ist diese Länge für meine Begriffe ziemlich die maximale, die man einen online Beitrag geben kann.
Dieser beabsichtigt nicht, eine detaillierte Anleitung über Klavierspielen (im technischem Sinne) zu sein. Das wäre für diesen Rahmen viel zu komplex- so etwas kann man auch schwer nur zum Teil machen, da es viele zusammenhängende Elemente gibt. Eine genauere Liste und Beschreibung von bewegungsbedingten Problemen und Ursachen würde eine genaue Beschreibung von deren Lösungen erfordern. Jenseits der Länge die dafür notwendig wäre, ist das Hautproblem, dass man mit einem Text allein solche Probleme in der Regel nicht beheben kann.

Aus dem Grund würde ich persönlich in einem Forumbeitrag jenseits relativ allgemeiner Ratschläge nicht versuchen, aus der Ferne einem verletzten Spieler zu helfen, weil zu viele Informationen fehlen – ich kann sie/ihn nicht live spielen sehen und mit ihr/ihm nicht interagieren.
Missverstandene Informationen oder Informationen, die falsch angewendet werden, können in solchen Fällen nicht nur unproduktiv sein sondern weiteren oder neuen Schaden verursachen. Auch eine notwendige Bewegung kann, wenn diese übertrieben wird, selbst zum Problem werden, usw. Mann kann solche Interventionen nicht ungefähr machen- es geht schlussendlich um die Gesundheit von einem anderen Menschen.

Ich hoffe, damit ein Bisschen verständlich gemacht zu haben, warum der Artikel bestimmte Sachen nicht behandelt.

Es folgt noch eine Antwort an Chiarina - ihre Frage braucht, befürchte ich, eine noch längere Antwort, und es fehlt mir die Zeit. Ich tue mein bestes.
 
Lieber 4minuten33,

herzlichen Dank schon einmal für deine Antwort an Rolf! Ich verstehe, dass es Mühe macht, Fragen zu beantworten, aber Fragen kommen natürlich unweigerlich auf. :)


Es kann überraschend klingen, aber gravierende Folgen von Fehlbewegungen (auch über Jahre hinweg Schmerzen) können doch allein durch die Änderung des spieltechnischen Verhaltens rückgängig gemacht werden.

Ja, das kann ich mir schon vorstellen. Allerdings sollte man medizinische Hilfe nicht von vorneherein ablehnen - manchmal können Entzündungen etc, so schlimm sein, dass man erst mal warten muss, bis sie (mit medizinischer Hilfe) abklingen, bevor man sich wieder ans Klavier setzen kann.

Auch die Dystonie erfordert m.W. eine Herangehensweise von mehreren Seiten.

Wunder am Piano | Kultur | ZEIT ONLINE

Bei Fleisher wäre es wohl ohne Botox-Spritzen nicht gegangen.

Unter Verletzungen verstehe ich übrigens, falls das nicht klar ist, allgemein Schmerzen, Sehnenscheidenentzündungen, Karpaltunnelsyndrom, Synovialzysten, Tennisarm usw.

Ja - und es natürlich klar, dass die Ursache für die Verletzungen herausgefunden und angegangen werden muss. Übrigens muss es nicht immer eine falsche Bewegung sein - manchmal ist es auch einfach eine Überlastung (8 Stunden nur die Oktaven der Liszt-Sonate geübt zu haben an mehreren Tagen hintereinander hat bei einem Kollegen leider zu einer Knochenhautentzündung geführt).


Es folgt noch eine Antwort an Chiarina - ihre Frage braucht, befürchte ich, eine noch längere Antwort, und es fehlt mir die Zeit. Ich tue mein bestes.

Danke!!!

Liebe Grüße

chiarina
 

Hallo 4minuten33,
danke für deine ausführliche Antwort.

dazu ein paar skeptische Überlegungen meinerseits dazu:
Es kann überraschend klingen, aber gravierende Folgen von Fehlbewegungen (auch über Jahre hinweg Schmerzen) können doch allein durch die Änderung des spieltechnischen Verhaltens rückgängig gemacht werden.
wenn es sich Probleme handelt, die aus eindeutig erkannten Fehlbewegungen resultieren und die noch nicht allzu "festgefressen" sind, ist das durchaus möglich.

Damit sage ich nicht, dass eine Zusammenarbeit mit der Medizin immer auszuschliessen ist. Es geht aber normalerweise ganz ohne, da diese nicht notwendig ist. Wie erwähnt, ist die Medizin üblicherweise nur in der Lage, die Symptome zu behandeln, nicht ihre Ursachen.
obwohl ich kein Mediziner bin (allerdings nehmen am Forum hier ein paar Mediziner teil - ich hoffe, die sagen auch noch was zu diesem Thema) kann ich dieser Aussage absolut nicht zustimmen. Wer nach einem Unfall mit einem schlimmen Trümmerbruch in der Chirurgie landet, an dem werden nicht nur Symptome behandelt...;) und nicht anders ist es im Fall einer Sepsis etc. Nein, das klingt mir zu werbespruchmäßig, so a la wo die Schulmedizin versagt, da setzt der Wunderheiler, Handaufleger, Erdstrahlendetektor (usw.) ein ;):D

allerdings kann es sein, dass du es etwas unglücklich formuliert hast - bitte erklär das doch noch mal, um eventuelle Missverständnisse zu beseitigen

Ich kenne persönlich mehrere schwere Fälle von Fokaler Dystonie, die allein durch die Taubman Approach geheilt worden sind. (...) Damit sage ich aber nicht, dass wir bei allen Fällen von Dystonie immer Erfolg garantieren können. Die fokale Dystonie ist, aber, im Prinzip heilbar.
Das hängt vermutlich davon ab, welche Ursache im individuellen Fall vorliegt - es ist ja keineswegs so, dass Dystonie monokausal einzig und allein aus Fehlbewegungen resultieren würde. Nun kenne ich einen sehr langjährigen sehr schweren Fall persönlich, und da war ohne lange medizinische Therapie keine Besserung oder Linderung eingetreten - nebenbei hat dieser Fall vor der Dystonie extrem gut gespielt und am Klavier nichts falsch gemacht...

Unter Verletzungen verstehe ich übrigens, falls das nicht klar ist, allgemein Schmerzen, Sehnenscheidenentzündungen, Karpaltunnelsyndrom, Synovialzysten, Tennisarm usw.
ok, mit "Verletzungen" meinst du also lokale Beschwerden, die eindeutig aus Fehlbewegungen und/oder Überlastungen resultieren und schlimmstenfalls chronisch werden können - das sind dann natürlich keine so gravierenden Angelegenheiten wie Dystonie.

Man[n] kann solche Interventionen nicht ungefähr machen- es geht schlussendlich um die Gesundheit von einem anderen Menschen.
;) frau auch
Spaß beiseite: ich bin immer etwas skeptisch, wenn außerhalb der Medizin die Heilung von gravierenden Beschwerden oder gar schlimmen Erkrankungen versprochen wird...
 
Die Aussage, "durch" die Taubman-Methode seien bereits erfolgreich Dystonie-Fälle geheilt worden, hat ungefähr so viel Wert wie die Aussage, daß durch Homöopathie schon viele erfolgreich behandelt worden seien.

Solange nicht eindeutige wissenschaftliche Ursache-Wirkung-Zusammenhänge vorgelegt werden, kann man nur sagen: Ja, die Fälle wurden geheilt, aber wodurch? Placebo-Wirkung (die nicht zu unterschätzen ist und auch nicht abfällig bewertet werden sollte)?? Tat es dem Schüler gut, daß so ein Brimborium gemacht wurde (der "Arzt-Effekt"; man weiß ja, daß bereits weißer Kittel und Stethoskop und wichtige, ruhige Stimme viel zur Heilung beitragen können - genauso ist Taubman eine Art "Medizinmann" oder richtiger -frau, die genauso wie Eingeborenen-Männer kräftigst wichtigtuerisches Tamtam veranstaltet)?? Hat einfach die Hoffnung, durch den Taubman-Unterricht doch noch geheilt zu werden, Selbstheilungs-Energien freigesetzt??

Daher fände ich es redlicher, erstmal nur von einer zeitlichen Koinzidenz Taubman-Unterricht <-> Dystonie-Heilung, aber nicht von einer Ursache-Wirkung zu sprechen, solange da nichts wissenschaftlich geklärt ist.

LG,
Hasenbein
 
Hallo Rolf,

wenn es sich Probleme handelt, die aus eindeutig erkannten Fehlbewegungen resultieren und die noch nicht allzu "festgefressen" sind, ist das durchaus möglich.

Es tut mir leid, ich weiß nicht, welche allzu festgefressene Probleme du meinst.

obwohl ich kein Mediziner bin (allerdings nehmen am Forum hier ein paar Mediziner teil - ich hoffe, die sagen auch noch was zu diesem Thema) kann ich dieser Aussage absolut nicht zustimmen. Wer nach einem Unfall mit einem schlimmen Trümmerbruch in der Chirurgie landet, an dem werden nicht nur Symptome behandelt...;) und nicht anders ist es im Fall einer Sepsis etc. Nein, das klingt mir zu werbespruchmäßig, so a la wo die Schulmedizin versagt, da setzt der Wunderheiler, Handaufleger, Erdstrahlendetektor (usw.) ein ;):D

allerdings kann es sein, dass du es etwas unglücklich formuliert hast - bitte erklär das doch noch mal, um eventuelle Missverständnisse zu beseitigen

Wenn du den Artikel gelesen hast, und falls du das nicht nur als Witz meinst, überrascht es mich, dass du das missverstehst.

„Hierzu zählen nicht die vorübergehenden Folgeerscheinungen von Unfällen, wie z. B. bei einer Verstauchung oder einem Bruch, oder, in seltenen Fällen, von bereits bestehenden, degenerativen Krankheiten wie die Multiple Sklerose.“

Es ist auch im Artikel klar, dass es nicht darum geht, pauschal die Medizin schlecht zu reden. Es ist verständlich, dass jeder, der ein ernsthaftes Gesundheitsproblem hat, zuerst einen Arzt konsultieren möchte und bekommt damit in der Regel wenigstens eine Diagnose. Davon rate ich natürlich nicht ab. Von gewissen Maßnahmen würde ich abraten, wie es im Artikel erwähnt ist, weil sie nicht notwendig sind und das Problem auf Dauer nicht lösen.
Ich freue mich persönlich auf einen Dialog mit Mediziner, wenn diese hier mitlesen.

Das hängt vermutlich davon ab, welche Ursache im individuellen Fall vorliegt - es ist ja keineswegs so, dass Dystonie monokausal einzig und allein aus Fehlbewegungen resultieren würde. Nun kenne ich einen sehr langjährigen sehr schweren Fall persönlich, und da war ohne lange medizinische Therapie keine Besserung oder Linderung eingetreten - nebenbei hat dieser Fall vor der Dystonie extrem gut gespielt und am Klavier nichts falsch gemacht...

Ich sprach von fokalen Dystoniefällen, die beim Spielen am Klavier auftreten, die also vom Klavierspielen ausgelöst werden.
Dass solche eine Verbindung zu einer bestimmten Aktivität haben (von dem sie getriggert werden), ist glaube ich klar. Alle sind sonst auch darüber einig, dass weitere Forschung von allen Seiten über das Thema dringend benötigt wird.

Über den Fall den du erwähnst, kann ich wenig sagen, ich weiß zu wenig darüber (z.B. Ist das fokale Dystonie? Ich schrieb auf jeden Fall vom Anfang an ausschließlich darüber). Ich weiß auch nicht, was für dich am Klavier « nichts falsch zu machen » bedeutet.

ok, mit "Verletzungen" meinst du also lokale Beschwerden, die eindeutig aus Fehlbewegungen und/oder Überlastungen resultieren und schlimmstenfalls chronisch werden können - das sind dann natürlich keine so gravierenden Angelegenheiten wie Dystonie.

Ich meine auch fokale Dystonie, obwohl mit dem Vorbehalt, dem ich schon vorher erwähnt habe. Das steht auch im Artikel (!)

Spaß beiseite: ich bin immer etwas skeptisch, wenn außerhalb der Medizin die Heilung von gravierenden Beschwerden oder gar schlimmen Erkrankungen versprochen wird...

Ich kann dir nur von meiner Erfahrung und die von meiner Kollegen berichten. Die Fälle von (fokaler) Dystonie, die ich erwähnt habe, sind teilweise online dokumentiert. Du musst nur die Links in den Fußnoten vom Artikel folgen oder für andere Verletzungen auch „Choreography of the Hands“ (auf YouTube in zwei Teile geteilt) vollständig ansehen

Es gibt auf jeden Fall Ärzte die sich öffentlich über die Taubman Approach positiv geäußert haben. Eine Studie vom Dr. William A. Pereira gibt es auch darüber. Einige von meinen Schülern sind Ärzte gewesen und haben sich darüber positiv geäußert bzw. können jetzt ohne Schmerz spielen. Das sind alles Menschen, die sich ernsthaft damit beschäftigt haben bzw. sie probiert haben.

Ich habe einfach deine Bemerkung beantwortet, du solltest es selbst weiter nachforschen, wenn es dich wirklich interessiert.
 
Hallo Chiarina,

Es läuft doch in einem normalen Klavierunterricht auch so ab, dass, wenn es schlecht klingt, die Bewegungen verändert werden. Guter Klang führt automatisch zu einem Spiel, bei dem An- und Entspannung die richtige Balance haben. Da bekommt man keine Verletzungen.

Leider ist es nicht immer der Fall, dass guter Klang automatisch zu einem Spiel, bei dem An- und Entspannung die richtige Balance haben, führt. Bei manchen vielleicht, aber die meisten von uns haben nicht einen Instinkt, der nur aus der Wahrnehmung der erzeugten Töne uns erlaubt, alle Antworten zu finden, oder Virtuosität zu erreichen.

Man kann ein hervorragender Musiker sein, ausgezeichnet spielen, schöne Klänge erzeugen und trotzdem dabei ungesunde Bewegungen verwenden (es können gute und auch ungesunde zusammen verwendet werden). Deswegen gibt es berühmte Pianisten und Virtuosen, die sich, auch langfristig, verletzen. Dass andere das aber nicht erleben müssen und bis über 80 Jahre alt Konzerte geben können, beweist, dass es vermeidbar ist.

Ich stimme aber zu, dass aus dem Klang Hinweise herausgehört werden können, ob etwas (physisch und nicht nur musikalisch) stimmig gespielt worden ist oder nicht.

Das mit dem Klang und der Doku :
Ich muss leider sagen, dass in meiner Erinnerung sogar die nicht-online Version der Doku an gewissen Stellen einen verzerrten Ton hat. Jenseits dieser technischen Probleme würde ich aber persönlich auf keinen Fall sagen, dass die Pianisten, die sie unterrichtet hat, einen schlechten Klang erzeugen, im Gegenteil (ich habe mehrere persönlich live gehört). Einige von den in der Doku gezeigten Pianisten sind „recording artists“ (z.B. Alan Feinberg, Natan Brand) und unterrichten mittlerweile in international anerkannten Musikinstitutionen (z.B. Yoheved Kaplinski in Julliard, Robert Shannon in Oberlin). Die Doku ist auf YouTube in zwei Teile geteilt, falls diese nicht im 1. Teil zu hören sind. Es lohnt sich, den ganzen Film zu sehen mit all seinen Pianisten und nicht nur die Ausschnitte der Masterclasses, in diesen sind eigentlich nicht « ihre » Schüler zu hören.

D. Taubman ist von einer anderen Generation (sie muss jetzt über 90 Jahre alt sein) und, wie manch anderer Musiker auch, eine bunte Persönlichkeit. Ich kann verstehen, dass ihre persönliche Art nicht jedem gefällt. Sie war auch anders im Einzelunterricht als bei den Masterclasses. Aber ihr Wissen sollte nicht mit ihrer Art gleichgesetzt werden. Falls das ernsthaft ein Thema ist, wird es auch von anderen, im anderen Stil, ohne Gesang usw., vermittelt...

(mehr folgt) LG 4minuten33
 
Lieber 4minuten33,

danke für deine Mühe!!!

Leider ist es nicht immer der Fall, dass guter Klang automatisch zu einem Spiel, bei dem An- und Entspannung die richtige Balance haben, führt. Bei manchen vielleicht, aber die meisten von uns haben nicht einen Instinkt, der nur aus der Wahrnehmung der erzeugten Töne uns erlaubt, alle Antworten zu finden, oder Virtuosität zu erreichen.

Man kann ein hervorragender Musiker sein, ausgezeichnet spielen, schöne Klänge erzeugen und trotzdem dabei ungesunde Bewegungen verwenden (es können gute und auch ungesunde zusammen verwendet werden). Deswegen gibt es berühmte Pianisten und Virtuosen, die sich, auch langfristig, verletzen.

Sei mir nicht böse, aber ich habe starke Zweifel daran. Aus meiner Erfahrung bedeutet ein lebendiger Klang und besonders differenzierte und schön gestaltete Klangabläufe immer einen entsprechenden Bewegungsablauf, der nicht zu Verletzungen führt. Ich habe es nie anders erlebt, bin aber offen für andere Erfahrungen. Welche berühmten Pianisten haben sich denn in solcher Weise verletzt? Brendel ist ja ein Pianist, der recht verkrampft gespielt hat, aber auch nie Verletzungen gehabt hat, soweit ich weiß. Wir wissen aber alle, wie die Stimmer seiner Konzertinstrumente gestöhnt haben ob der extremen Intonation der Hämmer.... .

Dass D. Taubmann 90 ist und pädagogisch aus einer vergangenen Zeit kommt, akzeptiere ich, würde mir aber wünschen, dass es als Werbung oder für interessierte Klavierpädagogen ein aussagekräftigeres Video gibt.

Liebe Grüße

chiarina
 
:D - so sehe ich es auch! Tatsächlich kenne ich keinen, wenn man mal die Dystonie von Fleisher weglässt. :D

Komm mir jetzt keiner mit der Schumann-Kamelle! :p
es gab und gibt schon ein paar weitere (z.B. Martinez, der nach erfolgreich von Medizinern (sic!) behandelter Dystonie das katastrophal schwierige Klavierkonzert von Ginastera wieder spielen konnte und das WTK aufnahm) und es gibt auch ein paar, welche die rechte Hand nicht mehr benutzen können und ergo auf das rein linkshändige Repertoire zurückgreifen -- aber insgesamt ist das eine sehr geringe Minderheit.
 

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