Prima-Vista-Spiel

Ein Klavierkonzert begleiten einfach mal so, ist da definitiv bei manchen ohne Probleme drin. Auch Leute nur 1-2 Semester höher. Das kann ich absolut überhaupt gar nicht! Oder Leute die gar nicht Klavier studieren und nicht sehr gut an sich spielen, aber toll und einfach praktisch vom Blatt spielen und begleiten können.
Genau diese Gedanken hab ich auch schon oft gedacht :-D
Ich bin auch nicht mit besonders guten Blattspielfähigkeiten gesegnet und habe öfter darüber nachgedacht und dran gearbeitet. Hier meine Gedanken:

Ich bin der Ansicht, gut Blattspielen zu können ist eine Begabung, ähnlich wie gut in Gehörbildung zu sein. Manche können das, ohne je viel dafür getan zu haben. Das Gute ist aber: Wenn man nicht zur Blattspiel-Fraktion gehört, kann man es üben.

Wo ich Studiert habe, gab es eine Blattspielgruppe, die 8-Händig (an zwei Flügeln) Bearbeitungen von Kammermusik, Sinfonien etc. gespielt hat. Ich habe mehrere Semester gebraucht bis ich mich getraut habe, hinzugehen. Und dann bin ich mehrere Semester dringeblieben. Falls es bei dir sowas gibt, geh unbedingt hin, falls nicht, such dir Leute und macht das in eurer Freizeit. Ich fand das 100 Mal angenehmer, als das Prima-Vista-Spiel allein zu üben. Allein ist es frustrierend - es klingt nicht gut, man unterbricht sich dauernd, macht wenig Spaß.
In der Gruppe spielt vermutlich immer einer weiter, dadurch fällt es nicht so auf wenn man kurz aussetzt, außerdem ist man gezwungen, wieder reinzukommen. Es klingt viel schöner, und außerdem macht es tatsächlich Spaß und ist zudem sehr lustig!

Eine andere Möglichkeit ist, zu zweit (!) Beethovensonaten vom Blatt zu spielen - jeder eine Hand. Selten habe ich so gelacht, wie wenn ich das mit Freunden versucht habe. Dabei muss es ja nicht immer um ein musikalisch sinnvolles Ergebnis gehen... :-D

Und noch ein paar grundsätzliche Tipps:
1. Beide Hände immer an den Tasten lassen (nicht wegnehmen, wenn was nicht klappt)
2. Mach dich vertraut mit der Notationsweiese. Übe zu erkennen, wie Rhythmen strukturiert sind. Wo ist Taktmitte, wo sind Zählzeiten?
3. Weglassen, vereinfachen! Komplizierte Tonleiter? Spiel einfach irgendeine Tonleiter und halte dich nach Möglichkeit an die Vorzeichen, von denen du weißt dass sie gelten. Fette Akkorde? Spiel einfach Bass und Melodie.
4. Muster erkennen: Wiederholen sich Figuren, Rhythmen, Motive, Begleitpattern? Vielleicht kannst du manche davon sogar separat üben
5. Versuche, deinen Sichtkreis beim lesen zu erweitern. Wie weit kannst du vorauslesen? Bist du mit den Augen immer in den Noten?
6. Findest du dich blind auf den Tasten zurecht? Übe ab und zu, dir den Weg zu erfühlen. Die Finger wissen eigentlich längst, wo alles ist.

PS: Noten kaufen finde ich unnötig, ihr habt doch sicher eine unerschöpfliche Uni-Bib.
 
Gerade deine "grundsätzlichen Tipps" sind wirklich gut und sinnvoll denke ich. Ich glaube sehr schlecht bin ich in 3-5. Entweder ich mache es einfach nicht oder bin einfach noch zu langsam... Aber so kann ich es vielleicht gezielter üben... Nehme mir mal vor die nächsten 2 Wochen jeden Tag 30 Minuten alleine vom-Blatt zu spielen. Mal schauen ob es danach schon ein Resultat gibt (wahrscheinlich nicht, aber ich bin unglaublich ungeduldig! :zunge:)
 
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Wo ich Studiert habe, gab es eine Blattspielgruppe, die 8-Händig (an zwei Flügeln) Bearbeitungen von Kammermusik, Sinfonien etc. gespielt hat. Ich habe mehrere Semester gebraucht bis ich mich getraut habe, hinzugehen. Und dann bin ich mehrere Semester dringeblieben.
Ein Ad-Hoc-Ensemble aus Pianisten bilden? Sehr gute Idee, gerade weil Tastenspielern im Gegensatz zu den meisten Spielern von Orchesterinstrumenten zunächst die Möglichkeit fehlt, in einem gleichartig aufgebauten Ensemble Spielpraxis zu sammeln. Dort muss man sich um Synchronität mit den anderen Spielern bemühen und im Fluss bleiben, da ja in der Regel immer jemand weiterspielt.

Von diesen weisen die meisten unübersehbare Parallelen zum Handwerk eines Korrepetitors auf. Dazu gibt es allerhand Literatur - ein Korrepetitor spielt vieles mit wenig oder ganz ohne Vorbereitungszeit und muss in nicht immer übersichtlichen Satzbildern das Wesentliche erkennen. Generell gesagt: Bleibe immer in einem kontrollierten Spieltempo, als ob Du imaginäre Solisten begleiten müsstest. Zeichnet sich Überforderung (zu viele falsche Noten) ab, sollte man das Satzbild noch transparenter gestalten und sich noch mehr auf das Wesentliche konzentrieren.

LG von Rheinkultur
 
Ich bin ein 21-jähriger Student (Instrumentalpädagogik Klavier 2. Semester, oder wie auch immer es sonst an anderen Hochschulen genannt wird) und habe ein riesiges Problem mit dem Vom-Blatt-Spielen. Ich habe leider erst mit 17 angefangen richtig Klavier zu lernen bzw. richtig Noten zu lesen.
In kaum fünf Jahren dasselbe gelernt haben wie andere Gleichaltrige, die sonst im Durchschnitt zehn bis fünfzehn Jahre lang Unterricht hatten? Da gibt es auf jeden Fall einen gewissen "Trainingsrückstand", für dessen Bewältigung man einiges an Geduld benötigt.

LG von Rheinkultur
 
Wenn man bedenkt, dass Michi dafür in fünf Jahren an ein Niveau heranreicht, das andere in 10-15 Jahren erreichen, und das auch noch mit relativ wenig Übezeit in diesen fünf Jahren, kann man sich überlegen, was noch möglich ist. Wir hatten schonmal einen ähnlichen "Fall" hier @Frédéric Chopin, er hat glaub ich genau das realisiert, was Michi vor hat.
Ich habe ein paar Videos von Michi gesehen und muss sagen, dass ich sehr überrascht war, und zwar positiv. Wer mich kennt weiß, wie sparsam ich mit Lob umgehe, aber hier scheint mir wirklich eine besondere Begabung vorzuliegen! :-)
 

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